Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. August 2006
 

5.6. Border Zones: Travel, Fantasy and Representation

Herausgeberin | Editor | Éditeur: Ludmilla Kostova (University of Veliko Turnovo, Bulgaria)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Hanna Hacker (Wien): Ohne Queeren: keine Grenze

Historische Erzählungen von Translokalität und sexuellem Selbst.
Kulturbruchstelle Border Zone

Hanna Hacker (Wien)
[BIO]

 

In einem Interview zu den borderlands zwischen den USA und Mexiko sagt die mexikanische Künstlerin und Kunsttheoretikerin Berta Jottar: "[Y]ou need the crossing for the border to become real otherwise you just have this discursive construction. (...) [I]t's a highly constructed place that gets reproduced through the crossing of people because without the crossing there is no border, right?"(Biemann 2000, 162)

Sowohl queer criticism als auch Modernisierungskritik fixieren sich auf Grenzen. Die Grenze fordert Begehren heraus, und das Begehren setzt Grenzen, um in ihrer Überschreitung sich selbst neu zu erzeugen. Geopolitisch fokussieren 'Grenzfetischismen' (vgl. Spyer 1998) lange schon auf die Grenze zwischen Mexiko und den USA als die border zone schlechthin: Ausbeutung in den Maquiladoras, multinationale Konzerne, Grenzpatrouillen, Gewalt, Sexarbeit, ungeklärte Frauenserienmorde, Kunstaktionen (wie etwa von Berta Jottar, Coco Fusco, Guillermo Gómez-Peña oder Chantal Akerman)(1).

Dieses Verständnis der border zone blieb nicht unbestritten. Kritik richtet sich hauptsächlich gegen eine implizite Irrealisierung oder Entlokalisierung des je spezifischen Grenzraumes, gegen eine teils 'schicke' Mystifizierung historischer Erfahrungen und schließlich gegen die unaufgebrochene Dominanz der US-amerikanischen Perspektive, die selbst dann noch gelte, wenn aus der minoritären Position als Chicano/a zur Grenze geschrieben werde.(2)

Sei es auch metaphorisch, sei es auch kanonisiert: In dieser Krisenzone hat la mestíza einen Ursprung und ein Zuhause, ihre mestizaje, den Weg der mestíza. Der Entwurf eines mestíza consciousness, das in seiner Bejahung des Dazwischen ebenso sexuelle Dissidenz affirmiert, gehört zu einer der prioritären Assoziationen der border identity(3). Im Gefolge von Gloria Anzaldúas utopischem Entwurf in ihrem Buch "Borderlands/la Frontera" (Anzaldúa 1987) verwischt sich die Unterscheidung zwischen dem konkreten Grenzraum und der metaphorischen Geographie, zwischen Lyrik und Theorie, und schließlich zwischen den vielfältigen sozialen Differenzen wie denen des geopolitischen Ortes, der Klasse, der race, der ethnischen Genealogie, der sexuellen Identifikation.

Umgekehrt operieren Ansätze der queer theories ganz zentral mit Konzepten der Grenzüberschreitung, mit Demontagen der kulturellen Grenzziehung zwischen Geschlechtern, homo-, hetero- oder bisexuellen Identifikationen, generell mit der Herausforderung an alle gesellschaftlichen und symbolischen Felder, die es zu 'queren' und zu 'queeren' gelte.

Im skizzierten Sinne ist queerness jedenfalls in das Imaginäre der US-amerikanisch/ mexikanischen Grenze und ihrer Theoretisierung eingeschrieben. (In andere favorisierte Beispiele der Border Studies allerdings erst weniger: Marokko/ Spanien; Irland; die Türkei; 'Westeuropa/ Osteuropa' - eine zumindest im Metaphorischen sexuierte Dimension weisen sie dennoch alle auf.)

Sexuelle, ökonomische, soziale Eingrenzungen: Cross-border shopping. (Duty-Free.) Cross-border prostitution. Schmuggeln. Schleppen. Handel mit weißem Fleisch. Schwarzarbeit. Transit. Auch Zurechtmachungen, um als straight durchzugehen; um die lesbische Migration, die lesbische Flucht zu camouflieren.(4) Kontrollierte Körper: Grenzübergänge, das bedeutet oft auch Zonen eines staatlich legitimierten engsten Kontrollzugriffs auf den Körper derer, die passieren wollen, und ganz besonders, wenn ihr Körper schon verrät, dass er etwas verbirgt; wenn sie erröten oder ihr Blick verdächtig ausweicht. Metalldetektoren, Hände von "Kontrollorganen", die den Körperumriss entlang tasten, selbst Eindringen in Körperöffnungen. Körper, die nationale Grenzen überqueren wollen, transportieren Viren, Krankheiten, Seuchen und werden daher medizinisch inspiziert, zwangsgeimpft, in Quarantäne zwischengelagert.(5) Für viele ist es nie ganz gewiss, ob sie durchkommen. Queren heißt auch Verschwinden.

