Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. August 2004
 

2.1. Kultur und Zivilisation
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Penka Angelova (Rousse)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Europäische Dimensionen der Balkankonferenzen (1930-1933)

Mariana Jovevska (Veliko Tirnovo)

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlaufen die Prozesse der Umgruppierung und Bündnisbildung unter den europäischen Staaten in zwei Richtungen und um zwei polarisierte Zentren. Unabhängig von der Form der Bündnisse - ob wirtschaftlicher oder politischer Art - bleibt der alte Kontinent weiterhin geteilt. Die geographischen Richtungen - Ost und West - bilden die Achse der Teilung in Ost- und Westeuropa. Das Ziel der Bindungen ist "gemeinsame Solidarität", die Art ist unterschiedlich. Als "traditionell" wollen wir die seit jeher bekannte Politik des Zusammenschlusses souveräner Staaten bezeichnen, um sie von der neuen, "innovativen" Bündnispraxis zu unterscheiden. Die politische Ost- bzw. Westorientierung manifestiert sich sowohl in politischen und wirtschaftlichen Bündnisformen, als auch in Zusammenschlüssen militärischer oder militärisch-politischer Art. Erfasst ist der ganze alte Kontinent, wobei die traditionelle Bündnisform überwiegt und in beiden Teilen vertreten ist.

Diese traditionelle Politik beruht auf dem Grundsatz der Respektierung staatlicher Souveränität. Nach diesem Grundsatz wird die staatliche Souveränität bereits im Westfälischen Friedensvertrag (1648) geregelt.(1) Später wird im spanischen Erbfolgekrieg und im darauf folgenden Utrechter Friede von 1713 zum ersten Mal der Grundsatz "Gleichgewicht der Kräfte" bestimmend und erweist sich als nutzbringend. Auf diese Weise eröffnet das 18. Jh. neue Möglichkeiten zur Bildung von Bündnissen, Allianzen und Koalitionen mit dem Ziel, das Gleichgewicht der Kräfte zu wahren, wobei sich die Interessen mit der matrimonialen Diplomatie - Ehen zwischen Monarchen und Dynastiepolitik - kreuzen. Die staatliche Souveränität, das Prinzip der "Gleichstellung" und die Führung einer gemeinsamen "beiderseitig günstigen" Politik sind in der ersten Hälfte des 19. Jh. vom europäischen "Metternich-System"(2) reglementiert worden. Weil dadurch die territoriale Integrität und die innere Ordnung der europäischen Länder garantiert werden, wird dieses System einer Verfassung gleichgestellt. Darüber sagt der bekannte Experte für das 19. Jh. Robert Binkley Folgendes aus: "Die ungeschriebene europäische Verfassung besteht darin, dass ohne das Einverständnis aller anderen kein Staat es wagt, territoriale Ansprüche zu erheben. Das ist eine Übereinkunft, die keine bilateralen Abkommen territorialer Art zulässt."

Die bis zur ersten Hälfte des 20. Jh. geschaffenen Bündnisse deklarieren Garantien und Solidarität durch gemeinsame Politik. Ende des 19., wie auch in der zweiten Hälfte des 20. Jh. sind die europäischen politischen Bündnisse polarisierte Bindungen, die sich gegenüberstehen. Nach dem traditionellen Grundsatz wird 1882 zwischen Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien der Dreibund abgeschlossen und 1894-1904 wird die Entente cordiale zwischen England und Frankreich mit Russland zum Dreierverband erweitert. Die zwei Bündnisse stehen einander feindlich gegenüber, und bald ist der blutigste Krieg entfacht, den die Menschheit bis heute kennt, der Erste Weltkrieg. Weder der Grundsatz der Respektierung der Souveränität, noch das "Gleichgewicht der Kräfte", noch der Umfang der Bündnisse erweisen sich als sichere Garanten des Friedens und der Solidarität zwischen den Bündnisstaaten. Aus dieser unerfreulichen Bilanz wird bei der Bündnisbildung im 20. Jh. keine Lehre gezogen. Bündnisse werden weiterhin nach den traditionellen Prinzipien der Erhaltung der Souveränität geschlossen, obwohl die Solidarität sehr oft nur illusorisch ist und sich in den meisten Fällen als variable Größe erweist. Diese Praxis wird fortgeführt, und die Geschichte der Diplomatie bietet viele Beispiele, wie sich nach verlorenen Kriegen die "garantierte Souveränität" und "Unabhängigkeit" in Tauschobjekte verwandeln. Im Laufe eines Jahrhunderts wird versucht, das Gleichgewicht der Kräfte einzig und allein durch Bildung von Bündnissen zu erreichen, obwohl die Erfahrung zeigt, dass auf diese Weise weder der Frieden, noch die Souveränität gesichert werden können, geschweige denn die Sicherheit und Stabilität der ganzen Welt. Auch die ersten beiden internationalen Organisationen, die nach den zwei Weltkriegen geschaffen werden - der Völkerbund (1919) und die Vereinten Nationen (1945) stehen hinter dem Grundsatz der Erhaltung der staatlichen Souveränität.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die traditionelle Politik bei der Unterzeichnung des Brüsseler Vertrags am 17. März 1948, bei der Gründung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC, 1948, Paris), des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, Januar 1949, Moskau), der Nordatlantischen Allianz (NATO, 4. April 1949, Washington)(3) u.a.m. weitergeführt. Unabhängig von den politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Zielen, die sich diese Bündnisse setzen, und unabhängig davon, an welchem der polarisierten Zentren sie angebunden sind, werden diese Bündnisse nach den bekannten Bindungsprinzipien gegründet - Anerkennung und Erhaltung der staatlichen Souveränität, "gemeinsame Solidarität" und Verfolgung gemeinsamer Interessen.

Es ist die Zeit, in der die traditionelle Vorgehensweise in neuer, abgewandelter Form praktiziert wird. An den neu gegründeten Bündnissen sind Staaten beteiligt, die in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht Ähnlichkeiten aufweisen. Die um das eine Zentrum Gruppierten unterscheiden sich von denen, die sich um das andere Zentrum gruppieren. Die Entente und die Zentralmächte weisen noch keine wirtschaftspolitischen Unterschiede auf, aber zwischen den NATO-Staaten und den Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes bestehen wesentliche Unterschiede sowohl in der wirtschaftspolitischen, als auch in der verwaltungspolitischen Struktur. Diese Unterschiede sind die Folge der Veränderungen, die in den Staaten um das östliche Zentrum eingetreten waren. Vereinigt nach dem Grundsatz der Respektierung der staatlichen Souveränität weisen diese Staaten Übereinstimmungen im Wirtschafts- und Verwaltungssystem auf: Kollektivität und staatliche Verwaltung der Wirtschaft, staatliches Eigentum der Produktionsmittel, Ideologisierung in der administrativen Verwaltung. Die um das andere, "westliche" Zentrum gruppierten Staaten weisen diese Charakteristika nicht auf. Zum ersten Mal unterscheiden sich die Zusammenschlüsse um die Zentren "Ost" und "West" nach ihren Komponenten, die nach dem Grundsatz der Ähnlichkeit bzw. der Verschiedenheit ausgewählt werden.

