Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 13. Nr. Juli 2002

Die Darstellung Indiens in den Briefen und Berichten Bartholomäus Ziegenbalgs*

Rekha Kamath (New Delhi)

 

Asien war ein zentraler Gegenstand des europäischen wissenschaftlichen Interesses im 18. Jahrhundert. Im Rahmen enzyklopädischer Bemühungen um eine "Wissenschaft vom Menschen" entstand auch das Bedürfnis, mehr über die asiatischen Reiche zu erfahren, deren Bewohner nicht in das Schema des "guten Wilden" passten und deren Gesellschaftsstrukturen dem sog. "Naturzustand" längst entwachsen waren. Von allen asiatischen Ländern war Indien für europäische Reisende am zugänglichsten und wurde schon im 17. Jahrhundert bereist und beschrieben.(1)

Europäische Gelehrte bezogen im 17. und 18. Jahrhundert ihr Wissen über fremde Kulturen hauptsächlich aus Reiseberichten. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren neben den Reiseberichten vor allem die Briefe und Berichte europäischer Missionare eine wichtige Informationsquelle. Seit 1702 wurden Briefe jesuitischer Missionare dem breiteren Publikum in Europa durch den Druck zugänglich gemacht. (Lettres edifiantes et curieuses) Seit 1710 erschienen in Halle die sog. Halleschen Berichte, in denen die Missionsberichte und Briefe der ersten evangelischen Missionare in Südindien herausgegeben wurden.(2) Die missionarische Tätigkeit der evangelischen Kirche kam nur langsam in Gang. Als Grund für die Zurückhaltung wurde das Fehlen protestantischer Kolonien genannt. Dieser Grund entfiel spätestens im 17. Jahrhundert als holländische, dänische, englische und schwedische Handelskompanien ein weltweites Netz von Handelsniederlassungen errichten und somit Menschen und Gebiete unter ihre Kontrolle bringen konnten.(3) Außer diesem historischen Grund waren es jedoch innerkirchliche Aspekte, die eine institutionelle Ausbreitung der evangelischen Missionsarbeit verhinderten. Die lutherische Orthodoxie vertrat lange den Standpunkt, dass der Missionsbefehl nur an die Apostel ergangen und dass zu jener Zeit das Evangelium bereits in allen Ländern gepredigt worden sei. Im Unterschied dazu glaubten die Pietisten, dass "der Missionsbefehl konkrete und praktische Bedeutung für alle Zeiten habe."(4) Der Hofprediger in Kopenhagen, Dr. Lütkens, der dem pietistischen Kreis um August Hermann Francke (1663-1727) in Halle nahestand, bemühte sich deshalb, für den Missionsauftrag des Königs von Dänemark junge Theologen aus Halle zu finden. Auf diese Weise war der Hallesche Pietismus vom Anfang an mit der dänischen Mission verbunden. Halle war das geistige Zentrum der Mission; dort wurden die Missionare ausgewählt und dorthin schickten sie regelmäßig ihre Berichte, die von Francke und seinen Nachfolgern herausgegeben wurden. Bartholomäus Ziegenbalg (1682-1719) kam als erster deutscher lutherischer Missionar am 9. Juli 1706 im südindischen Tranquebar an. Zusammen mit Heinrich Plütschau gründete er im Auftrag des dänischen Königs, Friedrich Wilhelm IV. an diesem Ort das erste evangelische Missionswerk in Indien. Hier, wo die dänische Ost-Indien Kompanie einen Handelsstützpunkt errichtet hatte, wirkte Ziegenbalg bis zu seinem frühen Tode am 23. Februar 1719. Während dieser knapp 13 Jahre schickte Ziegenbalg nicht nur regelmäßig seine Berichte ab, sondern er führte auch eine ausführliche Korrespondenz mit verschiedenen Leuten in Europa.(5) Daneben aber schrieb er auch mehrere Arbeiten über Religion und Sitten der Tamilen, die allerdings erst im 20. Jahrhundert herausgegeben wurden.(6) Im folgenden sollen die Briefe und Berichte Ziegenbalgs im Hinblick auf ihre Darstellung eines fremden Landes und seiner Kultur untersucht werden. Dabei geht es insbesondere darum, den institutionellen Rahmen und die Publikumsorientierung der Textproduktion in den Blick zu nehmen, sofern sie Auswirkungen auf die Modi der Repräsentation haben. Die Spannungen zwischen lutherischer Orthodoxie und Pietismus, vor allem der Rechtfertigungszwang, in den die Pietisten durch die Übernahme der Mission gerieten, bilden den institutionellen Bezugspunkt der Briefe und Berichte Ziegenbalgs. Die eigene Arbeit beschränkt sich in der Darstellung nicht nur auf die Bekehrung der Heiden, sondern schließt in Ziegenbalgs Wahrnehmung auch die Aufgabe ein, den Heiden in Abgrenzung zur katholischen Mission das "wahre" Christentum zu zeigen und darüber hinaus das Ansehen Europas und des Christentums überhaupt zu retten, das durch das Leben der Europäer in diesen Ländern ernstlich gefährdet scheint. Besonders der letzte Aspekt führt dazu, dass Wertungen vertauscht und die Heiden als die besseren Menschen dargestellt werden. Drei Monate nach seiner Ankunft in Tranquebar beschreibt Zeigenbalg die vielen Hindernisse, die er und Plütschau zu bewältigen hatten. Das größte Hindernis, das immer wieder erwähnt wird, ist "der Christen ärgerlich Leben". In der Ersten Continuation der Halleschen Berichte wird ein Bericht Ziegenbalgs abgedruckt, in dem dieser ausführlich auf die unter den Einheimischen herrschenden Vorurteile gegen die Christen eingeht. Dort heißt es:

Nach gegebener Versicherung / sagten sie / daß sie uns Christen bishero für das allerdummeste und ungelehrteste Volck gehalten hätten / das so gantz keine reflexion machte weder auf GOTT noch auf das zukünftige Leben. Ich fragte / wie sie doch solches gedencken könten / da sie ja sähen / daß eine Kirche unter uns wäre / darinnen alle Woche dreymal gesungen und gepredigt würde / wobei sich denn alle Europäische Christen einfünden / und des Gottes-Dienstes pflegten. Darauf sagten sie / daß sie ein solches alles zwar sähen und höreten; gleichwohl hätten sie nichts anders gedacht / als daß unsere Prediger in der Kirche lehreten / wie man solte Sauffen / Fressen / Spielen / Huren und ihnen / den Schwarzen / allerley Böses anthun. Auf ferneres Befragen / was sie zu so argen Gedancken verleitet / antworteten sie; Sie verstünden die Dänische Sprache nicht / und könten also von unserem Gesetz nicht urtheilen; aber wenn sie unser Leben ansähen / so befünden sie / daß unsere Christen gleich nach der Kirche solche Dinge thäten. [...] Ich benham ihnen aber solchen Irthum / und zeigete / wie sie hinfüro nicht so wohl auf der Christen Leben / als auch auf ihre Lehre acht haben solten [...]. Diß geschahe vorher ehe wir unsere Jerusalems Kirche erbauet hatten. Nachdem sie aber nunmehro über ein gantzes Jahr in Malabarischer und Portugiesischer Sprache predigen gehört / haben sie nun gantz eine andere Meynung.(7)

Die Strategie dieser Zeilen zeigt sich in der schrittweisen Annäherung an die Rechtfertigung der eigenen Arbeit, die durch die Gegenüberstellung zu dem vorher beschriebenen Leben der Europäer in den Kolonien nicht nur in ein positives Licht gerückt wird, sondern angesichts des existierenden negativen Beispiels die zusätzliche Funktion bekommt, die christliche Lehre zu retten. Nicht nur der Berichtende denkt an den institutionellen Bezugspunkt, sondern auch Francke, der die Briefe und Berichte für die Halleschen Berichte auswählt und ediert, fügt diesen Bericht mit Bedacht in die Erste Continuation derselben ein. 1708 fand an der Universität Wittenberg eine öffentliche Disputation statt, in der das Missionswerk der Pietisten aufs schärfste angegriffen und die Missionare als "falsche Apostel" kritisiert wurden, die in fernen Ländern nicht nur gegen die dort schon etablierten Kirchen handelten, sondern vornehmlich aus Gewinnsucht und Profitgier in ferne Länder reisten.(8) Die Wiedergabe von Ziegenbalgs Bericht soll in diesem Zusammenhang auch der Beschuldigung entgegenwirken, dass die Missionare "die unter den Heyden schon gesammelte Kirche einreissen / zertrennen und zerstreuen" würden.(9) Durch die Auswahl des Berichts für den Druck geht Francke in die Offensive. Die etablierten Kirchen in den Handelskolonien und das Leben der europäischen Christen darin seien ein Makel für das Christentum und ein Hindernis bei der Missionierung. Die Missionare könnten sich daher diesem gemachten Anfang nicht anschließen und mussten vom Grund auf neu beginnen. Die ausführlichen Berichte über den Fortgang der Arbeit bei der Bekehrung der Heiden in den Halleschen Berichten dienten selbstverständlich primär dazu, die Missionsarbeit bekannt zu machen, damit Spenden gesammelt werden konnten. Darüber hinaus aber hatten die herausgegebenen Berichte eine ethnologische Funktion, denn die Leser wollten /sollten auch "kuriose" Nachrichten über das ferne Land bekommen. Deshalb berichtete Ziegenbalg auch über die Menschen, ihre Denkweisen, ihre religiösen Praktiken u.v.m.. Bei der Übermittlung von solchen Informationen in seinen Briefen richtet sich Ziegenbalg oft nach dem Adressaten und wechselt seine Darstellung dementspechend. In seinem ersten Brief an den König von Dänemark vom Oktober 1706 heißt es:

Sintemal es fast durchgehend ein wildes und freches Volk ist und solche Leute, welche bisher ans gerechte Gerichte Gottes dahingegeben zu tun, das nicht tauget, so daß sie auch die Sklaverei des Satans (worinnen sie leider stecken!) für eine sonderliche Freiheit achten, sich dabei kühnlich berufend auf das Altertum ihrer greulichen Abgötterei...(10)

Diese Darstellung eines wilden und frechen Volkes steht einem anderen Bild gegenüber, das Ziegenbalg kurz zuvor, Ende September 1706, in einem Brief an Freunde in Deutschland von eben diesem Volk zeichnet. Er berichtet darin von seinen Fortschritten beim Erlernen der Landessprache und äußert dabei den Wunsch, dass diese Sprache auch in Europa gelehrt und gelernt würde, damit dieses Volk aus seiner heidnischen Blindheit geführt werden könnte. Darüber hinaus würde es, wie er schreibt,

der Nutzen auch dieser sein, daß man aus ihren Schriften die Arcana ihrer Theologie und Philosophie verstehen könnte, darinnen man vielleicht so viel gutes und vernunftmäßiges antreffen würde als in dem schon längst ausgegrübelten Aristoteles oder anderen heidnischen Scribenten. Wie ich denn bezeugen muß, daß mir mein 70jähriger Schulmeister oft solche Fragen vorlegt, daraus ich genugsam verstehen kann, daß in ihrer Philosophie nicht alles so gar ungereimt sein mag, als man sich im Vaterland von dergleichen Heiden wohl einzubilden pflegt.(11)

Durch diese Gegenüberstellung wird deutlich, dass die Darstellung der Fremde auch vom Adressaten abhängig ist. Der andere wichtige Faktor ist natürlich der Gegenstand der Darstellung. Der Bericht an den König handelt von der "Abgötterei der Heiden", die Ziegenbalg als Christ abstößt. In dem Brief an die Freunde dagegen vermutet er aufgrund seiner Erfahrungen mit seinem alten Sprachlehrer, dass dieses "wilde und freche Volk" vielleicht doch über ein vernünftiges Philosophiesystem verfügt. Hier ist das erste Anzeichen dafür, dass zwischen Ziegenbalgs Funktion als Missionar einerseits und als Wissenschaftler andererseits ein Widerspruch entstehen könnte. Als Missionar liebt er die Heiden, die er bekehren will und legt damit eine eher paternalistische Haltung an den Tag. Als Wissenschaftler lernt er sie respektieren und muss manche mitgebrachten Vorurteile aufgeben. Die Aufrechterhaltung einer Grenzziehung zwischen den "Wilden" und den Zivilisierten fällt ihm zunehmend schwer, vor allem nachdem er die Sprache so weit beherrscht, dass er sowohl lange Gespräche mit den Tamilen führen als auch ihre Schriften lesen kann. In der Vorrede zu seinen ersten Übersetzungen aus Tamil-Schriften(12) stellt er 1708 fest:

Es sind wol die meisten Christen in Europa von solcher Meynung / daß die Malabarischen Heyden ein recht barbarisches Volk seyn / das nichts wisse wie von dem einigen wahren GOTT / also auch von anderer Gelehrsamkeit / und guten Sitten oder moral-Tugenden. Solches aber kommt daher / daß die Europäer so unter den Malabaren etwa gewesen / deroselben Sprache nicht recht kundig gewesen sind / noch ihre Bücher gelesen / sondern nur äusserlichem Ansehen diese und jene Schlüsse gemacht haben. Wie ich denn selbst von mir gestehen muß / daß / als ich anfänglich unter diese Heyden kam / ich mir nicht einbilden konte / daß ihre Sprache eine recht regul-mäßige Sprache / oder ihr leben ein recht / oder bürgerlich eingerichtetes Menschen-Leben wäre / sondern machte mir allerley falsche Concepte von allem ihrem Thun und Lassen / und als wenn ihnen weder Bürgerliches noch moral-Gesetz wäre [...]. Sobald ich aber ihrer Sprache ein wenig kundig wurde / und in derselben mit ihnen von allerley Dingen reden kunte / wurde ich almälich von dieser Einbildung befreyet / so daß ich eine weit besser Meynung von ihnen zu fassen anfing. Da ich aber gäntzlich zu dem Vermögen kame / daß ich ihre eigenen Bücher lesen konte / ward ich inne / daß unter ihnen eben diejenigen Philosophischen disciplinen nach ihrer Art gantz ordentlich dociret würden / die etwa in Europa unter denen Gelehrten möchten tractiret werden; auch / daß sie ein ordentliches aufgeschriebenes Gesetz hätten [...](13)

Es finden keine strategischen Vertauschungen mehr statt. Dazu besteht auch keine Notwendigkeit, denn es geht allein darum, zu zeigen, dass dieses Volk auch über ein gewisses Maß an Zivilisation verfügt. Der einzige, allerdings maßgebliche Unterschied liegt dann in der Religion. Allein der Glauben rechtfertigt die Notwendigkeit der Bekehrung anderweitig zivilisierter Menschen. Durch die Attribute "wahr" und "falsch" wird jede aufflackernde Unsicherheit wieder in die rechte Bahn geleitet. Ziegenbalg rechtfertigt die Mitteilung der kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen der Tamilen mit der Überlegung, dass der Missionar unter diesen Umständen mehr überzeugen und bessere Argumente entwickeln muss. Diesbezüglich schreibt Ziegenbalg 1708 in einem Brief an Dr. Lütkens in Kopenhagen:

Unerachtet aber daß sie beydes mit ihrer Lehre und Leben in großen Irrthümern und starcker Finsternis einhergehen, so muß ich doch gestehen, daß ich aus ihren Discursen oftmals zu einem großen Nachdenken über diese und jene Materie bewogen worden, und also allhier unter den Heyden so wohl in Theologicis als auch Philosophicis vieles erfahren habe, woran ich, oder sonsten andere Gelehrten, niemals hätte dencken können. Ich erinnere mich, das unterschiedliche Gelehrte in Europa etwas von der Art und Weyse die Heiden zu bekehren geschrieben haben; aber sie haben gut schreiben gehabt, da sie nur allein mit sich selbst argumentirt haben. Solten sie selbst unter die Heyden kommen, und ihres Zustandes sich recht erkundigen, so würden sie erfahren, daß solche Heyden auf ein Argument oft zehen andere zu machen wüsten. Daher ist eine große Weisheit vonnöthen, mit solchen Hezden umzugehen, und sie zu einer rechten Überzeugung zu bringen, daß ihr Heydenthum falsch und unser Christenthum( w)ahr sey.(14)


Ziegenbalg weicht hier einer Auseinandersetzung mit den philosophischen Disziplinen und den Argumenten der Heiden aus, indem er sich auf die Position zurückzieht, dass allein vom christlichen Gott die nötige Weisheit für die Bekehrungsarbeit kommen könne.(15) Ein rechtes Leben in Gott, vorgeführt von den Missionaren, hätte demzufolge die stärkste Überzeugungskraft. Die Grenzziehung zwischen dem Selbst und dem Anderen wird auf die Frage der Religion reduziert, wobei auch dieser Unterschied durch die Tätigkeit des Missionars aufgehoben werden soll. Neben dem rechten Leben in Gott hält Ziegenbalg es aber doch für wichtig, die geistigen, philosophischen und moralischen Grundlagen der fremden Kultur kennenzulernen, nicht zuletzt um sie mit größerem Gewicht kritisieren zu können. Diesen Zweck seiner Studien betont Ziegenbalg in mehreren Briefen wie auch im Vorwort zu seiner Beschreibung des Malabarischen Heidenthums; einer Schrift, die erst 1926 herausgegeben wurde. Dort heißt es:

[...] so ist unter anderen die Untersuchung ihrer Irrthümer meine Amts-Pflicht mit gewesen, welche ich theils im Lesen ihrer Bücher, theils in den vielfältigen Discoursen mit ihnen fleißig observiret habe, damit ich mächtig seyn könne, ihnen nicht nur allein die Wahrheit unserer Christlichen Religion deutlich und einfältig vor zu stellen, sondern auch die Falschheit ihres Götzendienstes ihnen darzulegen und mit ihren eignen Lehrsätzen zu widerlegen.(16)

