Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. August 2004
 

10.7. Kreative Kontexte
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Simone Griesmayr (Linz)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Detektive im Spannungsfeld sozialwissenschaftlicher Methodologie - quantitative vs. qualitative Sozialforschung

Christian Schwarz (1) / Markus Kapl (2)

Im Rahmen unseres Beitrags werden wir zwei, die Sozialwissenschaften trennenden Forschungsmethodologien, anhand der beiden prominenten Spürnasen Inspektor Columbo und Sherlock Holmes vorstellen. Dazu wollen wir zuerst die wissenschaftstheoretischen Grundgedanken der beiden Erkenntnisweisen erläutern.

Quantitative Sozialforschung bezieht sich weitgehend auf den 'kritischen Rationalismus' von Sir Karl Popper. Es geht darum, ausgehend von einer Theorie Hypothesen zu bilden und diese anhand der sozialen Wirklichkeit zu 'falsifizieren'.

Bei qualitativer Forschung werden nicht Theorien bzw. Hypothesen überprüft, sondern während des Forschungsprozesses entwickelt. Der grundlegende methodologische Unterschied zwischen quantitativer und qualitativer Sozialforschung zeigt sich in der Strategie der Informationsgewinnung.

Beide Methodologien werden in weiterer Folge zuerst theoretisch umrissen und anschließend kritisch hinterfragt. Danach stellen wir einen kurzen Vergleich zwischen den beiden Methodologien an, um schlussendlich zur provokanten Frage zu gelangen, welcher der beiden Detektive der 'bessere' ist.

 

Quantitative Sozialforschung:

Ziel Quantitativer Sozialforschung ist es soziale Phänomene zu beschreiben (Deskription) und anschließend zu erklären (kausale Erklärung).

Quantitativ bedeutet standardisiert verfahrend, d.h. dass sich die Bedingungen der Erhebung vom einen zum anderen Fall nicht unterscheiden. Es geht darum, Informationen in Form von Daten, d.h. systematisch erhobene Aspekte der sozialen Wirklichkeit zu gewinnen und diese in Messwerten ausdrücken. Durch diese Messwerte sollen die untersuchten Objekte verglichen und statistisch-mathematisch ausgewertet werden. Klassisches Erhebungs-instrument ist hierbei der Fragebogen, gekennzeichnet durch seine Antwortalternativen. Dadurch kommt es zu einer selektiven Erhebung vorab definierter Merkmale, d.h. dass der Erfahrungsbereich durch die versuchte Antizipation der Wirklichkeit stark eingeschränkt ist.

Die Quantitative Sozialforschung bezieht sich weitgehend auf den Kritischen Rationalismus welcher vom Philosophen und Wissenschaftstheoretiker Karl R. Popper begründet wurde. Diese Methodologie wird in den empirischen Wissenschaften mehrheitlich als Grundlage für empirische Forschung angesehen. Der empirische Forschungsprozess besteht, vereinfacht ausgedrückt, aus drei Teilen:

Anlehnung an bzw. Aufstellen von Theorien und Hypothesen;

Überprüfung (Falsifikation/Widerlegungsversuch) dieser Theorien und Hypothesen durch empirische Forschung;

Verwerfung, Modifikation oder vorläufige Bestätigung der Theorien und Hypothesen aufgrund der empirischen Ergebnisse;

Das Grundprinzip des Kritischen Rationalismus lautet: Alle wissenschaftlichen Sätze oder Aussagen (Theorien, Hypothesen) müssen an der Erfahrung überprüfbar sein und falsifizierbar, d.h. widerlegbar sein. Sie müssen an der Erfahrungswirklichkeit scheitern können. Aussagen die nicht widerlegbar sind, gehören in den philosophischen Bereich der Metaphysik.

Poppers Falsifikationsprinzip ist in seiner Auseinandersetzung mit dem Empirismus entstanden, der induktiv zu theoretischem Wissen gelangen wollte. Induktion ist eine nicht-logische Schlussfolgerung vom Besonderen auf das Allgemeine.

