Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. Juni 2004
 

6.1. Standardvariationen und Sprachauffassungen in verschiedenen Sprachkulturen | Standard Variations and Conceptions of Language in Various Language Cultures
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Rudolf Muhr (Universität Graz)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Deutsche Lehnwörter im Kroatischen der Lepoglava Region zwischen Purismus und alltäglicher Verwendung

Anita Pavic Pintaric (University of Zadar, Croatia)
[BIO]

 

Abstract

This paper investigates the impact of purism on the use of German loanwords in the Croatian Kajkavian dialect. The research aims to answer four main questions: a) How often are German loanwords present in everyday communication of a small community speaking the kajkavian dialect? b) How are these loanwords present in local newspapers? c) How are German loanwords classified in the dictionaries of the Croatian language? d) What is the attitude of Croatian linguists towards purism?

 

1. Einleitung

Die gemeinsame Geschichte und langjährige Kontakte Österreichs und Deutschlands zu Kroatien haben in der kroatischen Sprache zahlreiche Lehnwörter hinterlassen. Dieses ist am Wortgut der kajkawischen Mundart leicht zu erkennen. Da die kroatische Sprache in ihrer Geschichte fremdsprachlichen Einflüssen ständig ausgesetzt war, haben kroatische Sprachwissenschaftler immer versucht, diese Einflüsse zu mindern und kroatische Ersatzwörter zu bilden. Derartige Versuche lassen sich in der kroatischen Sprachwissenschaft zu jedem Zeitpunkt ihrer Entwicklung feststellen. Sie werden als puristisch bezeichnet. Der Purismus ist nach Duden(1) ein "oft übertriebenes Bestreben, eine Nationalsprache besonders von Fremdwörtern rein zu halten." Der große Brockhaus(2) definiert den Purismus als "den übertriebenen Eifer um die Säuberung der Muttersprache von Elementen fremdsprachlichen Ursprungs." Für Wahrig(3) ist Purismus "(übertriebenes) Streben, die Sprache von Fremdwörtern zu reinigen". Im vorliegenden Artikel wird versucht, den alltäglichen Gebrauch von deutschen Entlehnungen in der kajkawischen Mundart mit Bezug auf gegenwärtige puristische Tendenzen in der kroatischen Sprachwissenschaft zu untersuchen.

 

2. Historische Hintergründe

Nach Babic´(4) wurden Germanismen in drei Zeiträumen ins Kroatische entlehnt:

  1. Im Zeitraum bis 1527, also bevor kroatische Adlige den österreichischen Kaiser Ferdinand I. zum kroatischen König wählten
  2. Vom Anfang des 16. Jhs. bis zum Anfang der kroatischen Nationalbewegung (Illyrismus) (1527-1835)
  3. Seit dem Illyrismus bis heute

Die historischen Kontakte mit den Deutschen auf dem heutigen kroatischen Gebiet reichen ins 9. Jahrhundert zurück, als sich das Ostfränkische Reich auf einen Teil des Balkans ausgebreitete und jene Grenzen erreicht hatte, die das Oströmische und das Weströmische Reich trennten. Eine feste und dauernde Bindung Kroatiens an Österreich beginnt im 16. Jh., als Ferdinand I. im Jahre 1527 König von Kroatien wurde.(5)

Im nordwestlichen Teil Kroatiens ist der deutsche Einfluss auf die lokale kajkawische Mundart besonders stark gewesen. Seit dem 17. Jh. gingen viele kroatische Handwerker nach Österreich und Deutschland in die Lehre, und die junge Intelligenz studierte in Graz und Wien. In der Zeit des Absolutismus wollten Maria Theresia und Joseph II. die deutsche Sprache in der Habsburger Monarchie zur Amtssprache aufheben. Bis dahin war Latein

"die Amtssprache für die kroatischen feudalen Stände eines ihrer angestammten Rechte, wodurch sie zusammen mit dem ungarischen Adel ihre vom absolutistischen Verwaltungsstaat bedrohte Autonomie aufrechterhalten suchten."(6)

