Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Transkulturelle Kompetenz in der Umwelt- und Entwicklungskommunikation

Thomas Bearth (Universität Zürich)
Kommunikative Nachhaltigkeit als Voraussetzung nachhaltiger Entwicklung

Entwicklungsprojekte in der Dritten Welt scheitern oft nicht im Bereich der konkreten Maßnahmen oder der Projektorganisation, sondern am Problem der Kommunikation mit der Zielgruppe und an der ungenügenden Wahrnehmung der innerhalb der Zielgruppe selbst ablaufenden Kommunikationsvorgänge. Verkannt wird insbesondere - dies trifft in hohem Mass auch auf die Literatur zum Thema Entwicklungskommunikation zu - die Schlüsselrolle der Lokalsprache. Diese wird, wenn überhaupt, als Instrument wahrgenommen, um Expertenwissen an die Zielgruppe "hinüberzubringen", kaum aber in ihrer für Umsetzung und Ergebnis zentralen Bedeutung als privilegiertes Medium konzeptueller Innovation und diskursiver Aushandlung.

Das Referat thematisiert die Wechselwirkung zwischen exogenen Impulsen und lokalsprachlich vermittelten endogenen Kommunikationsprozessen unter dem vorrangigen Bezug zur Nachhaltigkeit von Entwicklungsprojekten und informiert gleichzeitig über das von der Volkswagenstiftung geförderte Forschungsprojekt "Language, Gender and Sustainability", das sich, mit Beteiligung von Sprachwissenschaftlern und Entwicklungssoziologen der Universitäten Frankfurt, Kassel und Zürich sowie Partnern in Côte d'Ivoire, Indonesien und Namibia, derzeit in der Anlaufphase befindet.

Zentral für den Projektansatz ist das Konzept der kommunikativen Nachhaltigkeit. Es besagt unter anderem, dass die Indigenisierung des exogenen Diskurses für den Erfolg einer von aussen initiierten Entwicklungsintervention ausschlaggebend ist. Indigenisierung ist allerdings nicht passiv im Sinn der sprachlichen Integration innovativer Konzepte zu verstehen, sondern aktiv: die betroffene Gemeinschaft konstituiert sich selbst als Quelle des innovativen Diskurses und substituiert sich damit gewissermassen der exogenen Quelle. Das Konon-Ritual der Tura (Côte d'Ivoire) bietet ein Beispiel für eine im Repertoire traditioneller Interaktionsmuster vorgegebene Institutionalisierung dieses Prinzips.

Literaturhinweis

Bearth, Thomas 2000a. Language, communication and sustainable development: a neglected area of interdisciplinary research and practice. R. Häberli et al. (eds.), 2000, Transdisciplinary: Joint Problem-Solving among Science, Technology and Society. Workbook I: Dialogue Sessions and Idea Market. Zürich: Haffmans Sachbuch Verlag. 170-175

- 2000b. La bouche qui mange est aussi celle qui parle - aspects linguistiques et sociolinguistiques de la problématique nutritive. In: N. Stäuble Tercier et B. Sottas (éds), La sécurité alimentaire en questions. Dilemmes, constats et controverses. Paris: Karthala. 81-93.

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