Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. Juni 2004
 

6.1. Standardvariationen und Sprachauffassungen in verschiedenen Sprachkulturen | Standard Variations and Conceptions of Language in Various Language Cultures
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Rudolf Muhr (Universität Graz)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Die Sprache der österreichischen Küche - Ein Spiegelbild sprachlicher und kultureller Kontakte

Heinz-Dieter Pohl (Universität Klagenfurt, Austria)

 

Abstract

The Austrian cuisine is based on the South German cookery, but there are many influences from the countries of the old Austro-Hungarian Empire. Primary it is not a national cuisine, rather it is a Central European cuisine with Bohemian, Hungarian, Italian and Balkan elements. Many spicy and too hot dishes were adapted and transformed, they became a central part in the Vienna middle class cookery. The rustical plain fare was refined and got the predicate Kaiser- 'imperial', e.g. Kaiserschmarren 'a minced pancake' and Kaiserfleisch 'smoked pork chops (from the breast)'. Linguistically, the Austrian cooking terminology is based on the Bavarian dialect, but there are many grave differences, because the cooking traditions developed differently from each other. The quantity of loanwords from the languages of the old multinational empire is not as numerous as to be expected.

Wie schon der Titel eines der Klassiker(1) der österreichischen Küche feststellt, ist die Wiener Küche eine Ausprägung der süddeutschen Küche, die im Rahmen der Habsburger-Monarchie Impulse aus allen Kronländern erfuhr. Sie ist wahrlich keine "nationale" Küche, sondern eine "europäische" auf Grundlage der süddeutsch-österreichischen Küche, in die Speisen all jener Nationalitäten Eingang gefunden haben, mit denen das alte Österreich vom 17. bis Anfang des 20. Jhdts. aufs Engste verbunden war - in der Haupt- und Residenzstadt Wien.(2)

Im "Sacher Kochbuch" heißt es:(3)

"In diesem Wien mischten sich alle Gegensätze bis zur Harmonie, das Überfeinerte wurde bodenständig gemacht, das Bodenständige, das rustikale Element wurde verfeinert. Die bloße Übernahme eines Gerichts hätte schließlich noch keine weltberühmte "Wiener Küche" ergeben. Da passierte noch etwas Besonderes: die übernommenen Rezepte wurden modifiziert, assimiliert und veredelt. Die Wiener Küche des 19. Jahrhunderts verwandelte das allzu Differenzierte einer Nationalspeise, verfeinerte das Grobe und vereinfachte das Überpikante. Der Speise wurde, um es auf einen kurzen Nenner zu bringen, die wienerische Note des soliden Bürgertums aufgedrückt.... Im Wienerischen bekamen gerade die hausgemachten Gerichte, die Speisen der bürgerlichen Hausmannskost, das Prädikat "kaiserlich" oder "Kaiser-", ob das nun Kaiserschöberl, Kaisergugelhupf, Kaiserschmarrn, Kaiserfleisch oder Kaisersemmeln waren und sind".

Und wie war es sprachlich? Nicht derart gemischt(4), wie man denken könnte, sondern "beim Essen: viel deutscher!" meint Peter Wehle(5) - wobei er mit "deutsch" freilich das bodenständige Bairisch-Österreichische meinte, das ja die Grundlage der österreichischen Küchensprache liefert(6). Denn wer könnte z.B. bestreiten, dass der Erdapfel für diese Knollenfrucht "deutscher" ist als die Kartoffel? Dieses Wort wurde uns von den Italienern vermittelt, die diese Knolle, da sie ohne Namen aus Amerika zu ihnen kam, einfach mit den Trüffeln verglichen und sie auch so nannten: tartuffoli. Bald übernahmen die Deutschen dieses Wort, und 1591 erwähnt sie ein hessischer Landgraf als Tartuffel.(7) Der amerikanische Name dieser seit dem 17. Jhdt. in Europa kultivierten Pflanze lautete papa(8); aus der deutschen Kartoffel wurde bei unseren slawischen Nachbarn kartofel oder ähnlich (im Russischen auch kartoski). Die Tschechen sagen meist brambory, woraus in Wien Bramburi wurde.(9) Darin steckt Brandenburg, woher die Tschechen die ersten Erdäpfel bekamen. Manchmal sagen die Tschechen auch krumpir, die Slowenen meist krompir, was das deutsches Wort Grundbirne widerspiegelt.(10) Allerdings: der Erdapfel wird immer mehr vom übermächtigen Synonym Kartoffel verdrängt. Ähnlich ergeht es auch den heimischen (eher ostösterr.) Paradeisern durch die Tomaten. Tomate kommt über das Romanische letztlich aus Mexiko, aus der Sprache der Azteken, dem Nahuatl, wo sie tomatl hieß.(11) Die Bezeichnung (der) Paradeiser - auch (der/die) Paradeis - bedeutete eigentlich 'Paradies-Apfel' und wurde erst später in unsere Breiten übertragen.(12)

"Obers und Sahne - was ist deutscher?" fragt Peter Wehle weiter und antwortet: "Beim Wort Obers erübrigt sich jede Forschung, das ist plastisch, das ist verständlich, eben das Obere. Lassen Sie echte Kuhmilch stehen, schöpfen Sie das Obere ab, schlagen Sie es, und schon haben Sie ... Schlagobers!".(13) Sahne dürfte über das altfranz. sain 'Rahm' (< vulgär-lat. sagina 'Fett') ins Deutsche gekommen sein. Daher "gibt es keine Widerrede: Obers ist deutscher" - so Wehle.(14) Das am meisten verbreitete Wort im Deutschen für dieses Nahrungsmittel ist aber Rahm,(15) wobei vielfach Sahne bzw. Obers neben bzw. gemeinsam mit Rahm gebraucht wird - bemerkenswert erscheint aber die Tatsache, dass in Deutschland die Sahne und in Österreich das Obers zum "Normalwort" aufstiegen. Auch der bairisch-österreichische Topfen ist deutscher Herkunft (zu Topf), Quark ist ein slawisches Lehnwort, aus sorb. twarog;(16) davon das Diminutiv Quargel (auch im Tschechischen ein Diminutiv: tvar ù _ek zu tvaroh) für eine Käsesorte ('Harzer Käse') - diese ist wiederum typisch österreichisch.

