TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr.
September 2008

Sektion 3.1. Culture sans frontières / Kultur ohne Grenzen / Culture without Borders
Sektionsleiterin | Section Chair: Gertrude Durusoy (Izmir)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Rustschuk und Marakkesch: Stationen der Multikulturalität in Canettis Vita

Dilek Altinkaya-Nergis (Universität Dokuz Eylül, Izmir) [BIO]

Email: dilek.nergis@deu.edu.tr

 

Nur Reisen ist Leben,
wie umgekehrt das
Leben Reisen ist.

     Jean Paul

 

Die Herausbildung moderner Gesellschaften ist nahezu seit dem Mittelalter durch das gleichzeitige territoriale Zusammentreffen, das Neben- oder Miteinander divergenter Kulturen, ethnischer Gruppen und Nationen, und deren Vergesellschaftung gekennzeichnet, wobei sich die wechselseitigen Affinitäten derartig beschaffener Mehr-Kulturen-Gesellschaften in der Weltgeschichte von harmonisch-freundschaftlichen bis zu unverträglich-destruktiven Beziehungskonstellationen verfolgen lassen. Diese Verhältnisse, die uns in Form einer Vielgestaltigkeit und Koexsitenz verschiedenster Gesellschaften entgegentreten, und die man sicherlich auch als eine Konstruktion von ethnischen bzw. kulturellen Differenzen bezeichnen könnte, stellen gegenwärtig einen durchaus komplizierten und komplexen Themenbereich dar, über den bis heute kein gegenständlicher Konsens der WissenschaftlerInnen besteht. Begrifflich jedoch wird dieses in den fortgeschrittenen Industriestaaten entstandene Phänomen der „Pluralität der modernen Gesellschaft“(1) als Multikulturalismus bezeichnet.

Dem äußerst mannigfaltigen Prinzip des Multikulturalismus, dessen Erforschung ein weitreichendes und vielfältiges Spektrum an Untersuchungsmöglichkeiten bietet, soll im Folgenden kontrastiv in den Werken und der Vita des polyglotten und kosmopolitischen Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti nachgegangen werden. Diese Studie stellt somit einen Versuch dar, den Einfluß und die Bedeutung der Multikulturalität in den Werken Canettis als Illustration einer Kultur ohne Grenzen zu ermitteln. Um den Rahmen des Beitrages umgrenzen zu können, sollen diesbezüglich primär Canettis literarischen Reisen durch die Städte Rustschuk und Marrakesch, in seinen von Authenzität geprägten Werken “Die gerettete Zunge. Geschichte einer Jugend”(2) und “Die Stimmen von Marrakesch. Aufzeichnungen nach einer Reise”(3) als multikulturelle Zwischen- bzw. Hauptstationen innerhalb seiner Vita erörtert werden. Schließlich heißt es nicht umsonst, wie bereits in Matthias Claudius heiteren Ballade “Urians Reise um die Welt”: “Wenn jemand eine Reise tut, So kann er was erzählen”(4), wie es auch von Elias Canettis Exkursionen mit “Rückblick”-Perspektive in seine Kindheit und eigene Gegenwart zu erwarten ist. Das Reisen selbst wird von dem Schriftsteller selbst folgendermaßen beschrieben:

“Ein Vorteil von Reisen in neue Gegenden ist das Durchbrechen des Ominösen. Die neuen Orte fügen sich nicht in alte Bedeutugen ein. Für eine Weise öffnet man sich wirklich. Alle vergangenen Geschichten, das eigene übervolle Leben, das an seinem Sinn erstickt, bleibt plötzlich hinter einem, als hätte man es irgendwo in Verwahrung gegeben, und während es sich da stille hält, geschieht lauter Ungedeutetes: das Neue.” (5)

Freilich handelt es sich in den beiden besprochenen Werken Canettis, wie in jeder Erzählung im weiteren Sinne auch, um die geistige Aufarbeitung einer Reise, und deren schriftstellerische Wiederspiegelung mittels autobiographisch niedergeschriebener Impressionen und Erlebnisse, die ihm die Möglichkeit bieten, die seiner Vergangenheit zugehörigen Individualitäten als lebende Gestalten zu verewigen. Denn beide besprochenen Werke beruhen auf Authenzität und stellen einen gewissen Realitätsanspruch, wie Canetti selbst Wolfgang Kraus gegenüber betonte, daß nichts an den Schilderungen seiner “Stimmen von Marrakesch” erfunden sei.(6) Und gerade diese Idee der literarischen “Unsterblichkeit für die Menschen”(7) hat Canetti für sich als Lösungsweg gegen seinen “Feind, den Tod” (GZ, 14) gefunden, und instrumental in seinen Werken eingesetzt. Und der Sinn seiner Autobiographie und seiner Aufzeichnungen liegt demzufolge gerade in dieser Art von Erinnerungs- und Darstellungsarbeit, zu denen auch seine “Stimmen von Marrakesch” gezählt werden können. Schließlich versucht Canetti besonders in diesen beiden Werken die Menschen und Eindrücke, die Spuren in seinem Leben hinterlassen haben, zu verewigen.