Sexuelle, ökonomische, soziale Entgrenzungen: Der Durchbruch durch Grenzen kann ihre Zerstörung repräsentieren oder die Herstellung einer Verbindung zwischen ihrer einen und anderen Seite. Dies stimmt für imperialistische Eroberungen und translokale Bündnisse ebenso wie für sexuelle Gewalt oder für subversive Körperpolitiken.

Fällt ein Bestreiten geopolitischer Grenzen und ein Subvertieren hegemonialer Sex/Gender Systeme also de facto in eins? Ist alles einfach 'borderless', 'gender bending', trans-formativ, im Übersprung zwischen Sexualität und Geographie, zwischen Körpern, Orten und Bewegung? Oder sind sie doch eigentlich schlecht vergleichbar, 'border zone' eine Metapher, 'queer' eine politische Praxis, 'Border Studies' theoretisch wenig kohärent, 'Queer Studies' strikter kanonisiert?

Meines Erachtens haben im Bereich ihrer Verschränkung beide Ansätze ähnliche konzeptionelle Probleme. Der heteronormativitätskritische wie auch der globalisierungskritische Diskurs zu Grenzen, die in Leidenschaft überschritten, passioniert bekämpft werden sollen, no border, no nation, auch keine fixierbare queer nation, fordert einer sorgfältigen Bestimmung insbesondere zweier Relationen heraus.

Erstens geht es, wie ich meine, um die Relation von 'Metapher' und 'Realität'.

Kontroversen zu politisch korrektem, der neoliberalen Globalisierung angemessen Rechnung tragendem Sprechen über Grenzquerungen beziehen sich häufig auf den Widerspruch zwischen dem Genuss an der Phantasie einer Grenzüberschreitung und der ganz direkten Betroffenheit von der Realität einer Ausgrenzung. Die Macht, Metaphern zu bilden und zu genießen, erscheint als eng an die Voraussetzung geknüpft, definitionsmächtig und handlungsfähig zu sein; autonome Subjekte vermögen Phantasmatisches und können über phantasmatisches Verlangen verfügen. Dabei treffe doch die Realität von Gewalt und Verbot die Anderen, die Marginalisierten, die Subalternen, nicht diejenigen, die Lust an Grenzüberschreitungen metaphorisch produzieren, und markiert ihre Körper in kaum selbstbestimmter Weise (oder marginalisiert sie dauerhaft, oder tötet). Dies ist eine klassische Struktur von Vorhaltungen zwischen postmodernen Ansätzen einerseits und materialistischen Analysen andererseits. Ich glaube aber, es gälte, hier weiterzufragen, nämlich: ob Marginalisierte ihr phantasmatisches Verlangen denn immer an der 'Realität' orientieren, ob Wünsche sich stets nach den ('realen') Möglichkeiten richten, oder ob dies nicht eher ein Wunschdenken, ein Begehren, ein Verlangen derer ist, die die Kontrolle über Symbolbildungen zu behalten begehren.

Zweitens geht es im Bereich der Verschränkung von Border und Queer Theories um die Frage nach ihrer historischen Verortung. Die theoretische Demontage geopolitischer Grenzen einerseits und geschlechtlicher Grenzen andererseits ist offenkundig eng mit Diskursen und Praktiken des späten 20. Jahrhunderts verflochten. Wie lässt sich also das Verhältnis von Geographie und Sexualität/Geschlecht in historischer Perspektive fassen?(6)

Ich konkretisiere die Frage nach der historischen Situierung und nach dem Umgang mit dem Begehren im Metaphorischen und im Empirischen anhand zweier Texte, nämlich Richard Francis Burtons Essay "The Sotadic Zone" (1888), das Schlusskapitel seiner Übersetzung der "Erzählungen aus den Tausendundein Nächten", und Laurie Essigs Studie "Queer in Russia" (1999), insbesondere die fiktionalen Passagen in ihrem Schlusskapitel "Sex".

 

Zwei Schlusskapitel: "Sotadic Zone" (1888) und "Sex. Conclusion" (1999)

Sir Richard Francis Burtons "The Sotadic Zone" erschien als "Terminal Essay" im letzten seiner sechzehn Bände mit Übersetzungen und Kommentierungen des "Book of the Thousand Nights and a Night" (auch: "Arabian Nights"; 1885 ff.).(7) Die rund 80 Seiten gliedern sich in die Abschnitte "The Mohammedan Empire: Comparison of Its Code of Morals and Sexual Relations with the Occident", "Sex Life of Women in Moslem Studies of the Art of Love and Science of Sex", "Naive Indecencies of Moslem Literature and Pornography" und schließlich den umfangreichsten vierten Abschnitt, betitelt "The Sotadic Zone of Sexual Inversion Throughout the World" (Burton 2002, 41-81). Hier geht es um das Thema abweichender, vor allem gleichgeschlechtlicher Sexualitäten und Geschlechtlichkeiten - meist summarisch "The Vice" oder "Le Vice" genannt - in einer von Burton konstruierten "Sotadischen"(8), 'homosexuellen' geographischen Zone, welche unter anderem den arabischen Orient umfasst, also den Ort der "Tausendundeinen Nacht". Genauer gesagt, reiche sie vom Mittelmeerraum über Kleinasien via Indochina und die Südsee breit in die Neue Welt, springe gelegentlich aber auch in westeuropäische Metropolen über. "Inversion" sei also geographisch und klimatisch, nicht rassisch begründet, und möglicherweise vermischten sich in den Menschen dieser Regionen männliche und weibliche Temperamente eng. (Burton 2002, 42 f.)