Ob die österreichische Küchensprache einen "Standard" hat, ist zweifelhaft - zu verschieden ist die regionale Küche in Österreich, doch der Begriff der Standardsprache oder Hochsprache (im Falle des Deutschen: Hochdeutschen) ist in der modernen Linguistik unumstritten(17). Daran ändert sich sich auch durch die Varietätenlinguistik nichts(18), auf Grund derer manche Sprachgemeinschaften regionale oder nationale Varietäten entwickelt haben - infolge kultureller und/oder historisch-politischer Umstände, denn auch nationale Varietäten sind Standardsprachen, zumindest auf jenem Gebiet, das den administrativen Rahmenbedingungen entspricht (nach Staaten oder Verwaltungseinheiten)(19).

Doch es gibt einige Bereiche in der Sprache, wo der Wortschatz, über den die jeweilige Sprache in ihrer standardisierten Form verfügt, nicht ausreicht. Dies ist die Sprache des Alltags, v.a. der regionalen Alltagskultur. Im "Duden"(20) und im "Österreichischen Wörterbuch"(21) ist dieser Wortschatz mit "landschaftlich", "umgangssprachlich", "süddeutsch", "österreichisch" usw. gekennzeichnet; in dem Projekt "Wörterbuch der nationalen und regionalen Varianten der deutschen Standardsprache"(22) wird dieser Wortschatz nur mit größter Zurückhaltung als "Grenzfall des Standards" bezeichnet - solche "Grenzfälle" sind u.a. Blunzen (bairisch, auch ostmitteldeutsch Plunze, für 'Blutwurst') und Strankerl (kärntnerisch für 'Fisole, grüne Bohne(nschote)'), auch Gerstl und Nockerl, die der Form nach kaum als Standard zu bezeichnen sind, aber als Küchenfachausdrücke gelten.(23)

Doch sobald aus Mundart und/oder Umgangssprache stammende Küchenausdrücke auf Speisekarten und in Kochrezepten geschrieben werden, sind sie so gut wie Standard bzw. hochsprachlich.

Der Wortschatz der Küche ist also in vieler Hinsicht ein "Grenzfall des Standards" und dies hat viele Gründe.

1. Die Koch- und Essgewohnheiten unterliegen modischen Strömungen und ändern sich ständig. Schon in Kochbüchern aus dem 19. Jhdt. finden sich viele Rezepte, die man heute gar nicht mehr oder nur schwer nachkochen kann (weniger wegen der Ingredienzien, vielmehr durch die Änderungen der Garungsmethoden). In einem noch größeren Ausmaß gilt dies für die Küche des Mittelalters oder des Altertums. Auch wenn man die erste Auflage 1911 eines der Standardwerke der Wiener Küche, die "Hess", mit der 44. des Jahres 2001(24) vergleicht, kann man die Veränderungen in 90 Jahren leicht feststellen.

2. Der frühere Unterschied zwischen der bäuerlichen und bürgerlichen Küche einerseits, also der Küche der Grund- und Mittelschicht der Bevölkerung, und der Küche des Adels und der Oberschicht andererseits spielt seit der ersten Hälfte des 20. Jhdts. nur mehr eine untergeordnete Rolle. Man kann sagen: er ist historisch, relevant für die Geschichte der Küche und für die Etymologie(25) der Bezeichnung des betreffenden Gerichtes (wie z.B. die Malakoff-Torte(26), oder die zahlreichen mit dem Zusatz Eszterházy [-gulyás, -torte, -rindsbraten, -sauce](27), der berühmten ungarischen Magnaten-Familie, benannten Speisen).

3. Mit der Änderung der Ess- und Kochgewohnheiten änderten sich vielfach auch die Bezeichnungen. Mit internationalen Speisen kamen neue Lehnwörter, früher v.a. aus dem Französischen (z.B. Cordon bleu(28), Fricandeau(29) usw., aber auch eingedeutschte Bezeichnungen wie österr.dt. Faschiertes(30)) und Italienischen (wie u.a. Pasta(31), Parmesan(32), Ravioli(33) und Ossobucco(34)), heute v.a. aus dem Englischen (wie u.a. Toast(35) und Sandwich(36), auch Rückentlehnungen wie Hamburger(37)), aber auch Türkischen (Döner kebap(38) und Griechischen (Gyros(39), Suvlaki(40)) sowie anderen Sprachen (wie u.a. das Gewürz Curry(41), indonesisch Nasigoreng(42)oder japanisch Sushi(43); die Ursachen dafür sind multikausal, teils Vorliebe für das Exotische, Erinnerung an den Urlaub, Migrationen usw.). - Die Wiener Küche hat aus allen Sprachen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie Wörter aufgenommen (wie u.a. die böhmischen Buchteln(44), den Powidl 'Zwetschkenmus'(45), auch der beliebte Zwetschkenschnaps Sliwowitz(46) kommt aus dem Tschechischen, aus SO-Europa wären die Cevapcici 'kleine, auf dem Rost gebratene Fleischklößchen'(47) zu nennen) - zusammen mit dem meist ein wenig angepassten Gericht, wie etwa das Wiener Gulasch(48), aber auch das Wiener Schnitzel, eine Adaption des italienischen costoletta milanese, das auf eine bis ins 12. Jhdt. zurückreichende Tradition zurückblicken kann und letztlich - wie so viel - aus dem Orient stammt(49).

4. Mit der zunehmenden Beliebtheit bodenständiger (was man auch immer darunter verstehen mag) Speisen steigt die Zahl von Entlehnungen aus den Mundarten und regionalen Umgangssprachen sprunghaft an. Substandardwörter wie Blunzen 'Blutwurst'(50), Beuschel 'Lunge'(51), Erdäpfelblattl / Reibekuchen / Reiberknödel 'Kartoffelpuffer'(52) in Österreich, Hendl 'Hähnchen' oder Eierschwammerl 'Pfifferling' (neben Rehling / Reherl) in Bayern und Österreich(53) oder nur in Bayern Fleischpflanzl 'Frikadelle, Fleischlaibchen'(54), Obatzter 'eine Käsespezialität(55) (im Prinzip ähnlich dem österr. Liptauer(56))' oder Reiberdatschi 'Kartoffelpuffer'(57); regional in Österreich u.a. das Tiroler Gröstl 'variantenreiches Pfannengericht aus Kartoffeln und Braten bzw. Wurst' oder der Kärntner G'lundene 'in der Pfanne geschmolzener reifer Topfen bzw. Quark'(58) steigen so zum Standard auf.

