Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 15. Nr. | April 2004 | |
9.1. Kulturtourismus Kultur des
Tourismus: eine Verbindung von Kulturen? Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures |
Christian
Baumgartner (respect: www.respect.at)
[BIO]
Abstract
Tourismus ist einer der großen wirtschaftlichen Hoffnungsmärkte, gerade für Entwicklungsländer. Die Entwicklungszusammenarbeit hat in den letzten Jahren begonnen, den Standpunkt Tourismus als privatwirtschaftliche Aktivität nicht zu fördern zu überdenken. Heute wird Tourismus als möglicher Beitrag zu umfassenden Entwicklungsimpulsen im Interesse der Entwicklungsländer gesehen und die meisten EZA-Organisationen haben strategische Papiere zum Umgang mit Tourismusförderung entwickelt.
Jede Form von Reisen verändert die lokalen Gegebenheiten - immer. Es geht in entwicklungspolitischen Kontext um die Minimierung der negativen Auswirkungen und Veränderungen durch den Tourismus im Interesse der Betroffenen und der lokalen Bevölkerung und der gleichzeitigen Maximierung positiver Effekte.
Die Hauptinteressen der Entwicklungszusammenarbeit gelten dabei einer Multifunktionalität des Tourismus als Unterstützer ökologischer Sicherung, als Bekämpfungsinstrument der Armut, als Beitrag zu Bildung und Gendergerechtigkeit sowie als potentieller Träger und Verstärker kultureller Identität. Daraus resultierend ist Nachhaltiger Tourismus integriert im Rahmen Nachhaltiger Regionalentwicklung das eigentliche (touristische) Ziel der Entwicklungszusammenarbeit.
Auch in politisch umstrittenen Situationen wie defekten Demokratien und Diktaturen kann Tourismus somit zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen und langfristig als Beitrag zu Demokratisierung und Freiheit beitragen. Derartige sensible politische Situationen bedingen allerdings genauer ex-post und ex-ante Nachhaltigkeitsanalysen und sensible Umsetzungs- und Unterstützungsmechanismen.
Tourismus ist einer der großen wirtschaftlichen Hoffnungsmärkte, gerade für Entwicklungsländer. Die Entwicklungszusammenarbeit hat in den letzten Jahren begonnen, den langjährigen Standpunkt Tourismus als privatwirtschaftliche Aktivität nicht zu fördern zu überdenken. Heute wird Tourismus als möglicher Beitrag zu umfassenden Entwicklungsimpulsen im Interesse der Entwicklungsländer gesehen und die meisten EZA-Organisationen haben strategische Papiere zum Umgang mit Tourismusförderung entwickelt.
So hat die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2002 eine Sektorpolitik Tourismus [ÖEZA 2001] verabschiedet, die ausführlich auf die konkreten Kriterien für Nachhaltigkeit im Tourismus eingegangen. Die Eckpunkte einer derartigen Entwicklung stellen folgende Bereiche dar:
Jede Form von Reisen verändert die lokalen Gegebenheiten - immer. Es geht in entwicklungspolitischen Kontext um die Minimierung der negativen Auswirkungen und Veränderungen durch den Tourismus im Interesse der Betroffenen und der lokalen Bevölkerung und der gleichzeitigen Maximierung positiver Effekte.
Tourismus verändert ökologische Gegebenheiten: Die touristische Infrastruktur und der dafür verursachte Flächenverbrauch ebenso wie Energie- und Wasserverbrauch, Abfälle usw. tragen negativ zu den Ökobilanzen touristischer Destinationen bei. Der touristisch induzierte Verkehr am Boden und in der Luft ist einer der Hauptverursacher der CO2-Belastung und damit Erzeuger globaler Folgeerscheinungen wie dem Klimawandel. Andererseits kann Tourismus auch direkt durch Finanzierung und indirekt durch Steigerung der Wertschätzung positive Effekte für Naturschutzgebiete und traditionelle Kulturlandschaften haben.
Tourismus verändert wirtschaftliche Gegebenheiten: Der Möglichkeit lokaler direkter und indirekter Wertschöpfung durch touristische Angebote stehen Veränderung des Arbeitsplatzstruktur und oftmalige Erhöhung der finanziellen Leakages gegenüber. Monostrukturelle Destinationen machen sich wirtschaftlich vom Tourismus abhängig und sind damit krisenanfällig.