Trotz gewisser Neuerungen bei der traditionellen Vorgehensweise zur Bildung von Bündnissen ist die Sicherheits- wie auch die Friedensgarantie nicht besser gewährleistet. Der Grundsatz der Respektierung und Erhaltung der staatlichen Souveränität erweist sich als nicht ausreichend, um den Frieden zu stärken oder die strategische Übermacht eines der beiden Blöcke zu sichern. Hier ist die Solidarität die gleiche wie in anderen Bündnissen zuvor - eine vorübergehende Solidarität, die nicht zu einer konstanten Größe wird, es ist keine "absolute" und "tatsächliche" Solidarität.

Ausschließlich im westlichen Raum wird zum ersten Mal innovative Vereinigungspolitik eingeführt, die heute als Europäische Integration bekannt ist. Die Einigung Europas basiert auf der freiwilligen Selbsteinschränkung der Souveränität der Mitgliedsstaaten. Dabei verläuft die Einigung schrittweise - zuerst konkret, bilateral, später expansiv und multilateral, ohne die staatliche Souveränität vollständig abzuschaffen. Während die ersten Schritte die wirtschaftliche Integration bezwecken, sind die weiteren auf die politische Annäherung und eine gemeinsame Politik ausgerichtet.

Die innovative europäische Politik schließt also die Auflösung der Mitgliedsstaaten in dem neuen Bündnis aus, errichtet aber, bei Aufrechterhaltung der Souveränität, ein neues Gebilde in den gemeinsamen, integrierten Bereichen, in denen die einzelnen Länder freiwillig ihre Souveränität eingeschränkt haben. Dieses neue Gebilde ist weder ein selbständiger souveräner Staat, noch kann es als föderierter Bund aufgefasst werden. Ohne ein Bündnis im herkömmlichen Sinne zu sein, kann es von den Träger-Staaten nicht getrennt werden, wie auch sie untrennbar mit ihm verbunden sind. Auf diese Weise wird eine reale und echte Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten und dem neu entstandenen Bündnis erreicht. Für diese neue Bündnisform wird ein neuer Begriff eingeführt - Integration.

In Zukunft kann diese Solidarität nur anwachsen und stärker werden, was zur Stärkung des Friedens beitragen wird und letztlich den Frieden garantieren kann. Angefangen als wirtschaftlicher Integrationsprozess, geht die Integration über die politische Kooperation in eine gemeinsame Politik über, wobei sie ihr wesentliches Charakteristikum - die freiwillige, partielle Selbsteinschränkung der staatlichen Souveränität - beibehält. In den vergangenen fünf Jahrzehnten erhöht sich die Zahl der "gemeinsamen Politiken", man geht zur Erarbeitung einer Verfassung, zur Schaffung eines gemeinsamen Außenminister-Amtes über, ohne dass ein neuer Staat errichtet wird.

Die Idee für dieses neuartige Bündnis, wie auch ihre Verwirklichung ist mit dem Namen von Jean Monnet (1888 - 1979) verbunden. Die von ihm geprägten Schlüsselbegriffe partielle, freiwillige Selbsteinschränkung, übernationale Verwaltung, schrittweise werden in der Erklärung des Außenministers Robert Schulman vom 9. Mai 1950 wörtlich übernommen, was ihn als den eigentlichen Initiator auszeichnet. Jean Monet, französischer Kauf- und Geschäftsmann, verbleibt in der Geschichte als Vordenker und Architekt des geeinten Europa, als genialer Denker, der die wunderbare Formel zur Integration erfunden hat, die die bis jetzt einzige reale Solidarität zwischen Verbündeten ermöglicht hat. Dank des innovativen Denkansatzes von Monnet gedeiht seit 1951 die Europäische Gemeinschaft, die sich 1992 zur Europäischen Union weiterentwickelt hat, seit mehr als einem halben Jahrhundert.

Nur wenigen ist bekannt, dass Jean Monnet keine akademische Bildung gehabt hatte, jedoch ein hervorragender Ökonom, erfolgreicher Geschäftsmann und Politiker war, der an der Errichtung der Organe des Völkerbundes maßgeblich beteiligt war.(4) Er ist stellvertretender Generalsekretär des Völkerbundes in der Zeit, als die erste internationale Organisation gegründet wird, 1920-1923, und als der Krieg auf dem Balkan noch nicht abgeschlossen ist, erst am 24. Juli 1923 wird dem griechisch-türkischen Konflikt durch den Friedensvertrag von Lausanne ein Ende gesetzt.

Allerdings wäre es unrealistisch und ganz willkürlich, einen Zusammenhang zwischen der Person von Jean Monnet und den Zuständen auf dem Balkan herzustellen. Zu seinen originellen Einsichten kommt Monnet im Mai 1948, als in Den Haag die verschiedenen Möglichkeiten zur Gründung des Europarates (ER) diskutiert werden und die zugrunde gelegten Prinzipien keine Lösung der Deutschen Frage liefern, die für Frankreich akzeptabel ist. Dort muss er nach einer Lösung zur Kooperation mit dem wirtschaftlichen Potential Deutschlands suchen, die von den europäischen Staaten akzeptiert und durch die amerikanische finanzielle Hilfe nach dem Marshall-Plan (13 Mrd. Dollar von 1947 bis 1951) unterstützt wird. Bereits 1947 ist sich Monet im Klaren, dass Frankreich dem Modernisierungsplan auf der Grundlage einer akzeptablen Lösung der Deutschen Frage und der Perspektive des Ruhrgebiets folgen soll. Die Voraussetzung für amerikanische finanzielle Hilfe nach dem Marshall-Plan ist eine gemeinsame europäische Vereinbarung.(5) Den beiden Alternativen - der neuen Organisation (ER), die wie im Völkerbund die Erhaltung der staatlichen Souveränität vorsieht, oder einer föderativen Vereinigung mittels Aufhebung des Souveränitätsprinzips - mit den Worten von Sir Winston Churchill vom 19. September in Zürich, etwas "wie Vereinigte Europäische Staaten", zieht Jean Monnet eine dritte Variante vor. Sie beinhaltet Elemente von beiden anderen - Erhaltung der staatlichen Souveränität, aber auch freiwilliges Aufgeben der Souveränität in bestimmten Bereichen, die freiwillige begrenzte Selbsteinschränkung der Souveränität. Diese Idee, die beide Vorschläge berücksichtigt, wird inoffiziell an das französische Außenministerium herangetragen und der Öffentlichkeit durch die Erklärung von Robert Schuman vom 9. Mai 1950 bekannt gegeben.