5. Denn wenn diese Wörter auf Speisekarten und in Kochbüchern gebraucht werden, sind sie als Fachausdrücke quasi stardardsprachlich. Analog, wie die sogenannten "unspezifischen Austriazismen"(59) wie z.B. Apfelstrudel oder Vanillekipferl (es sind nämlich die einzigen Bezeichnungen für diese Gerichte, über die die deutsche Sprache verfügt), rücken sie oft zu den einzigen Wörtern der Standardsprache auf, weil auch sie die einzigen Bezeichnungen für diese Speisen sind. Vielleicht könnte man bei diesen Wörtern von "unspezifischen Dialektismen" sprechen, denn etymologisch stammen sie aus der Mundart, sind aber als fachsprachliche Küchenausdrücke "hochdeutsch"(60). Einige weitere Beispiele wären die bayerischen Radieserln (samt dem Radi)(61), die Kärntner Strankerln 'grüne Bohnen, Fisolen'(62), das Wiener Bruckfleisch(63), das Tiroler Gröstl(64), die Kärntner Kasnudeln(65) oder Schlickkrapferln(66), die schwäbischen Spätzle (bajuwarisiert Spatzln)(67), die bairischen Nockerln(68), der Kölner Halve Hahn(69), der Berliner Hackepeter(70), der Hamburger Labskaus(71)u.v.a.m.

Somit ergibt sich für die deutsche und österreichische Küchensprache ein recht buntes Bild. Einerseits haben wir die gemäß den deutschen Großdialekten und den Ländern bzw. selbständigen Staaten (entsprechend anderen Bereichen des Wortschatzes) zu beobachtende Gliederung, andererseits eine kleinräumige regionale Differenzierung.

Bei meinen Untersuchungen zum Küchenwortschatz Kärntens habe ich festgestellt, dass es deutliche Unterschiede innerhalb des Landes gibt, nicht nur bei den deutschen Bezeichnungen, sondern auch bei den slowenischen(72). Wie Stichproben zeigen, ist dies nicht nur in Kärnten so, sondern auch in anderen Bundesländern und wohl nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und der Schweiz. Dazu kommt ein Problem: die etymologische und lexikographische Literatur ist bei den Küchenbezeichnungen äußerst ungenau. Die wahre Bedeutung vieler Wörter liefern eher die Kochbücher(73), wie dies hier zum Abschluss an den drei gängigen Begriffen Krapfen, Nudel und Gugelhupf gezeigt werden soll. Krapfen sind nicht nur ein süßes Hefegebäck(74), sondern sind in Oberkärnten und in Tirol auch Nudelgerichte (gefüllte Nudeln, die Kärntner Käsnudeln heißen in Oberkärnten Kaskråpfen), und Dampf-, Rohr- und Kirchtagsnudeln erinnern eher an eine Art Krapfen, sind es doch Hefegebäcke. Nudeln sind in Kärnten nicht nur (vor dem Genuss zu kochende) Teigwaren verschiedener Form (Suppennudeln, Bandnudeln usw.), sondern auch 'gefüllte Teigtaschen' (wie die Käsnudeln). Oder der Gugelhupf wird als 'Napfkuchen' beschrieben(75), wurde auch in Wien ursprünglich mit Hefe hergestellt(76), entsprach also nicht dem "Napfkuchen"(77). Genauere Auskünfte geben in dieser Hinsicht nur Regionalwörterbucher wie Zehetner (1997), Ebner (1998) oder Hornung (1998) bzw. Fachwörterbücher wie Wagner (1996). Gerade dieses (keineswegs linguistische, aber für Sprachhistoriker ungemein interessante) "Lexikon der Wiener Küche" führt dem Leser deutlich vor Augen: im Küchendunst verflüchtigt sich das, was wir in der Linguistik als "Standard" bezeichnen!

Anhang

ÜBERSICHT 1

Lehngut in der Wiener Küche (in Auswahl)

Ungarisch: Gulasch (gulyás, Anm. 48), Palatschinken (palacsinta aus rumän. pl ã cint ã , slaw. Vermittlung), Fogosch ('Zander'), Bográcsgulyás ('Kessel gulasch'), Langos (ein Hefeteiggebäck mit Knoblauch), Tarhonya (Art Teigreis), Letscho (lecsó 'Paprikagemüse mit Paradeisern'), Debreziner (pikante Würstel, benannt nach der Stadt Debrecen), Halászlé ('Fischsuppe'), Dobostorte (nach dem Budapester Zuckerbäcker Dobos) usw.

Slawisch (Tschechisch unbezeichnet): Skubanki (skubánky 'Zupfnudeln'), Böhmische Dalken (vdolky zu vdolek 'kleine Mulde' nach der besonderen Pfanne), Buchtel/Wuchtel (Anm. 44), Liwanzen (lívance 'Art Palatschinke mit Germ bzw. Hefe' ähnlich den Dalken), Powidl (Anm. 45), Golatsche/Kolatsche (kolác 'Kuchen'), Haluschka (slowak. halusky), Kabanossi (poln.-ukrain., Art Jagdwurst), Cevapcici (serb., Anm. 38) usw.

Italienisch (Romanisch): Risipisi ('Reis mit Erbsen'), Frittaten (Suppeneinlage, aus ital. frittata 'Art Eierkuchen'), Panadelsuppe (ital. panata 'Brotsuppe'), Pafesen (ital. pavese 'aus Pavia'), Fisole (phaseolus), Marille (ital. armellino), Ribisel (latein. ribes) usw.

ÜBERSICHT 2

Lehngut in der Kärntner Küche (in Auswahl)

Slowenisch: Maischel (rückentlehnt aus mittelhochdeutsch meisil î ), Struckel (rückentlehnt aus deutsch-mundartl. Struckel, Variante von Strudel), Potitze (slow. povitica 'Rollkuchen', Talggen (frühslow. talk- 'eine Haferspeise'), Munggen (frühslow. mo(n)ka 'Mehl'), Gaislitz, (slow. kiselica 'Gesäuertes'), Strankerl 'Fisole' (frühslow. stra(n)ka 'Schote'), Raditsch (slowen. Vermittlung?).

Romanisch: Plenten (Polenta), Frigga, Farfelein (zu farfalle 'Art Suppennudeln'), Fochanzen (focacea 'eine Brotart'), Keferfill (umgeformtes caerefolium), Lustock (umgeformtes ligusticum/levisticum), Raditsch (radicchio, aus dem Norditalien.-Furlan., über slowen. Vermittlung?), Rapunzel (rapuncium, -untium), Salse (salsa).