Neben der Lektüre der Tamil-Schriften führte Ziegenbalg nicht nur ausgedehnte Gespräche mit Menschen, die er auf Reisen traf, sondern er korrespondierte auch mit indischen Gelehrten. Zwischen 1712 und 1714 schickten Ziegenbalg und der 1709 neu dazugekommene Missionar Johann Ernst Gründler(17)verschiedene Fragen zur Religion, zu den Sitten und Lebensgewohnheiten der Tamilen an verschiedene Inder ihrer Bekanntschaft. Die Antwortbriefe der Inder übersetzte Gründler und schickte sie unter dem Titel "Malabarische Korrespondenz" an Francke, der sie 1714 bzw.1717 in den Halleschen Berichten veröffentlichte.(18) Bevor wir die Malabarische Korrespondenz näher betrachten, müssen wir uns fragen, warum Ziegenbalg und Gründler diese Korrespondenz eingeleitet haben. Hier dient vielleicht auch das Publikumsinteresse als Erklärung.(19) In den Briefen Ziegenbalgs tauchen oft Varianten des Satzes auf: "[...] wie ich oft durch brieffe aus Europa ersuchet worden, dasz ich von diesen heiden etwas umständliches berichten möchte[...]"(20) Neben seiner Tätigkeit als Missionar betrachtet es Ziegenbalg als weitere Pflicht, interessierten Europäern als Informant zu dienen. Es ist wohl eine Wirkung der Halleschen Berichte mit gewesen, dass die europäische Imagination in bezug auf Indien angeregt wurde. Die Missionare erhielten Briefe von Freunden, von Gönnern der Mission sowie von unbekannten Leuten mit der Bitte um Informationen zu einem breiten Spektrum von Fragen, "theils curiös, theils nützlich, theils auch ihnen nötig."(21) Die Adjektive, die Ziegenbalg hier benutzt, geben Anhaltspunkte die Bandbreite der gewünschten Informationen sowie die Motive der Fragenden betreffend. Die "curiösen" Fragen drücken den Wunsch aus, Näheres über dieses ferne Land zu hören; sie haben ihren Grund in dem, was oben die "europäische Imagination" genannt wurde.(22) Die nützlichen und nötigen Fragen haben ihren Ursprung in dem Verlangen wissenschaftlich interessierter Menschen, aus einer neuen Quelle Spezifisches über ihr Interessengebiet zu erfahren, z.B. die Fragen von Ärzten und Medizinern zum Stand der Medizin und Arzneikunst in Indien.(23) In seinen Antworten versucht Ziegenbalg ein ausgewogenes Bild vom Land und von den Menschen zu geben, denn es geht ihm darum, manche in Europa herrschenden Vorurteile über die Inder zu beseitigen. Es zeigt sich der Wunsch, bei der Darstellung dieser Kultur nach aussen ihre Vorzüge hervorzuheben, um Gerechtigkeit in ihrer Bewertung sicherzustellen. Gleichzeitig wird betont, dass die Bekehrungsarbeit auf Menschen zielt, die es verdienen, Christen zu werden.(24) Aus diesem Verständnis der Missionsarbeit heraus ist auch die Malabarische Korrespondenz zu verstehen. Ziegenbalg und Gründler nehmen es auf sich, der europäischen Öffentlichkeit Nachrichten über eine fremde Kultur zu liefern. Was die Malabarische Korrespondenz von den anderen Versuchen Ziegenbalgs und Gründlers unterscheidet, Antworten auf Fragen aus Europa zu geben, ist die Tatsache, dass hier der fremde Kontinent nicht aus der Perspektive des Europäers, sondern aus der Sicht der Inder selbst dargestellt wird. Diesen Aspekt hebt Herder schon 1802 hervor, wenn er in der Adrastea in einer Schrift mit dem Titel Propaganda schreibt:

Ungleich sind zwar [...] die Berichte der Mission, und haben jetzt, da Indien durch mehrere Nationen bekannt ist, viel an ihrem Intreße verlohren; Anfangs aber, aber auch in der Folge periodisch hie und da zeichneten sie sich durch Briefe der Bramanen, durch Unterredungen mit ihnen und anderen, Indiern und Muhammedanern sehr aus. Man hörte die Hindus selbst sprechen, ihren Glauben und ihre Lebensart verteidigen; man sah sie leben.(25)

In den auf diese Schrift folgenden Gespräche[n] über die Bekehrung der Indier durch unsere europäischen Christen sind die kolonial- und missionskritischen Äußerungen, die in den Mund des "Asiaten" gelegt werden, im Inhalt und Ton den Briefen der Malabarischen Korrespondenz sehr nahe.(26) Die Briefe, die in den Halleschen Berichten von 1714 bzw.1717 gedruckt wurden, stellen das Resultat einer "ethnologischen Befragung" dar.(27) Wie immer bei einem solchen Unternehmen sind auch hier die gewonnenen Informationen Antworten auf Fragen, die die Missionare gestellt und daher in gewissem Sinne gelenkt haben. Das Verdienst Ziegenbalgs und Gründlers liegt nicht nur in der Initiierung dieser Korrespondenz oder in der Übersetzung der Briefe, sondern auch auf der Ebene der Textproduktion, die sehr modern anmutet. Statt die Informationen in einem eigenen Text zusammenzufassen und aus ihrer Perspektive über die abgehandelten Themenbereiche zu berichten, beschränken sie sich auf Erläuterungen, die den übersetzten Briefen als Fußnoten beigefügt werden. Auf diese Weise gewinnt der Text eine doppelte Perspektive, die es beiden Seiten ermöglicht, ihre Sichtweise in die Darstellung einzubringen. Selbstverständlich behandeln die meisten Fragen Aspekte der Religion, denn Ziegenbalg ging es erklärtermaßen darum, in das geistige und religiöse Leben der Tamilen einzudringen, um sie besser verstehen und dadurch seine missionarische Aufgabe besser erfüllen zu können. Dabei ist es bezeichnend, dass nicht nur nach den religiösen Prinzipien des Hinduismus gefragt wird, sondern auch nach der Meinung der Korrespondenten über das Christentum. Auf diese Weise kommt eine Beurteilung der Europäer und ihrer Religion zum Ausdruck, die nicht nur für den missionarischen Rahmen in der Zeit ungewöhnlich war.(28) Die drei Fragen an den ersten Korrespondenten sind in dieser Hinsicht aufschlussreich:

1. Frage: Wie die malabarische Religion in die Welt kommen sey? 2. Frage: Was für Gedanken die Malabaren von der Christlichen Religion und Gesetz hegen? 3. Frage: Warum die Malabaren sich weigern, zu der Christlichen Religion zu treten?(29)

