Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. Juni 2006
 

1.4. Reproduktionen und Innovationen in Sprache und Kommunikation verschiedener Sprachkulturen / Reproduction and Innovation in Language and Communication in different Language Cultures
Herausgeber | Editor | Éditeur: Rudolf Muhr (Universität Graz)

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Der Zustrom des Englischen in Bulgarien - Ein Generationsproblem

Irena Vassileva (Technische Universität Berlin, Deutschland)

 

Abstract

The comparatively recent, but rather aggressive influx of English words into the Bulgarian language has led to drastic changes especially in the speech behaviour of the young generation. The paper will thus try to gain insights into some basic discourse domains that have particularly been influenced by English, namely modern communication technology and popular culture. The investigation will draw on data excerpted from present-day Bulgarian magazines whose target audience belongs to the 'post-1990' generation - the generation that has grown up with the opening of the country to the outer world and its attempts at integration into the 'global village'.

The linguistic problems that will be discussed concern the types of borrowings, their accommodation into the Bulgarian language with special focus on the ability/inability of the Cyrillic alphabet to serve as a transcription instrument, the overall layout of such magazines as a means of discoursive transfer, as well as the social attitudes to this 'new' Bulgarian language as fixed in the media. An attempt will be made to answer some questions related to the currently observed widening of the generation gap through language, as well as the future of the Cyrillic alphabet - a problematic issues that has given rise to heated discussions in the country of late.

 

1. Einleitung

Der relativ neue (seit der 80-er Jahren), dafür aber ziemlich aggressive Zustrom des Englischen in Osteuropa, insbesondere seit dem Anfang der 90-er Jahre, hat zu radikalen Veränderungen im Sprachverhalten der jüngeren Generation geführt. Dies betrifft vor allem die jungen Leute, die in den 70-er und den 80-er Jahren geboren sind. Diese Generation wird oft die ‘e-Generation’ genannt, die Generation, die mit dem Internet und der Schaffung globaler, geographisch, politisch, sozial und religiös grenzübergreifender Netzwerke aufgewachsen ist. Darüber hinaus fiel der Prozess der technologisch bedingten Globalisierung mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Osteuropa und dessen Öffnung zur Außenwelt zusammen, wobei sich die sogenannte Internationalisierung durch einen qualitativen Sprung in Globalisierung verwandelte, deren wichtigsten Merkmale sind:

Und weil die obengenannte Generation jene Generation ist, die die Zukunft Bulgariens bestimmen wird, möchte ich mich hier auf die Besonderheiten ihrer Sprache konzentrieren und mich vor allem auf einige Diskursdomäne fokussieren, die vom Englischen besonders stark beeinflusst werden, nämlich die modernen Technologien und die Popkultur.

Ich werde also darauf verzichten, über florierende Tendenzen wie das Entlehnen englischer Wörter in die Wirtschaftssprache zu sprechen, was völlig natürlich scheint, weil in Osteuropa keine Marktwirtschaftspraktiken existierten, bzw. keine Sprache, um sie adäquat auszudrücken; Ich werde auch auf eine Diskussion sowohl der modischen Tendenz, Firmen, Geschäfte usw. mit englischen oder pseudo-englischen Namen zu benennen, als auch der komischen lateinischen Transliteration von, z. B., bulgarischen oder russischen Wörtern auf Schildern in Straßen verzichten - diese Probleme haben bereits zur Genüge die Aufmerksamkeit mehrerer Sprachwissenschaftler erregt.

 

2. Zielsetzungen

Ich möchte hier auf die folgenden Fragen näher eingehen:

  1. Die phonetische, grammatische und orthographische Gestalt der Entlehnungen und die Art und Weise ihrer schriftlichen Fixierung in den Massenmedien;

  2. die sprachbedingte, ständig wachsende Generationskluft und die damit verbundenen gesellschaftlichen Probleme;

  3. die Zukunft der kyrillischen Schrift.