Dies spiegelt sich besonders in der Stadt Rustschuk, der gewissermaßen ersten multikulturellen Station in Canettis Vita wider, die er in seinem autobiographischen Werk “Die Gerettete Zunge” eingehend schildert. Denn auch wenn Canetti an späterer Stelle Wien als seine wichtigeste Lebensstation, sogar als seine “eigentliche Heimatstadt”(8) und Deutsch als seine Muttersprache(9) bezeichnet hat, ist er - selten sesshaft - bald freiwillig, bald verfolgt im europäischen Raum umhergezogen. Dies ist auch ein Grund dafür, warum sich Canetti schwer als Nationaldichter festlegen läßt, und nach der Nobelpreisverleihung von 1981 sogar gleich die sieben Länder Deutschland, Bulgarien, Österreich, England, die Schweiz, Spanien und Israel miteinander darum wetteiferten, "ihrem" frisch gebackenen Nobelpreisträger als erste gratulieren zu dürfen.(10) Canetti selbst äußerte sich zu den Wurzeln seines Wesens wie folgt:

“Das Gefühl dieser Wurzeln hab ich sehr stark. Aber sie sind vielleicht ein wenig anders, als man sich gewöhnlich vorstellt. Ich habe meine Jugend in vielen Länder verbracht […] Wenn man diese Liste aufzählt, möchte man glauben, daß dieser häufige Wechsel […] sich verwirrend hätte auswirken müssen. Aber das Gegenteil war der Fall. Ich hab in jedem dieser Länder Wurzeln geschlagen […] Das Gefühl läßt mich nicht los, daß ich diesem frühen Wechsel in meinem Leben eigentlich alles verdanke. Denn ich bin ja nicht immer gern von diesen Orten weg […] Das Resultat war etwas, das ich wirklich als unschätzbares Glück betrachte, daß ich wirklich mehrsprachig aufgewachsen bin”.(11)

Um aufzeigen zu können unter welchen mehrsprachig geprägten Bedingungen Canetti heranwuchs, muß selbstverständlich auch der wahre Ursprung seiner Multikulturalität innerhalb seiner Vita hervorgehoben und im weiteren fokussiert werden, der bereits durch folgende Aussage an Bedeutung gewinnt: “Rustschuk, an der unteren Donau, wo ich zur Welt kam, war eine wunderbare Stadt für ein Kind [...] Alles was ich später erlebt habe, war in Rustschuk schon einmal geschehen” (GZ, 11).

Canetti erhebt bereits mit dieser Aussage seinen Geburtsort Rustschuk zu seiner ersten und zentralen multikulturelle Stätte, von deren Einflüssen er sich sogar mehr “als sechzig Jahre […] genährt" (GZ, 19) hat, und seinen eigenen Worten zufolge kaum beschreibbar ist. Da Canetti, der seinen Heimatort in seinem späteren Leben nie mehr zu besuchen wagte, bereits als Kind “keinen Überblick über diese Vielfalt [hatte], aber […] unaufhörlich ihre Wirkungen” (GZ, 10) zu spüren bekam, ist es selbstverständlich unumgänglich, noch bevor auf die Multikulturalität in den “Stimmen von Marrakesch” eingegangen werden kann, zunächst die autobiographische Jugendgeschichte Canettis in Rustschuk (1905-1911) bis zu seinem sechsten Lebensjahr, wo ihm die erlebte und gelebte Multikulturalität gewissermaßen in die Wiege gelegt wurde, detailiert unter Augenschein zu nehmen.

Denn Elias Jacques Canetti wurde um die Jahrhundertwende in dieses faszinierende Gebiet des außergewöhnlichen Rustschuks, bereits vor der Unabhängigkeit Bulgariens vom Osmanischen Reich, als türkischer Staatsbürger und Kind sephardisch-spanolischer Juden(12) in eine wohlhabende Kaufmannsfamilie, sozusagen in ein balkanisch-buntes und folglich polyglottes Völkergemisch hineingeboren, wo “Menschen der verschiedensten Herkunft [lebten], an einem Tag konnte man sieben oder acht Sprachen hören” (GZ, 10), wie er selbst seine Eindrücke im ersten Band seiner autobiographischen Triologie(13),  zur Sprache bringt. Und wie wichtig es ist, viele Sprachen zu beherrschen, legt Canetti bereits in der Geschichte seines Urgroßvaters dar, dessen Leben durch das Verstehen von “Zungen - gerettet” wurde (vgl. GZ, 43).

Präsent sind in diesem multikulturellen Sprachgemenge des an der Donau gelegenen Rustschuks seiner Erinnerung, das genaugenommen schon im Zeichen des Untergangs und der Selbstzerstörung stand, verschiedenste ethnische Gruppen von Bulgaren, über Türken, Spaniolen, Griechen, Albanesen, Armeniern, Zigeunern, Rumänen, Tscherkessen, bis zu vereinzelten Russen (vgl. GZ, 10-11) vertreten, ohne dass die geringste Spur von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in diesen Millieus zu spüren wäre. An diesem Ort wird Canetti auf die noch so kleinsten Zeichen des multikulturellen Nebeneinanders der vielen Nationen aufmerksam. Und unumwunden wird durch diese einklängliche Konstellation der multikulturelle Archetyp Rustschuks, zum Symbol der friedlichen Konfrontation vieler Völker, Kulturen und Konfessionen, und fast zu einem unsterblichen Mythos einer Harmonie der Völker, die Canetti in seinem Geburtsort ideal vereint fand. Dieser Konstellation entspricht auch der Glaubenssatz Canettis, daß er aus diesen vielen Personen bestehe, deren er sich jedoch keineswegs bewußt ist:

“Ich denke, sie bestimmen, was mich an Menschen, denen ich begegne, anzieht oder abstößt. Sie waren das Brot und das Salz der frühen Jahre. Sie sind das eigentliche, das verborgene Leben meines Geistes" (GZ,  127)