Bei seinen Antworten auf diese drei Fragen hat der indische Korrespondent nicht nur Gelegenheit, Auskunft über die eigene Religion zu geben, sondern sie auch im Verhältnis zum beobachteten Leben der Christen zu erläutern und zu bewerten. Für das frühe 18. Jahrhundert stellt eine derartige Bewertung der Europäer aus der Sicht der Inder die große Ausnahme dar. Auch wenn die Intention von Ziegenbalgs und Gründlers Fragen eine Funktionalisierung der mitgeteilten Informationen enthielt, bleibt die Tatsache bestehen, dass eine solche schriftlich festgehaltene Bewertung und Beurteilung ohne diese Korrespondenz nicht zustande gekommen wäre. Mit Hilfe der Erläuterungen versuchen Ziegenbalg und Gründler für den europäischen Leser zu vermitteln und die Perspektive wieder zurechtzurücken. An vielen Stellen aber geben sie diese Rolle auf, um die Christen in Indien und Europa durch den Vergleich mit den "Heiden" zum besseren Christentum aufzufordern. Die Antwort auf die zweite Frage endet zum Beispiel mit den folgenden Zeilen des indischen Korrespondenten:

Im übrigen / was das Gesetz der Christen an sich selbsten anlanget / so kan man solches nicht verwerffen. Die Christen haben ein heiliges Gesetz aber keine Wercke. Unser Gesetz ist nicht allein ein heiliges Gesetz / sondern es hat auch Wercke.(30)

Im Kommentar zu diesem Brief heißt es dann:

Die Wercke dieser Heyden sind viel und mannigfaltig. Und ob sie bloß im äusserlichen bestehen, so beschämen sie doch viele Christen mit dergleichen Bemühung, die sie nach ihrem Gesetz sich machen, um die Seligkeit zu erwerben.(31)

Unkommentiert (aus Zeitmangel?) bleibt dagegen die Aussage des indischen Korrespondenten des 26. Briefes, die das christliche Sendungsbewusstheit überhaupt in Frage stellt und für Differenz plädiert. Er schreibt:

Eine jedwede Nation hat ihre besondere Tracht, Sitten und Rechte, die der anderen Nation ungereimt vorkommen. Also ist´s auch mit der Religion. Gott ist mannigfaltig in seinen Kreaturen und mannigfaltig in seinen Werken. Daher will er auch mannigfaltig verehret werden.(32)

Die von Ziegenbalg und Gründler entworfenen Fragen geben den Antwortenden die Möglichkeit, über viele verschiedene Aspekte der Religion, der religiösen Zeremonien, der Schriften und des Moralgesetzes Auskunft zu erteilen. Es werden aber auch Fragen zu Aspekten der sozialen Organisation des Lebens gestellt, so zum Kastensystem, zu den verschiedenen Berufen, zur Stellung der Brahmanen, zur Erziehung der Kinder, zur Polygamie und zur Witwenverbrennung. Darüber hinaus gibt es auch Fragen zur Rechenkunst und Astronomie, zu den Pflanzen und zum Ackerbau. Die Malabarische Korrespondenz vermittelte dem europäischen Leser folglich eine breite Palette von Informationen. Obwohl Ziegenbalg und Gründler das Führen der Korrespondenz nebst erläuternden Übersetzungen als Teil ihrer Amtspflicht betrachteten, ist der Gestus dieser Korrespondenz einer der gegenseitigen Achtung, die interkulturelle Grenzziehungen zwar thematisiert, gleichzeitig jedoch die Differenzen - auf der Seite der indischen Korrrespondenten jedenfalls - toleriert und annimmt. Obwohl die Missionare die religiöse Differenz nicht akzeptieren dürfen, bezeugen sie durch ihre Haltung die Bereitschaft, den Anderen anzuhören. Das Publikumskalkül, das ausschlaggebend für die oben dargestellten Nachrichten in den Briefen Ziegenbalgs war, spielte auch in der Herausgebertätigkeit Franckes eine wesentliche Rolle, wenn auch unter entgegengesetzten Vorzeichen. Denn in dem Maße, wie Ziegenbalg sich zum Indologen entwickelte und immer mehr aus den alten Tamil-Schriften übersetzte, wurde Francke zunehmend zum Zensor, der, den öffentlichen und den institutionellen Standpunkt gegeneinander abwägend, die nach Halle geschickten indologischen Arbeiten Ziegenbalgs der Öffentlichkeit vorenthielt. Dass ausgerechnet die indologischen Arbeiten Ziegenblags nicht veröffentlicht wurden, hat zu vielen Vermutungen und Interpretationen Anlaß gegeben. Mit dem oft zitierten Satz Franckes, dass die Missionare "ausgesandt seien, das Heidentum in Indien auszurotten, nicht aber den heidnischen Unsinn in Europa zu verbreiten",(33) wird Francke ein religiöser Dogmatismus unterstellt, den die Missionare selbst überwunden hätten.(34) Der Brief, den Prof. Michaelis 1710 aus Halle an die Missionare schrieb, um die Nicht-Veröffentlichung des Malabarischen Heidenthums zu erklären, entwickelte diese Stellungnahme Franckes in höflicher Form weiter:

Es wurden, wie wir leicht vorher sehen, allerlei Critiquen teils von widrigen, teils auch von guten Gemütern darüber gemachet werden, z.B. daß die Missionare in Ost-Indien viele Zeit übrig haben müßten, weil sie so viele Bücher schrieben, daß man die malabarischen Götter hier in Europa bekannt mache, deren Namen und Dienst man vielmehr (so viel an uns ist) in ewige Vergessenheit begraben sollte und dergleichen.(35)

Das Lesepublikum als Bezugspunkt gewann für Ziegenbalg und die Hallenser seit 1709 eine neue Dimension, als eine erste englische Übersetzung der frühen Briefe und Berichte der deutschen Missionare in London erschien.(36) Der Übersetzer, A.W. Böhme, war nicht nur ehemaliger Student und Freund Franckes, sondern gleichzeitig auch Hofprediger in England. Böhme warb für die Unterstützung der Mission in England, und durch seine Bemühungen übernahm die neugegründete "Society for Promoting Christian Knowledge" (SPCK) einen Großteil der finanziellen Unterstützung des Missionswerkes. 1711 wurde auch die erste indische Druckpresse von dieser Gesellschaft bezahlt und in Tranquebar aufgestellt.(37) Angesichts der Schwierigkeiten mit der dänischen Kompanie vor Ort(38) und angesichts des Ausbleibens eines die Streitigkeiten schlichtenden Befehls aus Kopenhagen überrascht es nicht, dass die Missionare die Unterstützung anderer Regierungen suchten. Sie wandten sich immer wieder an den englischen Gouverneur von Madras, der ihnen in jeder Angelegenheit entgegenkam. Von der Benutzung englischer Schiffe für ihre Post über die Erlaubnis, im englischen Hoheitsgebiet zu missionieren, und bis zum Vorstrecken von Geld in schwierigen Notlagen bemühte sich der Gouverneur um die Unterstützung des Missionswerkes. Mit Hilfe der Engländer konnten Ziegenbalg und Gründler 1717 Schulen in Cuddalore und Madras einrichten, die ganz von der englischen Kompanie und der SPCK finanziert wurden. Auf diese Weise entstand auch eine Korrespondenz mit England. Die Briefe aus England enthielten viele Fragen über das Land und die Menschen. 1712 schreibt Ziegenbalg an Böhme:

Und weil wir in den Observandis [...] ersehen haben, daß man gern eine nähere Beschreibung von dieser Küste oder wo möglich eine akkurate Landkarte von selbiger haben wolle, so haben wir vor der Hand kein besser Mittel gewußt, als daß wir, weil wir nicht selbst Freiheit zu reisen haben, zwei Heiden ins Tanjoursche Land ausgesendet und sie instruiert haben, was sie sonderlich observieren und schriftlich an uns von der Beschaffenheit des Landes referieren sollen. Diese ihre schriftlichen Relationen kommen nunmehr gleichfalls nach Europa unter dem Titel: "Kurze Nachrichten etc. [...]"(39)

Auch England hat in den Missionaren Informanten gesehen, die nicht nur die fremde Kultur darstellen konnten, sondern von denen auch Informationen ganz praktischer Art zu bekommen waren.(40) Religiöse, wirtschaftliche und politische Interessen konnten dabei bedient werden. Das Interesse Englands an diesem Missionswerk kann insbesondere nicht ohne Berücksichtigung des politischen Faktors betrachtet werden. So wie Ziegenbalg seine Religionsforschungen für die Ausarbeitung einer Missionsstrategie benutzen wollte, so war auch die Möglichkeit der politischen Funktionalisierung der durch die Missionare vermittelten Informationen vorhanden. Obwohl Ziegenbalgs wissenschaftliche Arbeiten zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht wurden, stellen seine Briefe und Berichte nach Halle, Kopenhagen und London eine reiche Quelle für Informationen über das damalige Südindien dar. Neben seinen religionswissenschaftlichen Forschungen schrieb Ziegenbalg ein Lexikon und eine Grammatik des Tamil, die auch dazu benutzt werden sollten, seine Nachfolger frühzeitig in die Landessprache einzuführen.(41) Selbst diese Arbeiten Ziegenbalgs, die gleich in Halle in Druck gingen, wurden von der am Anfang des 19.Jahrhunderts einsetzenden Indologie nicht beachtet. Die Würdigung von Ziegenbalgs Arbeit begann erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Veröffentlichung seiner Genealogie der malabarischen Götter. Auch danach war der Name Ziegenbalg lange Zeit nur in missionswissenschaftlichen und religionsgeschichtlichen Kreisen bekannt.(42) Erst langsam setzte eine Würdigung Ziegenbalgs auch in indologischen Kreisen ein. Gita Dharampal weist auf diese Ausgrenzung Ziegenbalgs und seiner Nachfolger durch die Indologie hin und erklärt sie durch das ausschließliche Interesse der deutschen Indologie des 19. Jahrhunderts am klassischen Sanskrit:

Though the linguistic contributions of these missionaries must have greatly influenced the upsurge of interest in Oriental philology especially in Denmark, where a university faculty was founded, the fact however that Ziegenbalg´s and his successor´s names were until quite recently scarcely known in Indological circles is especially revealing. Indeed, this testifies to a striking lack of interest in Tamil and other South Indian languages due to the virtually unilateral concern, in particular of nineteenth century indologists, with Sanskrit and the classical Brahmanic culture of the North.(43)

Diese Grenzziehung zwischen dem "indoarischen" Sanskrit und den südindischen drawidischen Sprachen ist eine Erklärung für die Nicht-Beachtung der durch die Missionare geleisteten Arbeit. Eine andere Erklärung weist auf eine Grenzziehung zwischen einer neu entstehenden Wissenschaft und den religiösen Institutionen:

Dieser Umstand [Nicht-Beachtung des Quellenmaterials, R.K.] mag angesichts der in Deutschland selbst vorhandenen Quellen in Gestalt der von deutschen Missionaren geleisteten "Vorarbeiten" merkwürdig erscheinen, ist aber wahrscheinlich sowohl mit dem Verhalten der missionstragenden Einrichtung selbst, die ein Zusammenwirken kirchlicher und weltlicher Forschungen verhinderte [...], als auch im Bestreben jüngerer Wissenschaften, sich unabhängig von der Theologie zu entwickeln, zu erklären.(44)

Kulturelle, wissenschaftpolitische und ideologische Grenzziehungen bestimmen also auch das weitere Schicksal der Briefe und Berichte Ziegenbalgs, die in vieler Hinsicht eine weit offenere Haltung bezeugen als die vieler Wissenschaftler im 19. Jahrhundert. Durch die Darstellung des gegenwärtigen Lebens, durch die ständig neuen Beobachtungen während eines 13jährigen Aufenthaltes entsteht ein lebendiges und schillerndes Bild Südindiens, das nicht in Gefahr gerät, zu einem monolithischen Diskurs zu werden.


© Rekha Kamath (New Delhi)

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FUSSNOTEN:

* Ausführliche Version eines Vortrags, der im März 2002 bei einer Konferenz der Goethe Society of India gehalten wurde. Der Aufsatz wird auch im Jahrbuch der Goethe Society of India 2002-2003 erscheinen. Während eines einwöchigen Aufenthaltes in Halle habe ich einen ersten Einblick in das Indienmaterial der Franckeschen Stiftungen bekommen. Den Mitarbeitern der Stiftungen gehört mein aufrichtiger Dank für das freundliche und hilfsbereite Entgegenkommen. Vor allem Frau Baumann und Frau Friedrich in der Bibliothek danke ich für das Kopieren in der Sommerhitze. Michael Redeker und Anil Bhatti danke ich für Gespräche; Philipp Löser für Korrekturen und Christa Mellis für Freundschaft und für die Unterkunft in Tübingen, wo ich ergänzendes Material sammeln konnte.

(1) Vgl. Jürgen Osterhammel, Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert. München 1998, S. 102.

(2) Der volle Titel lautet: Der Königlich-Dänischen Missionarien aus Ost-Indien eingesandte ausführliche Berichte. Bd. I - IX, 1.-108. Continuation. Halle 1710-1772. Im folgenden: Hallesche Berichte.