Tourismus verändert soziale Gegebenheiten: Die in der touristischen Werbung oftmals transportierten Klischees und Exotismen bewirken eine Musealisierung eines idealisierten Einheimischenbildes. Demgegenüber steht selbstbestimmte kulturelle Dynamik die durch den Zugang zu Bildung und Information erleichtert wird. Tourismus kann die eigene kulturelle Wertschätzung innerhalb einheimischer Bevölkerungsgruppen erhöhen, genauso wie Rollenbilder zwischen den Geschlechtern aufgebrochen oder auch verfestigt werden können.
Tourismus verändert die Reisenden: Reisen kann Auswirkungen auf die Erfahrungen und Weltbilder der TouristInnen zeigen. Neue Sichtweisen auf globale Zusammenhänge und Wirkungen von politischen Aktivitäten können erzielt werden, die Veränderung kann sich aber auch auf das Kennen lernen neuer Landschaften beschränken.
Diese Veränderungen finden auf allen Ebenen statt. Sowohl individuell in der Situation und /oder dem Bewusstsein des einzelnen Menschen wie gesellschaftlich im Sozialgefüge und den regional-wirtschaftlichen Auswirkungen.
Unterschiede zwischen den Effekten von konventionellen Reisen, Begegnungsreisen und Austauschreisen sind natürlich vorhanden, aber geringer als vielfach vermutet. Daher ist die Forderung nach Nachhaltigkeit für alle Reiseformen relevant.
Nachhaltige Entwicklung hat den Anspruch, alle Wirtschafts- und Lebensbereiche im Hinblick auf eine zukunftsfähige Gestaltung zu erfassen. Sie lässt sich daher nicht auf einen einzelnen Ausschnitt aus ökonomischer oder ökologischer Sicht eingrenzen. Ausschließlich von einem "Nachhaltigen Tourismus" zu sprechen, wird also den umfassenden Ansprüchen der Nachhaltigen Entwicklung eigentlich nicht gerecht.
Integrativer Tourismus [vgl. respect 1995] strebt im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung die folgenden generellen Zielsetzungen an:
Um diese Ziele zu erreichen, müssen tourismuspolitisch Verantwortliche und die Tourismuswirtschaft weltweit partizipative Rahmen schaffen, die es ermöglichen, dass Tourismusplanungen und -entwicklungen jeweils auf die Besonderheiten und Rahmenbedingungen der jeweiligen Destination abgestimmt werden. Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit können dabei wichtige Rahmenbedingungen schaffen und Unterstützung anbieten. Tourismus im Interesse der Entwicklungszusammenarbeit sollte folgenden Leitlinien anhand einer Nachhaltigen Entwicklung entsprechen:
1) Intakter Natur- und Landschaftsraum sowie betrieblicher Umweltschutz sind Voraussetzungen für den Tourismus der Zukunft. (Ökologische Dimension)
Natur- und traditionelle Kulturlandschaften stellen die wichtigsten Urlaubsmotive und damit die Basis für die Erhaltung des Tourismus dar. Integrativer Tourismus trägt mit seinen Einnahmen zur langfristigen Sicherung der Landschaft und zu Behebungen bereits aufgetretenen Schäden bei. So kann durch Tourismus die Wertschätzung der Bevölkerung für unproduktive oder schwierig zu bewirtschaftende Landschaftsteile gesteigert werden.
Natur- und Umweltschutzmaßnahmen bedeuten imagebildende und zukunftweisende Ansätze, die auch bedeutende betriebswirtschaftliche Ersparnisse bewirken können. Legistische und freiwillige Anreize und Lenkungsmaßnahmen unterstützen die regionalen Zielsetzungen.
2) Tourismus stellt einen integrierten Teil einer nachhaltigen, regionsspezifisch vernetzten Wirtschaft dar. (Ökonomische Dimension)
Integrativer Tourismus nimmt - abgestimmt auf die jeweiligen besonderen Voraussetzungen jeder Region - auf die Erhaltung und Verbesserung der ökonomischen Grundlagen Rücksicht. Wirtschaftlich vorausschauende Tourismusplanung bezieht alle relevanten regional vorhandenen Wirtschaftssektoren mit ein, um Regionalkreisläufe in Gang zu setzen und touristische Monokulturen zu vermeiden bzw. abzubauen. Das erfolgreichste Beispiel dafür ist vielerorts die notwendige und tragfähige Kooperation zwischen Tourismus und Landwirtschaft. |
Abb.1: Kleinhandel trägt Wichtiges zum Familieneinkommen bei. Foto: Baumgartner |
3) Das Image von Urlaubsregionen wird geprägt von selbstbestimmter kultureller Dynamik und sozialer Zufriedenheit der Bevölkerung sowie der im Tourismus Arbeitenden. (Soziokulturelle Dimension)
Integrativer Tourismus bedeutet das Interesse der Reisenden am Erleben und der Vermittlung regionalspezifischer Kultur der Destinationen. Das Ziel ist dabei eine rücksichtsvolle Integration des Tourismus in die lokale und regionale Kultur, nicht eine Anpassung der Kultur an touristische Bedürfnisse. Der Musealisierung steht die kulturelle Selbstbestimmung und kulturelle Produktion der einheimischen Bevölkerung gegenüber.