Burton war zum Zeitpunkt dieser Publikation ein berühmter, geadelter Reisender des britischen Empire, 'Entdecker', Abenteurer, Diplomat, Schriftsteller und Übersetzer; berüchtigt aufgrund der 'freizügigen' Thematisierung sexueller Fragen in seinen Publikationen und auch in seinen auto/biographischen Darstellungen.(9) Wie in vielen anderen Schriften von Burton prägt die Textstruktur von "The Sotadic Zone" eine Unzahl an oft sehr aussagestarken Fußnoten, die den Fließtext gleichsam umranken und überwuchern. Der Autor schreibt sich in seine eigene anekdotische Eloquenz als beobachtendes, in der Sache erfahrenes, kompetentes, viel gereistes und belesenes Ich ein.

Generell gelten Burtons Bücher, ähnlich wie beispielsweise die von T. E. Lawrence oder Rudyard Kipling, als typische Exempel für imperiales und orientalistisches Schreiben (vgl. u.a. Kabbani 1994; Said 1993). Durch seine Biographie zieht sich das Motiv der Verkleidung - Burtons LeserInnen kannten sein Alter Ego, den muslimischen Derwisch und Scheich Mirza Abdullah, bereits gut. In den allermeisten seiner Schriften findet sich jene Form 'ethnologischer' Thematisierung von Sexualität und sexuellen Andersheiten, in der pornographische und szientifische Neugier aufs Engste verflochten erscheinen. "The Sotadic Zone" selbst wurde von zeitgenössischen Sexualwissenschaftern viel gelesen und zitiert, wenngleich nicht durchwegs zustimmend.(10)

Diesem Aufsatz eines sehr bekannten Autors des 19. Jahrhunderts stelle ich einen Text der - gewiss weniger bekannten - US-amerikanischen Soziologin Laurie Essig aus den 1990er Jahren gegenüber, nämlich ihre Studie "Queer in Russia. A Story of Sex, Self, and The Other" (Essig 1999), und hier insbesondere das Schlusskapitel, betitelt "Sex" und "Conclusion". "Queer in Russia" insgesamt ist der stark theoretisch motivierte, dabei vielfach auch journalistisch gehaltene Bericht über Feldforschungen und Analysen eigener Erfahrungen der Autorin zur Repräsentation minoritärer Sexualitäten in den Übergangs- und Transformationsjahren unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Zentral geht es um die Formierung sexueller Subjektivität im Öffentlichen und um die Rolle 'westlicher' IntervenentInnen.(11) Der Schlussessay "Sex" (Essig 1999, 161-171) beinhaltet fiktionale Elemente, nämlich die Darstellung sexueller Abenteuer einer Ich-Erzählerin im nächtlichen Moskau. Einmal handelt es sich um einen One Night Stand mit einer Frau, die von der Ich-Erzählerin zunächst für einen Mann gehalten wird, und in der zweiten Episode begibt sich die Erzählerin cross-dressed als Mann auf den Schwulenstrich. Die Buchautorin wiederum kommentiert und theoretisiert diese Passagen im Lichte poststrukturalistischer, queerer, Geschlecht und 'Nation' problematisierender Ansätze.

Der Text selbst ist historisch in dem Sinn, dass er merklich an einem ganz spezifischen historischen Moment und in einem ebenso spezifischen geopolitischen Kontext entstand, Reflexion von und Beitrag zu den politischen und theoretischen Umbrüchen der frühen 1990er Jahre.

Die Rezeption nach Erscheinen, also um 2000, war in der scientific community der Postcolonial und Queer Studies im 'Westen' wie auch im 'Osten' rege und eher ambivalent. Das Buch entging dem Orientalismusvorwurf nicht.(12) Allerdings wurde dabei die Grenzüberschreitung hin zur Narration 'eigener' sexueller Erfahrungen in keiner der mir vorliegenden Besprechungen thematisiert.(13)

An beide Texte richte ich nun die Fragen: Wie schreiben sie geschlechtliche und geographische Grenzen und ihre Überschreitungen? Welcher theoretischen und narrativen Mittel bedienen sie sich dabei? Und: wo bzw. wie sind die Texte historisch situiert?