ÜBERSICHT 3

Bairisch-österreichisches Deutsch in der Küche

Gemeinsamkeiten mit Bayern (in Auswahl)

bähen, Beuge(r)l, Blaukraut, Brösel, Dampfl, Dotter, Einbrenn(e), Erdäpfel- (Kartoffel-) püree, Fleckerl, Geröstete ('Bratkartoffeln'), Gerstl, Geselchtes, Golatsche, Grammeln, Grießkoch, Gugelhupf, (das, nicht der) Gulasch, Häuptel (-salat), Hendl, Holler, -junge (in Hühner-, Enten- usw. statt -klein), Kaffée, Kälbernes, Katzengeschrei, Kletzen, Knödel, Kracherl, Krapfen, Kraut (-kopf, -wickel), Kren, Kutteln, Leberkäse, -knödel, Lebzelten, Laib (Brot), (die/das) Marmelade, Mus, Nachspeise, Nockerl, Orange, Pafesen usw., (der) Petersil, Porree, Püree, pürieren, Radi, Rahm, Rindsbraten ('Rinderbraten'), Ripperl, Rollgerste, Scherzel, Schlegel, Schmarren, Schwammerl, Schwarzbeere, Schwei nernes, Schweinsbraten, Selch(e) / selchen, Semmel, Striezel, Sulz, Sur (-fleisch, -braten), Tafelspitz, Tellerfleisch, Topfen, Vögerl (Roulade), Wecken (Brot), Weckerl, Weichsel, Weinbeere, Würstel, Zibebe, Zuckerl, Zwetschke. - In Bayern eher mundartlich-umgangssprachlich, in Österreich hochsprachlich: Beuschel, Blunzen, Erdäpfel (- püree), Karfiol, (das) Koch, Kren, Ribisel, Staubzucker.

Unterschiede zu Bayern (in Auswahl)

Wohl gemeinbairisch, aber doch in Bayern und in Österreich Verschiedenes: Baunzerl 'kleines, längliches Weißbrot, mürbes Milchbrot' / 'Fingernudeln aus Mehl- bzw. Kartoffelteig, die in der Pfanne gebraten werden', -fleck bezeichnet verschiedene Speisen, v.a. (Fladen-) Kuchen, z.B. Zwetschkenfleck (in Bayern jedoch gewöhnlich Zwetschgendatschi), aber auch Kutteln; Kipfe(r)l 'mondsichelförmiges Gebäck' (aus Weiß- oder Milchbrotteig, auch anderen Teigen, z.T. mit Bestreuung [v.a. Mohn] oder Füllung [Mohn oder Nuss]); in Bayern auch 'Semmel in länglicher Form', doch dem österreichischen Kipferl entspricht in Bayern eher das Hörndl 'Hörnchen'.

Abweichungen in den Küchenbezeichnungen: Brockerl 'Rosenkohl, Kohlsprossen, (neuerdings auch:) Broccoli', Brotzeit 'Jause, Vesper', Eierschwammerl, (auch) -schwamm 'Pfifferling', in Bayern meist Reherl oder Rehling, Einlaufsuppe gegenüber österreichisch Eintropfsuppe 'klare Suppenbrühe, in die man verquirltes Ei mit Mehl einlaufen/eintropfen lässt', Feldsalat oder Nisselsalat, in Österreich meist Vogerlsalat, regional auch Rapunzel und Nisselsalat, Fleischpflanz(e)l 'Bulette, Frikadelle', gelbe Rübe 'Karotte' (süddeutsch), in weiten Teilen Österreichs Möhrlein (gesprochen etwa [m ç rle] o.ä zu Möhre), Hackbraten und -fleisch 'Faschiertes', Hax(en) (der, von hochsprachlich die Hachse) 'Bein (Fuß)', in Bayern (die) Hax(e) 'Schenkelteil von Schwein und Kalb, Eisbein' bzw. umgangssprachlich in Österreich (der) Haxen 'Bein (des Menschen)'; bayer. Hax(e) = österr. Stelze, Hörndl 'Hörnchen, Beugel, Kipferl', in Österreich nur Beuge(r)l oder Kipfe(r)l, Nisselsalat s.o. Feldsalat, Obatzter 'ein Brotaufstrich aus Topfen bzw. Quark mit Gewürzen' (Anm. 55/56), Panier (die) österreichisch für bayer. das Panad '(die) Panade', Radieserl in Österreich nur Radieschen (Radi), Reiberdatschi 'Kartoffelpuffer' in Österreich neben Kartoffelpuffer, Reibekuchen oder Erdäpfelblattl, Rose 'Keule' (vom Rind), in Österreich meist Hüferschwanzel, Schorrippe 'Rostbraten, Ried, Hochrippe', Schweinshaxe(n) in Österreich (Schweins-) Stelze, Suppengrün 'Suppengemüse', so auch in Österreich neben Wurzelwerk, Wiener (Würstel) für österreichisch Frankfurter (so auch in Teilen Deutschlands).

© Heinz-Dieter Pohl (Universität Klagenfurt, Austria)


ANMERKUNGEN

(1)  Prato (1858):  "Die Süddeutsche Küche". Wurde als "Die große Prato" sehr populär und erschien bis 1957 in 80 Auflagen (Prato 1938 u. 1957). 1931 erschien erstmals als gekürzte Ausgabe "Die kleine Prato" (mir nur bekannt Prato 1949; alle Angaben nach dem Österreich-Lexikon II 217).

(2)  So Prato 1938, V - im Vorwort.

(3)  Maier-Bruck 1975, 32f.

(4)  Dazu vgl. die Übersichten 1-2.

(5)  Wehle 1980, 32ff.

(6)  Trotzdem ist es verfehlt zu glauben, dass die österreichische und bayerische Küchensprache identisch seien. In einer von mir eingerichteten Datenbank für österreichischen Küchenausdrücke sind 24% als bairisch-österreichisch und 14% als süddeutsch (zusammen 38%) ausgewiesen - gegenüber 33% (spezifisch) gesamtösterreichischen und 19% regionalen österreichischen Küchenausdrücken (zusammen also 52%!). Siehe dazu auch Übersicht 3. - Hinsichtlich der Küchensprache unterscheidet sich also selbst das (mundartkundlich gesehen größtenteils) bairische Österreich erheblich von Bayern; zwischen der BR Deutschland und der Rep. Österreich übersteigt hier der Unterschied das übliche Ausmaß, wie es sonst zwischen nationalen Varietäten einer Sprache zu beobachten ist (vgl. dazu (http://members.chello.at/heinz.pohl/KuecheDeutsch Oesterr.htm).