Zwischen 1787/1788 und 1789/90 findet der kurzlebige Versuch Josephs II. statt, Deutsch als alleinige Unterrichtssprache an Gymnasien durchzusetzen. Die Unterrichtsreform von Maria Theresia und Joseph II.,

"durch die das Schulwesen der Obhut der Geistlichkeit entzogen wurde und als Gegenstand staatlicher Regelung überall einheitlich gestaltet werden sollte, betrifft auch die kroatischen Länder als Länder der ungarischen Krone. Diese Reform regelt die Errichtung der Schulen, deren Verwaltung und Aufsicht, sieht eine allgemeine Schulpflicht vor, bestimmt die Lehrpläne der einzelnen Schultypen, legt die Lehrmethode fest, führt Klassenunterricht ein, verlangt fachlich und pädagogisch ausgebildete Lehrer und räumt dem Deutschunterricht einen angemessenen Platz im Unterrichtsplan ein."(7)

 

3. Die Untersuchung - Die Lehnwörter im Kajkawischen von Kamenica

In dieser Arbeit wurde die gesprochene Sprache in einem Dorf des nordwestlichen Teils Kroatiens untersucht. Das Ziel war festzustellen, in welchem Maße deutsche Entlehnungen auf einem kleinen Gebiet vorhanden sind und in der Alltagssprache verwendet werden. Kamenica(8) ist ein Dorf in der Lepoglava Region mit etwa 1500 Einwohnern, das vorwiegend von der Landwirtschaft lebt. Der Ort hatte in früheren Zeiten eine viel größere Bedeutung als heute. Er ist schon seit dem 13 Jh. bekannt, als in dem seinerzeitigen Marktflecken eine Burg erbaut wurde. Zusammen mit der bekannten Burg in Trakosc´an war die Region eine Zeitlang der Sitz von Adligen.(9) Im Jahre 1830 wurde in Kamenica die erste Volksschule im westlichen Teil der Varazdiner Gespanschaft gegründet.(10)

3.1. Die methodischen Schritte

Die Analyse der Germanismen im Kajkawischen von Kamenica fand in vier Schritten statt. Die ersten zwei Schritte umfassten die Untersuchung der eigentlichen Verwendung von Germanismen in der Alltagssprache des Ortes, während sich der dritte und vierte Untersuchungsschritt auf die Anwesenheit der Germanismen in der Standardsprache und mit der Frage der Wirkung des Sprachpurismus im Alltag beschäftigt.

3.2. Die gesprochene Sprache

Als Erstes wurde die Bekanntheit und der Gebrauch von Germanismen in der gesprochenen Sprache von Kamenica untersucht. Dazu bediente ich mich einer Umfrage. Die befragten Informanten leben alle in Kamenica; sie gehören vier Altersgruppen an und haben unterschiedliche Bildungsgrade. Im Verlauf der Befragung wurden etwa 820 deutsche Lehnwörter gefunden. Die Bereiche, in denen die Germanismen vorkommen, sind:

  1. Aussehen und Kleidung (24%): z.B. kragna > Kragen, lajbek > Leibchen, lokne > Locken, sokne > Socken, sos > österr. Schoß, spenadla > Spennadel, stof > Stoff, strikati > stricken, strunfe > Strümpfe, ves > Wäsche);
  2. Essen und Trinken (22%): z.B. dinstati > dünsten, fasirati > österr. faschieren, frisko > frisch, gemist > Gemischtes, germa > österr. Germ, kiflica > Kipfel, noklci > Nock(er)l, paradajz > österr. Paradeiser, pohati > bachen, prezle > österr. Brösel, putar > Butter, snicla > Schnitzel);
  3. Technik (15%): z.B. borer > Bohrer, bormasina > Bohrmaschine, bremza > Bremse, dihtati > dichten, gepek > Gepäckraum, hauba > Haube, kuplung > Kupplung, sajla > Seil, siber > Schieber, slajfati > schleifen, slepati > schleppen);
  4. Handwerk (14%): z.B. cimerman > Zimmermann, fangla > Fangl-, farba > Farbe, licitar > Lebzelter, saraf > Schraube, sloser > Schlosser, smirglpapir > Schmirgelpapier, snajder > Schneider, srafciger > Schraubenzieher, stemajzlin > Stemmeisen, suster > Schuster, tisler > Tischler);
  5. Haushalt (12%): z.B. Nutzsachen: bestek > Besteck, karnise > österr. Karnische, kinderbet > Kinderbett, kostati > kosten, krigla > Krügel, lojtre > Leiter, misafla > Mistschaufel, pegla > Bügeleisen, sarajzlin > Schüreisen, sparati > sparen, sparet > Sparherd, spigl > Spiegel, taca > österr. Tasse); Freizeit,
  6. Unterhaltung und Zeitbezeichnung (7%): z.B. cajger > Zeiger, cajt > Zeit, frtalj > Viertel, heklati > häkeln, ringlspil > österr. Ringelspiel, spancirati > spazieren, strikati > stricken, tancati > tanzen);
  7. Personeneigenschaften (4%): z.B. slampav > schlampig, nori > Narr, fuser > Pfuscher, coprnica > Zauberin, slank > schlank);
  8. Verwaltung (2%): Z.B. grunt > Grund, gruntovnica, herbati > erben).

Die Informanten der älteren Generation erkennen und benutzen die meisten der genannten Germanismen. Sie benutzen keine standardsprachlichen Ersatzwörter. Die Informanten der mittleren Generation erkennen die meisten Germanismen, benutzen aber einige nicht mehr. Sie benutzen teilweise standardsprachliche Ersatzwörter für veraltete Germanismen z.B. soljini (Schuhe), melja (Mehl), kiklja (Kleid), zveplo (Schwefel). Auch Handwerkerbezeichnungen sind bei diesen Informanten selten im Gebrauch, wie z.B. cimerman, sloser, tisler. Die junge Generation erkennt alte Germanismen in Gesprächen mit ihren Großeltern, benutzt sie selbst aber nicht mehr, während Germanismen der alltäglichen Lebenswelt auch von dieser Generation noch immer in hoher Frequenz verwendet werden. Bei der jungen Generation ist jedoch festzustellen, dass sie immer mehr Anglizismen (vor allem im Bereich der Technologie) aufnehmen.

Es ist bemerkenswert, dass unsere Informanten deutsche Entlehnungen als Wörter fremdsprachlichen Ursprungs empfinden und erkennen, ihren Gebrauch aber trotzdem nicht ablehnen. Dazu meint Renata Horvat-Dronske: "Indem das Fremde zum Medium der Selbstidentifikation wird, sperrt sich das Kajkawische gegen alle Formen des Sprachpurismus."(11)

3.3. Die Sprache der regionalen Zeitung

Im zweiten Analyseschritt wurde das Wortgut der regionalen Zeitung "Varazdinske vijesti" aus den letzten fünf Jahren untersucht. Jede kroatische Zeitung hat einen offiziellen Lektor und es wird die kroatische Standardsprache verwendet. Das ist auch in der untersuchten Zeitung der Fall. Ausnahmen kommen in Schlagzeilen vor, in denen vor allem feste Syntagmen mit Germanismen vorkommen. Die Lektoren erlauben das, weil regionale Zeitungen einen lässigen Stil verwenden, um ihre Leser besser ansprechen zu können. In diesem Zusammenhang kommen oft Syntagmen mit plac (Bezeichnung für Stadtplatz und Markt) vor, wie z.B. varazdinski plac, zeleni plac (Markt), Kapucinski plac (der Name von einem Stadtplatz) sowie Lehnwörter wie fasnik (Fasching), licitar (Lebzelter), zagorski cug (der Zug, der durch die Region verkehrt). Wie es in regionalen Zeitungen üblich ist, gibt es auch in "Varazdinske vijesti" einen Wochenkommentar im Dialekt. Er war für die vorliegende Untersuchung besonders interessant, weil der Autor über das alltägliche Leben schreibt und dabei wiederholt Germanismen verwendet. Stjepan Babic(12) meint, die Sprache der Printmedien "soll die meisten Leser zufriedenstellen, was nicht einfach zu erreichen ist. Man soll danach streben, die Sprachkultur auf einer bestimmten Stufe zu halten und die Norm der kroatischen Standardsprache beachten." Seiner Meinung nach ist es am schlimmsten, die Sprachkultur mit Lektoren zu pflegen. Die Pflege der Sprachkultur obliegt den Verlegern, denen er neben einem Lektor auch einen Sprachratgeber empfiehlt.