 

Begehren als Zone: Zum Überspringen von Grenzen im 19. Jahrhundert

Im Essay "The Sotadic Zone" 'gibt' es Normalität und das Abweichende und ganz unzweifelhaft einen (wohl männlichen) Leser auf Seiten einer Normalität, die okzidental und heteronormativ ist. Der Erzähler allerdings bewertet neu und wägt ab, klärt auf, und quert. Er kennt Anderes als ausschließlich das christliche Abendland mit den ihm eigenen geschlechtlichen und sexuellen Normen.

Den "Arabian Nights" zufolge könne man Päderastie auf drei Weisen erzählen, schreibt Burton am Ende seiner Ausführungen: "funny", als "practical joke" der temporären geschlechtlichen Travestie; "grimmest and most earnest", als ernsteste Perversion pädophiler Akte; und man könne darüber weise und kundig räsonieren, ehe man sie verurteile (Burton 2002, 80).

Burtons eigene Darstellungsstrategie ist weniger eine der sexuellen Kategorien als eine der geographischen. Er konstruiert für The Vice gleichsam einen Rahmen, also eine Grenze (und ihre andere Seite); eine Grundfläche, also ein an den Ort gebundenes Geschehen (und den Ort jenseits davon); sowie eine querende Route, den Weg des Erzählers oder Forschers, der The Vice bereist und wieder verlässt. Translokalität ist die Reisebewegung des Erzählers, der zugleich neu erforscht und immer schon weiß, was er vorfinden und beschreiben wird - im Modus der Transtemporalität also.

Zentral ist offenkundig die Wahl des Begriffs der "Zone", hundert Jahre nach diesem Text ja ein mit hoher Erklärungsmacht ausgestatteter Topos in kulturtheoretischen Schriften zu contact zones, encounter zones, border zones. Burtons Zone hat selbst Subjektstatus. Richard Phillips hat in seiner Analyse zu diesem Burton-Text dargelegt, inwiefern die Sotadic zone als aggressiver Liebhaber interpretierbar sei, der umschließt und einnimmt und als Eroberer den unterworfenen Völkern The Vice bei-bringt (Phillips 1999a, 74). In meiner Lesart liegt die Subjektivität, auch die sexuelle Subjektivität, die sexuelle Handlungsmacht der in Rede stehenden Zone bereits in ihrer Territorialisierung selbst; darin, was in ihrem Inneren, in ihrem Zentrum, an ihren Rändern passiert, und darin, dass dieses Geschehen als so untrennbar von der Idee des Raumes erscheint. Zugleich ist diese Territorialisierung trügerisch; ebenso trügerisch wie das Konzept einer Zone als Raum, der fern halten und fern gehalten werden soll.

Der Begriff der "Zone" kippt nämlich, paradox, in sein Gegenteil. Die Zone bleibt nicht dort, wo der Text ihr ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung zugewiesen hatte, also im Gürtel Mittelmeer, Kleinasien, Indochina, Südsee, Mittelamerika, und so weiter. Die ferne Zone springt plötzlich über in die koloniale Metropole.

Das Über-Springen dessen, was der Text behauptet, von 'denen dort', wo dies alles eigentlich hingehört, zu 'uns/euch hier', wo es, wie der Text bis dahin doch argumentierte, nicht sein kann: dies empfinde ich als zentralen Moment, buchstäblich als springenden Punkt dieses Textes.

Es passiert gleichsam in der dritten mythischen Stadt, die Burton heraufbeschwört. Baghdad war die erste; der Essay beginnt mit schwärmerischen Ausführungen zur kulturellen Hochblüte Baghdads im und seit dem Zeitalter der Kalifen, das "Paris" des Orients, das im Argumentationsgang des Aufsatzes dazu dient, die Stärken des muslimischen Moralkodex zu illustrieren. (Burton 2002, 15 ff.)

Die zweite mythische Stadt im Text ist dann Karachi. Sie eröffnet das Titel gebende Kapitel des Essays. Als in den 1850er Jahren die siegreichen britischen Militärs in Karachi Bordelle mit Knaben und Eunuchen vorgefunden hatten, erhielt Burton den Auftrag, diskrete Untersuchungen in seiner Verkleidung als Mirza Abdullah anzustellen. Von diesem Erzählort aus formuliert er die Geographie der Sotadic Zone. (Ibid., 41 f.)

Und am Ort der paradoxen Verkehrung aller bisherigen, wie auch immer artifiziellen geographischen und sexuellen Festlegungen steht wiederum eine Stadt, diesmal San'a. Der Jemen liege gänzlich außerhalb der Sotadic Zone, San'a aber sei, wie viele andere Großstädte auch, dennoch "thoroughly infected" (ibid., 75). Zu den genannten zahlreichen anderen Großstädten zählten London, Berlin und Paris, und der Autor wird hier sehr ausführlich und schreibt lange Passagen in Französisch.

