Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 15. Nr. | November 2003 | |
4.3. Transnationale Bestrebungen
und Widersprüche in Asien und Afrika Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures |
Naoji
Kimura (Tokio/Regensburg)
[BIO]
1. In meinem Einführungsreferat "Japans imperialistische Expansion in Asien" ging es zuerst darum, den Nahen und Mittleren Osten vom Fernen Osten zu differenzieren. Innerhalb des Fernen Ostens wurde dann Ostasien mit China, Korea und Japan von Südostasien unterschieden. Während des Zweiten Weltkrieges expandierte Japan von Ostasien weiter nach Südostasien und besetzte Französisch-Indochina, die Philippinen, Burma, Malaya, Singapur und Indonesien.
Eigentlich setzt das Rahmenthema "Transnationales"
Entstehung und Entfaltung der Nationen in der neueren Geschichte
von Ost und West voraus. Impliziert es doch die ganze Problematik
des Nationalismus, der im Zeitalter der Globalisierung durch eine
politische oder wirtschaftliche Internationalisierung weitgehend
überwunden worden zu sein scheint. Aber genau besehen waren
es gerade die Nationalstaaten, die vielfältige Nationalismen
in der Welt durch ihre völkerrechtlichen Prinzipien hervorgebracht
haben.
Der Nationalismus in Europa war mit einem starken Expansionsdrang
verbunden. Daraus ergab sich im Laufe der großen Entdeckungsreisen
seit dem 16. Jahrhundert ein europäischer Imperialismus bzw.
Kolonialismus. Später kam leider Japan hinzu. Der Tübinger
Historiker Gerhard Schulz weist auf die kulturellen Auswirkungen
einer solchen transnationalen Aufteilung der außereuropäischen
Welt wie folgt hin: "Im Orient, in Afrika wie in China und
Südostasien waren die europäischen Kolonialmächte
in Kulturen vorgedrungen, die eigene Prozesse durchlebten und
den Europäern ein unüberschaubares Feld neuer Konflikte
boten." ("Europa und der Globus. Staaten und Imperien
seit dem Altertum", Deutsche Verlags-Anstalt. Stuttgart/München
2001, S. 265).
2. Es ist auffallend, daß in den letzten Jahren mehrere Bildbände über die Seidenstraße in deutscher Sprache erschienen sind. Sie sind grundsätzlich vom europäischen Standpunkt aus gesehen, so daß die Betrachtungen sich notwendigerweise vom Westen nach dem Osten bewegen. Dagegen richtet Frau Zhou Qin, Peking, ihr Augenmerk auf China, von dem kulturelle Impulse auf fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausgingen. Von besonderer Bedeutung erscheint ihr Hinweis darauf, daß die Seidenstraße im langen historischen Prozeß nicht nur dem Handel und Kulturaustausch gedient hat, sondern auch von der Herrschaft insbesondere von Dschingis Kahn ausgenutzt wurde zur Eroberung fremder Kulturen und für seinen Feldzug nach dem Westen. Aber die Geschichte bringt, wie sie betont, zum Vorschein, daß sowohl die Ausplünderungspolitik mit Waffen als auch die Diskriminierung und Herabsetzung fremder Kulturen zu nichts führen. Nur durch wechselseitigen Respekt der Kulturen und insbesondere der Religionen lasse sich der Haß zwischen Nationen und zwischen Religionen auflösen.
3. Am Rande des östlichen Ausgangspunkts der Seidenstraße, China, befinden sich heute Entwicklungsländer, die vom europäischen und japanischen Kolonialismus schwer betroffen wurden. Aus dem einst französisch beherrschten Indochina stammen seit 1950 drei unabhängige Staaten: Vietnam, Kambodscha und Laos. Herr Boike Rehbein, Freiburg, hat von ihnen besonders Laos unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung ins Auge gefaßt. Diese Nation erscheint ihm als ein Musterbeispiel für den Postkolonialismus in Südostasien, in dem Großstädte und Provinzen sich in mancher Hinsicht polarisieren. Die Regierung wird von internationalen Hilfsorganisationen und finanziellen Institutionen unterstützt. Dabei wird die Sozialstruktur von Laos im Zuge der fortschreitenden Marktwirtschaft immer komplexer. Denn alle Gesellschaftsschichten haben verschiedene Kulturen und weisen einen eigenen Bezug zur Globalization auf. Während insbesondere die elitären Schichten in ausländische Interessen eingebunden sind, beruht die sozialistische Einstellung auf einer nationalistischen Opposition gegen die sie umgebende Welt. Das führt zu einem Konflikt, der über die Diskussionen von "Globalization" und "McDonaldization" hinausgeht. Die Regierung befindet sich also bei ihren transnationalen Bestrebungen in einer zwiespältigen Lage zwischen entgegengesetzten politischen und wirtschaftlichen Interessen.
4. Frau Pornsan Watanangura, Bangkok, hat sich mit einem vormodernen thailändischen Versroman beschäftigt, der ein allgemein menschliches Problem der Menschwerdung in Ost und West beinhaltet. Abgesehen von dem interessanten komparatistischen Gesichtspunkt handelte es sich bei dem handlungsreichen Versroman im Grunde um einen Bildungsroman - einer märchenhaft-abenteuerlichen Seereise. Die in Versen verfasste Lebensgeschichte des Prinzen Phra-Apaimanie ist wohl schriftlich überliefert, wird aber dem Volk grundsätzlich mündlich vorgetragen. Seine "Lehrjahre" handeln von mittelbaren und unmittelbaren Erkenntnissen, die der Held und seine Familie auf der Reise gewinnen, und von verschiedenartigen Liebes- und Lebenserfahrungen des Protagonisten. Dabei werden seine Selbsterfahrungen häufig durch die buddhistische Lehre reflektiert. Die religiöse Lebenserkenntnis des thailändischen Versromans steht auf diese Weise der antiken Schicksalserfahrung des Homerischen Epos gegenüber. Beide zeugen von den Lebenswahrheiten der Kultur, in der sie entstanden.
© Naoji Kimura (Tokio/Regensburg)
4.3. Transnationale Bestrebungen und Widersprüche in Asien und Afrika
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For quotation purposes:
Naoji Kimura (Tokio/Regensburg): Bericht: Transnationale Bestrebungen
und Widersprüche in Asien und Afrika. In: TRANS. Internet-Zeitschrift
für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/04_03/kimura_report15.htm