 

3. Datenquellen und Klassifizierung

Meine Untersuchung bezieht sich auf Daten, die sowohl aus gegenwärtigen bulgarischen und russischen Zeitschriften exzerpiert worden sind, als auch aus verschiedenen Publikationen, die sich mit einigen anderen slawischen Sprachen beschäftigen; die Zeitschriften richten sich an die ‘post-1990’ Generation. Solche Zeitschriften wurden zuerst vor ungefähr 7-8 Jahren herausgebracht. Die meisten Zeitschriften erschienen also nicht sofort nach der Wende trotz der drastischen Veränderungen in den Massenmedien zu jener Zeit im Allgemeinen. Die damaligen Transformationen aber betrafen (rein sprachlich gesehen) überwiegend das ‘Wiederaufleben’ und den Gebrauch der Alltagssprache und sogar der obszönen Sprache in den Medien, um einen höheren Grad von Expressivität zu erreichen und somit ein möglichst breiteres Publikum anzusprechen. Die neue e-Generation war einfach noch nicht erwachsen und damit auch keine Notwendigkeit, speziell an sie gerichtete Zeitschriften herzustellen.

Die Titelseite solcher Zeitschriften besteht oft aus einer Mischung aus bulgarischen und englischen Wörtern und Phrasen, Wort- und Wortbildungsspielen, einer Mischung aus kyrillischer und lateinischer Schrift.

Nach Auskunft einer der Editorinnen der Zeitschrift "Egoist" z.B., an die ich einige Fragen gerichtet habe, sei die Zeitschrift "an die jungen Menschen im weitesten Sinne des Wortes gerichtet, d.h. intelligente Menschen mit guten Computerkenntnissen, guter Ausbildung, Fremdsprachenkenntnissen und Auslandserfahrung." Ich werde auf die Diskussion dieser ‘Definition’ noch einmal zu sprechen kommen.

Die rein linguistischen Probleme die mich hier interessieren, sind mit dem Charakter der Lehnwörter und ihrer Integration in die slawischen Sprachen in den schon genannten Diskursdomänen verbunden. Ich werde hier nur einige ausgewählte Beispiele englischer Wörter und Phrasen vorführen, die eine besonders hohe Frequenz aufweisen. Eine ganz grobe Klassifizierung richtet sich hauptsächlich nach den verschiedenen Modellen der Wiedergabe in die osteuropäischen Sprachen, um auch auf einige lexikologische und lexikographische Probleme zu verweisen. Bei der Vorführung der Beispiele werde ich keine der aus der umfangreichen wissenschaftlichen Literatur bekannten Klassifizierungen benutzen, weil es mir auch darum geht, inwieweit und auf welche Art und Weise die kyrillische Schrift als Instrument für die Wiedergabe englischer Wörter/Phrasen dient. Dabei ist es schwierig zu sagen z.B., wo die Grenze zwischen den morphologischen, phonologischen und orthographischen Anpassungen liegt. Mein Ziel ist daher nicht, eine Klassifizierung vorzuschlagen, sondern eher die Probleme auf allen Ebenen zu illustrieren. Ich werde mich in diesem Artikel mit dem äußeren Lehngut beschäftigen, und zwar nur mit den Gruppen von den direkten Entlehnungen und den Mischbildungen.

 

4. Probleme der Transkription

Ich möchte zuerst nur auf die ausgeprägtesten Probleme bei der Transkription englischer Wörter hinweisen. Am problematischsten bei den Konsonanten ist, dass die dentalen Frikative [ø] und [ð] durch die alveolaren Plosive [t] und [d] substituiert werden, wobei die bedeutungsdifferen­zierenden Unterschiede verloren gehen. Im Tschechischen beobachtet man Unstimmigkeiten bei der Wiedergabe des stimmhaften alveo-palatalen Affrikates [dž].

Konsonanten

[t] und [ø] > [t]

thank you

тенкю (B)

триллер (R)

[d] und [ð] > [d]

the best

дъ бест

[dž] - im Tschechischen

[tƒ]

houmpejč

 

[dž]

džob

 

[ž]

manažer

Im Russischen werden die doppelten Konsonanten behalten: топлесс , триллер , бэйби ситтер.

Bei den kurzen Vokalen beobachtet man Unstimmigkeiten bei der Wiedergabe des typisch englischen Vokals [æ].