Was bedeutet dies nun? Zeichnet sich bei Burton eine Ahnung tendenziell grenzenloser, jedenfalls potenziell immer noch etwas weiter reichenden translokalen, transnationalen genderscapes oder queerscapes ab?(14) Oder entwickelt die Zone imperiale Tendenzen, eine bedrohliche Handlungsfähigkeit in Gestalt von Überflutung, Überfremdung, Dekadenz und Degeneration, gegen welche mindestens Britannien sich schützen müsste? Und wozu überhaupt noch etwas als Reiseschriftsteller ausdeuten, als Ethnologe beschreiben und kategorisieren, was längst mitten im Eigenen explodiert ist? Der transtemporale Reisende ist an seinem Ausgangspunkt angelangt, er hat uns im Kreis geführt, bringt mit, was schon da ist, und spielt mit sich selbst Hase und Igel.

Oder doch beinahe: der Kreis ist historisch eher eine progressive Spirale. Burtons Texte erfüllen wie viele andere aus dem Bereich der kolonialen 'Völkerkunde' eine nicht zu unterschätzende Funktion bei der historisch neuen Schöpfung des homosexuellen (und heterosexuellen) Körpers und Charakters. Neben - nahezu ausschließlich männlichen - Wissenschaftern wie Havelock Ellis, Richard von Krafft-Ebing, auch Freud oder Weininger(15) waren es wesentlich koloniale Akteure, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts das sexuell Andere suchten, sammelten, beschrieben, vermaßen und systematisierten. Bei diesen Reisenden, Militärs, Diplomaten, Kolonialbeamten und Anthropologen verknüpften sich Rassismus und Sexismus eng. Wie jüngere Arbeiten etwa von Bleys oder Aldrich nahe legen (Bleys 1996; Aldrich 2003; vgl. auch Lane 1995), verwoben sich zugleich auch wissenschaftliches Räsonnieren und eigene Körperpraxis. Das Abenteuer der 'anderen' Sexualität in exotischen, unterworfenen Regionen verband die kolonialisierenden Subjekte wissenschaftlichen Produzierens mit ihren kolonialisierten Objekten; dabei befördert von Machtapparaten des kolonialen Staates und eng verquickt mit patriarchaler Hegemonie.

In diesem Sinne ist "The Sotadic Zone" ein 'ganz normaler' Text seiner Zeit zu Fragen des Fremden und des Geschlechts. Im halben Missgeschick seiner Referenz auf die Präsenz abweichender Praktiken in Metropolen des Okzidents deutet er allerdings eine Gegenwärtigkeit des homosexuellen Verlangens an, die so offen von anderen zeitgenössischen Texten des Genres 'Völkerkunde' und 'Reiseliteratur' in der Regel nicht thematisiert wurde.

 

Begehren als Durchbruch: Zu den Grenzen der Queerness um 2000

In Essigs Studie "Queer in Russia" (1999) bilden diskursive Grenzziehungen und ihre analytische Demontage ein treibendes Motiv. Gleich zu Beginn gibt der Text die Differenz "private/ public" und "self/ other" als Orientierungslinie vor - es gehe im Folgenden um queernesses in der russischen Öffentlichkeit, nicht um Praktiken des Privaten, und um queere Selbst-, nicht um Fremdbenennungen. Die gleiche Passage kündigt an, ebendiese beiden Differenzen im Schlusskapitel wieder verwischen oder erschüttern zu wollen. (Essig 1999, xiii-xvi)

Dort sind es dann mehr als nur diese zwei, nämlich ausdrücklich auch die Oppositionen 'straight/ queer', 'russisch/ westlich', 'ForscherIn/ Forschungsgegenstand', 'Dichtung/ Wahrheit', 'sexuelle Praxis/ analytischer Diskurs', 'Mann/ Frau', 'aktiv/ passiv', um nur einige zu nennen. Meines Erachtens unanalysiert bleibt eine Überschreitung der Grenze zum Tabu, nämlich der Übersprung vom - wie auch immer Ich-durchzogenen - Schreiben einer reflexiven Feldstudie hin zum Schreiben von Sexszenen in Ich-Form; ein (anders als bei Burton allerdings deutlich gekennzeichneter) 'springender Punkt' eines textstrategischen und zugleich inhaltlichen Bruchs.

Das Schlusskapitel "Sex. Conclusion" beginnt mit einer ausdrücklichen Reflexion und Fiktionalisierung des Symbols der Grenze. Das Ich der queeren Forscherin präsentiert und diskutiert eine Passage aus ihrem Feldtagebuch. Gegen Ende meines Forschungsaufenthaltes hatte ich einen eindringlichen Traum, schreibt Laurie Essig, gleichsam eine Vision; ich musste über eine Grenze und ging schließlich durch als Mann und RussIn, während ich zugleich Frau und AmerikanerIn blieb, "feeling freer and happier than I ever had in my life" (ibid., 161).

Jeder der beiden hier anschließenden, als eine Art sexueller Feldforschungs-fiction gekennzeichneten Sexszenen folgt wiederum eine didaktisch-pädagogische Interpretation (des eigenen Textes) durch das Ich der Autorin.