Die Tourismuswirtschaft trägt das ihre dazu bei, dass negative kulturelle und soziale Auswirkungen des Tourismus vermieden werden. Insbesondere betrifft das den Schutz der Interessen indigener Bevölkerungen sowie Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor kommerzieller sexueller Ausbeutung.
Die Qualität des Tourismus wird immer stärker durch die Qualität der Dienstleistungen bestimmt, daher sind die Hebung des Ausbildungsstandes und die Verbesserung der sozialen Absicherung der Beschäftigten im Gastgewerbe von größter Bedeutung für die Zukunft. Die schwierige soziale Situation von Kindern in Tourismusbetrieben muss ebenso berücksichtigt werden, wie die Mehrfachbelastung von Frauen höhere Wertschätzung und einen geschlechtergerechten Ausgleich erfahren muss.
4) Der Mensch steht als Gestalter der Tourismuspolitik im Mittelpunkt - die gesamte Bevölkerung hat Zugang zu allen Informationen und ist gleichberechtigt in alle Entscheidungsprozesse eingebunden. (Institutionelle Dimension)
Im Sinne institutioneller Nachhaltigkeit erfolgt die Entwicklung des Tourismus und die Planung und Umsetzung von tourismusrelevanten Maßnahmen mit allen Stakeholdern: Einheimische wie Tourismusverantwortliche, die Tourismuswirtschaft, Konsumenten und NGOs. Über die partnerschaftliche Entwicklung von Projekten wird Identifikation und unternehmerische Innovation erzeugt, die zur Kooperation zwischen den Wirtschaftsbereichen führt. Die interessierte Bevölkerung hat Zugang zu sämtlichen Informationen und wird aktiv und gleichberechtigt in Entscheidungsprozesse miteinbezogen. Die Einbindung von sachdienlichem 'externem' Know-how unterstützt die regional getroffenen Entscheidungen.
5) Intensiv genutzte touristische Zielgebiete müssen betriebliche und kommunale Umweltmanagement-Systeme sowie Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln und anwenden.
Eine Tourismuspolitik der Zukunft muss sich den ökologischen und sozialen Problemen des Massentourismus stellen. Gebiete sind nicht aufzugeben, sondern mit Maßnahmen des Gesetzgebers sowie mit freiwilligen Steuerungs- und Ordnungsinstrumenten neu zu orientieren. Die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien und der Einsatz von Instrumenten zu deren Umsetzung wie die Lokale Agenda 21 sind auch in intensiv genutzten Regionen möglich. Infrastrukturelle Einrichtungen und ökologische Maßnahmen sind auch auf ihre Nutzbarkeit und ihren Nutzen für Einheimische zu überprüfen.
6) Die Tourismus-Quellgebiete der Ballungsräume sowie übergeordnete politische Systeme übernehmen Mitverantwortung für die touristischen Effekte in den Destinationen.
Probleme, die durch Tourismus verursacht werden, sind nicht nur Probleme der Destinationen, sondern werden durch die Motivationen und das Verhalten der Reisenden - also durch deren Situationen im Arbeits- und Lebensalltag in den Quellgebieten - mitverursacht. Es braucht also Kooperation mit den touristischen Quellgebieten um die Sensibilität der Reisenden zu erhöhen.
Entscheidungen sollen generell dort fallen, wo die Menschen von deren Umsetzung direkt betroffen sind. Daher müssen politische und legislative Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Regionen ermöglicht, relevante Entscheidungen selbst zu treffen, bzw. Rahmenbedingungen - bspw. Förderrichtlinien, Strategien und Konzepte - schaffen, die den Weg zur Nachhaltigen Entwicklung ermöglichen, erleichtern und beschleunigen. Andererseits können die Destinationen nicht alle Entscheidungen beeinflussen, die touristische Effekte zeigen. Daher bedarf es auch Kooperation und touristischer Nachhaltigkeits-Strategien anderer politischer Ebenen wie der Staaten, der Europäischen Union und der UN-Organisationen.