3.4. Deutsche Lehnwörter in Wörterbüchern

Nach den ersten beiden Analyseschritten, in denen der alltägliche Gebrauch von Germanismen im Mittelpunkt stand, wollte ich prüfen, ob der Sprachpurismus auf die untersuchten Germanismen Auswirkungen hat. Aus dem Belegmaterial habe ich deshalb 80 Germanismen (darunter 49 Substantive, 25 Verben, 6 Adjektive) ausgewählt, die allen Informanten bekannt sind und am häufigsten verwendet werden. Das Ziel dieses Untersuchungsschritts war es, in Wörterbüchern und in einem Sprachratgeber, das Vorhandensein des ausgewählten Belegmaterials zu untersuchen. Dazu wurden die Wörterbücher von Vladimir Ani c und Jure Sonje sowie ein Sprachratgeber(13), der von einer Gruppe von Autoren erstellt wurde, untersucht.

Im Wörterbuch von Vladimir Anic´(14) kommen von den 80 ausgewählten Germanismen 14 (17%) nicht vor: z.B. frustuk > Frühstück, vekerica > Wecker, frtalj, rincica > Ohrring, snita > Schnitte, sparet.

Alle Germanismen tragen die Bezeichnung "deutsch" und dazu noch die Klassifikation "regional" (10%), "Jargon" (20%), "Umgangssprache" (26%). Neben diesen Bezeichnungen verwendet der Autor bei 25 Germanismen (31%) auch die Bezeichnung "siehe", wenn er auf ein im Kroatischen besser geeignetes Wort hinweist: z.B. bestek, bremza, farba, flasa > Flasche, kragna, pegla, pleh > Blech, putar, sihta > Schicht, slauf, taca, ves.

Im Wörterbuch von Jure Sonje(15) ist die Klassifizierung von deutschen Lehnwörtern anders. Der Autor klassifiziert sie alle mit der Herkunftsbezeichnung "deutsch". Die meisten der eingetragenen Germanismen (62%) haben dazu noch die Bezeichnung "regional". Das ist die Bezeichnung für die in der gesprochenen Sprache verbreiteten Germanismen. Andere Markierungen gibt es nicht. Der Autor weist auch nicht auf "bessere" Wörter hin. Nur zwei Germanismen (sihta, srot > Schrott) haben neben der Bezeichnung "deutsch" noch einen Pfeil, der auf einen kroatischen Begriff hinweisen könnte (der Autor erklärt die Bedeutung des Zeichens jedoch nicht).

Im untersuchten Wortbestand des Sprachratgebers wird der Ursprung der Lehnwörter nicht angegeben. Die meisten Germanismen (45%) haben einen Pfeil als Markierung. Er kennzeichnet, dass diese Wörter der kroatischen Hochsprache nicht angehören. Das sind z.B. dihtati, pleh, saraf, sloser, snajder, srot, ves. Lediglich bei zwei Beispielen (putar, rama) steht ein Hinweis, der auf standardsprachliche Varianten hinweist. Die Autoren benutzen die Bezeichnung "regional" bei nur 12 der untersuchten Germanismen. Die Markierung "regional" heißt für sie, dass Wörter aus dem Deutschen in die Umgangssprache oder in einen Dialekt aufgenommen werden. Solche Wörter werden selten in die Standardsprache übernommen.

3.5. Der kroatische Sprachpurismus

Im vierten Analyseschritt steht der kroatische Sprachpurismus im Mittelpunkt. Die Motivation dafür war zu prüfen, ob der Purismus sowohl die Standardsprache, als auch das Kajkawische beeinflusst. Zu diesem Zweck wurden einschlägige Publikationen der bekannten kroatischen Sprachwissenschaftler aus den letzten fünf Jahren durchgesehen.