In der ersten Sexszene lässt Essig ein lyrisches Ich in eine sexuelle Begegnung mit einer Lesbe rutschen - buchstäblich rutschen und stürzen, auf Moskauer Glatteis, verirrt in der Suche nach dem Weg zur Metro. Die Nationalität der Ich-Erzählerin bleibt offen, ihre schließliche one night stand Partnerin erweist sich als eine ethnisch deutlich markierte Usbekin, die von der Ich-Erzählerin zunächst für einen Mann gehalten wird. Mitten im Sex auf dem Diwan schlägt diese ihr unvermittelt ins Gesicht, als "Ich" ihr zu sagen versucht, "I like to make love to women". "I understood her because I used to be her" (ibid., 167 f.), ehe "Ich" übte, in drag am Strich zu 'cruisen'. (Moskau ist durchgängig die magische, die zentrale Stadt, die Essig fokussiert; erinnert sei hier an Burtons Baghdad-Karachi-San'a und an das wiederkehrende Motiv der Täuschung und Verkleidung.)

Der Moskauer Schwulenstrich ist der Ort der zweiten Sexszene: Das weibliche Ich, ge/verkleidet als junger Mann, stolpert, ein wenig gedrängelt von ihrem schwulen Freund, einem älteren Freier entgegen - Essigs Reise ins Transgressive ist also zweimal ein Stolpern und Rutschen im öffentlichen Raum - und lässt sich auf einen blow job in einer Straßenpassage ein. "[H]e looked mean enough to hit me. There was nothing to do but give him what he wanted. He kept telling me how much I liked sucking men off, and after a few minutes I knew he was telling the truth. I was a queer-boy, kneeling before a man, enjoying my new self (...)." (Ibid., 169)

"Sex. Conclusion" illustriert und spitzt zu, was sich das ganze Buch hindurch zieht, nämlich einen unaufgelöst widersprüchlichen Umgang mit dem Queeren und der Grenze zwischen dem dominanten Westen und seinem fragmentierten, sowjetisch/russischen Gegenstück. Essig konstruiert implizit einen monolithischen, Identitätspolitik vorantreibenden, gay-affirmativen Westen, dem die fluiden, passageren, vieldeutigen sexuellen Subjektpositionen in Russland entgegenstünden, jedenfalls 'vor' der und bis zur Überflutung durch US-amerikanische oder westeuropäische lesbischwul bewegte Interventionen. In dieser Hinsicht erscheint 'Queer' als kleines Bollwerk gegen die Verwestlichung, bald aber auch als ihr erstes Opfer - als das, was die intervenierenden Westernizer zuallererst ihren Vereindeutigungsstrategien unterziehen. 'Queer' wird aber ebenso als ein unmittelbarer Effekt westlicher Präsenz dargestellt: Die höchst queeren Abenteuer der Ich-Erzählerin verflechten sich mit queerer Theorie, die das alleinig passende Instrumentarium zur Kritik an 'westlichen' Identitätsstrategien darzustellen scheint - und doch, paradox, ganz und gar aus dem Westen stammt.(16) Auch in diesem Text also gibt es eine paradoxe Kreisbewegung, dem Burtonschen Übersprung der sexuell dissidenten Zone aus der Fremde ins Eigene nicht unähnlich. Auch hier überbringt die Reisende, was immer schon vor Ort war.

 

Brüche als Bögen: Zum Resümee

Zwei Thesen standen am Beginn meiner Ausführungen. Die erste lautete: Im Überschneidungsbereich von vergeschlechtlichten und geopolitischen Grenzen betrifft ein wichtiger, dabei gleichsam unterschwelliger Widerstreit zwischen hegemonial Definitionsmächtigen und Subalternen die Kontrolle über Symbolbildungen auf dem Feld Begehren, Verlangen, Imagination.(17) Die zweite These stellte fest: Die Relationen von geographischen Grenzen und Geschlechtergrenzen ebenso wie deren Überschreitungen (und die Formen, in denen darüber erzählt wird) gehörten sehr genau historisch kontextualisiert.

So unterschiedlich die zwei von mir gewählten Textbeispiele auch sind, etwa hinsichtlich der geschlechtlichen, der generationellen, der historischen, der politischen Verortung ihrer AutorInnen, so sehr ähneln sie sich meines Erachtens in einigen relevanten Punkten. In beiden Fällen erweist sich das border self als eine Art Lacansches sujet supposé savoir, als eine Subjektposition, welcher Wissen unterstellt wird und welche das erzählende Subjekt durch sein wissendes Schreiben der Grenze auch gleich selbst usurpiert. Die ErzählerInnen der Grenzüberschreitung belehren ihre eigene wissenschaftliche, sexuelle, geographische community auf der Basis ihrer Einsichten in der Fremde. Beide sind teils traditionelle VertreterInnen des Genres der sexuierten Reise- oder ethnographischen Erzählung, jeweils aber auch ein Stück 'different' hievon. (Burton verknüpfte in originärer Weise Imperialismus und Kritik an sexueller Eingrenzung;(18) Essig wagte sich an einen Raum, den zu theoretisieren ihr fast zwangsläufig politische und epistemologische Probleme eintragen musste.)