Wie aus der Darstellung der interkulturellen Veranlagung Canettis deutlich wurde, kann man zusammengefasst man von einer erlebten Multikulturalität sprechen, wie es bereits Elona Viorel feststellte: “Durch die Beherrschung mehrerer Kulturen, der jüdischen, deutschen, französischen und englischen gelangte Canetti zu einer transkulturellen Harmonie und wurde Mitte des 20. Jahrhunderts zur Verkörperung einer europäischen Identität deutscher Zunge”(14). Denn bereits die Umstände, unter denen Elias Canetti aufwuchs, zeigen auf, daß sich in seiner Vita multikulturelle Gegensätze und unzählige Sprachen, vom Bulgarischen, Türkischen und dem Spaniolischen oder “Ladino der Sepharden”, die wichtigste Sprache seiner Kindheit, die er später auch mit seiner ersten Frau Veza Taubner-Calderon sprach, über das geliebte Deutsch, das lange die Geheimsprache seiner Eltern blieb, bevor er es erlernte, bis hin zum Englischen, das die Sprache seines Exils wurde, in sich vereint. Canetti selbst bringt es wie folgt zum Ausdruck: “Vielleicht bin ich die einzige literarische Person, in der die Sprachen [Spanisch und Deutsch] der beiden großen Vertreibungen so eng beieinanderliegen. Eine so kuriose Konstellation soll man nicht stören” (AGR, 173). Schließlich sind die Juden für Canetti das einzige alte Volk, “das solange schon wandert”(15), und das, seit dem Beginn der jüdischen Diaspora, “Sprachen und Kulturen von einem Land ins andere” (MuM, 196) getragen hat. Und im Bild der  Juden auf Wanderschaft, die “Pein späterer Wanderschaften” (MuM, 197), in der Canetti Bollacher zufolge “selbst sein individuelles Schicksal erkannt [hat], in dem sich das Schicksal seiner Volkes-Vertreibung und Emigration wiederholt”(16). Ein Erlebenis, das Canetti auch erstmals in Rustschuk, in dem traurigen Schicksal des holzhackenden Armeniers erlebt hatte, und der den ersten Flüchtling in seinem Leben darstellt: “Das Flüchtlingsschicksal der späteren Zeit, das ich ja dann auch kennenlernte, ist mir eigentlich in diesem Mann zuerst entgegengetreten” (ARG, 202).

Unter diesen Eindrücken wuchs Canetti demzufolge mitten im sephardischen Millieu, in einer insularen Diaspora-Existenz der aus Spanien stammenden Juden, mit tiefverwurzeltem Kasten- und Familienstolz in einer Art Kaufmannsdynastie(17) nicht nur unter positiven Eindrücken auf. Denn in seinem Familieclan wurden auch offene “erbitterte Kämpfe um Macht, Geld und Einfluss ausgetragen” (vgl. GZ, 13, 241), in denen sich sogar seine Mutter als Lieblingstochter ihrem Vater, dem hochmütigen Nissim Arditti widersetzten mußte, um den Sohn eines Emporkömmlings aus Adrianopel (vgl. GZ, 37) heiraten zu dürfen. Die Spannung zwischen den Großvätern Nissim Adritti, den keiner mochte, und Elias Canetti, dem alle verfallen waren, dauerte später ihr Leben lang (vgl. GZ, 38) an. Misch-Ehen von Mitgliedern verschiedener Rassen und Glaubensbekenntnisse hingegen wurden mit äußerstem Mißfallen betrachtet. Diese Konstellation findet Canetti später in Marrakesch erneut in der Liebesbeziehung der 22-jährigen Ginette vor, die selbst aus einer multikulturellen Ehe stammt, und die negativen Konsequenzen ihrer eigenen multikulturellen Liebesbeziehung zwischen Prostitution und Diskriminierung austragen muss (vgl. SvM, 103-113).

Diese überhebliche spanische Gesinnung seiner Mutter, aus einer “der ältesten und wohlhabendsten Spaniolen-Familien  Bulgariens” (18) zu entstammen, der Canetti stets “peinigte und verstörte”, da sie auch als gebildete Frau keinen Widerspruch, zwischen ihrer leidenschaftlichen Universalität und dem hochmütigen Familienstolz empfand, auf andere Juden herabzusehen (vgl. GZ, 285), stößt Canetti bereits in seiner Kindheit ab:

“zu jeder Periode meiner Jugend, sprach ich mit ihr darüber und warf es ihr vor, aber es machte ihr nicht den geringsten Eindruck. Ihr Stolz hatte früh seine Kanäle gefunden, die er unbeirrt befuhr, mich aber hat sie durch diese Enge, die ich an ihr nicht begriff, früh gegen jeden Hochmut der Herkunft eingenommen. Ich kann Menschen mit Kastenstolz irgendwelcher Art nicht ernstnehmen, ich betrachte sie wie exotische, aber etwas lächerlice Tiere […]  Ich habe den besten Teil meines Lebens damit zugebracht, dem Menschen, wie er in den historischen Zivilisationen erscheit, auf seine Schliche zu kommen. Ich habe die Macht so erbarmungslos untersucht und zerlegt wie meine Mutter die Prozesse ihrer Familie.” (GZ, 12-13)