Der Purismus weckt meistens negative Assoziationen. Radoslav Katicic´(16) weist jedoch darauf hin, dass

"bei der Ausbildung des Standards ... jede Sprachgemeinschaft zum Purismus Stellung nehmen [muss]. Es ist wichtig zu bemerken, dass die Sprache an sich puristisch ist. Sie fordert von uns, ihre Ausdrucksmittel und keine anderen zu benutzen."(17)

Die meisten kroatischen Sprachwissenschaftler empfinden den Purismus positiv, da er die Tradition bewahrt. Marija Turk(18) bezeichnet den kroatischen Purismus "nicht als xenophob, sondern als eine aktive Beziehung zu fremdsprachlichen und innersprachlichen Tatsachen." Der Purismus ist für sie ein Synonym für die Sprachkultur.

Der Sprachpurismus im Kroatischen hat eine lange Tradition. Kroatische Puristen haben sich am längsten und am stärksten dem Gebrauch von Lehnwörtern widersetzt. Marko Samardzija(19) behauptet in diesem Zusammenhang, dass

"der kroatische Purismus ... schon mit der Entwicklung der mittelalterlichen Schreibkultur angefangen [hat]. Das Kroatische hatte zahlreiche direkte oder indirekte geographische, kulturelle und politische Kontakte zum Lateinischen, Altslawischen, Italienischen, Deutschen, Ungarischen und Türkischen. Wegen der politisch ungünstigen Lage und seiner geringen Verbreitung hatte die kroatische Sprache in diesen zwischensprachlichen Beziehungen vor allem die Rolle der Aufnahmesprache. Deswegen bestand die Gefahr, dass Entlehnungen das Kroatische, vor allem die Lexik, überfluten. Der Purismus diente deshalb zum Aufhalten oder zur Hemmung vom Eindringen der Entlehnungen."

Dalibor Brozovic´(20) meint diesbezüglich, dass "Standardsprachen als Träger der nationalen Kulturidentität fungieren." Im Kroatischen gibt es aber heute kein Sprachgesetz und keine Institution, die die Sprachpflege institutionalisiert. Puristisch wirken vor allem die Zeitschrift "Jezik" (Sprache) sowie Sendungen im Radio und Fernsehen, die Sprachempfehlungen geben.

Die meisten kroatischen Sprachwissenschaftler nehmen eine mittlere Stellung zum Purismus ein. Stjepan Babic´(21) vertritt dabei noch die Meinung der alten kroatischen Puristen, wenn er sagt:

"Wenn eine Sprache einen neuen Begriff braucht, soll sie ihn mit eigenen semantischen und Wortbildungsmitteln schaffen. Wenn das nicht erfolgreich wird, werden Entlehnungen aufgenommen, vor allem mit lateinischen und griechischen Einheiten."

Anders hingegen die Position von Stjepko Tezak(22), der einen aufgeschlosseneren Standpunkt vertritt:

"Viele entlehnte Wörter sind in unser Sprachsystem übernommen und werden heute nicht als Fremdwörter angesehen. Im Prinzip kann die Sprache von Entlehnungen nicht frei werden, aber ich verwende diese Regeln: 1. Wenn ich ein gutes, geeignetes, kroatisches Wort habe, nehme ich Entlehnungen nicht an. 2. Wenn die Entlehnung schon angenommen ist, muss ich nicht unbedingt ein kroatisches Substitut suchen. 3. Wenn schon ein kroatisches und fremdes Wort nebeneinander bestehen, gebe ich in einem neutralen, stilistisch unmarkierten Text dem kroatischen Wort den Vorrang."

Die Autoren des Sprachratgebers stimmen mit dieser Einstellung überein. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Lehnwörter unnötig sind und welche guten Ersatzwörter vorhanden sind. Sie meinen, "in einem neutralen, hochsprachlichen Stil wäre es gut, Lehnwörter auf das kleinste Maß zurückzuführen."(23)

 

4. Schlussfolgerungen

Deutsche Lehnwörter bilden einen wesentlichen Bestandteil der kajkawischen Mundart. Sie sind in der alltäglichen Kommunikation fast unentbehrlich. Es ist daher offensichtlich, dass der Sprachpurismus auf der dialektale Ebene keine Auswirkungen hat.