Die Liberalisierung der Dienstleistungen darf nur in einem Maß erfolgen, dass allen Ländern die Möglichkeit bleibt, Lenkungsmaßnahmen im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung durchzuführen. Völkerrechtlich verbindliche Verträge wie die Biodiversitätskonvention sind dabei als gleichwertig mit Handelsabkommen zu betrachten.
Es gibt kein generelles und überall anwendbares Rezept, um einen ökologisch, sozial und kulturell verträglichen Tourismus zu initiieren.
Die Hauptinteressen der Entwicklungszusammenarbeit gelten dabei einer Multifunktionalität des Tourismus als Unterstützer ökologischer Sicherung, als Bekämpfungsinstrument der Armut, als Beitrag zu Bildung und Gendergerechtigkeit sowie als potentieller Träger und Verstärker kultureller Identität. Daraus resultierend ist Nachhaltiger Tourismus integriert im Rahmen Nachhaltiger Regionalentwicklung das eigentliche (touristische) Ziel der Entwicklungszusammenarbeit.
Nachhaltigkeit im Tourismus kann evaluiert und bewertet werden. Das trifft sowohl auf Reiseangebote wie regionale Situationen in den Destinationen der Industrie- wie Entwicklungsländer zu.
Die anschließende Bewertungsübersicht wurde von respect für die Evaluation von konventionellen (d.h. am Markt erhältlichen) Reiseangeboten entwickelt und verwendet. Sie kann und muss im Falle von Begegnungsreisen oder Austauschprogrammen an die speziellen Gegebenheiten angepasst werden.
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I. Allgemeines zum Veranstalter | |
Generelle Konzeption |
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Transparenz der Konzeption |
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Neue Medien |
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Büroökologie | |
II. Reisevorbereitung der KundInnen | |
Förderung sozialverantwortlichen Denkens und Handelns, Förderung der Auseinandersetzung mit dem Reiseziel. |
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Förderung umweltfreundlichen Verhaltens sowie Umweltsensibilität? |
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III. Die Reise vor Ort | |
Wird lokale Wertschöpfung gefördert? |
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Wird die lokale Ökologie beachtet? |
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Werden soziale und kulturelle Aspekte beachtet? |
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Reisende / Angebot |
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IV. Nachbereitung | |
Gibt es Reflexionsmöglichkeiten für die Reisenden? Vor Ort? Danach? |
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Gibt es Reflexionsmöglichkeiten für die MitarbeiterInnen? Vor Ort? Danach? |
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Abb.2: Evaluation von Reiseangeboten
- Übersicht für Reiseveranstalter.
Quelle: Baumgartner, Leuthold, 2003a
Im Bereich der Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit spielen Begegnungs- und Austauschreisen eine zunehmend große Rolle. Argumentiert wird, dass die so Reisenden durch den direkten Kontakt mit den Einheimischen quasi Botschafter eines Nachhaltigen Tourismus darstellen.
Grundsätzlich kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass TeilnehmerInnen an Austausch-, Bildungs- oder Begegnungsreisen per se 'bessere Reisende' oder überhaupt 'keine TouristInnen' sind.
So gut wie alle Begegnungs- oder Austauschprogramme haben auch touristische Anteile, sei es in der Freizeit, in Pausen oder an den 'offiziellen Teil' anschließend. Alle Menschen, die für eine gewisse Zeit in ein Land fahren, in dem sie nicht zu Hause sind, nehmen ihre Bilder, die durch die Medien und die eigene Beschäftigung mit dem und die Vorbereitung auf das Land, geprägt sind, mit. Sie werden an den Aufenthaltsorten immer mit Realitäten konfrontiert werden, die die eigenen Bilder verschieben, zurechtrücken oder ins Wanken bringen.
Für das Gegenüber, die einheimische Bevölkerung, stellen alle BesucherInnen, primär zuerst TouristInnen dar. Nur einige wenige lokale Schlüsselpersonen sind in die Begegnungs- oder Austauschprogramme so involviert, dass sie eine andere Sichtweise der Gäste haben.