Bemerkenswert ist, daß neben der multikulturellen Veranlagung und der Vielsprachigkeit Canettis auch die meisten Motive in seinen Werken in den mannigfaltigen Erlebnissen seiner Jugend, und insbesondere in Rustschuk verwurzelt sind, wie es bereits Wenzeslav Konstantinov(19) feststellte. Ganz in diesem Sinne ist das Motiv der Macht, dessen Faszination Canetti durch die Verkörperung seines Großvaters erlegen ist, der als tyrannischer Patriarch regierte (vgl. GZ, 28). Auch das Motiv der Apokalypse, das in Rustschuk aufkeimte, als Canetti 5-jährig die Aufregung um den großen Halley'schen Kometen jener Jahre in allgemein verbreiteter Auffassung, “daß das Ende der Welt gekommen sei” (GZ, 33-34), das seinen “Sinn für Apokalyptisches, für drohenden Untergang, durch dieses Erlebnis stark mitbestimmt wurde(20). Gleichzeitig aber wurde Canetti an dieser Stelle auch von der versammelten und wartenden Menschenmenge stark beeindruckt: “Ich sehe sie nur alle zusammen, und wenn ich das Wort nicht später so häufig gebraucht hätte, würde ich sagen, ich sehe sie als Masse: eine stockende Masse der Erwartung” (GZ, 35) . Auch das Motiv des Feuers, das sich insbesonders in seinen Roman “Die Blendung” niederschlug, prägte ihn bereits im alten Rustschuk, wo der Schriftsteller den ersten großen und beeindruckenden Brand in seinem Leben miterlebte (vgl. GZ, 39-40), und wo er erstmals “den Zusammenhang von Feuer und Masse” (AGR, 107) spürte, der sich später am 15. Juni 1927 mit der Beobachtung des Brandes des Justizpalastes in Wien fortsetzte. Bei diesen Erlebnissen beobachtete er auch erstmals die sich bewegenden massenhaften Menschenmengen in Aufruhr und Erregung, die er fortan immer weiter erforschen, und endlich in seinem ethnographisch-psychologischen Werk “Masse und Macht”, an dem er fast 20 Jahre gearbeitet hat, ausführlichst untersuchen und sogar zu seinem Opus Magnum ausbauen sollte. In dem wichtigsten Untersuchungsgegenstand seiner Analyse der Beziehung von Mensch und Gesellschaft führte Canetti dabei auf die “zwischenmenschliche Erfahrung und die menschheitliche kulturelle Erfahrung in ihrem Zusammenhang mit der Natur und dem Universum zurück – ein Grunderlebnis als “Internationserlebnis” bestimmt die Mikro- und Makrostruktur von seinem Werk […], bestimmt gleichzeitig aber auch seine ganzheitliche Einstellung zu der Dreieinheit von Mensch,  Kultur und Universum […] Canetti untersucht in “Masse und Macht” die unterschiedlichen historischen und gegenwärtigen Kulturen in ihren Differenzen und entwirft ein kulturwissenschaftliches Paradigma, indem er die Grundbegriffe von Menschsein von Historie, Mythos und Religion von den Entwicklungen der Neuzeit und der Moderne zu differenzieren sucht und die Fehlentwicklungen der europäischen Zivilisation auf bestimmte “Gegegnbilder” aus der römischen Zeit und der europäischen Aufklärung zurückführt”(21), wie es Penka Angelova trefflich formulierte.

Wie sich zeigte, liegt nicht nur die Multikulturalität Canettis in Rustschuk verwurzelt, sondern auch die Hauptmotive seiner Werke, wie die des “Weltuntergang", des "Feuers", der "Masse" und der "Macht". Diese Motive beruhen unmittelbar auf Impressionen und Erlebnissen seiner frühesten Kindheit im alten Rustschuk, die sein Wesen entscheidend formten, und deren Eindrücke er später als Schriftsteller weiterverarbeitete. Sein “Werden” in Rustschuk beschreibt Canetti selbst wie folgt:

"nämlich das Bedürfnis für alles, was man empfangen hat und was die geistige Substanz ausmacht, etwas zu hinterlassen, das gut genug ist, um zu dauern und zur Substanz späterer Menschen zu werden." (ARG, 217)  

Vielsprachig wuchs Canetti anschließend auch nach dem Ausbruch seiner Eltern, die in Wien eine höhere “europäische” Schulausbildung genossen haben, aus der “ihnen zu eng und zu orientalischen” Welt Rustschuks, und von der “noch viel beengenderen Tyrannei des Großvaters” (GZ, 50-51), in Manchester (1911-1913), und nach dem frühzeitigen Tod seines Vaters in Wien (1913-1916) und Zürich (1919-1921) auf. Und die Perspektive Rustschuks ist von hier aus den spaniolischen Vierteln, nicht unbedingt positiv, da es von den Spaniolen, die Canetti in England und Wien kennenlernte nur mit Verachtung erwähnt wurde, “als ein provinzielles Nest ohne Kultur, wo die Leute gar nicht wussten, wie es in "Europa" zugeht. Alle schienen froh, daß sie von dort entronnen waren und kamen sich als aufgeklärtere und bessere Menschen vor, weil sie nun woanders lebten” (GZ, 137-138).  

Nur Canettis Großvater, dessen Namensenkel er war, der ungebildet war und sich niemals für etwas schämte, sprach als einziger den Namen der Stadt Rutschuk, wo sein “Geschäft […], das Zentrum seiner Welt” (GZ, 137),  mit feurigem Nachdruck aus. Mit dem Streit seines Großvaters mit seiner Mutter, der “Rustschuk nicht gut genug” (GZ, 73) sei, endet schließlich das Rustschuker Kapitel, und das Manchester Kapitel beginnt mit einem entscheidenden und kontrastiven Ordnungsunterschied (GZ, 73), was sich allerdings in den “Stimmen von Marrakesch” und der erneuten Ausreise aus England in die alte orientalische Unordnung der Kinderjahre und seinem Wohlbefinden umkehrt, die für seine “spätere Welt-Orientierung ungeheuer wichtig geworden” (22) war: “Alles, was ich damals in England erlebte, bestach mich durch seine Ordnung. Das Leben in Rustschuk war heftig und laut gewesen und reich an schmerzlichen Unglücksfällen” (GZ, 65). Interessanterwesise genügt später der Mutter  das Leben unter den halbgebildeten Spaniolen in Manchester ebenso wenig wie in Rustschuk (vgl. GZ, 86).