 
Kurze Vokale

[e], [i], [], [] stellen keine Probleme dar

[ə]

Bulgarisch

[ə]

дилър

мениджър

 

Russisch

[e]

дил e р

менидж e р

[]

Bulgarisch

[ə]

ъндърграунд

 

 

Russisch

[a]

a ндърграунд

 

 

Tschechisch

[a]

pab

bagi (buggy)

[æ]

Bulgarisch

[a]

фашън

 

 

 

[e]

ембиънт

 

 

Russisch

[e]

мен

 

 

 

[æ]

чэт

aber: шоу -m эн

 

Tschechisch

[e]

keš

 

Nur einer der langen Vokale hat in der bulgarischen Sprache ein Äquivalent - das [i:]. Das [u:] wird bei einigen Wörtern übernommen, ist aber für das Bulgarische untypisch. Die anderen (und im Russischen eigentlich alle langen Vokale) werden normalerweise reduziert, so dass die entsprechenden kurzen Vokale entstehen.

Lange Vokale

[i:]

Bulgarisch

[i:]

стрийт

стриптийз

 

 

Russisch

[i]

стриптиз

спич

фристайл

[a:]

Bulgarisch

[a]

kac тинг

 

 

 

Russisch

[a]

kac тинг

 

 

[:]

Russisch und Bulgarisch

[]

форплей

скейтборд

 

[u:]

Bulgarisch

[u:]

куул

фаст фууд

 

 

Russisch

[]

фаст фуд

 

 

[з:]

Bulgarisch

[ə]

джърман

 

 

 

Russisch

[e]

дж e рман

 

 

Im Prinzip stellen die Diphthonge keine Probleme für die Transkription dar. Manche von ihnen sind aber für das Bulgarische untypisch - z.B. Diphthonge im Auslaut, die mit einem Zentralvokal (Schwa) enden - in solchen Fällen wird das [r] behalten - hair (the film) - хеър. Dasselbe gilt auch für das Russische, dort fällt aber auch das Schwa in Auslaut weg. Das Ergebnis ist, dass im Russischen die bedeutungsdifferenzierenden Unterschiede zwischen [i], [i:] und [iə], bzw. [e], [æ], [з:] und [eə] verschwinden.

Diphthonge

[ei]

Bulgarisch

[ei]

кейс

римейк

 

Russisch

[æi]

бэйбй

фэйс

 

 

[ei]

гей

 

 

Tschechisch

[ei]

rimejk

 

[iə]

Bulgarisch

[iə]

пиърсинг

 

 

Russisch

[i]

пирсинг

 

[eə]

Bulgarisch

[eə]

хеър

 

 

Russisch

[e]

флер

 

 

5. Einfache Wörter

Englisch

Bulgarisch

Englisch

Bulgarisch

research

рисърч

brunch

брънч

merchandising

мърчъндайзинг

fashion

фашън

adventure

адвенчър

styling

стайлинг

shopping

шопинг

beat

бийт

gamer

геймър

promote

промотирам

download

даунлоудвам

 

 

Die kursiv markierten Wörter haben präzise Übersetzungs­äquivalente; Die Gebiete ‘Musik’, ,Film’ und besonders Computerter­minologie spiegeln neuere Entwicklungen in der Popkultur und Computertechnologie im Allgemeinen wieder und alle Versuche, solche Begriffe zu übersetzen, sind bis jetzt gescheitert. Einer der wichtigsten Gründe dafür besteht darin, dass das Wegfallen der Zensur und die damit verbundene Demokratisierung der Sprache praktisch über Nacht eine enorme Zahl von bisher nur im Westen bekannten Realien mit sich gebracht hat, deren Benennung die Sprachschöpfer und Übersetzer überforderte.

In den 80-er Jahren wurde die Computerterminologie ausschließlich von Spezialisten benutzt; sie gehörte zu deren professionellen Jargon und blieb unverständlich für Außenseiter dieser Diskursgemeinschaft. Heutzutage ist der Computer einer viel breiteren Schicht von Konsumenten zugänglich; diese Konsumenten repräsentieren aber einen bestimmten Teil der Gesellschaft, dessen Alter zwischen 13-14 (untere Grenze, die mehr oder weniger stabil bleibt) und 35 variiert, wobei die obere Grenze stark abhängig vom Bildungsniveau, vom sozialen und professionellen Status u.a. ist, selten aber über 55 Jahre hinausgeht. Springfeld (2000) ist zu einer mehr oder weniger ähnlichen Schlussfolgerung gekommen: "Hauptsächlich genutzt wird das World Wide Web aber von Menschen, die weltweit die gleichen soziologischen Kennzeichen aufweisen: Jung, oft wohlhabend, oft männlich, gebildet, englisch sprechend, in Städten lebend. Diese Gruppe von Menschen bildet die weltweite Internet-Kulturschicht". Für das Russische behauptet z. B. Sipakova (2002):