Organisationen, die Austausch-, Bildungs- oder Begegnungsreisen anbieten sollten, gerade durch den Anspruch mit ihren Reisen einen Beitrag zur Nachhaltigen Entwicklung zu leisten, auf die folgenden Bereiche besonders achten:
Zwei Beispiele erläutern die Nachhaltigkeitsevaluation von Tourismus in schwierigen Reiseländern: Libyen und Burma. Die Politik Libyiens unterstützte in den letzten Jahrzehnten mutmaßlich verschiedene intrenational agierende terroristische Organisationen. Im eigenen Land wurde ein Über-wachungssystem aufgebaut und religiöse Betätigung weitestgehend unterbunden. Das Volk der Tuareg wurde in ihrer traditionellen Lebensweise, die weder Grenzen noch langfristige Sesshaftigkeit kannte, massiv eigeschränkt. Andererseits zeichnet sich Libyien auch durch intensive Sozialleistungen wie Gratis-wohnungen und eine gute medizinische Versorgung aus. Der schweizerische Spezialist für Wüstenreisen Desert Team beauftragte respect im Jahr 2002 mit einer Nachhaltigkeitsevaluation seiner Reiseangebote in die Sahara und der Ausarbeitung konkreter Verbesserungsvorschläge im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung(2). Die Gäste von Desert Team bewegen sich mehrere Tage mit Kamelen meist im Gebiet des Akakus Gebirges unter Begleitung einer Gruppe Tuareg. Diese fungieren als Kamelguides, Koch, Fahrer des abendlich erscheinenden Begleitjeeps und als Wissens- und Informationsquelle über die Wüste. |
Abb. 3: Lybien |
Die Schlüsselfunktion als Träger des Wissens um die Wüste zu verstehen und eine Woche und länger in der Wüste zu überleben bringt die Tuareg in eine gleichwertige Beziehung zu ihren Gästen. Auf einer solchen gleichwertigen Kommunikationsebene kann interkulturelles Lernen vonstatten gehen [vgl. Luger 1994], das im Rahmen einer 'konventionellen' Reise auf Grund der Dominanz der wirtschaftlichen Ungleichgewichtung zwischen Einheimischen und Gästen nicht funktioniert. Andererseits trägt der Tourismus in Libyen Wesentliches zur Erhaltung der Kultur der Tuareg bei. Seitdem die libyschen Tuareg ihr nomadisches Leben weitestgehend aufgegeben haben und in Dörfern und kleinen Städten sesshaft wurden, hat die junge Generation wenig Interesse an der teneré. So besteht die Gefahr dass ein Großteil des mündlich überlieferten Wissens um die Wüste und das Leben darin verloren geht. Doch der Tourismus und die damit verbundenen Erwerbsmöglichkeiten bringen das Interesse der Jungen an der Wüste wieder zurück |
Abb.4: Interaktion zwischen Touristen und Tuareg, die die Kamera erklärt bekommen und ausprobieren. Foto: Baumgartner |
Seit 1948 ist die ehemalige englische Kolonie Burma unabhängig, jedoch haben die herrschenden Militärs den einst größten Reisexporteur zu einem der ärmsten Länder der Welt gemacht. Heute ist Burma / Myanmar wirtschaftlich von China abhängig. BurmesInnen bleiben der Großteil von demokratischen Grundrechten verwehrt. Freie Meinungsäußerung, das Recht auf freie Wahlen und die Möglichkeit, sich frei zu bewegen gibt es nicht. Die Menschenrechte in Burma werden von der herrschenden Militärjunta systematisch missachtet und verletzt. Politische Gefangene, Entführungen, Folter und Zwangsarbeit, bilden nur die Spitze eines Eisberges, der von Geheimdienstarbeit und Bespitzelung geprägt wird [vgl, Baumgartner, Leuthold 2003b]. Seit 1990 versucht das Militärregime, durch eine Tourismusoffensive ein 'Goldenes Bild' von Burma vor die Wirklichkeit zu schieben. Zehntausende Menschen wurden zwischen 1990 und 1996 gewaltsam und ohne Entschädigung aus ihren Häusern und ihrer Heimat vertrieben, damit Gebiete für den Tourismus erschlossen und beispielsweise Golfanlagen errichtet werden konnten. Ethnische Minderheiten, die sich gegen eine touristische Erschließung wehrten, wurden ebenfalls vertrieben. Zwangsarbeit wurde und wird in den ethnischen Minderheitengebieten systematisch als gängiges Mittel zur Bestrafung von Aufständischen bzw. SympathisantInnen eingesetzt. Zum Beispiel auch zum Bau der touristischen Infrastruktur. So mussten 20.000 Menschen den Graben des Mandalay Palace reinigen. Auch für den Straßenbau, Flughäfen, Eisenbahnstrecken wurden und werden Zwangsarbeiter eingesetzt. 1996, nachdem der Großteil dieser Arbeiten fertig gestellt war, erfolgte durch das Militär eine erste Werbeoffensive mit dem Motto: "Visit Myanmar". |
Abb. 5: Burma/Myanmar |
Trotz der geschilderten Missstände im Land kann der sich entwickelnde Tourismus dazu beitragen, nicht die machthabenden Militärs, sondern die Bevölkerung zu unterstützen.