In Canettis Kindheit jedoch erwacht sein Heimatbewußtsein erstmals bei einem Sommerbesuch Bulgariens aus Wien heraus, im Jahre 1915, als seine Mutter ihm über ihre Kindheit in Rustschuk berichtet, und ihm eine andere Seite der alten Heimatstadt eröffnet: “und der Ort, an den ich nie gedacht hatte, gewann plötzlich durch ihre Geschichten Bedeutung” (GZ, 137). Die Reise nach Rustschuk entwickelt sich für Canetti anschließend fast zu einer Art Forschungsreise (vgl. GZ, 141), wie er sie aus Sven Hedins “Von Pol zu Pol” Forschungsreisen und Entdeckungsreisen in drei Bänden kennenlernte, die ihm in abenteuerlicher Weise, beinahe wie eine Offenbarung die Erde und ihre Völker eröffnete (vgl. GZ, 117). Für Canetti, dem stets das “Fremdeste in der Gegend” auch gleichzeitg als das Anziehendste erschien (vgl. GZ, 165), eröffnet sich allerdings die erforschte und für sich neu entdeckte   Welt der Heimatstadt Rustschuk keineswegs frei von Spannungen und Widersprüchen. Denn während für seine Mutter Bulgarien einerseits “das Land der Melonen, der Pfirische und Trauben, das war Sache ihres stark entwickelten Geschmacks- und Geruchsinns” (GZ,  316) ihrer Kindheit darstellt, beschwert sie sich andererseits über die “orientalische[n] Zustände. Diese Leute werden nie etwas lernen!” (GZ, 147), und schwankt in ihren Meinungen. Auf der Rückreise erlebt Canetti noch auf unmittelbare Weise etwas von der Allgemeinheit und weiteren Verbreitung nationaler Gehässigkeit zu begreifen, die er in Bulgarien und England so nie erlebt hatte, als alle Lebensmittel, die sich die Canettis aufgrund des lebensmittelarmen Kriegswinters aus Rustschuk mitnahmen, von einem Zollbeamten unter Gelächter auf den Bahnsteig ausgeleert werden (vgl. GZ, 148). Allerdings führt seine Mutter die Diskriminierung, “das Verhalten der rumänischen Beamten” sogleich auf ihre türkischen Pässe zurück(23), und weist in ihrem bereits erwähntem, üblichen sephardischen Kastenstolz jegliche Diskriminierung gegen die Spaniolen zurück.   Gemeinsam mit seiner ersten Liebeserfahrung zu der kleinen Mary, an der ihm offenbart wird “daß  orientalische Kinder viel früher reif werden, als englische” (GZ, 68), und der in der Schule “mit wachem Bewußtsein” (GZ, 288) aus Widerwillen gegen sein lebhaftes Aufstrecken im Unterricht erlebten Erfahrung der Diskriminierung (vgl. GZ, 294), lernt Canetti früh Bescheidenheit und Zurückhaltung kennen. Auch verliert er etwas von dem Hochmut, der ihm das eingebrockt hatte (vgl. GZ, 297). Seine Versöhnlichkeit und Menschenliebe erwachte bereits in diesen Jahren, die sich in seinem Werk “Die Stimmen von Marrakesch” beispielhaft niederschlägt, das im weiteren unter dem Aspekt der Multikulturalität und den Rustschuker Kindheitserlebnissen untersucht werden soll. 

Canettis junge Neugier für das Orientalische, drückt sich am arabischen Juden Herrn Innie aus (vgl. GZ, 75), das durch die Lektüre der “Arabian Nights” (vgl. GZ, 58) erwachte. Sein hinzukommendes Interesse für Geographie widerum spiegelt sich in der “Geretteten Zunge” deutlich in dem blind zusammengesetzten farbigen Europa-Karte-Puzzle und seiner Briefmarkensammlung aus den verschiedensten Ländern: “Da ging es nicht mehr bloß um Europa, sondern um die ganze Welt, und die wichtigste Rolle dabei spielten die englischen Kolonien” (GZ, 69), wie beispielsweise auch Marrakesch eine war. Seine erste substantielle Reise in das faszinierende außereuropäische Ausland hingegen unternimmt Canetti dagegen aber im Frühjahr 1954, auf die Einladung seines Freundes und Filmproduzenten Aymer Maxwell als Begleiter seines Filmteams von London in das marokkanische Marrakesch, über den sich Canetti an späterer Stelle folgendermaßen äußerte:  

“Er hat mich oft zu Reisen eingeladen und manchmal nahm ich an. Es bedeutete vielleicht einen schönen Aufenthalt irgendwo im Süden. Aber die Fahrt war unangenehm. Man hatte täglich zweimal ein Ziel und die Fahrt bestand darin, daß man es in kürzester Zeit erreichen mußte. Dazwischen galt nichts, außer den Mahlzeiten, die bestimmten Tageszeiten zugehören. Man fuhr in rasender und immer lebensgefährlicher Eile einige hundert Kilometer, man fuhr an den schönsten Städten und Domen vorbei, ohne zu halten, denn sie waren nicht das Ziel.”(24)

Auch wenn Canetti bis zu diesem Zeitpunkt “nichts über das Land [Marokko] gelesen” hatte, und seine Sitten und Menschen ihm fremd waren (vgl. SvM, 23), ging es ihm bei dieser ziemlich kurzen, knapp dreiwöchigen Reise nach Marrakesch wohl keineswegs um das neugierige touristische Reisen selbst, das seinen Ansprüchen nicht genügte, sondern um die Begegnung und Übereinstimmung mit der “fremden” Kultur seiner spaniolischen Kindheit, von der er sich durch das kulturelle und historische Erbe dieses Teils der Welt angezogen fühlte. Chronologisch sind die “Stimmen von Marrakesch” zwischen seinen Roman “Die Blendung” und seinem theoretischen Hauptwerk “Masse und Macht” angesetzt.