(7)  Wehle 1980, 32, genauer Kluge 2002, 473f.

(8)  Wiswe 1970, 125; zuvor war sie bereits als Hauptnahrungsmittel der spanischen Seefahrer verbreitet.

(9)  Hornung 2002, 189.

(10)  Wehle 1980, 32.

(11)  Kluge 2002, 919.

(12)  Kluge 2002, 679f.

(13)  Wehle 1980, 32.

(14)  Wehle 1980, 33.

(15)  Eichhoff 1977-2000, 4-28.

(16)  Vgl. Kluge 2002, 920 u. 734.

(17)  Eine der klassischen Definitionen bei Bußmann 1990, 732: "deskriptive Bezeichnung für die historisch legitimierte, überregionale, mündliche und schriftliche Sprachform der sozialen Mittel- bzw. Oberschicht; ... unterliegt ... weitgehender Normierung".

(18)  Dazu vgl. v.a. Ammon 1995, zu Österreich u.a. Pohl 1999a-b.

(19)  Daher gibt es "nationale Varietäten" (wie z.B. Bundesdeutsch vs. österreichisches Deutsch oder British English vs. American English) und (von Ammon 1995 weniger beachtet) "regionale Varietäten" (wie z.B. ost- vs. westösterreichisches Deutsch oder Nord- vs. Süddeutsch oder Bairisches Deutsch, dazu vgl. u.a. Pohl 1999a, 88ff. mit Lit.).

(20)  Benützte Ausgaben Duden DR (22. Auflage 2000) u. DUW (4. Auflage 2001).

(21)  Benützte Ausgabe ÖWB (39. Auflage 2001).

(22)  Am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck, Mitarbeiter u.a. U. Ammon, J. Ebner, D. Mangott, H. Moser usw.

(23)  Gerstl ist darüber hinaus als Bezeichnung für 'Geld' ähnlich wie Knete, Moos, Marie usw. freilich "Grenzfall des Standards".

(24)  Hess 2001.

(25)  Hier sollten ein paar Worte über die Herkunft von Speisenbezeichnungen ("Sitonymen") gesagt werden. Keine einzige Speisebezeichnung ist ein nomen proprium im engeren Sinne des Wortes (weil ja jede Speise ad libitum reproduziert werden kann), aber zum Zeitpunkt ihrer Entstehung waren sie dies (in den meisten Fällen) sehr wohl, das erste Cordon bleu, die erste Sacher-Torte und das erste Boeuf Stroganoff waren nomina propria! Daher stehen Sitonyme irgendwie an der Grenze zwischen dem Namen an sich und dem Appellativum. Um Sitonyme näher erfassen zu können, bietet sich folgende Einteilung an:

(26)  Eine aus Norditalien stammende Biskottentorte, benannt nach einer russischen Bastion bei Sewastopol, die im Krim-Krieg von Jean J. Pélissier (1794-1864) erstürmt wurde, der dann den Titel eines "Herzogs von Malakoff" erhielt (vgl. Wagner 1996, 147f.).

(27)  Vgl. Wagner 1996, 84f. (mit der in Wien üblichen Schreibung Esterházy-).

(28)  Eigentlich 'blaues Ordensband', das von einer Pariser Köchinnenvereinigung verliehen wurde, mit Schinken und Emmentaler gefüllte Variante des Wiener Schnitzels (Wagner 1996, 72).

(29)  Aus franz. fricandeau 'Schnitte von gespicktem Kalbfleisch'.

(30)  'Hackfleisch' (alt Gehäck, Geheck, Hepp 1970, 206), durch die "Faschiermaschine" (den 'Fleischwolf') gedrehtes Fleisch; typisch österreichisches Wort (ohne Vorarlberg). Unseren Fleischlaibchen (oder Fleischlaberln) entsprechen in Bayern die Fleischpflanzeln (im nördlichen Deutschland meist Frikadellen (aus niederländisch frikadel zu franz. fricandeau 'Pastetenfülle' [Kluge 1995, 286f.]), in und um Berlin Buletten (aus franz. boulette 'Kügelchen' [Kluge 1995, 144]) genannt, im Südwesten Fleischküchle, neben weiteren Bezeichnungen [Seibicke 1983, 80], s. Karte bei Eichhoff 1977-2000, 2-65). Doch diesem bayerischen Pflanzel liegt ein älteres Pfanzel zugrunde, das selbst ein gekürztes Pfannzelte 'Pfannkuchen, in der Pfanne Gebackenes u.dgl.' (Zehetner 1997, 226 u. 228) ist. In älteren Kärntner Kochbüchern kommt dieses Wort ebenfalls vor, so z.B. Blutpfanzl (Pfannengericht aus Blutwurstmasse) oder Hadn- bzw. Türkenpfanzl (aus Buchweizen- oder Maismehl [Miklau 1984, 36 u. 70f.]). - Entlehnt aus franz. farce 'Fülle (aus fein gehackten Zutaten wie Fisch, Fleisch, Wild, Geflügel, Pilze [Birle o.J., 142]'), ursprünglich dt.-ma. [fars], später umgeformt bzw. angepasst (Hornung 1998, 340).

(31)  'Teigware(n)'. - Ital. bzw. mittellat. pasta (Lehnwort aus dem Griechischen) bedeutet 'Teig' und wurde dann für 'Teigwaren' ganz allgemein verwendet. Die alte allgemeine Bedeutung lebt noch in dt. Paste 'eine streichfähige Masse' fort, während man unter pasta heute Nudelgerichte versteht (vgl. Kluge 1995, 616).

(32)  Ital. parmigiano 'aus Parma' (übers Franz. ins Dt., Kluge 1995, 614).

(33)  'Gefüllte Teigwaren', aus dem Ital., Plural zu raviolo 'kleine Rübe', wohl von der Form her übertragen (Kluge 1995, 671).

(34)  = ital. ossobucco 'Kalbsstelze, -hachse', also 'Kalbssteak auf Italienisch' (Kofranek 1975, 236).

(35)  Engl. toast aus altfranz. toster 'rösten' zu lat. tostus 'getrocknet' (Kluge 1995, 826).

(36)  Nach dem engl. Grafen von Sandwich, der zum Spielen gerne belegte Brote mitnahm, um nicht durch Mahlzeiten unterbrechen zu müssen (Kluge 1995, 704).