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Abb. 8: Die im Schatten sieht man nicht .... und: die im Schatten sehen nicht. (Foto: Baumgartner) |
Trotzdem können uninformierte Reisende BurmesInnen in ernsthafte Gefahren bringen. Verhaftungen wegen Geschenkannahmen oder zu offenes Reden über Politik selbst in der vermeintlich sicheren Hotellobby - die meist überwacht und abgehört wird - sind leider keine Ausnahmen. Reisen kann nur Positives bewirken, wenn die 'Lebenswirklichkeit' der bereisten Menschen nicht ausgeblendet wird. Die Tourismuswirtschaft muss sich als Mittler ihrer Verantwortung für die Destinationen bewusst werden und ihre KundInnen als mündige Menschen betrachten, denen die Wahrheit auch im Urlaub zumutbar ist. Listen mit Verhaltensratschlägen können dabei helfen [vgl. Baumgartner, Leuthold, Salcher 2003]:
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Abb. 9: Verhaltenstipps für
Burmareisende. |
Auch in politisch umstrittenen Situationen wie defekten Demokratien und Diktaturen kann Tourismus zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen und langfristig als Beitrag zu Demokratisierung und Freiheit beitragen. Derartige sensible politische Situationen bedingen allerdings genauer ex-post und ex-ante Nachhaltigkeitsanalysen und sensible Umsetzungs- und Unterstützungsmechanismen.
© Christian Baumgartner (respect: www.respect.at)
(1) Viele Menschen, die längere Auslandsaufenthalte v.a. in Entwicklungsländern hinter sich haben, berichten danach von ihren Schwierigkeiten sich in den Alltag wieder einzufinden. Oft fehlen GesprächspartnerInnen, mit denen die Erlebnisse und Eindrücke geteilt werden können, ohne nur in eine berichtende Rolle zu verfallen. Viele dieser 'HeimkehrerInnen' fühlen sich lange nach ihrer Ankunft 'daheim' einsam. (vgl. Kulturschock. Mit anderen Augen sehen - Leben in fremden Kulturen. Reise Know-how Verlag, Bielefeld 2003)
(2) Baumgartner, C.; Leuthold, M.: Reisen mit dem Wüstenschiff. Nachhaltigkeitsevaluation von Wüstenreisen am Beispiel des Reiseveranstalters Desert Team. Wien, 2003
QUELLEN:
Baumgartner, C.; Leuthold, M. (Respect - Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung): Re isen mit dem Wüstenschiff. Nachhaltigkeitsevaluation von Wüstenreisen am Beispiel des Reiseveranstalters Desert Team. Wien, 2003a.
Baumgartner, C.; Leuthold, M. (Respect - Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung): Golden Burma. oder Terra non Grata? Auseinandersetzung mit Pro und Contra Argumenten für einen Tourismus nach Burma/Myanmar. Wien, 2003b.
Baumgartner, C.; Leuthold, M.; Salcher J. (Respect - Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung): Golden Burma. Traumland oder Albtraum. Informationen für Burmareisende - für einen Tourismus mit offenen Augen. Wien, 2003.
Luger, K.: Offene Grenzen in der Kommunikationswissenschaft. In: Luger, K./Renger, R.: Dialog der Kulturen. Wien: 1994, 23 - 65
Österreichische Entwicklungszusammenarbeit ÖEZA: Sektorpolitik Tourismus. 2001, Wien
Respect - Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung: Definition Integrativer Tourismus. Wien, 1995; überarbeitet 2003.
9.1. Kulturtourismus Kultur des Tourismus: eine Verbindung von Kulturen?
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