Das Hauptziel seiner Reise bildete sicherlich der Impuls, die Spuren und Zeichen der heute in diesem Sinne nicht mehr existierenden Welt seiner Kindheit aufzuspüren. Eine Rückkehr also, in die Welt der gemeinsamen kulturellen Wurzeln, was sein Interesse an Marrakesch doppelbödig gestaltet. Denn neben der vornehmlichen Neugierde ist es sicherlich, das aktuelle Bild einer multikulturellen und fremden Kultur kennenzulernen, der hintergründig gehegte Wunsch und die Absicht, seine Kindheitsgeschichte zu rekonstruieren, sowie das vielleicht nicht gleich erkannte Bedürfnis, in das eigene Innere zu fahren, und die eigenen Vergangenheit im kulturgeschichtlichen Sinne der Kindheitserinnerungen aufzuspüren. Die kindliche Sehnsucht, als Canetti bereits den Plan hegte, seine Kindheitserinnerungen zu verewigen.

Anders als vom Untertitel “Aufzeichnungen nach einer Reise” angedeutet wird, handelt es sich in diesem Buch um keinen Reisebericht im üblichen Sinne, sondern um eine Sammlung von skizzenhaften Erinnerungsstücken und Momentaufnahmen, die Canetti erst 1968, also dreizehn Jahre später als beabsichtigt veröffentlichte.

Wie bereits in Canettis autobiographischer Triologie begegnen wir auch in den „Stimmen von Marrakesch“ Impressionen und Eindrücken, die er auf dem Rückziehplatz und Schutzort der Dächer zur Sprache bringt. Dieser zurückgezogene und alles fokussierende Blick Canettis erinnert indessen an den Ausblick und die Perspektive Zürichs von einer Drahtseilbahn aus, während eines Zwischenhalts auf seiner Reise nach Wien: “So war die erste weite Aussicht auf eine Stadt, die ich erlebte, durch ein Gefühl der Verlorenheit gefärbt, und die Erinnerungen an diesen ersten Blick auf Zürich, das später zum Paradies meiner Jugend werden sollte, hat mich nie verlassen.” (GZ, 108).  An dieser Stelle endet schließlich auch das Wiener Kapitel, und das Züricher Kapitel beginnt.

Für Canetti braucht man, wie bereits in Zürich, dieser allesüberblickende Perspektive des distanzierten Beobachtens, um einer “fremdartigen Stadt vertraut zu werden […], wenn die Verwirrung der neuen und unverständlichen Stimmen zu groß wird” (SvM, 33). Einen abgeschlossenen Raum demzufolge, auf den man ein Anrecht hat, und in dem man alleine sein kann. Aus dieser Perspektive, wo es verpönt ist, auf die Nachbarhäuser zu sehen, betrachtet er die Berge des Atlas, deren Glanz er mit der Alpenkette, und die Minaretts der Moscheen für mit Stimmen bewohnte Kirchen- und Leuchttürme (vgl. SvM, 34) vergleicht. Von dieser Höhe aus überblickt Canetti weiterhin die multikulturellen und bunten Massen und dem Marktplatz, der Djemaa el Fna, was soviel bedeutet wie das Herz der Stadt, das auch als der Mittelpunkt der Welt beschrieben werden kann. Hier im Zentrum, um das das marokkanische Leben kreist, sind alle Händler, Gaukler, Schreiber und Geschichtenerzähler vereint.

Besonders in diesen Geschichtenerzählern, deren Sprache und Worte er nicht versteht,  findet Canetti die Art von orientalischen Menschen wieder, in denen er seinen Großvater zu erkennen glaubt, der eine schöne Stimme hatte, und „wo immer er erschien, sofort im Mittelpunkt” war, und auf Einladungen “immer bald von einem großen Kreis umringt”  Geschichten erzählte, in denen er viele Rollen wie ein Schauspieler spielte (GZ, 28) und alle in der Gemeinde ihm verfallen (GZ, 30). Gerade diese Art von aktiven, neugierigen, sprachbegabten und allen gegenüber aufgeschlossenen Mittelpunktsmenschen (vgl. GZ, 124-126) mit großer Beobachtungsgabe, “ein Teufel an immerwacher Bereitschaft” mit “Übermaß an Vitalität, das vielen unheimlich war” (vgl. GZ, 127) findet Canettis zu diesem Zeitpunkt, als sein Großvater längst verstorben war, ausgerechnet “unter den Geschichtenerzählern in Marrakesch wieder[…], und obwohl ich von ihrer Sprache kein Wort verstand, waren sie mir durch die Erinnerung an diesen Großvater vertrauter als alle die unzähligen anderen Menschen, denen ich dort begegnete” (SvM, 126).