(37)  'Brötchen mit Hackfleischfüllung' bzw. süddt. ausgedrückt 'Semmel mit faschiertem Laibchen'. Diese Bezeichnung geht auf das "Hamburger Rundstück" zurück, eine Scheibe Rindfleisch mit Sauce in einem aufgeschnittenen Brötchen (vgl. Kluge 1995, 352), später offensichtlich durch das "deutsche Beefsteak" ersetzt. Im Englischen wurde diese Speise mit ham 'Schinken' assoziiert, wodurch weitere Bildungen entstehen konnten (z.B. cheeseburger, schnitzelburger usw.); heute gilt die engl. Aussprache [´hæmbÇ:gÇ] als Standard]).

(38)  Das Grundwort Kebap ist im Orient weit verbreitet, u.a. türk. kebap 'Röstfleisch', vgl. sis kebap 'Röstfleisch am Spieß' oder döner kebap 'Fleisch vom sich drehenden Spieß', zuletzt auch bei uns bekannt geworden. Das Wort dürfte letztendlich aus dem Persischen stammen ( kebâb 'Fleisch am Spieß').

(39)  Aus neugriech. 'Umdrehung' (Pfannengericht, wobei das Fleisch beim Braten kräftig mehrmals 'umgedreht' wird).

(40)  Zu neugriech.óïýâëá [ ´suvla] 'Bratspieß' (aus dem Lateinischen), Diminutiv 'Spießchen'.

(41)  Über engl. curry (-powder) aus der indischen Drawida-Sprache Tamil: kari 'Soße, Tunke' (Kluge 1995, 158).

(42)  = indones. 'gebratener Reis' mit Zutaten in verschiedenen Variationen (Birle o.J. 293).

(43)  Japanische Spezialität, die meist am Beginn der Mahlzeit gereicht wird, meist gekochter, marinierter Reis mit rohem Fisch, auch Fleisch, Pilzen, verschiedenen Gemüsen (vgl. Birle o.J. 445).

(44)  Auch Wuchtel, aus tschech. buchta 'Dampfnudel, Hefeküchlein' (vgl. Hornung 1998, 729, Steinhauser 1978, 112f.).

(45)  Aus tschech. povidla 'Mus', eigentlich 'das Umgerührte' (vgl. Steinhauser 1978, 110f. mit weiteren Hinweisen).

(46)  Aus tschech. slivovice 'Zwetschkenbranntwein' (Steinhauser 1978, 120). Die Nebenform Schligowitz ist eine Dissimilation von w - w > g - w und kommt eher aus dem Süden (serb. u. kroat. sljivovica).

(47)  In der Wiener und österreichischen Küche paprizierte und gegrillte Hackfleischröllchen (Wagner 1996, 72), also aus gemischtem Faschierten, auf dem Balkan in den moslemischen Gegenden ohne Schweinefleisch, entweder reines Rind- oder Hammelfleisch bzw. gemischt, gut gesalzen und gepfeffert, auf dem Rost gebraten, mit fein gehacktem Zwiebel serviert.

(48)  'Paprikafleisch', genauer 'mit Paprika gewürztes Rindsragout'. Gilt als Wiener Spezialität mit vielen (altösterreichischen) Varianten, zunehmend auch mit anderen Fleischsorten hergestellt; im Gegensatz zu seinem ungarischen Vorbild nicht nur mit (grünen) Paprikaschoten zubereitet, sondern v.a. mit rotem Paprikapulver. In der ungarischen Küche entspricht dem Wiener Gulasch ein Pörkölt (vgl. Wagner 1996, 106f.). - Das Wort selbst kommt von ungar. gulya 'Rinderherde', gulyás 'Rinderhirt'.

(49)  Vgl. Wagner 1996, 233f.

(50)  Laut ÖWB "umgangssprachlich, derb", laut DUDEN "umgangssprachlich" (ostmitteldt. Plunze; in Österreich auch übertragen als Schimpfwort für übergewichtige Frauen und Mädchen, auch Redewendung das ist mir Blunzen 'das ist mir gleichgültig'). Zu mhd. blunsen 'aufblähen' (Hornung 1998, 168), also nach der Form.

(51)  Genauer: 'Lunge und Herz' (als Speisenbezeichnung typisch für den österreichischen Osten und Süden, im Westen und in Bayern sagt man eher Lüngerl), eigentlich Bäuschel, Verkleinerungsform zu Bausch (wegen der bauschigen Beschaffenheit der Lunge, Hornung 1998, 138)

(52)  'Pfannkuchen aus geriebenen Erdäpfeln und Eiern' (Wagner 1996, 184), regional Kartoffelpuffer, Reiberknödel (v.a. Oberösterreich), Erdäpfelblattl (v.a. Tirol), in Bayern Reiberdatschi.

(53)  Eierschwammerl ist das Normalwort in Österreich, daneben kommt in der Steiermark auch das bair. Rehling, in Kärnten Füchsling vor, letzteres bezeichnende dt.-ma. - slow. semantische Übereinstimmung, die bis in die Steiermark reicht, auch die slowenisch Form lisica, lisièka hängt mit dem 'Fuchs' (slowenisch lisica) zusammen.

(54)  S.o. Anm. 30.

(55)  Eigentlich "an- bzw. abgebatzter" zu ma. Batz 'breiige, weiche Masse'; bayerische Käsespezialität aus Camembert, Topfen (Quark), Butter, Salz, fein gehackter Zwiebel, Paprika, Kümmel, Petersil (vgl. Zehetner 1997, 219).

(56)  Wurde ursprünglich aus Brimsen, einem slowakischen Schafskäse unter Zugabe von Butter und verschiedenen Gewürzen (hauptsächlich Paprikapulver, Salz, fein gehackter Zwiebel, Paprika, Kümmel) hergestellt (Wagner 1996, 67), benannt nach der Stadt Liptau in der Slowakei. Heute in Österreich auch (in den Bundesländern meist) aus Gervais und/oder Topfen zubereitet.

(57)  S.o. Anm. 52.

(58)  Zu linden, meist G'lundner Kas 'gelundener Käse (gewürzt mit Kümmel)'. Zubereitung: Ein "reifer" (also bereits zu Käse reifender) Topfen bzw. Quark wird in der Pfanne "gelunden" (von bair. linden 'rösten', Schmeller I 1488, Lexer 1862, 180) und - mit entsprechender Würzung - entsteht G(e)lund(e)ner [glúntnÇ(r)], wie ein Adjektiv flektiert, dem "Kochkäse" anderer österreichischer Gegenden entsprechend.

