Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
<< Heilige vs. unheilige Schrift

Zum übertragenen Sinn

Adolf Holl (Wien)

 
ABSTRACT:

Auch die Verwalter der göttlichen Wörter benötigen den heiligen Geist. Sie wissen, daß sie keine Propheten sind, daß authentisches Kündertum nicht mehr möglich ist, nach dem Abschluß der Offenbarung. Ihre Aufgabe muß darin bestehen, das bereits Gesagte zu deuten, auszulegen, anzuwenden. Deshalb bedürfen sie des heiligen Geistes, als der besonderen Kraft, die sich auf die Propheten stürzte. Wie sonst sollten sie verstehen, was die mitunter dunklen, vieldeutigen, tiefsinnigen Wörter und Sätze der heiligen Schriften aussagen sollen, wenn nicht unter Anleitung ihres Urhebers.

Nicht mehr auf freiem Feld, in der Wüste und im Gebirge würde der heilige Geist fortan rumoren, sondern auf subtilere Weise, durch Einsicht, geistgeleitete Einsicht: intelligentia spiritualis. Der heilige Geist war zum Schriftsteller geworden, der gelesen werden wollte, immer wieder gelesen, bis der Augenblick eines neuen Verständnisses kam und der Exeget zur Feder griff, um am Rand des unverbrüchlichen Textes eine weitere Glosse anzubringen. Die Bibliotheken von Persien bis Irland begannen sich mit Kommentaren, Glossaren, Katechesen, Sentenzensammlungen zu füllen, und in den Bibliotheken saßen die Schriftgelehrten, um die vorhandenen Glossen mit zusätzlichen Bemerkungen zu versehen. je länger der Betrieb dauerte, desto schwerfälliger und geistloser wurde er. Die in ihm Beschäftigten werkten an einem Bau, der nicht fertig werden durfte.

Hierzu werden Überlegungen zu formulieren sein.

Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9 - 11 december 2005

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