(3) Aus England und Holland kamen dann auch die ersten Anstöße für die evangelische Missionsarbeit. Vgl. Wilhelm Oehler, Geschichte der deutschen evangelischen Mission, 1949, S.21.

(4) Knut Westmann u. Harald Sicard, Geschichte der christlichen Mission, München 1962, S. 72. Vgl. auch Peter Zimmerling, Pioniere der Mission, 1985, S.12: "Es entstand ein neuer, vom Pietismus geprägter Typus der protestantischen Mission, der - ideengeschichtlich betrachtet - von Subjektivismus und Individualismus geprägt war. Anders als bei den orthodoxen Vorstellungen sind fortan nicht mehr die Regierungen die eigentlichen Träger der Mission, sondern die Kreise der Erweckten."

(5) Die bis dahin unveröffentlichten Briefe Ziegenbalgs wurden 1957 von Arno Lehmann herausgegeben. Vgl. Arno Lehmann, Alte Briefe aus Indien, 1957.

(6) Vgl. W. Caland (Hg.), Das Malabarische Heidentum, 1926. ders. (Hg.), Die malabarische Sittenlehre, 1930.

(7) Hallesche Berichte, 1710, S. 49-50.

(8) Vgl. ebenda, S. 63-64.

(9) Ebenda, S.64.

(1)0 Arno Lehmann (Hg.), Alte Briefe aus Indien, 1957, S. 47.

(11) Ebenda, S. 40.

(12) Es handelt sich um Die Malabarische Sittenlehre, die 1930 vom W. Caland herausgegeben wurde. (Vgl. Anm. 6 ) Die Vorrede wurde allerdings in den Halleschen Berichten abgedruckt, deren Herausgeber nur kurz bemerkt: "Diesen tractat selbst zu edieren ist unserem Zweck nicht gemäß." Vgl. Hallesche Berichte 1710, S. 43.

(13) Hallesche Berichte, 1710, S.44.

(14) Arno Lehmann (Hg.), Alte Briefe aus Indien, 1957, S. 78.

(15) Vgl. ebenda, S.78.

(16) W. Caland (Hg.), Ziegenbalgs Malabarisches Heidenthum, Amsterdam 1926, S.11.

(17) Gründler kam mit der zweiten Gruppe von Missionaren an und hatte ebenfalls Tamil gelernt.

(18) Man hat lange Ziegenbalg für den Übersetzer dieser Briefe gehalten. In einer 1998 herausgegebenen Edition der gesamten Malabarischen Korrespondenz hat Kurt Liebau gezeigt, dass es eigentlich Gründler war, der als Übersetzer fungierte. Vgl. Kurt Liebau (Hg.), Malabarische Korrespondenz, 1998, S.26f.

(19) Kurt Liebau sieht die Motive im Versuch Ziegenbalgs und Gründlers, ihre bereits vorhandenen Kenntnisse zu überprüfen und zu vertiefen, sowie "aktuelle Vorstellungen und Argumente von Vertretern des Hinduismus (zu) ermitteln, direkt zur Missionstätigkeit bei(zu)tragen und die Information der Christen in Europa (zu) verbessern." Ausserdem sollten die Kritiker der Mission durch die authentischen Aussagen der Tamilen selbst überredet werden. Vgl. Kurt Liebau (Hg.), Malabarische Korrespondenz, 1998, S. 23f.

(20) W. Caland (Hg.), Ziegenbalgs Malabarisches Heidenthum, 1926, S.11.

(21) Vgl. Hallesche Berichte, 1713, S.111.

(22) Die Fragen, die an Ziegenbalg gerichtet werden, betreffen die Beschaffenheit der dänischen Kolonie in Tranquebar, die einheimischen Herrscher und die Ausdehnung ihrer Reiche, Sprache, Klima, Kleidung, Essen und Getränke, Tiere und Pflanzen, Wetterverhältnisse, den Ackerbau, Bücher und Schriften, Volk und Religion etc. Vgl. v.a. Hallesche Berichte 1714; auch Arno Lehmann (Hg.), Alte Briefe aus Indien, 1957, S.112-121 und S. 305-307.

(23) Vgl. den Brief vom 10.9.1712 an Francke: "Hiernebst ist auch bei Lesung der medizinischen Bücher in malabarischer Sprache ein Traktat von der Arzneikunst, so unter diesen Heiden üblich ist, gesammelt und in guter Ordnung zum Nutzen dieses Werkes auf Begehren einiger Medicorum in Europa geschrieben worden." Arno Lehmann (Hg.), Alte Briefe aus Indien, 1957, S.224. Dieses medizinische Traktat hat Gründler verfasst.

(24) In einem Brief vom 15.11.1713 gibt Ziegenbalg auf die ihm gestellte Frage, warum die Holländer in Missionssachen so wenig unternehmen, folgende Antwort: "Es ist uns zwar von einigen dieser Nation alhier in Indien hierauf zur Antwort worden, daß ihre Kompanie um deswillen mit der Religion unter den Heiden nichts zu tun haben wollte, damit sie desto ungehinderter mit diesen Völkern ihre Kommerzien treiben könnte. ( ...;) Vielmehr mag die Ursache sein, weil wenig sind, die dieser Nation in Europa die Notwendigkeit und Möglichkeit solcher Sache demonstrieren, hingegen aber sich viele finden, die alles vergebens halten und solche heidnische Völker nicht würdig erkennen, daß so viel Mühe und Unkosten an ihre Bekehrung gewendet werde." Arno Lehmann (Hg.), Alte Briefe aus Indien, 1957, S. 353.

(25) J.G. Herder, Adrastea, 3. Band, Leipzig 1802. In: Herders Sämmtliche Werke, 1885, S.497.

(26) Herders Kritik der christlichen Mission in Indien wird auch in den Ideen mit der Benennung der Halleschen Berichte als Quelle seiner Informationen zum Ausdruck gebracht: "Man merke in den Hallischen Missionsberichten auf den gesunden Verstand und den gutmütigen Charakter der Bramanen und Malabaren sowohl in Einwürfen, Fragen und Antworten als auch in ihrem ganzen Betragen; und man wird sich selten auf die Seite ihrer Bekehrer finden." J.G. Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 1989, S.454.