Die Idee und die Praxis der europäischen Integration manifestieren sich als Produkt der europäischen politischen Kultur. Vielleicht deswegen suchen die meisten Forscher nur in den europäischen Prozessen der Zwischenkriegszeit nach ihren Wurzeln - in der Paneuropa-Bewegung, in den Strategien zur Konsolidierung des amerikanischen und asiatischen Kontinents.(6) Allerdings befürworten fast alle Initiativen von Graf Richard N. Coudenhove-Kalergi für eine "Paneuropa-Union" - der Erste Paneuropäische Kongress, 3. bis 6. Oktober 1926, die Internationale Juristenvereinigung (Juni 1926), wie auch die Kommentare zum Locarno-Vertrag, das föderative Prinzip für die Bildung eines großen Superstaates, d.h. der "Vereinigten Staaten von Europa"(7). Auch die Pläne, die als "Skandinavisches Projekt" bekannt sind, wie die Reden und Initiativen von Politikern dieser Zeit - von Nicola Politis aus Griechenland, Aristide Briand aus Frankreich, Gustav Stresemann aus Deutschland - bringen den Föderationsprozess und die Schaffung eines gemeinsamen Staates unter der Ägide des Völkerbunds zur Diskussion.

In allen diesen Projekten wird der Balkan als untrennbarer Teil der europäischen Zivilisation angesehen. Im geplanten gemeinsamen europäischen Staat sind die Balkanländer den übrigen europäischen Staaten gleichgestellt. Die Öffentlichkeit auf der Balkanhalbinsel spricht sich für den Zusammenschluss von "Paneuropa" und "Pan-Balkan" aus, es werden dazu Aussagen von französischen und britischen Politikern in der Presse analysiert.(8) Vor diesem Hintergrund wird die europäische Initiative zur Konsolidierung auf dem Balkan geboren. Warum sollte nicht die konfliktreiche Region selbst auf einem Balkan-Treffen die Widersprüche ausräumen? Der Erfolg würde Modell stehen für eine Formel, der auch Europa folgen könnte. Die Vorbereitung und die Organisation der Balkankonferenzen, die Formel der Aussöhnung und Einigung sind europäisches Verdienst.

Am 27. Weltfriedenskongress, der vom 6. bis 10. Oktober 1929 in Griechenland stattfindet, beraten europäische Vertreter und Vertreter aus allen Balkanländern, mit Ausnahme Albaniens, den Vorschlag des griechischen Vertreters Alexander Papanastassiou, dass eine Balkankonferenz von der Internationalen Organisation für Frieden und Zusammenarbeit und von der Interparlamentarischen Union unter der Ägide des Völkerbunds zusammengerufen wird.(9) Der Vorschlag wird von den britischen und französischen Deputierten unterstützt und als Kongressbeschluss gefasst.(10)

Der Verhandlungsrahmen und der Zeitpunkt der Balkankonferenz - Oktober 1930 - werden im Januar 1930 in Paris auf der Tagung der Internationalen Organisation für Frieden und Zusammenarbeit festgelegt. Hier wird auch zum ersten Mal die Meinung geäußert, dass die Konferenz keine Zusammenkunft von Staatsdelegationen sein soll, sondern ein gesamtbalkanisches Treffen von Vertretern der Öffentlichkeit in den einzelnen Balkanländern - Politikern, Intellektuellen, prominenten Künstlern, Journalisten und Gewerkschaftsfunktionären. Für die Versöhnung auf dem Balkan und die Idee zur Einigung der Balkanländer sollte eine breite gesellschaftliche Basis geschaffen werden, damit sie sich zur Bewegung der Balkan-Öffentlichkeit weiter entwickeln kann.(11)

Im Anschluss an die nächste Tagung der Internationalen Organisation für Frieden und Zusammenarbeit vom 12. Mai 1930 werden an die Außenminister der Balkanländer Einladungsschreiben gerichtet, damit Vertreter des Landes für die geplante Konferenz ernannt und entsandt werden. Formell sollen die Regierungen nicht beteiligt sein, aber sie werden angehalten, dass sie sich an die Empfehlungen der Konferenz halten, wie es Papanastassiou überzeugend vor dem griechischen Parlament formuliert hat.(12) Auf der Tagung der Interparlamentarischen Union im Juli 1930 diskutieren die Delegierten aus Bulgarien, der Türkei, Griechenland und Rumänien die Frage, ob es zweckmäßig sei, die Balkankonferenz als interparlamentarische abzuhalten. Dieser Vorschlag wird abgelehnt, weil der Generalsekretär der Interparlamentarischen Union dem energisch entgegentritt

und sich gegen jegliche Einengung der gesamtbalkanischen Bewegung, gegen den Ausschluss bestimmter Länder oder gesellschaftlicher Schichten ausspricht.

Die europäische Idee für Einigung auf dem Balkan unter dem Motto "Der Balkan - den Balkanvölkern" setzt die Einhaltung des "Souveränitäts-Grundsatzes" fort. Zwar sollten die Entscheidungen demokratisch, inoffiziell und unabhängig von den Regierungen getroffen werden, aber es fehlt das Instrumentarium für die Durchsetzung der Beschlüsse der Konferenz. So erweisen sich sowohl die politische Richtung, als auch die Zielsetzungen als utopisch und unrealistisch. Die staatliche Souveränität bleibt nach internationalem Recht weiterhin unantastbar und die Einigungsbewegung verfügt über keine Mittel zur Durchsetzung ihrer Beschlüsse.

