Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

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Rustschuk und Marakkesch: Stationen der Multikulturalität in Canettis Vita

Dilek Altinkaya-Nergis (Universität Dokuz Eylül, Izmir) [BIO]

Email: dilek.nergis@deu.edu.tr

 


 

ABSTRACT:

Diese Studie stellt einen Versuch dar, den Einfluß und die Bedeutung der Multikulturalität in den Werken des Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti als Illustration einer Kultur ohne Grenzen zu ermitteln. Um den Rahmen des Beitrages begrenzen zu können, sollen diesbezüglich primär die Städte Rustschuk und Marakkesch in Canettis Werken Die gerettete Zunge (1977) und Die Stimmen von Marakkesch (1968) als multikulturelle Stationen innerhalb seiner Vita untersucht werden. Denn wie bekannt, wurde Elias Jacques Canetti bereits vor der Unabhängigkeit Bulgariens vom Osmanischen Reich als türkischer Staatsbürger und Kind sephardisch-spanolischer Juden in Rustschuk, in ein balkanisch-buntes und vielsprachiges Völkergemisch hineingeboren, wo “Menschen der verschiedensten Herkunft [lebten], an einem Tag konnte man sieben oder acht Sprachen hören” (Die gerettete Zunge, 1977: 10). Vielsprachig wuchs er anschließend in Wien, Zürich und London auf. Aber auch wenn Canetti später Wien als seine wichtige Lebensstation, sogar als seine “eigentliche Heimatstadt” bezeichnet hat, ist er fortan bald freiwillig, bald verfolgt stets als “europäischer Nomade” umhergezogen.

In den 50er Jahren traf Canetti auf einer dreiwöchigen Reise als Begleiter eines Filmteams in der Perle des Südens, sprich in Marakkesch, auf eine später von ihm als “phantastische, erbärmliche und schöne” Stadt bezeichnet, in deren Bevölkerung ebenso mehrere Kulturen koexistierten, und die ihn aufgrund ihrer multikulturalen Prägung ähnlich wie Rustschuk in ihren Bann zog und faszinierte. Denn bereits Canettis Aussage über seine in Rustschuk verlebten Kinderjahre, “Alles was ich später erlebt habe, war in Rustschuk schon einmal geschehen” (Die gerettete Zunge, 1977: 11) läßt vermuten, daß die Reise nach Marakkesch als eine Fahrt ins Innere, eine Reise zu den Wurzeln, zur verlorenen Welt der Kindheit und von der Suche nach der eigenen, mitteleuropäischen kulturellen Identität fungiert. Denn während Canetti in Marakkesch vor den Einheimischen als Engländer auftrat, gab er sich den Einwohnern der Mellah, des jüdischen Viertels gegenüber als Jude zu erkennen.

Es soll herausgefunden werden, ob die Vergangenheit und Gegenwart im Kulturreichtum der heterogenen Kulturen der beiden Städten Rustschuk und Marakkesch miteinander verschmelzen, und insbesondere, was die Stimmen aus Marakkesch aussagen.

 


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