Popper meint dazu, dass wenn 1000 weiße Schwäne beobachtet werden, daraus nicht folgt, dass alle Schwäne weiß sind. Popper war nicht der Erste, der dies ablehnte. David Hume gilt als 'Vater der Induktionskritik'.

Die Alternative, die Popper dazu entwarf war der sogenannte Fallibilismus: Da 'All-Aussagen' nicht verifizierbar sind, da dazu alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Fälle berücksichtigt werden müssten, bestand Poppers Idee darin, nicht die Wahrheit der Aussagen zu beweisen, sondern deren Falschheit.

Hat sich eine Aussage trotz häufiger Widerlegungsversuche bewährt, gilt sie als vorläufig wahr. Forschungsergebnisse haben also immer nur vorläufigen Charakter. Nach Popper ist die Erreichung absoluter Wahrheit nicht möglich. Man kann sich dieser jedoch 'Schritt für Schritt' nähern:

Sind viele Vermutungen/Hypothesen über einen bestimmten Sachverhalt falsch, kreist man das Problem so weit ein, dass nur wenige Lösungen (Hypothesen) übrig bleiben. Somit kommt man der Wahrheit durch den Ausschluss falscher Möglichkeiten näher.

So löst auch Sherlock Holmes seine Kriminalfälle:

"Wenn man alles ausgeschaltet hat, was unmöglich ist, bleibt am Ende etwas übrig, das die Wahrheit enthalten muß[ ... ]. "
(vgl. http://www.univie.ac.at/film/personal/rmk/03_Methoden/Holmes.pdf )

Wenn verschiedene Erklärungen möglich sind, "muß man jede von ihnen solange testen, bis eine von ihnen genug Beweiskraft erlangt" (vgl. ebd.).

 

Sherlock Holmes - der kritische Rationalist?

Schöpfer der berühmten Romanfigur Sherlock Holmes war der Engländer Arthur Conan Doyle. Die Geschichten um den Meisterdetektiv spielen im England des 19. Jhdts und sind typische Produkte der damaligen Zeit. Doyle war begeistert von der Naturwissenschaft, welche zu einem festen Bestandteil des englischen Denkens in allen Bereichen geworden war.

Es machte sich ein gewisser Hang zu 'positivistischer Rationalität' bemerkbar. Positivismus konzentriert sich auf direkt beobachtbare Tatsachen und lehnt jede Form von Spekulation ab. Quelle der Erkenntnis ist immer nur das direkt beobachtbar Gegebene.

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass der kritische Rationalismus im Gegensatz zum Positivismus kein gesichertes Wissen anerkennt und Popper fälschlicherweise als Positivist bezeichnet wurde und wird (vgl. Popper, 2002, S.105ff).

Anhand folgender kurzen Passage aus dem Kapitel Die Wissenschaft der Deduktion in dem Buch Im Zeichen der Vier, sollen die Gemeinsamkeiten der Ermittlungsweise des Detektivs und der Vorgehensweise des Kritischen Rationalismus erläutert werden. Im Anschluss werde ich die Schwächen dieses Vergleichs aufzeigen, die uns nach weiteren Überlegungen aufgefallen sind. Holmes und Watson diskutieren über einen französischen Detektiv mit Namen François le Villard:

[Holmes:] Er besitzt selbst bemerkenswerte Talente, und zwar zwei jener drei Eigenschaften,
die für den idealen Detektiv unerläßlich sind. Er hat die Gabe der Beobachtung und die der
Deduktion. Nur Kenntnisse fehlen ihm noch [ . . .].
[Watson:] Du sprachst eben von Beobachtung und Deduktion. Das eine schließt doch wohl das andere bis zu einem gewissen Grad ein.
[Holmes:] Durchaus nicht [ . . .]. Beobachtung zeigt mir, zum Beispiel, daß du heute morgen
im Postamt an der Wigmore Street warst, aber erst eine Deduktion bringt mich auf den
Gedanken, daß du dort ein Telegramm aufgegeben hast.
[Watson:] Stimmt [ . . .]. Doch ich muß zugeben, ich weiß nicht, wie du das zusammengereimt hast. [ . . .].
[Holmes:] Nichts einfacher als das! [ . . .] So simpel, daß sich jede Erklärung erübrigt! Und
doch können wir daran die Grenzen zwischen Beobachtung und Deduktion ermessen. Ich
beobachte, daß etwas rote Erde am Rist deiner Schuhsohle klebt. Gerade vor dem Postamt in
der Wigmore Street hat man das Pflaster aufgerissen und Erde aufgeworfen, und zwar so viel,
daß man kaum ins Postamt gelangt, ohne hineinzutreten. Die Erde zeigt diesen rötlichen Ton,
den du meines Wissens nirgendwo sonst in der Nachbarschaft antriffst. Soweit die
Beobachtung. Der Rest ist Deduktion.
[Watson:] Schön, und wie schließt du auf das Telegramm?
[Holmes:] Ich wußte natürlich, daß du heute morgen keinen Brief geschrieben hast, denn ich
saß ja die ganze Zeit gegenüber. Außerdem sehe ich in deiner offenen Schreibtischschublade,
daß du reich mit Postkarten, Formularen, Briefmarken und so weiter versorgt bist. Zu
welchem Zweck solltest du dann in ein Postamt gehen, wenn nicht, um ein Telegramm
aufzugeben? Man braucht nur alle anderen Faktoren auszuschalten, dann muß der, der
übrigbleibt, stimmen.

Watson fragt daraufhin Holmes, ob das nicht alles Raterei gewesen wäre...

[Homes:] Nein, nein, aufs Raten lasse ich mich nie ein. Das ist eine empörende Angewohnheit - verderblich für das logische Denken (vgl. ebd.).

 

Wissenschaftstheoretische Einordnung:

Beobachtung und Deduktion sind zwar zwei wesentliche Aspekte des Kritischen Rationalismus.

Doyle verwendet diese Begriffen jedoch nicht im wissenschaftstheoretischen Sinn.

a) Beobachtung:

Holmes beobachtet rote Erde auf Watsons Schuh und schließt darauf, dass dieser das Postamt betreten hat, da die Erde nur vor dem Postamt solch eine Farbe hat.

Dennoch hat Holmes Beobachtung nichts mit positivistischem Vorgehen zu tun. Er hätte Watson beim Betreten zumindest selbst sehen müssen.

Unter Beobachtung versteht er vielmehr Wahrnehmungen und Hypothesenformulierungen.

Holmes formuliert die Hypothese, dass, wenn Watson rote Erde auf dem Schuh hat, dieser das Postamt aufsuchte.

b) Deduktion:

Holmes behauptet, dass der Ausschluss falscher Möglichkeiten deduktives Vorgehen sei.

Er stellt die Hypothese auf, dass Watson zur Post ging, um dort irgendeine postbezogene Erledigung zu machen. Er deduziert dann, wie Doyle meint, dass diese Erledigung entweder darin besteht, einen Brief abzuschicken oder Briefmarken oder Postkarten zu kaufen oder ein Telegramm aufzugeben.

Daraufhin überprüft er systematisch jede dieser Möglichkeiten und gelangt schnell zu derjenigen, die sich als die zutreffende herausstellt. Wenn verschiedene Erklärungen möglich sind, "muß man jede von ihnen solange testen, bis eine von ihnen genug Beweiskraft erlangt". (vgl. Ebd.)

Seine 'Beobachtungen' ermöglichen es Holmes zwar die unwahrscheinlichen Hypothesen auszuschließen, zu falsifizieren.