Auf den Balkankonferenzen aber werden neue Methoden zur Beratung und Entscheidungsfindung in den internationalen und zwischenstaatlichen Beziehungen eingeführt. Diese neuen Methoden werden in der Forschungsliteratur oft als Produkt der europäischen politischen Kultur interpretiert, während die Balkankonferenzen (Athen, 5.-12. Oktober 1930; Istanbul/Ankara, 19. - 26. Oktober 1931; Bukarest, 22. - 28. Oktober 1932; Saloniki, 2. - 12. November 1933) vor allem als Vorspiel zum Balkanpakt angesehen werden.(13) Von Anfang an interpretiert man sie als diplomatische Beratungen von politischen und gesellschaftlichen Vertretern der Balkanländer, die auf Initiative der Internationalen Arbeitsorganisation stattfinden, mit dem Ziel, regionale multilaterale Zusammenarbeit und gute nachbarschaftliche Beziehungen zu gewährleisten.(14)

Die bulgarischen Forscher heben vor allem die Einigungsbemühungen Bulgariens hervor, die mit der Forderung nach Neuregelung des Minderheitenstatus in den Balkanländern verbunden sind(15), was ein wesentliches Element der bulgarischen Außenpolitik ist. Nur wenige weisen darauf hin, dass die Konferenzen ein Teil des Völkerbund-Programms für europäische Konsolidierung sind, und interpretieren sie als misslungenen Versuch einer Balkanföderation.(16) Es ist durchaus möglich, dass die Monographie von Konstantin Manèev aus den 30er Jahren, die gleichzeitig in bulgarischer und französischer Sprache erschienen ist und die Balkankonferenzen in diesem Sinne interpretiert, nicht ausreichend bekannt ist.(17) Es ist aber unverständlich, wenn Forscher, die die Europäische Union oder den Balkan zum Thema haben, die Balkankonferenzen außer Acht lassen, oder - wie Maria Georgieva - sie nur erwähnen, ohne ihren Beitrag zu analysieren.(18) Gerade dieses unverdiente Übergehen der vier Balkankonferenzen bei der Analyse der europäischen Einigungspolitik war der Anlass für diese Abhandlung.(19) Die Balkankonferenzen leisten einen Beitrag zur innovativen Integrationspolitik und sind auch der Paneuropa-Bewegung weit voraus. Ihr Innovationscharakter ist sowohl in den theoretischen Formulierungen wie auch in der politischen Praxis erkennbar, was sie mit der innovativen Integrationspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg in enge Verbindung setzt.

Aus diesem Grunde sind die Balkankonferenzen auch im Hinblick ihrer Rolle für die Geschichte und Theorie der internationalen Beziehungen zu analysieren. Wenn wir die strukturell-institutionelle Ähnlichkeit der Balkankonferenzen mit der EU verfolgen, werden wir feststellen, dass bestimmte Prinzipien und Methoden, die zum ersten Mal auf den Balkankonferenzen entstanden oder formuliert worden sind, von der EU übernommen und adaptiert wurden. Die These, dass die vier Balkankonferenzen der Idee von Monnet am nächsten stehen und ihr direkt voran gehen, bekräftigen sowohl die hier zitierten Publikationen, als auch viele andere diplomatische Archivdokumente im Zentralen Staatlichen Archiv Bulgariens.

Zum ersten Mal in der internationalen Praxis werden die Teilnehmer an den Balkankonferenzen ohne Einmischung von Regierungsinstitutionen oder parlamentarisch vertretenen Parteien ernannt. Das ist ein neues Herangehen sowohl für die Politik, als auch für die Diplomatie. Das ganze außenpolitische System, das sich im Laufe von vier Jahrhunderten herausgebildet hat, ist erstmalig beinahe ausgeschaltet worden. Von Objekt und Ziel der entsprechenden staatlichen Institutionen und politischen Faktoren entwickelt sich die internationale Zusammenarbeit zur Aufgabe der Bürger und der Vertreter gesellschaftlicher und politischer Kreise auf dem Balkan. Dabei bleibt die staatliche Souveränität erhalten und wird nicht gefährdet. Die Formulierung des Prinzips zur Anwendung von Nichtregierungs-Entscheidungen in der Außenpolitik und zu einem politischen Kurs der multilateralen Annäherung erfolgt rein zufällig unter den besonderen Umständen auf dem Balkan.

Anfang 1930 ist die Gegenüberstellung Sieger - Besiegte weder in Europa, noch auf dem Balkan überwunden. Das ist auch der Grund, warum die Balkankonferenzen auf offizieller, staatlicher Ebene nicht stattfinden können. Die politischen und diplomatischen Institutionen der entsprechenden Länder sind nicht im Stande, außenpolitische Fragen zu diskutieren, ohne dass Fragen der Revision der durch die Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg auferlegten Sanktionen und Restriktionen aufgeworfen werden. Die politische Entwicklung der Balkanländer führt zu Situationen, die sich nicht durch gute Nachbarschaft und Freundschaft auszeichnen. Einige Jahre nach dem Zwischenfall von 1925, dem Einmarsch griechischer Truppen unter General Pangalos in bulgarisches Territorium, werden die Beziehungen zwischen Bulgarien und Griechenland langsam besser, aber trotzdem bleibt Bulgarien das einzige Nachbarland, mit dem Griechenland nur begrenzt politische und wirtschaftliche Kontakte aufnimmt. Wegen der vielen ungelösten Probleme zwischen den beiden Ländern neigen viele Autoren dazu, sie im Zustand des "verdeckten" Krieges zu sehen.(20) Die Beziehungen zwischen Albanien und der Türkei sind auch nicht die besten. Nachdem in Albanien König Achmed Sog I 1929 an die Macht gekommen ist, wird der türkische Gesandte aus Tirana abgezogen.

