Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

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Physis und Psyche im Lachen
Überlegungen zu einer Grundstruktur des Lachens und der Komik

Han-Soon Yim (Seoul National University, Korea) [BIO]

Email: yimhansn@snu.ac.kr

 


 

ABSTRACT:

Das Lachen ist eine meist unbewusste und unwillkürliche Reaktion auf bestimmte Reize, die sehr verschiedener Art sein können. Die Lachreize können rein körperlich sein: taktil wie beim Kitzeln, optisch oder akustisch. Sie werden jeweils von einem oder gleichzeitig von mehreren Sinnesorganen aufgenommen, ins Gehirn weitergeleitet, dort als lachhafte Reize wahrgenommen und gehen dann am Körper als Lachen auf. Doch das Lachen oder Lächeln kann ebenso durch emotionale oder geistige Impulse wie Erinnerungen, Erwartungen oder Vorstellungen hervorgerufen werden. Wenn man über ein Objekt lacht, so muss das Komische daran zuerst durch den Intellekt des Subjekts als solches erkannt werden. Auch funktional wirkt das Lachen sowohl physisch als auch psychisch auf den Lachenden zurück: Das gesamte körperliche System aus Muskeln, Nerven und Gehirn wird im Lachvorgang angespannt, erschüttert und dann wieder entspannt, wobei der Lachende vor allem in der Entspannungsphase eine „psychosomatisch“ katharsisartige Erleichterung empfindet. Gemäß der Witztheorie Sigmund Freuds reinigt das Lachen ebenfalls Körper und Geist, und zwar als Abfuhr psychischer, besonders im Unterbewusstsein aufgestauter sexueller Energien.

Die Dichotomie von Leib und Geist bzw. die philosophische Trichotomie von Leib, Seele und Geist, die sich im gesamten Lachvorgang widerspiegelt, gehört zu den Universalien des Lachens und gilt damit für alle Kulturen. Während sich die körperlichen Ausdrucksformen des Lachens und Lächelns sowie deren innere Vorgänge im allgemeinen über die Kulturgrenzen hinweg gleichen, können ihre Anlässe, Bedeutungen und Funktionen kulturell so unterschiedlich sein, dass sie erst im Rahmen einer historischen Anthropologie zu begreifen sind. In anthropologischer Hinsicht sind sie einerseits universell; andererseits sind sie geschichtlich und sozial bedingt. Die Universalien des Lachens und des Komischen bei dessen kultureller Bedingt- und Bestimmtheit sind nicht nur in anthropologischer Hinsicht anzunehmen, sondern auch in semiotischer, linguistischer, kognitiver, ästhetischer u.v.a., wie es in der gängigen Universalienforschung thematisiert wird: Universalien sind demnach „(empirisch-hypothetisch ermittelte) interkulturelle Invarianten von relativ großer Wahrscheinlichkeit" (Mecklenburg, Holenstein). Die Universalität des Komischen in diesem Sinn ist feststellbar sowohl in der sozialen Funktion (der gruppenstärkenden Kontrolle oder des ausgrenzenden, aggressiven Konflikts) als auch in der Struktur (Inkongruenz, Kontrast, Nachahmung, Wiederholung, Übertreibung u.a), Situation (mehr Humor im Stadt- als im Landleben oder umgekehrt) und Thematik (Eros, Dummheit, korrupte Autorität). Das Lachen beansprucht eine absolute Zeit für sich allein, weil es den Ablauf jeglicher logisch gesteuerten subjektiven wie intersubjektiven Handlung abrupt unterbricht und diese vorübergehend stilllegt. Universell ist auch, wie hier angedeutet, die Subversivität des Lachens. Nicht zuletzt dadurch stört das Lachen die soziale Ordnung, die bereits in der Antike und dann noch stärker seit der Neuzeit durch den Ausschluss des Lachens aus der Öffentlichkeit sowie weitere kleine Verbote der körperlichen Expressivität durchgesetzt worden ist. Die Wiederbelebung der Diskurse über das Lachen, die aus dem „Nullpunkt“ der Nachkriegszeit hervorgegangen ist (Dürrenmatt) und seitdem die gegenwärtige Kunst und Literatur allgemein zu kennzeichnen scheint, widerspiegelt u.a. die Sehnsucht des modernen Menschen nach einer Freiheit jenseits der Freiheit der Vernunft, die sich im Zuge der Dialektik der Aufklärung als Unfreiheit entpuppt hat.

Bei einem Versuch zur Begründung einer Tiefen- bzw. Grundstruktur des Lachens müssten eigentlich in einem umfangreicheren Forschungsplan möglichst viele der oben skizzierten und unterlassenen Universalien herangezogen und ausführlich überprüft werden. In meinem Beitrag werde ich dagegen einen umgekehrten Weg wählen und vornehmlich die Merkmale der lachhaften Laute untersuchen, um festzustellen, ob und inwieweit sich daraus und aus weiteren linguistischen und anthropologischen Ansätzen ein stichhaltiges Modell der Grundstruktur des Lachens und der Komik aufbauen lässt.

 


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