"Wenn man alles ausgeschaltet hat, was unmöglich ist, bleibt am Ende etwas übrig, das die Wahrheit enthalten muß[ ... ] " (vgl. ebd.).

Ein korrekter deduktiver Schluss ist aber dadurch gekennzeichnet, dass wenn die Prämissen wahr sind, auch die Konklusion wahr ist:

Z.B. - immer wenn Watson zur Post geht gibt er ein Telegramm aus (empirisches Gesetz)

- Watson geht zur Post

-----------------------------------------------------------------------------------------------------

Watson gibt ein Telegramm auf

Dies ist aber nicht der Fall! Holmes Annahmen über Watson waren zwar die vernünftigsten und wahrscheinlichsten aber keineswegs mit Sicherheit wahr. Watson hätte auch einen Freund oder die Postlerin besuchen können oder ähnliches.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Holmes Methode nicht mit der deduktiven Forschungslogik des Kritischen Rationalismus übereinstimmt.

Doyle selbst beging den Fehler die von Holmes gezogenen Schlüsse als deduktiv zu bezeichnen, obwohl sie dies nicht sind. Im wissenschaftstheoretischen Sinne sind die von Doyle bzw. Holmes gezogenen Schlüsse abduktiver Natur, dazu später mehr.

 

Qualitative Sozialforschung - Columbo

Qualitative Sozialforschung ist grundsätzlich ein Sammelbegriff für jene Verfahren, die sich nicht auf das "Messen" von Eigenschaften von Personen mit "Messinstrumenten" beschränken (vgl. quantitative Sozialforschung). Man verabschiedet sich von standardisierten und quantifizierenden Erhebungs- und Auswertungstechniken, sowie generell von statistisch-mathematischen Methoden. Weiters verabschieden wir uns von im Vorfeld gebildeten Klassifizierungen und Kategorien, die im Laufe des Forschungsprozesses bewähren oder nicht.

In den Vordergrund treten Eigenschaften wie Offenheit, Flexibilität und Kommunikation (Interaktion). Gängige Methoden zur Datengewinnung sind die Beobachtung, Interviews, Gruppendiskussionen, usw.

Diese Daten werden anschließend ausgelegt und gedeutet (Hermeneutik) - interpretiert. Daher auch oft die Bezeichnung 'interpretative' Sozialforschung.

Damit sind wir beim Anspruch qualitativer Sozialforschung: 'vom Konkreten zum Ganzen', oder 'vom Besonderen zum Allgemeinen'. Nehmen wir das Beispiel des Feldforschers: dieser betrachtet ein bestimmtes Feld (Besondere) und entwickelt im Laufe seiner Forschung eine allgemeine Theorie (Allgemeine) über dieses Feld - die "innere Logik".

Die Theorie ist also Produkt der Forschung, nicht wie bei quantitativer Forschung der Ausgangspunkt (vgl. Ziegler in Fröhlich/Mörth, 1998, S.51ff).

Nun kurz zum theoretischen Hintergrund. Man bedient sich der Methode der "Abduktion", einer weiteren Form des Schließens. (Auf die dritte Form des Schließens - die Induktion - werden wir an dieser Stelle nicht eingehen.) Der Begriff stammt vom amerikanischen Philosophen Charles Sanders PEIRCE (1839 - 1914). Er sagt selbst: "ein armselliger Begriff". Besser zur Erklärung geeignet ist der Begriff der "Retroduktion" = Zurück-Führen. Abduktion führt ein bestimmtes Indiz auf eine allgemeine Begriffsklasse zurück. Mediziner schließen beispielsweise auf diese Art. Die Wahrnehmung eines oder mehrerer Zeichen, genannt Symptome, führt zur Diagnose, d.h. zur Einordnung in eine Krankheitskategorie. Verschiedene beobachtete Zeichen erlauben oft eine große Zahl verschiedner Zuordnungen bzw. Erklärungen, was einen in der Regel zu einer gewissen Einschätzung tendieren lässt. Diese Einschätzung (Hypothese) zu vertreten nennt sich eben 'Abduktion', es handelt sich im Grunde um Diagnosen (vgl. Sebeock, S.65, 1982).