"A very important section of computer slang is constituted by the borrowings from English. To master it, one should be at least moderately competent in English. Furthermore, s/he should be aware of the rich patterns of Russian morphology, and it is also advisable to have a sense of humour above average."

Was die Zugehörigkeit der Lehnwörter zu den verschiedenen grammatischen Kategorien betrifft, zeigen die Beispiele, dass in Bulgarischen überwiegend Substantive durch Transkription übernommen werden. Der Grund dafür besteht in der Tatsache, dass das Verb im Bulgarischen ein ziemlich kompliziertes Paradigma hat, welches sich nicht so einfach grammatisch/morphologisch und phonetisch anpassen lässt. Adjektive andererseits müssen dekliniert werden und auch den Artikel tragen, den das Substantiv verlangt. Substantive müssen aber nur für den Numerus markiert werden und den jeweiligen Artikel nehmen, was es einfacher macht, sie zu transkribieren und sowohl morphologisch als auch phonetisch zu integrieren. Es muss hier gesagt werden, dass der Artikel im Bulgarischen postpositioniert ist und zusammen mit dem Wort geschrieben wird, was aber die sprachliche Integration von Lehnwörtern nur begrenzt zu verhindern scheint.

Im Russischen andererseits, wie im Tschechischen, ist der Grad der morphologischen Integration sehr hoch, wahrscheinlich wegen des synthetischen Charakters der Grammatik. Im Russischen beobachtet man sogar eine Art von Wortbildungskreativität (nach Pfandl 2002), die zum Jugendslang gehört und äußerst schöpferisch zu sein scheint: bei Verben: spikat’, dzobat’. Aus Adjektiven geleitet: krejzi, krezovat’, krezovnik, krezovoz.

 

6. Komposita und feste Wortverbindungen

6.1. Transkription

Englisch

Bulgarisch

Russisch

Englisch

Bulgarisch

Russisch

PR

пиар

пиар

baby-sitter

б e йби - ситър

бэйби ситтер

life-style

лайфстайл

 

safe sex

сейф-секс

 

foreplay

форплей

 

fast food

фаст-фууд

фаст фуд

R&B

аренби

 

mass media

масмедии

массмедиа

mainstream

мейнстрийм

 

conditioner

кондиционер

 

cyberpunk

сайбърпънк

киберпанк

hitch-hiking

хичхайкинг

 

Normalerweise werden Komposita und feste Wortverbindungen durch eine ‘Adjektiv - Substantiv’ Kombination wiedergegeben. Die Beispiele aber zeigen, dass neuere Entlehnungen in der englischen Form bleiben, aber überwiegend mit Bindenstrich transkribiert werden, weil das Bulgarische, z.B., solche Wortkombinationen überhaupt nicht erlaubt. Die Abkürzungen R&B und PR werden in der Sprechweise transkribiert, was sie auf Anhieb völlig unverständlich macht.

6.2. Transkription und Übersetzung

Englisch

Bulgarisch

Englisch

Bulgarisch

street clothes

стрийт-дрехи

second-hand shop

секънд-хенд магазин

house scene

хаус-сцена

suspense scene

съспенс- сцена

dress code

дрес-код

rhythm composer

ритъм-къмпоузър

super cool

супер - куул

 

 

In manchen Fällen ist eine Kombination von Transkription und Übersetzung zu beobachten. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein: (1) Ein Teil der Phrase beinhaltet ein Wort, das schwierig zu transkribieren ist und auch nicht gut genügend bekannt ist (clothes); (2) Ein Teil der Phrase entspricht phonetisch einem bulgarischen Wort mit ganz anderer Bedeutung (shop); (3) Ein Teil der Phrase wurde schon früher ins Bulgarische übernommen und phonetisch angepasst (scene, code).