Die Diskussion über eine Einigung ist 1929 auch zwischen parlamentarischen Delegationen der Balkanländer nicht möglich, weil seit Januar das Belgrader Parlament, die Skupstina, aufgelöst ist und die politischen Parteien im Königtum Jugoslawien verboten sind. Unter diesen Umständen wird das einzig Mögliche unternommen - die Konferenzen sollen auf einer sog. inoffiziellen Ebene stattfinden. Die Beteiligten - Organisatoren, wie Teilnehmer sollten verschiedene Vertreter des öffentlichen Lebens, Wissenschaftler und parlamentarisch vertretene, wie nicht vertretene Politiker sein. Auf diese Weise werden Probleme aus dem außenpolitischen Kompetenzbereich souveräner Staaten erstmalig von inoffiziellen Institutionen und Organisationen beraten und entschieden. Dieser Umstand bringt die Balkankonferenzen der Gegenwart und der supranationalen (bezeichnet auch als übernationale, nichtstaatliche) Administration der EU näher.(21)

Die Überantwortung der Lösungssuche für außenpolitische und wirtschaftliche Fragen an inoffizielle, nichtstaatliche Gremien bringt liberalen Geist in die Formulierung der Probleme und popularisiert die Idee für Frieden, Zusammenarbeit und Einigung. In diesem Zusammenhang schreibt der bulgarische bevollmächtigte Minister in der Republik Türkei, Todor Pavlov: "Unsere Nachbarn haben es gelernt, Wahrheiten zu hören, über die man vor einigen Jahren nicht sprechen konnte."(22) Es geht ihm hier nicht nur um die Restriktionen für die Besiegten, weil er weitere positive Ergebnisse der neuartigen Entscheidungsfindung erwähnt: "Auch die Presse hat mit ihren Berichten und Meldungen über die Arbeit der Konferenz dazu beigetragen, dass die Öffentlichkeit in Europa und auf dem Balkan mit allen Fragen und Forderungen vertraut gemacht wurde, deren Bedeutung von Tag zu Tag wächst, und die immer mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Völker und Regierungen genießen." Mit diesen Worten würdigt Pavlov die Zweite Balkankonferenz, aber sie setzt fort und erweitert das, was auf der ersten erreicht worden war und später auf der dritten und vierten multipliziert wird.

Aus der Distanz der Zeit können wir heute feststellen, dass eine in gewissem Sinne geistige Annäherung stattfindet. Erstmalig nach dem Weltkrieg wird die öffentliche Meinung in Richtung multilaterale Zusammenarbeit auf dem Balkan gelenkt. Die Diskussionen werden aktuellen Fragen gewidmet, die ihre Bedeutung auch heute nicht eingebüßt haben - regionale Zoll- und Postunion, Balkan-Währungsunion, wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit, Annäherung auf dem Gebiet der Kommunikations- und Verkehrsverbindungen und des Tourismus.(23) Diese Fragen werden in verschiedener Form auf den vier Konferenzen besprochen, aber alle Beratungen haben den Tenor, dass die meisten dieser Aufgaben erst in ferner Zukunft endgültig gelöst werden können.

In einem Brief an den Außenminister Nikola Musanov charakterisiert der bulgarische Delegierte P. Penkov sehr treffend die vorherrschenden Tendenzen und Stimmungen vor der Sitzung in Arad (Rumänien): "Im Geiste der Versöhnung und Gerechtigkeit geführt, ist das ohne Zweifel eine edle Sache, die für alle Völker auf dem Balkan gleichrangig wichtig ist. Aber bis es einmal zur Realisierung kommt, hat ein jedes dieser Völker sowohl das Recht, wie auch die Pflicht die um sich greifende Versöhnungsbewegung zur Erkämpfung geheiligter nationaler Ziele und Erfüllung von Hoffnungen zu nutzen."(24)

Eine der Fragen, die damals besprochen werden, ist der Bau einer großen Brücke an der Donau bei Russe für die vielen Kommunikationsverbindungen - die Telefon- bzw. Telegraphverbindung, die Straßen für Autos und Fußgänger, die Eisenbahnlinie. Die Brücke durfte aber auch die Schifffahrt nicht beeinträchtigen.(25) Besprochen werden auch Probleme der sozialen Lage der Arbeitnehmer und der Arbeitsbedingungen, wie auch die Flagge des Balkanbundes. Wie die vier Freiheiten, die heute im Binnenmarkt gewährt werden - die Freizügigkeit für Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapitalien -Probleme lösen, die auf den Balkankonferenzen erörtert werden, so bleibt auf der blauen Flagge der EU der Sternenkreis, der im Projekt für die Balkanflagge*(26) die Mitgliedstaaten symbolisiert hat.(27)

In der Praxis sind die Konferenzen nach dem Grundsatz der nichtstaatlichen Leitung und Ernennung der Delegationen ausgerichtet, dazu kommt noch die indirekte Beteiligung offizieller staatlicher Institutionen. Zu jeder Konferenz wird ein Beirat geschaffen, der aus jeweils drei Delegierten von jeder Delegation besteht und mit der Organisation und Leitung der Konferenz betraut ist. In der Zwischenzeit arbeiten Ausschüsse an den Resolutionen der vorangehenden Konferenzen. In jedem Land wird eine Nationalgruppe gebildet, die die Arbeit der Delegation und der Delegierten im Vorfeld der entsprechenden Konferenz organisiert.

Die Nationalgruppen unterhalten Kontakte untereinander, beteiligen sich an den Sitzungen des Beirats und bereiten nach Absprache mit den staatlichen Institutionen die Konferenzen vor. Mehr noch, nach dem Regelwerk der Konferenzen sind die Vorsitzenden der Nationalkomitees - für Griechenland der Expremier Alexandros Papanastassiou, für Albanien Mehmed Bei Konica, Janko Sakâzov für Bulgarien, Cico-Popâ für Rumänien, der Vorsitzende des Parlaments in Ankara Hasan Bei und Michail M. Ivancevic für das Königtum Jugoslawien - dazu verpflichtet, nach Instruktionen und Empfehlungen zu fragen, sowie Berichte an die entsprechenden Außenministerien und anderen Institutionen zu erstatten.(28) Die im Voraus durchgeführten Konsultationen mit den Außen- und den Premierministern werden von allen Balkanländer praktiziert und die diplomatischen Vertreter in dem jeweiligen Land, in dem die Konferenzen stattfinden, verfolgen die Arbeit der Konferenzen.(29) Außerdem wird auf der zweiten Konferenz in Istanbul der Vorschlag des griechischen Vorsitzenden, die Premierminister der sechs Balkanländer zu Ehrenvorsitzenden der Konferenz zu ernennen, einstimmig angenommen.(30)

Auf diese Weise wird auf den vier Balkankonferenzen eine Symbiose zwischen offiziellen staatlichen Institutionen, die traditionell für die außenpolitische und diplomatische Tätigkeit zuständig waren, und den nichtstaatlichen Vertretungen, den Nationalkomitees und den Delegationen der Balkanländer, zustande gebracht. Bereits auf der ersten Konferenz in Athen 1930 wird der Beschluss gefasst, dass sich die sechs Außenminister regelmäßig treffen und in diesen Beratungen jene Fragen diskutieren und entscheiden, von denen die Einigung der Balkanländer abhängt.(31) Die Zweite Konferenz bestätigt diesen Beschluss, weil er noch nicht ausgeführt worden war. Aber er wird auch im Weiteren nicht realisiert, weil die Beschlüsse der Konferenzen für die Regierungen nicht verbindlich sind. Jedoch wird sich diese Form für die EU als günstig erweisen und 1961 findet das erste Treffen der Staatsoberhäupter statt, worauf die Praxis der regelmäßigen Treffen der Staatsoberhäupter (der Europäische Rat) und der Minister (Ministerrat) eingeführt wird.