Abduktion ist rein logisch gesehen, unkorrekt, liefert aber im Gegensatz zur Deduktion neue Erkenntnisse.

Versuchen wir nun den theoretischen Hintergrund auf das praktische Beispiel des Detektivs Columbo, umzulegen: Was unseren Inspektor auszeichnet ist sein ausgeprägter "Instinkt, der auf die Wahrnehmung von Beziehungen zwischen Aspekten der Welt angewiesen ist". Er hat immer das Gesamtbild ('innere Logik') vor Augen, dem er so lange nachgeht, bis alles zusammenpasst. In der Art, wie er dem nachgeht, ist er unverwechselbar.

 

Columbo - der Feldforscher

Das in den Medien vertretene Beispiel für die angedeutete Vorgehensweise, stellt Inspektor Columbo (Peter Falk) dar. Dieser ist Beamter der Mordkommission, der seine Fälle durch seine ganz spezielle, unverkennbare Art löst.

Sein Verhalten ähnelt dabei dem eines Feldforschers. Auf gekonnte Art und Weise schafft er es dem jeweiligen Feld seine 'innere Logik' zu entlocken und so den einzig möglichen Täter zu ermitteln. Zuerst macht er sich mit dem Umfeld vertraut, vorwiegend wohlhabende Menschen, Künstler, Schauspieler, usw., die sich meist durch ihre überhebliche und arrogante Art besonders sicher fühlen. Zuerst macht er sich mit dem Feld vertraut, der Inspektor löst dabei die Probleme des Feldzugangs wahrlich meisterhaft. Seine Strategien sind vielfältig und trickreich, sodass jeder Sozialforscher neidisch werden könnte.

Dazu ein Beispiel: In vielen Folgen erzählt der Inspektor von seiner Frau, meist haben ihre Hobbys und Eigenheiten direkt mit dem Täter zu tun. Es ist also anzunehmen, dass Columbo einige Geschichten über seine Frau nur erfindet, um mit dem Täter ins Gespräch zu kommen, falls diese in Wirklichkeit überhaupt existiert. Er spielt dabei immer den konfusen, verwirrten Ermittler, der anscheinend wahllos herumschnüffelt und irgendwelche nervenden Fragen stellt.

Diese Vorgehensweise entspricht dem 'noising around' aus der Feldforschung. Herumschnüffelnd sammelt der Inspektor unbeirrt Indizien. Er geht davon aus, dass wir aus der Beobachtung oftmals deutliche Hinweise auf die Wahrheit gewinnen, obwohl man nicht in der Lage ist zu sagen, wieso genau. PEIRCE spricht von abduktiven Vermutungen von denen man wie ein Blitz getroffen wird. Es handelt sich um eine Art kriminalistischen Instinkt. Seine Methoden sind die Beobachtung, verschiedenste Interviews, Beobachtungen und Inhaltsanalysen (Gespräche, Zuhören, Mitlauschen). Oft greift er auch auf Expertenwissen zurück, also auf rein qualitative Methoden. Mit Hilfe seiner eignen Erfahrungen und durch das Sammeln verschiedenster, auch scheinbar unwichtiger und nebensächlicher Indizien, kristallisiert sich die Wahrheit heraus.

Columno und die qualitative Sozialforschung versuchen alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, doch während der Datenerhebung schränken sich diese soweit ein, dass zum Schluss nur noch eine übrig bleibt - der Mörder.

 

Schlussbetrachtung - Gegenüberstellung

Bei der Auseinandersetzung zwischen quantitativer und qualitativer Sozialforschung handelt es sich um einen geschichtlichen Konflikt. Beide Parteien gingen und gehen davon aus, "dass es tatsächlich einen besten und richtigen Weg gibt, die soziale Wirklichkeit zu beschreiben und zu erklären."