6.3. Direkte Wiedergabe durch englische Wörter

Englisch / Bulgarisch

Russisch

Tschechisch

teenage angst

on-line

dealer

look

love story

game / gejm

megastore

 

skateboard

offline

 

byte / bait

QuickII "add-on"- ът

 

walkman / vokmen

street-, sports-, и casual wear

 

show / šou

 

 

jackpot

 

 

joint

Weiter oben habe ich einige Beispiele aufgeführt, in denen nur englische Wörter benutzt werden. Manche russische Autoren meinen, dass d ie lateinische Schrift zur Zeit nicht über die Grenzen des ikonenhaften und indexischen Zeichens hinausgeht. Das mag auf Straßenschilder, Firmennamen und dergleichen zutreffen; wenn aber solche Wörter/Phrasen in gänzlichen Texten vorkommen, dann tragen sie ihre denotative Bedeutung auch, was es für Leser, die mit der Fremdsprache nicht vertraut sind, erhebliche Verstehensprobleme bereitet.

Das letzte Beispiel (hier) zeigt einen kaum akzeptierbaren, aber leider ziemlich oft vorkommenden Fall einer englischen Phrase, die im Original erscheint, der aber der bulgarische Artikel angefügt wird, und zwar mit kyrillischen Buchstaben. Solche Mischungen aus zwei Sprachen, zwei verschiedenen Schriften und Morphologien führen zu Missverständnissen oder mindestens zu beträchtlichen Schwierigkeiten beim Verstehen und bei der Informationsbearbeitung, weil sie vom Leser verlangen, zwei völlig unterschiedliche Sprach- und Schriftsysteme gleichzeitig wahrzunehmen.

Im Tschechischen andererseits, wie die Beispiele zeigen, besteht zur Zeit eine Art von Konkurrenz zwischen der direkten Wiedergabe und der Transkription.

6.4. Mischung aus kyrillischer und lateinischer Schrift

Das gilt auch für die letzte Gruppe von Komposita, an denen man die Mischung aus Schriften und Sprachen nur mit dem Fehlen jeglicher bulgarischen Äquivalente der auf englisch geschriebenen Wörter erklären kann. (Natürlich ist das allerletzte Beispiel ein Wortspiel).

Englisch

Bulgarisch

Englisch

Bulgarisch

cut-and-paste culture

cut-and-paste култура

root account

root- акаунт

bondage style

bondage- стил

cool+cultur e

cool тура

Die Probleme, die solche jüngere Entlehnungen aus dem Englischen der Lexikographie bereiten, sind hauptsächlich (1) mit den Uneinheitlichkeiten in der Transkription, (2) mit der Rechtschreibung festgebundener Phrasen, (3) mit der Wiedergabe untranskribierbarer und unübersetzter Wörter/Phrasen, einschließlich Mischung aus den zwei Schriften und Sprachen verbunden. (Übrigens sind bis jetzt alle sprachpolitischen Maßnahmen, die Situation irgendwie zu regeln, gescheitert). Natürlich bleibt die Frage offen, wie viele solcher Entlehnungen ‘überleben’ werden, um ihren Platz in künftigen Wörterbüchern zu finden. Die Tatsache aber, dass sie äußerst konsequent durch die Massenmedien in der Sprache fixiert werden, spricht dafür, dass diese Zahl sich keineswegs verringern wird.

 