Auf den Balkankonferenzen dominiert die Einigungsidee, die zuerst auf wirtschaftlicher, dann auch auf politischer Basis realisiert werden soll. Im Art. 4 der Satzung der Balkankonferenzen, die auf der Ersten Balkankonferenz verabschiedet wird, ist das Ziel der Organisation festgeschrieben: "mit allen Mitteln die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten auf der Balkanhalbinsel zu erleichtern und zu fördern."(32) In dem Aufruf des französischen Außenministers Aristide Briand ist diese Orientierung auf die Wirtschaft nur angedeutet. Im Memorandum von Briand von Anfang September 1929 wird den 26 im Völkerbund vertretenen europäischen Staaten der Vorschlag unterbreitet, eine europäische Föderation auf der Grundlage der Kooperation im Wirtschaftsbereich, mittels Investitionen in verschiedenen Infrastrukturprojekten zur gemeinsamen Nutzung, wie Land- und Schifffahrtsstraßen, zu gründen. Darin wird die Notwendigkeit hervorgehoben, gesamteuropäische Kommunikations- und Verkehrsverbindungen zu schaffen, es wird auf die Rolle der gemeinsamen Finanzierung und Kreditierung, der Festlegung von Bestimmungen zur sozialen Lage der Arbeitnehmer und zu den Arbeitsbedingungen hingewiesen. Das Konzept von Briand weist auch auf die geistige Integration und die guten interparlamentarischen Beziehungen als Grundlage für die Errichtung von europäischen Abteilungen in den Regierungsinstitutionen. Dieses Dokument wird im Weiteren auf einer europäischen Konferenz und während der 11. Tagung des Völkerbundes im September 1930 diskutiert. Es baut auch auf dem Grundsatz der Erhaltung der Souveränität und auf freie Wahl der Einigungsbereiche - wirtschaftliche oder politische - auf.(33)

Einen analogen Vorschlag, bezogen nur auf den Balkan, macht Papanastassiou auf dem 22. Friedenskongress im Oktober 1929 in Griechenland, mit dem Ziel, die Einigungsidee zu experimentieren, damit später die übrigen europäischen Staaten vom Ergebnis dieses Experimentes profitieren können. Papanastassiou ist ein überzeugter Verfechter des Grundsatzes, dass die wirtschaftlichen Faktoren für die Einigungsprozesse besser geeignet sind. Auf Hinwirken der griechischen Seite und unter Papanastassious Einfluss wird in den Diskussionen und Einigungsprojekten während der Konferenzen den wirtschaftlichen Fragen Vorrang gegeben. Somit spielt aber die sich verschärfende und den Balkan erfassende Weltwirtschaftskrise eine negative Rolle.

Es sind wieder wirtschaftliche Interessen, die den Vorschlag vom 9. Mai 1950 zur Errichtung einer Gemeinschaft zwischen Frankreich und Deutschland prägen. Auf dieser Grundlage entsteht kurz darauf, 1951, die erste Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die den Grundstein für die Entstehung der Europäischen Union legt.

Auf der Zweiten Balkankonferenz wird der bulgarische Vorschlag für bilaterale Verhandlungen in Falle von Interessengegensätze angenommen. Zu solchen Verhandlungen kommt es weder bei der Dritten, noch bei der Vierten Balkankonferenz. Aber zur Politik der multilateralen Einigung kann ein solcher konsequenter Verhandlungsmechanismus sehr viel beitragen und die These von Monnet für die Integration, die "schrittweise" realisiert wird, hat das bestätigt. Mit der Erklärung von Robert Schuman vom 9. Mai 1950 kommt das Prinzip erstmalig zur Anwendung. Die Erklärung ist an Deutschland gerichtet, aber für andere Staaten offen und wird in der Folge von 6 Staaten unterschrieben.

Es ist schwer einzuschätzen, inwieweit die Idee von Monnet mit den vier Balkankonferenzen in Beziehung steht und von den Diskussionen und Ideen der Initiatoren beeinflusst worden ist. Aber der theoretische Ansatz, die Organisation und die politischen Bemühungen, wie auch die darauf folgenden Schlussfolgerungen und Beurteilungen der Konferenzen bringen sie in enge Beziehung mit der innovativen Vorgehensweise und der Integrationspolitik.

© Mariana Jovevska (Veliko Tirnovo)


ANMERKUNGEN

(1) Der Begriff Souveränität wurde von Jean Bodin Ende des 16. Jhs. eingeführt, um in Abgrenzung zur römisch-katholischen Kirche die Entscheidungsfreiheit des Monarchen zu gewährleisten. Er definiert die Souveränität als "die absolute und ständige Macht eines Staates" - Hoheit, Einheit, Ganzheit. In der europäischen Politik setzt sich der Begriff im 17. Jh. durch, nach dem Westfälischen Frieden vom 24. Oktober 1648. Eigentlich erfolgt an dem Tag gleichzeitig die Unterzeichnung zweier Friedensverträge, in Münster und Osnabrück, in denen die Entstehung von etwa 2000 deutschen Kleinstaaten und die Festigung von vier anderen - den Niederlanden, Frankreich, England, Schweden - festgeschrieben wird. In den nächsten Jahrzehnten führen diese souveränen und politisch selbstständigen Staaten eine unabhängige Politik und beachten gegenseitig ihre Souveränität, auch wenn sie sich mit- und gegeneinander verbünden.

(2) Absolute Garantie der staatlichen Souveränität wird nach dem Sieg über Napoleon durch das nach dem österreichischen Kanzler Klemens Metternich benannte System gewährleistet. Allerdings betrifft das nur die Souveränität von Staaten aus der Vorrevolutionsperiode, die Monarchien sind. Das System Metternich bleibt bis zur Revolution von 1848 bestehen.

(3) Institutionsmäßig wird die Nordatlantische Allianz am 20. September 1951 in Ottawa vollendet und erst durch diesen Vertrag wird sie zur juristischen Person.