(59)  Dazu vgl. Ammon 1996, 171f.

(60)  Genauer: "standarddeutsch".

(61)  Vgl. Zehetner 1997, 236. - Es ist bemerkenswert, dass man zwar in Österreich auch Radi (lt. ÖWB "umgangssprachlich") gebraucht, vor allem in Salzburg und Oberösterreich, doch Radieserl ist aber unüblich.

(62)  Genauer Stränggelein [stránkÇle, (pl.) -lan], Phaesolus vulgaris; typisch für Kärnten, hier allgemein üblich, auch in der geschriebenen Sprache (aus frühslowenisch *stra(n)k bzw. *stra(n)ka '(Bohnen-) Schote', modern slowenisch strok 'Hülse, Schote').

(63)  Rin Ragout aus bestimmten Rindfleischresten, Altwiener Spezialität, Teil des traditionellen (heute schon fast historischen) Wiener "Gabelfrühstücks". - Rindfleischreste, die auf der Schlacht- bzw. Schlagbrücke zurückblieben (daher der Name), v.a. Kronfleisch, Stichfleisch, Milz, Bries, Leber, Herzkranzgefäße und Schlagader, werden mit brauner Soße (Wurzelwerk, Essig, Thymian, Majoran, Pfeffer, Ochsenblut) zu einem Ragout verarbeitet, Beilage Knödel (Wagner 1996, 67f.).

(64)  Originalaussprache [grästl oder gröstl] (von rösten), in der Pfanne bereitete Speise aus gerösteter Wurst bzw. fertigem Fleisch, Kartoffeln und Ei.

(65)  Teigtaschen mit Topfen- (Quark-) -fülle in verschiedenen Varianten; die Fülle der "typischen" Kärntner Käsnudeln (umgangssprachlich meist Kas-) wird aus Topfen, Knödelbrot, Salz, Minze und Keferfill [= 'Kerbel'] hergestellt.

(66)  Kleine Teigtaschen mit Fleischfülle als Suppeneinlage.

(67)  Das Wort tritt seit dem 18. Jhdt. auf und ist nicht zwingend mit dem Vogel Spatz identisch, sondern möglicherweise ein altes Wort für 'Klumpen' (vgl. Kluge 1995, 775 mit Lit.; nach Zehetner 1997, 274 ist bair. Spatzln eine "Bavarisierung", doch dies ist schon bei Schmeller 1996, II 692 als 'Klümpchen von Mehl' angeführt; ist auch in Kärnten, z.B. Lexer 1862, 235, sowie in Tirol verbreitet, z.B. Schatz 1956, 582 mit Hinweis auf das Zimbrische).

(68)  Zu oberdeutsch Nock 'knolliger Berg, Bergkuppe usw.', wohl urspr. 'Knollen, Klumpen' (vgl. Kluge 1995, 590 mit Lit.). Gilt als typisch bayerisch-österreichische Speise im Gegensatz zu den schwäbischen Spätzle (die allerdings kleiner sind); der lautliche Anklang an italien. gnocchi dürfte zufällig sein.

(69)  Wörtlich 'halber Hahn', ein halbes Roggenbrötchen belegt mit holländischem Käse und Senf (Birle o.J. 186).

(70)  Gewürztes, rohes Hackfleisch, eine Berliner Spezialität (so Birle o.J. 183), nach Kluge 1995, 346 erst seit dem 20. Jhdt. geläufig.

(71)  Ein norddeutsches Seemannsgericht aus Hering, gepökelter Rindsbrust, Zwiebel und Kartoffeln, mit Salzgurke oder Roter Beete und Spiegelei serviert (in verschiedenen Varianten, vgl. Birle o.J. 246, 65), entlehnt aus engl. lobscouse (unklarer Herkunft, vgl. Kluge 1995, 497).

(72)  Dazu vgl. meine Artikelserie Pohl 1998ff. sowie Pohl 1999/2001. Diese Beiträge werden aktualisiert und erweitert in ein in Vorbereitung befindliches Buch aufgenommen werden (erscheint 2004, Informationen unter der URL http://members.chello.at/heinz.pohl/ BuchKueche.htm).

(73)  Wie für Österreich u.a. Maier-Bruck o.J., für Wien Kofranek 1975 und Hess 2001.

(74)  In Österreich besonders bekannt als "Faschingskrapfen" (meist mit Marmelade gefüllt, in weiten Teilen Deutschlands "Berliner Pfannkuchen", vgl. Seibicke 1983, 118) und "Bauernkrapfen (größer, ohne Fülle).

(75)  So Ebner 1998, 135 u. Duden UW 689.

(76)  Dementsprechend die Rezepte bei Maier-Bruck o.J. 608 ("Wiener Gugelhupf") u. Hess 2001, 439, auch "Germgugelhupf", so bei Kofranek 1975, 400. - Hornung 1998, 437 schreibt demnach exakt "Wiener Kuchensprezialität, Art Napfkuchen, ursprüngl. meist aus Hefeteig, jetzt auch aus Biskuit- und anderen Teigen".

(77)  Diesem entsprechen die Rezepte bei Kofranek 1975, 415f.


LITERATUR

Ammon, Ulrich (1995): Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der nationalen Varietäten. Berlin-New York: Walter de Gruyter.

Ammon, Ulrich (1996): Typologie der nationalen Varianten des Deutschen zum Zweck systematischer und erklärungsbezogener Beschreibung nationaler Varietäten. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 63, 157-175.

Birle, Herbert (o.J.): Die Sprache der Küche. Weil der Stadt: Hädecke Verlag o.J. [um 1975].

Bußmann, Hadumod (1990): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart, Kröner.

Duden DR (2000): Rechtschreibung der deutschen Sprache (Duden Band 1). Mannheim: Dudenverlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus KG (22. Auflage).

Duden UW (2201): Deutsches Universalwörterbuch. Mannheim/Leipzig/ Wien/ Zürich: Dudenverlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG (4. Auflage).

Ebner, Jakob (1998): Wie sagt man in Österreich? Wörterbuch der österreichischen Besonderheiten. Mannheim/Wien/Zürich 1980², Mannheim/ Leipzig/Wien/Zürich: Dudenverlag Bibliographisches Institut & Brockhaus AG 19983 (DUDEN Taschenbücher 8).

Eichhoff, Jürgen (1977-2000): Wortatlas der deutschen Umgangssprachen. 4 Bde., Bern-München: Francke.

Hepp, Eva (1970): Die Fachsprache der mittelalterlichen Küche. In: WISWE (s.u.), S. 185-224.