7. Schlussfolgerungen

Ich habe hier nur einige Beispiele vorgeführt. Die Tendenz zur Verwendung englischer Wörter und sogar ganzer Phrasen und Sätze ist definitiv steigend überall in Osteuropa und in den Ländern der ehemaligen UdSSR, insbesondere in den Diskursdomänen, die ich anzusprechen versuche. Die Erläuterungen, die die Verfasser solcher Zeitschriften geben, und als bewusste Politik verfolgen, sind, dass es (1) entweder kein Übersetzungsäquivalent mit derselben semantischen Bedeutung gibt (zumindest was die emotive Bedeutung betrifft), oder (2) dass das Wort / die Phrase soziale Praktiken reflektiert, die Produkte anderer Zeiten sind und entweder nichtexistierend oder völlig neu für die ‘neue Gesellschaft’ sind. Darüber hinaus wird aber auch angenommen, dass die Verwendung von Anglizismen "die neue Generation besser identifizieren würde" und von der Generation "meiner Mutter und meines Vaters" abgrenzen würde. Damit komme ich zu einem der wichtigsten Punkten in dieser Diskussion: die Anglisierung (oder aber Amerikanisierung und Cocacolisierung?), wie sie in den Massenmedien fixiert wird, soll die ‘kommunistische’ und die ‘post-kommunistische’ Generationen voneinander abgrenzen und die zweite als ‘integrierte im globalen Dorf’ identifizieren, als eine Generation, die alle Verbindungen mit der totalitären Vergangenheit abgebrochen hat. In diesem Zusammenhang behaupten Radziyevska und Yavorska (2002):

"The English language units and speech formula in the youth language community do not simply acquire such characteristics as "modern", "intellectual" and "democratic" (non-Soviet - i.e. anti-totalitarian), while becoming an element of self-identification, but are also applied in the speech generation affecting the language structure."

Dieser Prozess führt dazu, dass die im Prinzip existierende Kluft zwischen den Generationen immer breiter und tiefer wird, und zwar durch die Sprache. Im Unterschied zu den von früher bekannten Situationen aber ist dies nicht nur dem modernen Slang zuzuschreiben, sondern auch der Verwendung einer Fremdsprache, die für die ältere Generation unverständlich bleibt. Diese Entwicklungen verstärken weiter den Generationskonflikt, den die ökonomischen, sozialen und politischen Umwälzungen Anfang der 90-er ohnehin hervorgebracht haben. Die Kraftlosigkeit der älteren Generation, die aber noch an der Macht ist und die Entscheidungen trifft, mit der neuen Situation zurecht zu kommen, spiegelt sich wieder in der Unfähigkeit der meisten osteuropäischen Bildungssysteme, den Interessen und Bedürfnissen der jungen Leute nachzukommen. Darüber hinaus muss man, wie die Beispiele zeigen, über Englischkenntnisse mindestens auf ‘Mittelstufenniveau’/ ’Intermediate’ verfügen, um mit Texten solcher Zeitschriften überhaupt umgehen zu können; diese Englischkenntnisse ihrerseits sind eine Frage des Prestiges und des Status im Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder Diskursgemeinschaft, nämlich der, die ich schon beschrieben habe.

Dazu muss auch gesagt werden, dass einer der von Sprachvereinen am häufigsten angeführten Argumenten gegen die Verwendung von Anglizismen, nämlich, dass sie die Vorherrschaft bestimmter privilegierter sozialer Schichten fördern, nicht mehr völlig zutreffend ist. Die heutzutage entstehenden Kommunikationsbarrieren müssen eher auf die sich immer vertiefende Alienation der jüngeren Generation, ihre Anstrebungen nach Selbstdefinierung, Selbstbestätigung und ‘social advancement’ zurückgeführt werden.

Der andere Punkt, den ich ansprechen möchte, ist mit der Fähigkeit / Unfähigkeit der kyrillischen Schrift als Transkriptionsinstrument zu dienen und der damit teilweise verbundenen Zukunft dieser Schrift. Das ist seit einiger Zeit eine Streitfrage, die heftige Diskussionen, zumindest in Bulgarien, ausgelöst hat. Wie die meisten der von mir vorgeführten Beispiele zeigen, lässt sich fast jedes englische Wort mit kyrillischen Buchstaben tanskribieren und auch morphologisch mehr oder weniger in die Zielsprache integrieren. Die Frage ist aber, ob dies überhaupt notwendig ist, und ob es stattdessen eine durchführbare und erleichternde Alternative gäbe, die lateinische Schrift einzuführen. Rein semiotisch gesehen macht es keinen Unterschied, was für ein graphisches System zur Wiedergabe der Wörter einer Sprache verwendet wird. Außerdem führt heutzutage die Verwendung einer anderen als der lateinischen Schrift (zumindest in Europa) zu erheblichen Unannehmlichkeiten in der internationalen Kommunikation. Es sind nur einige europäische Länder geblieben, die dieses Risiko noch eingehen, hauptsächlich um sich auch als griechisch-orthodox zu identifizieren und die Abgrenzung vom Katholizismus zu bewahren.