(4) Townsend, Duncan: Recnik na sâvremennata istorija. Ot 1945 do nasi dni. [Lexikon der Geschichte der Gegenwart. Von 1945 bis zur Gegenwart] (Aus dem Englischen: Borislav Gavrilov). LIK Verlag, Sofia 2001, S. 272-273.

(5) Nach der Notiz vom 24. Juli 1947 aus den geheimen Memoiren von Jean Monnet über die Frage der "Marshall-Kredite" In: Das unsichtbare Europa. Dokumente aus dem Archiv von Jean Monnet, zusammengestellt und herausgegeben von Bernard Le Fort. SemaRS Verlag, Sofia 2003, S. 88-94.

(6) Mancev, Konstantin: Panevropa i balkanska federacija. Idei ili realisacija [Paneuropa und Balkanföderation. Ideen oder Realisierung]. Hristo Danov Verlag, Sofia 1931, S. 26-27, 31-32 ff.; Borisov, Orlin: Pravo na ewropejskia sâjus [Europäisches Recht]. Jurispress, Sofia 2000, S. 15; Evropejsko politicesko sâtrudnicestwo. Strategija za prisãedinjawane na Bãlgarija (Europäische politische Zusammenarbeit. Beitrittstrategie Bulgariens). Zweite überarbeitete Ausgabe, Albatros Verlag, Sofia 2000, S. 18-19; Caleo, David: Da preosmislim bâdesteto na Evropa [Europas Zukunft umdenken]. (Aus dem Englischen Teodora Davidova). Woenno izdatelstwo Sofia, 2003, S. 37; Duchardt, Heinz: Oformjane na evropejskata ideja na Balkanite [Die Entstehung der europäischen Idee auf dem Balkan] (aus dem Deutschen Maja Stefanova). In: Dwadesetijat vek. Opit za ravnosmetka [Das zwanzigste Jahrhundert. Eine Bilanz]. Universitätsverlag "Sv. Kliment Ohridski", Sofia 2003, S. 256-263; Gehler, Michel: Der lange Weg nach Europa. Österreich vom Ende der Monarchie bis zur EU. Darstellung. Studien Verlag Innsbruck-Wien-München 2002, S. 19, 23, 354 ff.

(7) Mancev, Konstantin: Panevropa i balkanska federacija. Idei ili realisacija [Paneuropa und Balkanföderation. Ideen oder Realisierung]. Hristo Danov Verlag, Sofia 1931, S. 26-27, 31-32 ff.; Gehler, Michel: Der lange Weg nach Europa. Österreich vom Ende der Monarchie bis zur EU. Darstellung. Studien Verlag Innsbruck-Wien-München 2002, S. 19, 23, 354 ff.

(8) In einem Artikel der bulg. Zeitung "Wreme" vom 20.07.1930 wird Herr Albert Musset nach der franz. Zeitung "L'Europ central" zitiert. Dr. K Mancev, über die Aussage des britischen Politikers Renee Smith in: Panevropa i balkanska federacija. Idei ili realisacija [Paneuropa und Balkanföderation. Ideen oder Realisierung].. Hristo Danov Verlag, Sofia 1931, S. 53.

(9) Zentrales Staatliches Archiv, B. 176, Kap. 5, 597, s. 49: Bericht des bulg. Vertreters in Athen vom 9. Oktober 1929.

(10) Zentrales Staatliches Archiv, B. 176, Kap. 5, 1051, s. 18: Diplomatischer Bericht vom 10. Oktober 1929.

(11) Zentrales Staatliches Archiv, B. 176, Kap. 5, 597, s. 70: Diplomatischer Bericht aus Athen vom 24.06 1930.

(12) Zentrales Staatliches Archiv, B. 176, Kap. 5, 597, s. 83: Rede von Papanastassiou vor dem Parlament in Athen.

(13) Arsov, P.: Burzoaznoto dwizenie za razbiratelstwo (Balkanskite konferencii 1930-1933) [Die bürgerliche Bewegung für Verständigung (Die Balkankonferenzen 1930-1933)]. In: Jahreshefte des Instituts für Geschichte der Bulg. Komm. Partei, H. 1-2, 1968, S. 3-50; Michova, Chr.: Mesdunarodnie otnosenija v periode 1933-1934 i diplomaticeskaja podgotovka Balkanskogo pakta [Internationale Beziehungen in der Zeit 1933-1934 und diplomatische Vorbereitungen des Balkanpaktes]. In: Studia balcanica, 11/1977, S/ 86-90; dies.: Njakoi aspekti na diplomaticeskata podgotowka na Balkanskija pakt 1934, [Aspekte der diplomatischen Vorbereitungen zum Balkanpakt 1934]. Im Sammelband: Zu Ehren von Akademiemitglied D. Kosev, Sofia, 1974, S. 300-301; Mancev, Kr.: Istorija na balkanskite narodi (XIX-XX v.) [Geschichte der Balkanländer (19.-20. Jh.)]. Akademie Verlag "Prof. M. Drinov", Sofia 1999, S. 251-256; Kaskin, I. S.: Balkanskije konferencii. Obrasowanie Balkanskoj Antanti (1930-1934) [Die Balkankonferenzen. Gründung der Balkan-Entente (1930-1934)]. In: Slawjanskij Sbornik, Saratov 1972, S. 2; Kerner, R./Haward, Harry N.: The Balkan Conferences and the Balkan Entente, 1930-1935, Barkley Univ.-Californija, 1936, S. 76.

(14) Diplomaticeskij slowar, B. 1, Nauka Verlag, Moskau 1984, S. 109; Mancev, K.: Bâlgarija i nejnite sâsedi. Politiceski i diplomaticeski otnosenija [Bulgarien und seine Nachbarn. Politische und diplomatische Beziehungen]. Nauka i izkustwo, Sofia 1978, S. 37-38; Christakoudis, A.: Mnogostrannoto sâtrudnicestwo v Jugoiztocna Evropa i evropejskata integracija. Istorija i sâvremennost [Die multilaterale Zusammenarbeit in Südosteuropa und die europäische Integration. Geschichte und Gegenwart]. Heron Press, Sofia 2002, S. 12-22; Papanastassiou, A. P.: Vers l'Union Balkanique. Les Conférences Balkaniques. In: Conciliation internationale. Paris 1934; Kaskin, N.: Balkanskite konferencii (1930-1934) [Die Balkankonferenzen (1930-1934)]. In: Actes I Congres International et Bal. Et Sud-Est Europe, B. V, Sofia 1970, S. 183-186 ff.

