Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
<< WIEDERHOLUNG ALS ERNEUERUNG: Innovationsstrategien der Wiederholung in der Gegenwartsliteratur

"Die Anmut bleibt mit dem Splitter stecken" . Wiederholung als Moment der Konstruktion von Identität in Heinrich von Kleist's "Über das Marionettentheater"

Anna Babka (Universität Wien)

 

ABSTRACT:

Wie wird das Selbst im Text generiert? Wie wird Subjektivität gesetzt und über Akte der Wiederholung hervorgebracht und zugleich verschoben, verstört? In Kleists ästhetischer Schrift Über das Marionettentheater, erschienen in den Berliner Abendblättern vom 12. bis 15. Dezember 1810, findet der Leser die Geschichte über einen Jungen, der, indem er versucht jene antike Statue des Dornausziehers vor dem Spiegel nachzuahmen, seine zuvor vorhandene 'natürliche' Grazie verliert.

Der Bedeutungsprozess, von dem in meinem Vortrag die Rede sein wird, erfolgt über Wiederholungen, die ein Misslingen gewünschter, bewusst angestrebter Identität zur Folge haben. Der Jüngling im Kleistschen Text 'be-deutet' sich selbst und muss scheitern, weil er das Moment der Anmut nicht einholen kann. Der von ihm gewünschte Zustand ist nicht fixierbar, das 'freie Spiel der Gebärden', die 'Grazie', ist unwiderrufbar verloren. Die Wiederholungen führen zu einer permanenten Unterbrechung der Identität. Gerade aber dieses Moment der Unterbrechung muss nicht als Grund für den Verlust der Grazie gelesen werden. Denn trotz der Verschiebungen, die die Wiederholungen mit sich bringen, sind doch gerade diese die Basis jeder Identifikation. Die Identität, die hier verloren scheint, ist, um mit Jacques Derrida und Judith Butler zu argumentieren, nur über Wiederholungen möglich und verstehbar - als kontaminierte, also immer nur unrein konstruierte, als Phänomen der Iterabilität im Gegensatz zur Wiederholung.

Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9 - 11 december 2005

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