Die ‘ketzerische’ Idee, die kyrillische Schrift in Bulgarien abzuschaffen, ist eigentlich nicht neu - sie wurde schon während des zweiten Weltkrieges unter dem Druck Adolf Hitlers auf dem bulgarischen Tzar vorgeschlagen. In jüngster Zeit kam derselbe Vorschlag vom österreichischen Slawisten Prof. Otto von Kronsteiner, der die Behauptung vertritt, dass die kyrillische Schrift noch ein Hindernis auf dem Weg Bulgariens nach Europa darstellt und die Integration des Landes in die europäischen und globalen Institutionen zusätzlich erschwert. Diese Ansicht wurde extrem negativ aufgenommen und führte zu heftigen Kontroversen, weil sich Bulgarien als die Wiege der kyrillischen Schrift versteht, wo sie zuerst eingeführt und akzeptiert wurde, um später in andere Länder und Kulturen ‘exportiert’ zu werden. Diese Schrift ist demnach ein wesentlicher Bestandteil der bulgarischen Nationalidentität, und es ist deswegen höchst unwahrscheinlich, dass sie durch irgendeine andere Schrift ersetzt wird.

Die neuesten Tendenzen zeigen einerseits einen immer intensiv werdenden Zustrom englischer Wörter und Phrasen ins Bulgarische, die auch oft in ihrer Originalform benutzt werden, andererseits aber ist auch eine gegenläufige Tendenz zu beobachten, nämlich die Sprache, bzw. ihre Schrift zu bewahren, was eine natürliche Reaktion eines kleinen Landes und einer kleinen Kultur gegen die von der englischen Sprache diktierte Globalisierung ist. Auf diese Tendenz verweist auch Springfeld (2000): "In Zeiten der weltweiten Vernetzung gewinnt das Lokale, das Kleinräumige, das, was man so gern als Heimat bezeichnet, ständig and Bedeutung".

In Russland dagegen ist diese Frage (noch) nicht gestellt worden - "Eine kleine Kultur muss sich immer stärker schützen, als eine große" (Pfandl 2002:150). Wallerstein (1983) geht noch weiter in seiner Kritik der Globalisierung und Folgendes behauptet:

"The history of the world has been the very opposite of a trend towards cultural homogenisation; it has rather been a trend towards cultural differentiation, or cultural elaboration, or cultural complexity. The nation states are the most powerful and most schizophrenic cultural force; they homogenize the nation within a state and differentiate the nation from the exterior." [...] "Universalism was offered to the world as a gift of the powerful to the weak. The gift itself harboured racism, for it gave the recipient two choices: accept the gift, thereby acknowledging that one was low on the hierarchy of achieved wisdom; refuse the gift, thereby denying oneself weapons that could reverse the unequal real power situation".

Heutzutage könnte man zwei verschiedene Ansätze zur Zukunft der kulturellen Entwicklung in den globalen Dorf identifizieren:

Erstens, ein optimistisches Bild das Negroponte wie folgt beschreibt:

"The cultures that make up the world today have very little to do with nation states. They are much more local. [...] But we will all become citizens of a singular planet. [...] So I think the cultural identity of people will move in both directions. People will become more global because of the Internet and they become more local. Because of the Internet. And those both things don’t contradict each other."

Zweitens, ein negatives Bild: (Springfield 2000)

" Mag sein, dass man dieser digitalen Welt die Vielfalt der Menschen und Kulturen anerkennt, dass man wechselseitig offen ist für das Neue und Fremde, weil man ein pluralistisch-kosmopolitisches Selbst- und Fremdbild kultiviert. Es mag aber auch sein, dass genau umgekehrt ein loses Sammelsurium entwurzelter Kulturen und Identitäten entstehet, in dem Markenzeichen tradierte kulturelle Symbole ersetzen".

Ich würde aber Wallerstein (1990) zustimmen, der sagt:

"Since it is obvious that interests fundamentally diverge, it follows that such constructions of ‘culture’ are scarcely neutral. Therefore, the very constructions of culture becomes a battleground, the key ideological battleground, in fact, of the opposing interests within this historical system. The heart of debate, it seems to me, revolves around the ways in which the presumed antimonies of unity and diversity, universalism and particularism, humanity and race, world and nation, person and man/woman have been manipulated".