Für meine These der Strittigkeit in diesem Feld spricht das gemeinsame Moment des diskursiven Sprungs in den Erzähltexten. Bei Burton ist dieser Sprung unreflektiert, einer, der eigentlich seine gesamte Argumentation über den Haufen wirft; ein translokaler Über-Sprung der anderen Geschlechtlichkeit in den eigenen Raum. Bei Essig ist der Sprung den gesamten Argumentationsgang hindurch bestens vorbereitet und dann auch gleich selbst detailliert ausgedeutet; ein subjektfokussierter Über-Sprung des wissenschaftlichen Schreibens ins sexuelle Imaginieren. Die Annahme einer gleichsam unterschwelligen Strittigkeit findet auch darin Bestätigung, dass beide dieser Über-Sprünge in der Rezeption der Texte so gut wie keine Beachtung erfuhren.

Ein glatter historischer Bruch zwischen dem orientalistischen 'Chic of Araby' (vgl. Garber 1991) und der postmodernen Figur des border crossing und queering lässt sich anhand der analysierten Texte nicht oder jedenfalls nicht zwingend behaupten. Wie ordnen sie sich also in einen historischen Bogen ein, der eher die Kontinuität der Darstellungsweisen geographischer und sexueller Differenz vom 19. ins 21. Jahrhundert in den Blick nimmt?

Wie ich an anderer Stelle ausführlich argumentiere (Hacker 1998; Hacker 2002), hatte sich als ein dominantes Deutungsmuster für 'typische' Differenz, für ein spezifisches Bündel an miteinander verwobenen Abweichungen um 1900 die Idee der Gleichzeitigkeit geschlechtlicher, sexueller und an Gewalt gebundener Grenzüberschreitung etabliert. Dieser Deutungsweise wurden vorzugsweise 'Frauen' unterzogen, und sie hantierten auch selbst mit dieser Trias aus Transgression-Inversion-Aggression, die in sich rassialisiert und vom Modus geographischer Verschiebung begleitet war, also mit der Idee einherging, maskuline, homosexuelle und aggressive Frauen hätten typisch etwas mit einem 'anderen' als 'unserem' geopolitischen Ort zu tun. Zwar erwähnt "The Sotadic Zone" "invertierte", dem "Vice" hingegebene Frauen nur sehr am Rande; zusammen mit anderen Texten Burtons gelesen, etwa seinem älteren Bericht zu den Amazonen von Dahomey (Burton 1864), fügt der Autor sich sehr unmittelbar in die Geschichte der Produktion einer historisch spezifischen Figur von Abweichung: Sie, die über die Grenzen ihres Geschlechts tritt, ist zugleich sexuell anders und kriminell. Sie ist nicht mehr so richtig 'sie', sie ist vielfach nicht richtig 'weiß', und sie gehört mit einiger Wahrscheinlichkeit in ein anderes Land.

Historisch neuere Thematisierungen der Grenze und der Zonenquerungen, insbesondere solche aus dem Ende des 20. Jahrhunderts, entwerfen hingegen ein nomadisches, ein migrantes, ein mobiles Ich, das sich selbst als partiell 'fremd' positioniert. Dieser Entwurf postuliert, wie etwa auch Essigs Text, privilegierten Erkenntnisgewinn in einem third space, in den interstices zwischen den Kulturen (vgl. u.v.a. Bhabha 1994). Das geopolitisch Andere ist im Eigenen präsent, und umgekehrt. Geographisches Othering, also die Verschiebung des Anderen tatsächlich nach Anderswohin, ist in den Zonen der Globalisierung so glatt nicht mehr möglich wie noch 100 oder auch 50 Jahre zuvor. Gleichzeitig aber wirken die Tücken des Transgressions-Topos aus dem 19. Jahrhundert nach und fort, wie "Queer in Russia" unwillentlich zeigt. Im Flirt mit dem Verbotenen verstärken einander die verschiedenen Dimensionen der Differenz: die Aufmachung des anderen Geschlechts, das Begehren des Gleichen, die Präsenz des Privaten im Öffentlichen, dies alles als Insiderin aus dem Ausland, als Fremde in der Fremde. Und doch ist dies ein machtvolles Stereotyp aus dem 19. Jahrhundert und nicht notwendig eine Bewegung des Subversiven in der Gegenwart.

© Hanna Hacker (Wien)


ANMERKUNGEN

(1) Berta Jottar arbeitete mit einer Videoinstallation im Grenzraum, Fusco und Gómez-Peña inszenierten 1993 die Performance "The New World (B)Order", Chantal Akerman brachte 2001 eine Installation, später einen Dokumentarfilm, mit dem Titel "From the Other Side" heraus.

(2) Eine gute kritische Diskussion der Theorien zu dieser Grenze, mit einem Schwerpunkt auf Literaturwissenschaft, ist Castillo/Tabuenca Córdoba 2002, insbesondere das Kapitel "Reading the Border, North and South", 1-32. Als Überblick über Anthropologie und Border Studies vgl. auch Alvarez 1995.

