Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Wirtschaft und Kultur

Catherine Roth (Frankfurt)
Können Frankreich und Deutschland gemeinsam das Prinzip der kulturellen Vielfalt in der Europäischen Union und den anderen europäischen Ländern unterstützen?

Es geht darum, die Hypothese des besonderen Wertes und der treibenden Kraft der deutsch-französischen Beziehungen im kulturellen Europa zu verifizieren. Die Vergrößerung der Europäischen Union kann tatsächlich auch eine Gefahr bedeuten, werden damit doch Länder integriert, die jahrzehntelang eine höchst negative Erfahrung mit staatlich gelenkter Kulturarbeit gemacht haben. Durchaus verständlich, wenn sie nun staatliches Handeln in diesem Bereich so gering wie möglich ansetzen möchten. Freilich wissen wir alle nur zu genau, wie wichtig für die kurz- wie langfristige Weiterentwicklung ambitionierter und nicht demagogischer kultureller Ausdrucksformen, die der Wirtschaftsliberalismus nur zu gern und rasch als unproduktiv abtut, die rahmenstiftende Rolle des Staates ist. Kann der Grundsatz des Ausnahmestatus der Kultur von Frankreich und Deutschland zusammen als gemeinsame Grundlage des Europas der 25 vorgeschlagen werden, kann das Prinzip der kulturellen Vielfalt (hervorgehend aus der "kulturellen Ausnahme") von Frankreich und Deutschland erfolgreich verteidigt werden?

1. Der Rahmen

a) Der Vertrag von Maastricht und die Arbeiten des Europarats
Was die Länder der Union betrifft, so räumt der Artikel 151 der E.U. eine kulturelle Zuständigkeit ein, aber gleichzeitig wird das Prinzip der Subsidiarität gewahrt: Die Zuständigkeit gilt nur ergänzend zu den nationalen Autoritäten und ist auf keinen Fall zwingend. In einem ihrer Berichte stellt die Kommission übrigens fest, dass es manchmal schwierig ist, die Ziele der Verträge zur Verwaltung der Europäischen Union und die Ziele der Kultur im eigentlichen Sinne in Einklang zu bringen, besonders bezüglich der Steuern und der Preispolitik.
Der Europarat nimmt auf der europäischen Leiter ebenfalls eine nicht zwingende Stellung bei seinen 45 Mitgliedern ein, indem er zwischenstaatliche Abkommen fördert.
b) Die deutsch-französischen Beziehungen
Die Festlichkeiten zum vierzigjährigen Jubiläum des Elysee-Vertrages, der im Januar 1963 von General de Gaulle und Kanzler Adenauer unterzeichnet wurde, haben den seit einigen Jahren verblassten deutsch-französischen Beziehungen neuen Aufschwung gegeben. Nicht zuletzt hat die gemeinsame Position Frankreichs und Deutschlands bezüglich des Kriegs im Irak die beiden Länder einander näher gebracht, nicht ausschließlich im Bereich der reinen Diplomatie. Die gegenwärtige Situation begünstigt also ein gemeinsames Handeln, auch auf kulturellem Gebiet.

2) Französische Besonderheiten, deutsche Besonderheiten: eine wechselseitige Bereicherung, von der Europa profitieren kann.

Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass das deutsche und das französische Ministerium für Kultur umgekehrte Wege verfolgen, die sie doch immer näher bringen: Frankreich dezentralisiert seine Kulturverwaltung und macht sich frei von Schwerfälligkeiten einer langen ministeriellen Tradition; Deutschland schafft und entwickelt erweiterte und für die europäische Frage unabdingbare Rechte seines Bundesministeriums gegenüber der kulturellen Hoheit der Länder.
Traditionsgemäß vertritt Frankreich die kulturelle Vielfalt auf nationaler Ebene (einer Nation gegenüber den anderen) und Deutschland auf regionaler Ebene (der Länder untereinander). Diese politischen Ansätze sind komplementär und können die Grundlage für eine gemeinsame Aktion auf europäischer Ebene sein.

DAS VERBINDENDE DER KULTUREN