In meinem Artikel habe ich versucht, bestimmte gesellschaftliche Folgen der Amerikanisierung einiger slawischen Sprachen zu erläutern, nämlich: die Gefahr, der sich durch die Sprache immer schneller vertiefenden Entfremdung zwischen den Generationen, die auch Konflikte mit sich bringt und damit die traditionellen gemeinschaftlichen Barrieren neu definiert; die moderne Auffassung der jüngeren Generation von Fortschritt und deren Voraussetzungen; die mögliche Konsequenzen für die Bewahrung der kyrillischen Schrift. Darüber hinaus bin ich auf einige rein sprachwissenschaftliche Probleme eingegangen, die mit der Wiedergabe der neuen englischen Lehnwörter in die slawischen Sprachen und deren Integration verbunden sind.

Datenquellen (Ausgaben 2003 - 2005):

Egoist Magazine (Bulgarisch)

Karawan (Russisch)

Playboy (Bulgarisch)

Domaschnij Otschag (Russisch)

Playboy (Russisch)

Dobrye sovety (Russisch)

© Irena Vassileva (Technische Universität Berlin, Deutschland)


LITERATUR

Muhr, Rudolf (2002): Anglizismen als Problem der Linguistik und Sprachpflege in Österreich und Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts. In: Muhr, Rudolf, Bernhard Kettemann (2002) Eurospeak. Der Einfluss des Englischen auf europäische Sprachen zur Jahrtausendwende. Frankfurt am Main u.a., Peter Lang. 9 - 54.

Muhr, Rudolf, Bernhard Kettemann (eds.) (2002): Eurospeak. Der Einfluss des Englischen auf europäische Sprachen zur Jahrtausendwende. Frankfurt am Main u.a., Peter Lang.

Negroponte, Nicholas (2000): Globalisierung. Entsteht eine Weltkultur? Südwestrundfunk2, Sendung vom 22. Juli 2000. In: www.globalisierung-online.de

O ż og, Kazimierz (2001): Polszczyzna przełomu XX i XXI wieka. Rzeszow 2001.

Pfandl, Heinrich (2002): Wie hegen die slawischen Sprachen mit Anglizismen um (Am Beispeil des Russischen, Tschechischen und Slowenischen). In: Muhr, Rudolf, Bernhard Kettemann (2002) Eurospeak. Der Einfluss des Englischen auf europäische Sprachen zur Jahrtausendwende. Frankfurt am Main u.a., Peter Lang. 17 - 154.

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Rathmayr, Renate (2002): Anglizismen im Russischen: Gamburgery, Bifšteksy und die Voucherisierung Russlands. In: Muhr, Rudolf, Bernhard Kettemann (2002) Eurospeak. Der Einfluss des Englischen auf europäische Sprachen zur Jahrtausendwende. Frankfurt am Main u.a., Peter Lang. 155 - 180.

Sipakova, Irina (2002): Computer Slanguage in Russian: Russified English or Anglicized Russian? In: http://www.ils.uw.edu.pl/index.php?page= 73& id_lang=2&subpage=80&PHPSESSID=cb5b42b1731b20892a1d3734136f9af2

Springfeld, Uwe (2000): Globalisierung. Entsteht eine Weltkultur? Südwestrundfunk2, Sendung vom 22. Juli 2000. In: www.globalisierung-online.de

Wallerstein, Immanuel (1983): Historical Capitalism. London: Verso. In: www.zmk.uni-frwiburg.de/Wallerstein/background.htm

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von Weiszäcker, Ernst Ulrich. Was ist Globalisierung und wie erklärt sie sich? In: http://www.globalisierung-online.de/info/text2.php


1.4. Reproduktionen und Innovationen in Sprache und Kommunikation verschiedener Sprachkulturen / Reproduction and Innovation in Language and Communication in different Language Cultures

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Irena Vassileva (Technische Universität Berlin, Deutschland): Der Zustrom des Englischen in Bulgarien - Ein Generationsproblem. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/01_4/vassileva16.htm

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