(3) Zusammen mit der Figur der malinche, der Übersetzerin zwischen den Kulturen, Verräterin ihrer 'eigenen' und Geliebten des Eroberers; vgl. u.v.a. Alarcón 1989 und Dröscher/Rincón 2001.

(4) Zur Geschichte der Überwachung sexueller Dissidenz am Grenzübergang USA/ Mexiko vgl. auch Luibheid 2002.

(5) Als zusammenfassenden Überblick über diese Aspekte einer subversiven Grenzökonomie und der Körperpolitik an (nationalen) Grenzen siehe Donnan/Wilson 1999, bes. 129-150.

(6) Eine weitere wichtige Relation, die es genauer zu bestimmen gälte, ist m.E. die von (sexuellem) Begehren und (politischen) Zwängen bzw. das Verhältnis zwischen Sexualität und (inter/ transnationaler) Politik. Kritische Text- und Bildproduktionen zu border writing, border selves, border identities, border zones beziehen viel von ihrer Attraktivität genau aus dieser Entgrenzung, dieser Unbestimmtheit, ob es um sexuelle Transgression oder um transnationale politische Maßnahmen 'an der Grenze' geht. Was bedeutet dieses Ineinander-Fallen der beiden Grenz-Passagen? Was bedeutet es, ihre Grenzlinien zu verwischen? Was bedeutet es, an ihrer Unterscheidung festhalten zu wollen? Auch hier geht es um die Frage, wer - welches Subjekt, welcher Körper - überhaupt in dieser Verführung der Grenzauflösung schwelgen, wer diesen Genuss haben kann, wer ihn wem einräumt oder abspricht.

(7) Im 20. Jahrhundert erschienen mehrere reprints, z.B. Burton 1973; ich zitiere im Folgenden durchwegs nach Burton 2002.

(8) "Sotadic" ist eine Burtonsche Begriffsprägung nach dem griechischen Dichter Sotades, wird aber im Essay selbst nicht nachgewiesen.

(9) Anstelle der sehr umfangreichen biographischen und rezeptionsgeschichtlichen Literatur sei hier auf einen Text von Phillips verwiesen, der einige wichtige Mythen zu Burton und seiner Frau Isabel unter dem Aspekt der Vergeschlechtlichung von Autor(innen)schaft befragt: Phillips 1999b.

(10) Mehrheitlich war es den Vertretern der "neuen" Sexualwissenschaft ein Anliegen, Homosexualität als biologisches Phänomen und als wesentlich persönlichkeitsstiftendes Moment zu systematisieren, was Burtons geografischem Zugang ja eher widersprach; deutlich ist dies schon in John Addington Symonds kurzem kritischen Kommentar in "The Sotadic Zone" selbst; siehe Burton 2002, 94 ff.

(11) Einige Überlegungen zu Essigs Beispielen für developmentalistisches Westernizing und der Einschreibung von Begehren habe ich ausgeführt in: Hacker 2006.

(12) Eine Rezension spricht davon, Essigs "Western Gaze" liege in ihrer Wahrnehmung Russlands als "sexuell radikal" und in der Bezeichnung "vielleicht eine Phantasie" für ihr eigenes Forschen (Baer 2002, 510 u. 511).

(13) In: "The European Journal of Women's Studies", "GLQ", "Sexualities", "Slavic and East European Journal" und "The Slavonic and East European Review".

(14) Wie in Anlehnung an Appadurais Darstellung der "global ethnoscapes" zum aktuellen Sprachgebrauch geworden, vgl. Appadurai 1996.

(15) Vgl. dazu meine schon etwas älteren Analysen in: Hacker 1987, bes. 13-92.

(16) Russland ist also gleichzeitig 'eigentlich' genuin queer und gleichsam 'verpatzt' durch Agentinnen des Westernizing. In einem schwierigen Balanceakt, bei dem es eben nicht ohne Ausrutschen abgeht, macht Essig ihren Forschungsgegenstand zum Fremden, oft zum exotischen bzw. anekdotischen Anderen und will dieses Othering gleichzeitig dadurch aufheben, dass sie sich selbst, als Ich, in die faszinierende Fremde einschreibt, etwa im Betonen ihrer Position im Netzwerk queerer russischer FreundInnen und AktivistInnen.

(17) Eine eigene Analyse wert wären hier die Anknüpfungsmöglichkeiten an Mignolos Ansatz, bei der Betrachtung von border thinking bzw. zu border knowledges die subalternen WissensproduzentInnen zentral zu setzen; siehe Mignolo 2000.

(18) Dies argumentiert Phillips 1999, 86.


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5.6. Border Zones: Travel, Fantasy and Representation

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For quotation purposes:
Hanna Hacker (Wien): Ohne Queeren: keine Grenze. Historische Erzählungen von Translokalität und sexuellem Selbst. Kulturbruchstelle Border Zone. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/05_6/hacker16.htm

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