Die geschriebene Sprache der untersuchten regionalen Zeitung enthält weit verbreitete Entlehnungen, die trotz der Standardsprachlichkeit der Zeitungssprache trotzdem verwendet werden. Das liegt wohl an der Tatsache, dass die Zeitungen einen breiten Leserkreis ansprechen, aber auch dass sie damit für die Erhaltung des Dialekts sorgen. Der Purismus ist in der Standardsprache ausgeprägt, beeinflusst aber die Mundart, die in der regionalen Zeitung vorkommt, nicht.

In Wörterbüchern sind Germanismen als Beleg des Sprachgebrauchs auf allen Ebenen verzeichnet und üblicherweise als "regional" oder "umgangssprachlich" gekennzeichnet. Sie werden also nicht als standardsprachlich betrachtet, was sich auch daran zeigt, dass bei einigen die Empfehlung steht, dass sie nicht verwendet werden sollten.

Die kroatischen Sprachwissenschaftler der Gegenwart sind insgesamt puristisch eingestellt, wenn es um den starken Einfluss von Anglizismen durch die Medien geht. Sie lehnen Entlehnungen jedoch nicht völlig ab, empfehlen aber, wo immer es möglich ist, kroatische Ersatzwörter zu benutzen. Diese Empfehlungen beziehen sich auf die Standardsprache.

© Anita Pavic Pintaric (University of Zadar, Croatia)


ANMERKUNGEN

(1) Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 8 Bänden, Bd. 6, S. 2662.

(2) Der große Brockhaus, Bd. 9, S. 465

(3) Wahrig, Gerhard, Deutsches Wörterbuch, S. 1025.

(4) Ivanetic´, Nada, Germanismen in der cakawischen Mundart von Bribir, S. 112.

(5) Diese geschichtlichen Angaben stammen aus: Zepic´, Stanko, Deutsch und Deutsche in Osijek, S. 66.

(6) Häusler, Maja, Deutschunterricht in Kroatien nach der Schulreform im 18. Jh., S. 225.

(7) Ebd. S. 224.

(8) Das Dorf ist 25 km von Varazdin, 60 km von Zagreb, 10 km von der slowenischen und etwa 70 km von der ungarischen Grenze entfernt.

(9) Santalab, Daniel, Ostaci starog grada Kamenice, S. 152.

(10) Santalab, Daniel, Poceci skolstva u Kamenici, S. 250.

(11) Horvat Dronske, Renata: Das Fremde im Eigenen Zum Problem der Mehrsprachigkeit. S. 156.

(12) Babic´, Stjepan, Hrvatski jucer i danas, S. 225/226.

(13) Sprachratgeber zählen zu den wichtigsten Instrumenten und Dokumentationen der jeweiligen Sprachkultur. Es sind Bücher mit Empfehlungen fur die richtige Verwendung der Standardsprache. Der untersuchte Sprachratgeber stammt aus dem Jahre 1998.

(14) Anic´, Vladimir: Rjecnik hrvatskoga jezika.

(15) Sonje, Jure, Rjecnik hrvatskog jezika.

(16) Katicic´, Radoslav, O purizmu, S. 85.

(17) Die Zitaten der kroatischen Sprachwissenschaftler wurden von der Autorin dieser Arbeit übersetzt.

(18) Turk, Marija, Jezicni purizam, S. 76.

(19) Samardzija, Marko, Jezicni purizam u NDH, S. 7.

(20) Brozovic´, Dalibor, Jezik kao bitna odrednica kulturnog identiteta, S. 82.

(21) Babic´, Stjepan, Hrvatski jucer i danas, S. 60.

(22) Tezak, Stjepko, Hrvatski nas (ne)zaboravljeni, S. 105.

(23) Baric´, Eugenija et. alt., Hrvatski jezicni savjetnik, S. 109.


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