(27) Duverdier benutzt diesen Begriff, weil er die Tatsache hervorhebt, dass im Gegensatz zu der damals üblichen Haltung der Europäer in Indien, ihren eigenen Augen mehr zu vertrauen als den Erklärungen von Einheimischen, Ziegenbalg die Inder als zuverlässige Informanten ihrer eigenen Kultur betrachtet. Vgl. Gerald Duverdier, Die Malabarische Korrespondentz und A.H.Francke, 1977, S.109.

(28) Vgl. auch die Ausführungen Duverdiers dazu. Ebenda, S.109.

(29) Hallesche Berichte, 1714, S. 337-341.

(30) Hallesche Berichte, 1714, S. 341.

(31) Hallesche Berichte, 1714, S.341.

(32) Kurt Liebau (Hg.), Malabarische Korrespondenz, 1998, S.196.

(33) Zit.nach Arno Lehmann, Es begann in Tranquebar, Berlin 1956, S.56.

(34) Mit Blick auf die Bedingtheit durch den historischen Kontext ergeben sich auch gegenläufige Einschätzungen. So schreibt Arno Lehmann: "Aber es hat keinen Sinn, jene Männer (Michaelis und Francke in Halle, R.K.) nachträglich für ihre zeitgebundene Stellungnahme, die weit hinter der fortschrittlichen Haltung ihres ersten Missionars zurückblieb, zu schelten." Arno Lehmann, ebenda, S.56.

(35) Zit. Nach Gerald Duverdier, Die "Malabarische Correspondentz" und A.H. Francke, Halle 1977, S.116. Duverdier geht auch ausführlich auf die Frage ein, warum die Malabarische Correspondentz geduckt wurde, obwohl sie vom Inhalt her den indologischen Arbeiten Ziegenbalgs ähnlich war.

(36) "Propogation of the Gospel in the East, being an account of the success of two Danish missionaries, Bartholomäus Ziegenbalg and Heinrich Plütschau" London 1709.

(37) Vgl. Gita Dharampal, Bartholomäus Ziegenbalg, 1982, S.281.

(38) Vgl. dazu Anders Norgaard, Mission und Obrigkeit, 1988.

(39) Arno Lehmann (Hg.), Alte Briefe aus Indien, 1957, S.235f.

(40) Vgl. Heike Liebau, Die Quellen der Dänisch-Halleschen Mission in Tranquebar, 1993, S.34, Anmerkung 16: "Vor der endgültigen Etablierung der Engländer als Kolonialmacht in Indien bezog die East India Company wichtige Informationen u.a. über die indischen Religionen von verschiedenen europäischen Missionaren. ( ...;) Der erste dänisch-hallesche Missionar, der offiziell in den Dienst der Society for Promoting Christian Knowledge trat, war Benjamin Schulze im Jahre 1728."

(41) Für eine Darstellung der sprachwissenschaftlichen Arbeiten der lutherischen Missionare vgl. C.S. Mohanavelu, German Tamilology, Madras 1993.

(42) "(...) bis in die Gegenwart hinein wurden diese Quellen vorwiegend unter missionswissenschaftlich relevanten Fragestellungen bearbeitet und ausgewertet." Heike Liebau, Die Quellen der Dänisch-Halleschen Mission in Tranquebar, 1993, S. 7.

(43) Gita Dharampal, Bartholomäus Ziegenbalg, 1982, S.282. Vgl. auch Gita Dharampal-Frick, Reiseberichte, 1995.

(44) Heike Liebau, Die Quellen der Dänisch-Halleschen Misson, 1993, S.6f.


Verwendete und weiterführende Literatur:

  1. Caland, William (Hg.): Ziegenbalgs Malabarisches Heidenthum. Amsterdam 1926.
  2. Dharampal, Gita: Bartholomäus Ziegenbalg and the Foundation of the Tranquebar Mission. In: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft, 38/1982. S.276-285.
  3. Dharampal-Frick, Gita: Indien im Spiegel deutscher Quellen der Frühen Neuzeit (1500-1750). Studien zu einer interkulturellen Konstellation. Tübingen 1994.
  4. Duverdier, Gerald: Die "Malabarische Korrespondentz" und A.H. Francke. In: Ahrbeck, R. u. B. Thaler (Hgg.): August Hermann Francke 1663-1727. Halle (Saale) 1977.
  5. Herder, Johann Gottfried: Propaganda/ Gespräche über die Bekehrung der Indier durch unsere europäischen Christen. In: Herders Sämmtliche Werke. Hg. v. Bernhard Suphan. 23.Band. Berlin 1885. S.496-505.
  6. Herder, Johann Gottfried: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Frankfurt a.M. 1994.
  7. Königlich-Dänischen Missionarien aus Ost-Indien eingesandte ausführliche Berichte. Bd.I- Bd.IX, 1.-108. Continuation. Halle 1710-1772.
  8. Lehmann, Arno: Alte Briefe aus Indien. Unveröffentlichte Briefe von Bartholomäus Ziegenbalg. Berlin 1957.
  9. Liebau, Heike: Die Quellen der Dänisch-Halleschen Mission in Tranquebar in deutschen Archiven. Ihre Bedeutung für die Indienforschung. Berlin 1993.
  10. Liebau, Kurt (Hg.): Johann Ernst Gründler/Bartholomäus Ziegenbalg: Malabarische Korrespondenz. Sigmaringen 1998.
  11. Mohanavelu, C.S.: German Tamilology. German Contributions to Tamil Language, Literature and Culture during the period 1706-1945. Madras 1993.
  12. Norgaard, Anders: Mission und Obrigkeit. Die dänisch-hallesche Mission in Tranquebar 1706-1845. Gütersloh 1988.
  13. Oehler, Wilhelm: Geschichte der deutschen evangelischen Mission. Bd.1. Baden-Baden 1949.
  14. Osterhammel, Jürgen: Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert. München 1998.
  15. Westmann, Knut u. Harald v. Sicard: Geschichte der christlichen Mission. München 1962.
  16. Zimmerling, Peter: Pioniere der Mission im älteren Pietismus. Gießen/Basel 1985.


For quotation purposes - Zitierempfehlung:
Rekha Kamath: Die Darstellung Indiens in den Briefen und Berichten Bartholomäus Ziegenbalgs.
In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Nr. 13/2002.
WWW: http://www.inst.at/trans/13Nr/kamath13.htm.


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