Hess, Adolf u. Olga (1935): Wiener Küche. Sammlung von Kochrezepten der staatlichen Bildungsanstalt für Koch- und Haushaltungsschullehrerinnen und der Kochschule der Gastwirte in Wien. Leipzig/Wien, Deuticke 25o.J [ca. 1935].

Hess, Adolf u. Olga (2001): Wiener Küche. Nach der 1. Auflage 1911 und der Bearbeitung 1985 durch E. Istvan neu bearbeitet von P. Kirischitz. Wien: Deuticke.

Hornung, Maria (2002): Wörterbuch der Wiener Mundart. Wien, öbv&hpt, 2. Auflage.

Kluge, Friedrich (1999/2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (23. Auflage, bearbeitet von Elmar Seebold). Berlin/New York: Walter de Gruyter 1999, 24. Auflage 2002.

Kofranek, Albert (1975): Die gute Wiener Küche. Wien: Kremayr & Scheriau.

Lexer, Martin (1862): Kärntisches Wörterbuch. Leipzig: Hirzel.

Maier-Bruck, Franz (o.J.): Vom Essen auf dem Lande. Das große Buch von der österreichischen Bauernküche und Hausmannskost. Wien: Kremayr & Scheriau (ca. 1984).

Miklau, Lia (1984): Kärntner Kochbüchl. Klagenfurt: Heyn 19846.

ÖWB: Österreichisches Wörterbuch. Wien: Österreichischer Bundesverlag 200139.

Pohl, Heinz-Dieter (1998ff.): Kärntner Spezialitäten. Unsere Speisen - sprachwissenschaftlich betrachtet. I. Von Reinling und Maischerln, über Krapfen, Nudeln und Pfannzelten. In: Die Kärntner Landsmannschaft 8/10/1998, S. 69-72; II. Das (der) Ritschert, slow. ricet. In: Die Kärntner Landsmannschaft 1999/3, S. 15-17. III. Alte bäuerliche Kost. In. Die Kärntner Landsmannschaft 9-10/1999, S. 92-93. IV. Zwischen deutscher und slowenischer Mundart. In: Die Kärntner Landsmannschaft 9/10/2000, S. 114-117. V. Bodenständige Fachausdrücke (deutsch), 1. Teil A-J. In: Die Kärntner Landsmannschaft 9-10/2001, S. 87-93. 2. Teil K-R. In: Die Kärntner Landsmannschaft 9-10/2002, S. 25-33, 3. Teil S-Z. In: Die Kärntner Landsmannschaft 9-10/2003, S. 84-89.

Pohl, Heinz-Dieter (1999a): Österreichisches Deutsch und österreichische Identität. In: Kärntner Jahrbuch für Politik 1999, S. 71-103. - Im Internet unter der URL: http://members.chello.at/heinz.pohl/ Identitaet_Sprache.htm .

Pohl, Heinz-Dieter (1999b): Zum österreichischen Deutsch im Lichte der Sprach kontaktforschung. In: Klagenfurter Beiträge zur Sprachwissenschaft 25, S. 93-115. - Im Internet unter der URL: http://members.chello.at/heinz.pohl/Sprachkontakt.htm .

Pohl, Heinz-Dieter (1999/2001): Kärntner Speisen (und Verwandtes) diesseits und jenseits der deutsch-slowenischen Sprachgrenze. In: Tatzreiter, Herbert / Hornung, Maria / Ernst, Peter (Hrsg.): Erträge der Dialektologie und Lexikographie (Festgabe für Werner Bauer, Wien: Edition Praesens), S. 325-341; leicht überarbeitet nachgedruckt in: Fidibus (Zeitschrift für Literatur und Literaturwissenschaft, Klagenfurt) 2001/2, S. 35-52.

Prato, Katharina (Edle von Scheiger, 1858): Die Süddeutsche Küche auf ihrem gegenwärtigen Standpunkte mit Berücksichtigung des Thees und einem Anhange über das moderne Servieren. Gratz, Hesse 1858.

Prato, Katharina (Edle von Scheiger, 1938): Die Süddeutsche Küche, hg. von Viktorine v. Leitmaier. Graz/Leipzig/Wien: Styria 78/791938.

Prato, Katharina (Edle von Scheiger, 1949): Die Kleine Prato. Kochbuch für den kleinen Haushalt, zusammengestellt von Viktorine Leitmaier. Wien: Brüder Hollinek.

Prato, Katharina (Edle von Scheiger, 1957): Die Süddeutsche Küche ("Die Große Prato"), hg. von Viktorine v. Leitmaier. Wien: Brüder Hollinek 801957.

Rokitansky, Marie von (1897): Die Österreichische Küche. Innsbruck: Edlinger (Innsbruck/Wien/München/Leipzig 61908; Neubearbeitung: Klosterneuburg bei Wien: Breitschopf 2003).

Schmeller, Johann Andreas (1872-77): Bayerisches Wörterbuch. München: Oldenbourg 1996 (Nachdruck von 1872-77).

Seibicke, Wilfried (1983): Wie sagt man anderswo? Landschaftliche Unterschiede im deutschen Sprachgebrauch. Mannheim/Wien/Zürich: Bibliographisches Institut Dudenverlag 1983² (DUDEN Taschenbücher 15).

Steinhauser Walter (1978): Slawisches im Wienerischen. Wien: Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs (Schriftenreihe des Vereines "Muttersprache" 7).

Wagner, Christoph (1996): Das Lexikon der Wiener Küche. Wien: Deuticke.

Wehle Peter (1980): Sprechen Sie Wienerisch? Von Adaxl bis Zwutschkerl. Wien-Heidelberg: Ueberreuter.

Wiswe, Hans (1970): Kulturgeschichte der Kochkunst. München: Moos Verlag.

Zehetner Ludwig (1997): Bairisches Deutsch. Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern. München: Hugendubel.


6.1. Standardvariationen und Sprachauffassungen in verschiedenen Sprachkulturen | Standard Variations and Conceptions of Language in Various Language Cultures

Sektionsgruppen | Section Groups | Groupes de sections


TRANS       Inhalt | Table of Contents | Contenu  15 Nr.


For quotation purposes:
Heinz-Dieter Pohl (Universität Klagenfurt, Austria): Die Sprache der österreichischen Küche - Ein Spiegelbild sprachlicher und kultureller Kontakte. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/06_1/pohl15.htm

Webmeister: Peter R. Horn     last change: 22.6.2004     INST