Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. Februar 2006
 

8.1. Traditionen, Aufklärung, Modernisierung
Herausgeber | Editor | Éditeur: Peter Horn (Johannesburg)

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Bericht: Traditionen, Aufklärung, Modernisierung

Peter Horn (Johannesburg)
[BIO]

 

Die geistige, wirtschaftliche, rechtliche und politische Modernisierung gerät immer wieder in Konflikt mit ethischen und religiösen Traditionen und mit der sozialen Ordnung traditioneller Gesellschaften. Als Reaktion gegen die seit der Aufklärung verkündeten "natürlichen" und "rationalen" universalen Ordnungen und die durch die Wissenschaften verbreitete Auffassung einer für alle Menschen gültigen "Wahrheit" wenden sich immer wieder "romantische" Bewegungen, die traditionelle soziale, moralische und religiöse Ordnungen re-etablieren wollen. Einerseits betonen wir das Recht jeder Kultur, sich ihre eigenen Gesetze zu geben, und wir fördern ein "multikulturelles" Bewußtsein bei allen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, mit "Fremd"-Kulturen beschäftigen müssen. Andererseits kollidieren viele traditionelle Vorstellungen mit den allgemeinen Menschenrechten.

Peter Horn (Johannesburg, University of the Witwatersrand) referierte über Kant und die Universalität der Ethik. Die Aufklärung insistiert auf einer Genealogie der Rationalität, die ausschließlich "europäisch" ist. Ohne Zweifel war die Philosophie der Aufklärung nicht unschuldig an der Kolonisierung der Welt durch europäische Mächte. Andererseits hat die Aufklärung versucht, allgemein gültige Normen des Verhaltens zu formulieren, die eine Unterdrückung der "Anderen" verurteilte. Der Name Kant steht hier für einen Höhepunkt der philosophischen Bemühung um solche Universalität der moralischen Geltung.

Thomas Lenz (Universität Trier) referierte über Modernität durch Konsum. Die faktische Hegemonialstellung der USA nach dem zweiten Weltkrieg führte zur Integration verschiedener amerikanisch geprägter Kultur- und Konsumformen in die Lebens- und Arbeitsverhältnisse Westeuropas. Amerika war und ist "ein Dynamo für die kulturelle Zeichenproduktion" (Brändli 1998, S. 172). Der Gebrauch und die Integration dieser Produkte in die nationalen Kulturen ist dabei aber nie ein einfacher Kopiervorgang, sondern vielmehr eine Art der Aneignung und Umformung von "Fremdem" in "Eigenes". Verfechter wie Verächter des "american way of life" liefern sich nicht erst seit kurzem, sondern seit Beginn der modernen "Konsumgesellschaft" einen ideologisch gefärbten Schlagabtausch. Mit Hilfe dieses kultur- und konsumkritischen Diskurses, dessen Linien sich mindestens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nachzeichnen lassen, werden kulturelle und ökonomische Praktiken der Moderne letztlich in nationale Kulturen eingegliedert.

Bettina von Lintig stellte ihr Projekt "Versuch über die Geschichte und Kunst einer kulturellen Metissage: der Mythos von 'Black Paris'" im Zusammenhang mit ihrem Ausstellungsexposé, anhand des "Mythos von Paris", der eine literarische Erfindung des 19. Jahrhunderts zu sein scheint, vor. "Black Paris" stellt ebenfalls etwas Imaginäres dar. Mir fiel auf, dass sich vielleicht sogar eine Verbindung herstellen lässt zu "Black Paris", einem vor allem von schwarzen Schriftstellern "erfundenen" Parismythos sowie zu dem sogenannten "tumulte noir" - dem "Umsturz" europäischer, bürgerlicher Werte unter dem Einfluss des "Primitiven" (gleichzeitig haben schwarze Intellektuelle sich gegen das angeblich "Primitive" des Schwarzseins gewehrt; sie propagierten einen schwarzen Humanismus). Die bildende Kunst der Gegenwart von Künstlern, die einen afrikanischen "Background" haben, bringt einerseits Zitate des "schwarzen Parismythos", andererseits werden auch die Globalisierung bzw. die Vermischung von Kulturen und "Ausgrenzung" zum Thema.

© Peter Horn (Johannesburg)


8.1. Traditionen, Aufklärung, Modernisierung

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For quotation purposes:
TRANS Nr. 16: Peter Horn (Johannesburg): Bericht: Traditionen, Aufklärung, Modernisierung. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/08_1/horn_bericht16.htm

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