Quantifizierende Verfahren, mit ihrem naturwissenschaftlich-objektivistischen Ideal, könnte man im Verlauf der Auseinandersetzung als 'dominant' bezeichnen. Doch in den letzten Jahrzehnten mehren sich die Bemühungen, qualitativen Methoden einen eigenständigen Stellenwert zu geben und sie als Alternative zu den 'herrschenden' Methoden zu betrachten. Diese Bemühungen beruhen einerseits auf einer ernstzunehmenden Kritik an der Leistungsfähigkeit quantitativer Ansätze und andererseits auf der Tatsache, dass diese nicht universell einsetzbar sind. Weiters wird kritisiert, dass Erkenntnis in den Sozialwissenschaften auf Grund der Besonderheit ihres Gegenstandes (Forschungsgegenstand Mensch), nicht nach naturwissenschaftlichen Vorbild geschehen darf und kann. Als besonders problematisch wird die 'Kategorienbildung' in der quantitativen Forschung angesehen: die soziale Wirklichkeit wird vorgegeben; (Sprichwort: "wer einen Hammer besitzt, für den sehen alle Probleme aus, wie Nägel"). Qualitative Verfahren, die ihre Erkenntnisse 'aus erster Hand' erhalten, stehen im Gegenzug vor ganz anderen Schwierigkeiten: sie werden als nicht-objektiv, wildwüchsig, irrational und induktivistisch dargestellt; Außerdem wird auf das problematische Verhältnis zwischen Forscher und Forschungsgegenstand hingewiesen, da dieser Gefahr läuft, Teil des Untersuchungsfeldes zu sein oder zu werden ('going native').

Eine Bewertung bleibt schlussendlich jedem selber überlassen, doch ein 'besser oder schlechter' ist hier nicht angebracht, eher schon ein 'anders'. Z.B.: würde man in einem besetzten Haus mit einem Fragebogen auftauchen, würde man die Bewohner höchst-wahrscheinlich zum lachen bringen, aber nicht mehr. Durch eine teilnehmende Beobachtung würden sich bestimmt gute Erkenntnisse ergeben. Andererseits, geht es dem Forschenden z.B. um die Erhebung von Massendaten wie Parteipräferenz, sieht man mit der teilnehmenden Beobachtung wieder ziemlich traurig aus. Dies verdeutlicht sich auch am Beispiel unserer zwei Spürnasen: sie verfolgen unterschiedliche Methoden, doch beide lösen ihre Fälle - auf bestechende Art.

© Christian Schwarz / Markus Kapl


ANMERKUNGEN

(1) Holmes bzw. quantitative Sozialforschung

(2) Kapl: (Columbo bzw. qualitative Sozialforschung)


LITERATUR

Popper, Karl R.: Auf der Suche nach einer besseren Welt. Vorträge und Aufsätze aus dreißig Jahren; 11. Auflage, Piper Verlag, München 2002

Ziegler, Meinrad: Überlegungen zur Forschungslogik eines methodologischen Nonkonformisten; In: Fröhlich/Mörth (Hg.): Symbolische Anthropologie der Moderne, Campus Verlag, Frankfurt/Main 1998

Sebeok, Thomas Albert: Du kennst meine Methode. Charles S. Peirce und Sherlock Holmes; Frankfurt/Main 1982
http://www.univie.ac.at/film/personal/rmk/03_Methoden/Holmes.pdf)



10.7. Kreative Kontexte

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For quotation purposes:
Christian Schwarz / Markus Kapl: Detektive im Spannungsfeld sozialwissenschaftlicher Methodologie - quantitative vs. qualitative Sozialforschung. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/10_7/schwarz_kapl15.htm

Webmeister: Peter R. Horn     last change: 28.8.2004    INST