(15) Mancev, K.: Istorija ... [Geschichte der Balkanländer..., S. 250-251; ders.: Bâlgarija i nejnite sâsedi.... [Bulgarien und seine Nachbarn....] S. 37-38; Petrov, L.: Bâlgarija i Turcija 1931-1941 [Bulgarien und die Türkei 1931-1941]. IVRAJ, Sofia 2001, S. 56, 62.

(16) Zum Bedauern dominieren hier Forscher aus dem Ausland: Castelan, J.: Istorija na Balkanite XIV - XX vek [Geschichte des Balkans 14. - 20. Jh.]. (Aus dem Französischen Liljana Caneva). Hermes Verlag, Sofia 2002, S. 443-444; Christakoudis, A.: Mnogostrannoto sâtrudnicestwo v Jugoiztocna Evropa i evropejskata integracija. Istorija i sâvremennost [Die multilaterale Zusammenarbeit in Südosteuropa und die europäische Integration. Geschichte und Gegenwart]. Heron Press, Sofia 2002, S. 12-22, u.a.m.

(17) Mancev, Konstantin: Panevropa i balkanska federacija. Idei ili realisacija [Paneuropa und Balkanföderation. Ideen oder Realisierung]. Hristo Danov Verlag, Sofia 1931, S. 27.

(18) Nikova, Ek.: Balkanite i Evropejskata obstnost [Der Balkan und die Europäische Gemeinschaft]. Bulg. Akademie der Wiss., Sofia 1992; Georgieva, M.: Ot modernizacija kâm globalisâm? Ikonomiceskoto razvitie na balkanskite strani prez XX vek po primera na Bâlgarija [Von Modernisierung zur Globalisierung? Die wirtschaftliche Entwicklung der Balkanländer im 20. Jh. am Beispiel Bulgariens]. In: Dwadesetijat vek. Opit za ravnosmetka [Das zwanzigste Jahrhundert. Eine Bilanz]. Universitätsverlag "Sv. Kliment Ohridski", Sofia 2003, S. 267.

(19) Mancev, Konstantin: Panevropa i balkanska federacija. Idei ili realisacija [Paneuropa und Balkanföderation. Ideen oder Realisierung]. Hristo Danov Verlag, Sofia 1931, S. 233-244; Christakoudis, A.: Mnogostrannoto sâtrudnicestwo v Jugoiztocna Evropa i evropejskata integracija. Istorija i sâvremennost [Die multilaterale Zusammenarbeit in Südosteuropa und die europäische Integration. Geschichte und Gegenwart]. Heron Press, Sofia 2002, S. 12-22; Trotz der Überschrift "Entstehung der europäischen Idee auf dem Balkan", erwähnt der deutsche Forscher Heinz Duchardt die Balkankonferenzen nicht einmal als Element der Verbreitung der europäischen Idee auf dem Balkan. Siehe:H.D.: ebd., S. 256-263.

(20) Christakoudis, A., Danova, N.: Istorija na nowa Gârcija [Neugriechische Geschichte]. Abagar Publishing, Sofia 2003, S. 230; Gâbinski, I.: Târgovskite otnosenija na Bâlgarija s Gârcija [Handelsbeziehungen zwischen Bulgarien und Griechenland], Sofia 1934, S. 2ff.

(21) Näheres dazu siehe: Hix, Simond: Politiceskata sistema na ES {Politisches System der EU] (aus dem Englischen J. Krusteva). Paradigma Verlag, Sofia 2001, S. 47ff. Genov, G./ Panusev, E. (Hrsg.): Evropejsko politicesko sâtrudnicestvo i integracija. Strategija za prisâedinjavane na Bâlgarija [Europäische politische Zusammenarbeit und Integration. Beitrittsstrategie Bulgariens] , Albatross Verlag, S. 63 ff.

(22) Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 1945, l. 84: Geheimberichte an den Außenminister in Sofia At. Burov von Todor Pavlov vom 27. Oktober 1931.

(23) Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 2024, l. 21: Bericht von Tr. Trifinov, Leiter der bulgarischen Delegation auf der Dritten Balkankonferenz an den Außenminister in Sofia vom 24. Januar 1933.

(24) Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 2024, s. 211: Geheimbericht von P. Penkov an den Außenminister in Sofia vom 24. Januar 1933, Nr. 82.

(25)  Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 2024, s.240: Bericht über den Ablauf der Zweiten Konferenz.

(26) *

(27) Im Projekt zur Flagge des Balkanbundes symbolisieren 6 farbige Streifen die 6 Mitgliedstaaten - zwei weiße für die beiden Republiken zu beiden Seiten und jeweils ein blauer, grüner, gelber und roter für die vier Monarchien. Ein weißer Kreis in der Mitte und die 6 goldenen Sterne um ihn stellen die Einheitlichkeit des Bundes und der 6 Staaten dar.

(28) Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 2024, l. 63-69: Résolutions de la I Conference balkanique, Athénes 5.-12. X. 1930.

(29) Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 2024, l. 2-8: Streng geheimer Bericht von Oberst Mihajlov an den Kriegsminister vom 10. Juli 1933; l. 20: Bericht von Iv. Stamenov, erster Sekretär der Politik-Abteilung bez. der griechischen diplomatischen Note Nr. 1234 vom 11. März 1935; a.e. 1945, s. 16-20, 23-35 u.a.: Geneime Berichte an den Außenminister in Sofia At. Burov von T. Pavlov (Ankara, 1. 02. 1931, 27. 03. 1931.

(30) Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 2024, s. 85: Geneime Berichte an den Außenminister in Sofia At. Burov von T. Pavlov (Ankara, 1. 02. 1931, 27. 03. 1931.

(31) Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 1945, s. 63-69: Text der Resolution in französischer Sprache.

(32) Zentrales Staatliches Archiv, f. 176, op. 6, a.e. 2924, s. 93: Bericht des bulg. Generalkonsuls in Istanbul T. Balamezov an den Außenminister in Sofia vom 25. Mai 1932.

(33) Näheres dazu Mancev, Konstantin: Panevropa i balkanska ......., S. 143-161; Gehler, Michel: Der lange Weg nach Europa. ..., S. 35.


2.1. Kultur und Zivilisation

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For quotation purposes:
Mariana Jovevska (Veliko Tirnovo): Europäische Dimensionen der Balkankonferenzen (1930-1933). In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/02_1/jovevska.htm

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