Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Kunst und Neue Medien

H. Peter Ludwig
Das europäisch-westliche Urheberrecht: Ein Verbindendes oder Trennendes der Kulturen? 

Der Vortrag wird die Rolle, die das europäisch-westlich geprägte Urheberrecht für die Konfliktlösung und Freiheitsordnung in einer globalisierten Welt spielen kann, der sowohl nicht-europäische reale Kulturen - etwa der islamische oder chinesische Kulturkreis - als auch die sich damit überschneidende virtuelle Parallelkultur der digitalen Mediennetze angehören, beleuchten.

Die Suche nach dem "Verbindenden der Kulturen" kann verstanden werden als eine Strategie der Vermeidung der globalen Auseinandersetzung zwischen den Kulturen wie sie der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington in seinem Artikel "The Clash of Civilizations?" (Foreign Affairs, Summer 1993) vorhergesagt hat. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat die europäisch-amerikanische Dominanz in der Definition des Handlungsrahmens der Vereinten Nationen (UN) als zentralem Instrument zur Selbstdefinition und -konstitution der internationalen Staatengemeinschaft, trotz entgegenstehender anderer nationaler Verständnisse des Ranges und der Funktion normativer Strukturen, zu einem Vorrang europäisch-westlich verstandener Rechtsstrukturen in einer internationalen "Rechtsgemeinschaft" geführt. Dies gilt für die internationale Angleichung und Annäherung zivilrechtlicher Materien ebenso wie für das Völkerrecht.

Vor dem Hintergrund einer sowohl zunehmend globalisierten als auch durch weltumspannende Mediennetze geprägten Realität stellt sich jedoch verschärft die Frage nach der fortdauernden Prägungskraft und Funktionsfähigkeit des Rechtes und der Rechtskultur nach dem Muster der europäischen und westlichen Rechtsordnungen. Ebenso wie sich beispielsweise die Volksrepublik China lange Zeit der Garantie eines geistigen und gewerblichen Rechtsschutzes widersetzt und erst nach der wirtschaftlichen Liberalisierung und aufgrund des Wunsches nach einem Beitritt zur Welthandelsorganisation der Vereinten Nationen (WTO) entsprechende Gesetzeswerke erlassen hat, wünschten sich die Digerati der ersten Stunde einen Freiraum im globalen virtuellen Datenraum der Computernetze ohne Urheberrecht und sonstige normative Strukturen, nur um im Anschluß an die Erkenntnis, daß auch der Cyberspace kein Utopia ohne Interessen und Konflikte ist, nach einer immer umfangreicheren "Netiquette" als einer Art Rechtsersatz zu verlangen.

Wenn aber irgendeine Art von normativem System gefordert wird, ist damit noch nicht gesagt, ob die auf ihren jahrhundertealten Strukturen beruhenden vorhandenen Systeme wie das Urheberrecht (Droit d'auteur) oder Werkrecht (Copyright) der europäisch-amerikanischen Rechtstradition den neuen Ordnungsaufgaben entsprechen und eine globale Freiheitsordnung im 21. Jahrhundert garantieren können.

In dem Vortrag sollen die Konstruktionsprinzipien der europäisch-westlichen Urheberrechtsordnung ("geistige Schöpfung", "Originalität", "Urheber", "Werk") herausgearbeitet, mit dem nicht-europäischen Verständnis der Rolle des Rechts konfrontiert und mit dem Strukturmuster der virtuellen Welt als Inhalt der digitalen Mediennetze am Modell der "Medienkunst" abgeglichen werden. Dabei wird die Differenz der Strukturen erörtert werden. Schließlich sollen einige Maßstäbe eines Rechtsmodells für den geistigen Rechtsschutz nach europäisch-westlichen Vorstellungen formuliert und als Thesen vorgestellt werden, über deren Akzeptanz die nicht-europäischen Kulturkreise ebenso wie der "virtuelle Kulturkreis" der Digerati-Parallelkultur zu befinden hätten.

DAS VERBINDENDE DER KULTUREN