In diesem Marrakesch lauscht Canetti außerdem den ihm vertrauten vielfältigen Klängen und Stimmen, die in seiner Kindheit bereits im Gedicht C. F. Meyers an Bedeutung gewonnen hatten (vgl. GZ, 341-342). Freilich kommt es Canetti bei seinen Analysen nicht darauf an, “was wir finden, sondern wie wir das, was wir nicht gefunden haben, ordnen”(25), wie er es selbst ausdrückt. Er observiert eine Vielzahl von Charakteren und Persönlichkeiten unter der präzisen Darstellung des leidenschaftlichen Beobachters, der tief in seiner Kindheit verwurzelt liegt, wie beispielsweise im Akt des Essens:  

“Es ist eine alte Lieblingsmarotte von mir, Menschen beim Essen zu beobachten. Es hängt damit zusammen, daß ich, als ich jünger war, manchmal entsetzt war über die sonderbaren Gesichtsausdrücke von Menschen, die essen. Es ist mir plötzlich aufgefallen, wie schrecklich das sein kann.”  (AGR, 344)

Auf dem Stadtbasar in den Suks registriert der anlytisch scharfe Beobachter Canetti das Treiben der Händler, und die Sorgfalt und Liebe für ihre Waren. Dieses Geschäftebetreiben  erinnert ihn sicherlich an den Kolonialwarenladen seines Großvaters, das das Zentrum seiner Welt bildete (vgl. GZ, 138). Leider war die “la butica” (GZ, 14), in der es wunderbar roch, dem jungen Canetti verboten (GZ, 13), obwohl er dort am liebsten die Körner in den  “großen, offenen Säcken mit verschiedenen Getreidesorten” (GZ, 14) fühlte und schwer von den Säcken wegzubringen war. Auf diesem Markt versucht Canetti das “Feurig-Mysteriöse” (SvM, 19) des Handelns als Verhandeln kennenzulernen, das ihm als Kind vom Großvater versagt wurde. Sichtlich verfällt Canetti beim Kauf von Gegenständen, das für ihn Freiheit bedeutet, der “Intimität zwischen Gegenständen und Händler” (SvM, 20), der einstigen Begabung und Kunst seines handelstalentierten Großvaters in Rustschuk, der uralten Prozedur des Handelns, die eime komplizierte Affäre darstellt (vgl. SvM, 21). Die einzige Kritik gilt hier der Tatsache, daß sich zwischen faszinierende bunte Warenvielfältigkeit der prächtigen Handarbeiten, deren Herstellungsprozess noch mitverfolgbar ist, mittlerweile auch maschinell produziertes “Gesindel von zweifelhater Herkunft […] aus häßlichen Zauberapparaten” (SvM, 16-19), aus der nördlichen Zivilisation immer weiter einschleicht, und die Waren genauso wie das Handeln verdirbt.

Bildhaft beschreibt Canetti weiterhin in dem Abschnitt „Der Speichel des Marabu“ (SvM, 27-31) die Momentaufnahme eines heiligen Mannes, der die ihm gespendeten Münzen kaut, und mit Speichel benetzt wieder ausspuckt, vielleicht nur um ihren Wert zu erkennen. Und während auf Canetti die Freundlichkeit und Wärme seiner Worte so sehr überging, wie er sie “noch nie von einem Menschen empfangen” (SvM, 31) hatte, gelangt er zu der Erkenntnis, daß nicht die Beobachteten den Gegenstand des Erstaunens darstellen, sondern er selbst sich durch sein Beobachten und nicht begreifen zum erstaunlichen Geschöpf wird (vgl.SvM 29-30). Dies Ereignis wiederholt sich anschließend beim Betrachten oder auch dem Genuss eines nicht-jüdischen Bettlers im Judenviertel beim Verzehr eines Krapfen, der sich für Canetti sogar zu einem „essenden Denkmal“ (SvM, 40) erhebt.

Der Autor schreibt in den „Stimmen von Marrakesch“ gleichfalls wie in der „Geretteten Zunge“ offensichtlich die verarbeiteten Eindrücke der ihm fremdartig erscheinenden Kultur nieder, indem er sich lange und aufmerksam Zeit nimmt, die Menschen ohne jeglichen Hochmut, denn den hatte er wie bereits erwähnt in seiner Kindheitsentwicklung abgelegt, zu beobachten und ihren Lauten, bzw. Stimmen Gehör zu verleihen. Er erblickt in Marrakesch einerseits die er­schreckende Seite der gewalttätigen Welt, die sich gegen die Tiere und insbesondere gegen Kamele richtet, denen er recht viel Menschliches abgewinnt, und in deren dargestellten Ohnmacht Dagmar Barnouw nach die “sozial destruktive Triebkraft der Menschen”(26) und deren verunsichertes Selbstverständnis aufgezeichnet wird. Auch den unterschwellig aufkeimenden Rassenhaß, der im Klassenbewußtsein der Einheimischen aufgrund ihrer Herkunft, und ihrer Verachtung für die “blauen Männer” (vgl, SvM, 11) aus dem südlichen Atlasgebiet ersichtlich wird. Noch deutlicher drückt sich die Rassendiskriminierung in der Rede des ansässigen französichen Restaurantbesitzers des “Kutubiya” aus, der die von Canetti so geliebten Bettelkinder als “Kokotten” abwertet (vgl. SvM, 94) und stolz vom Diebstahl an einer Prostituierten erzählt (SvM, 97). Für Canetti steht dieser Franzose fortan tief unter den Bettelkindern und wünscht sich, “daß es doch eine Art Starfe gäbe, wo [der Restaurantbesitzer] auf Fürsprache [der Bettelkinder] angewiesen wäre” (GZ, 75). Auch trotz der Armut der Einheimischen, die in den Gerbereien vor der Stadtmauer, oft bis zu den Knien in Säuren arbeiten, oftmals dadurch erblinden und sich schließlich zu Bettlergruppen zusammenschließen, wie es Canetti seinem Bruder Georg auf einer Postkarte berichtet, verwandelt sich für ihn Marrakesch in eine “phantastische, erbärmliche und schöne Stadt. Berge wie die Alpen, ganz nahe, und davor Pamen und Oliven”(27). Daß die blinden Bettlergruppen, ihn an die Bilder der Blinden von Breughel im Lichtenstein-Palais erinnerten, ist gewissermaßen anzunehmen, da er persönlich dazu äußerte: “Alle Blinden, die ich später sah, entstammen dem ersten dieser Bilder. Der Gedanke an Blindheit hatte mich verfolgt, seit ich in früher Kindheit an den Masern erkrankte und dabei während einiger Tage das Augenlicht verlor”(28). Vor Blinden hatte Canetti seitdem stets eine große Scheu empfunden, und konnte sie, obwohl sie ihn durchaus faszinierten, aufgrund seines Schuldgefühls, nie zu lange ansehen(29). Dabei kommen auch die Zigeuner seiner Kindheitserinnerungen zum Zuge, die sogar “in dieser sehr farbigen Stadt [Rustschuk] das Farbigste” (GZ, 22) darstellten. Und obgleich Canettis Großvater die Nicht-Seßhaften verachtungsvoll als “corredor” bezeichnete, faszinierte die Bewegung, die das Wort enthielt, und die Menschen, die immer in Bewegung lebten, Canetti früh(30), und weckten in ihm selbst den Wunsch , ein “corredor” zu sein:

“Sie kamen wie ein ganzer Stamm, in der Mitte hoch aufgerichtet ein blinder Patriarch [...] Der ganze Aufzug hatte etwas unheimlich Dichtes, so viele Menschen, die sich bei ihrer Fortbewegung nah beisammen hielten, bekam ich sonst nie zu Gesicht; und es war auch in dieser sehr farbigen Stadt das Farbigste [...] Mir kamen diese Zigeuner wie etwas Zahlloses vor, [...] immerhin hatte ich noch nie so viele Menschen im großen Hof gesehen [...], ich war besessen von ihnen” (GZ 22-23)

Andererseits erfaßt Canetti jedoch in diesem Blinden- und Bettlergruppen auch die positiven Seiten der Welt, wie beispielsweise in dem rauhen, ewig wiederholten Spruch nach Almosen, in der er eine besondere Energie des Forderns befindet, und die von ihm sogar als “akustische Arabesken um Gott, aber wieviel eindrucksvoller als optische” (SvM, 24) bezeichnet werden. Auch in der Gestalt der irren, unverschleierten Frau am Fenster, die ihm in ihrer unverständlichen Sprache Koseworte zusagt, aber auch in der potenten Lebenskraft eines “armseligen” (SvM, 100) Esels, gemäß desen er “jedem Gepeinigten seine Lust im Elend” wünscht (SvM, 102), wie auch im unverwüstlichen Lebenswillen deskleinen “arm- und beinlosen” Menschenbündels, das stundenlang “mit einem Fleiß und einer Beharr­lich­keit ohnegleichen” (SvM,118) den surrenden “ä-ä-ä-ä-ä”-Lauts (SvM, 119) anstimmt, erkennt Canetti das pure Leben, auf das er nicht zuletzt stolz ist, weil es lebte” (SvM, 117). Auch wenn der Sinn seines Rufes ihm so dunkel wie sein ganzes Dasein überhaupt fraglich erscheint, gewinnt dieser unartikulierte Ton des symbolischen Körpers “Der Unsichtbare” (SvM, 115-118), der den letzten Teil der “Stimmen von Marrakesch” darstellt, in der Perspektive Canettis den Versuch des verkrüppelten Bettlers, der vielleicht keine Zunge mehr hat, um das Wort Allah, den Namen Gottes, auszusprechen. In diesen Begegnungen erlebt Canetti Dagmar Barnouws Ansicht nach nicht zu Unrecht “mit der Macht auch die Überlebneslist, das Überlebensglück der Ohnmächtigen”(31).

Während die einzelnen Abschnitte der „Stimmen von Marrakesch“ grundsätzlich, abgesehen von einigen Verweisen und Übergängen, unabhängig voneinander sind, bilden die beiden Kapitel um den „Besuch in der Mellah“, des jüdischen Viertels und der hier ansässigen „Familie Dahan“, bei der Canetti sich später auch als „Jehudi“ (SvM, 71) zu erkennen gibt, während er vor den Einheimischen der “Einfachheit halber” (SvM, 12) als Engländer auftritt, das eigentliche Herzstück der Aufzeichnungen. Auf diese Weise wird das zentrale Thema bereits optisch und von der Gliederung her auf das Hauptthema, der Suche nach seinen “Ursprüngen, und seiner [jüdischen] Identität”(32) und die Auseinandersetzung mit der Suche nach der eigenen Herkunft hervorgehoben, wie es auch Sven Hanuschek bereits bemerkte.

In diesem von allen Seiten mit Mauern umschlossenen jüdischen Millieu der Mellah beobachtet der reisende Schriftsteller ausgiebig die bärtigen Juden mit ihren schwarzen Käppchen, deren Verschiedenartigkeit ihn erstaunt (vgl. SvM, 43). In seinen späteren Aufzeichnungen ist es Canetti sogar unangenehm über die “Juden” dieses Viertels zu sprechen, “weil sie dort so eigentümlich waren” (AvV, 62). Vielleicht lag es in der Vielfältigkeit dieser dort ansässigen Juden, in der Canetti auch Gemeinsamkeit in ihren Gesichtern erkannte, die auf einer Unruhe über ihrer ganzen Gestalt beruhte. Es handelte sich um ihre rasche Art aufzublicken und sich ein Urteil über den Anredenden zu bilden, das niemals unbemerkt passiert, wie Canetti es folgendermaßen vermeldet:  

“Es waren die Blicke von Menschen, die immer auf der Hut sind, aber die Feindseeligkeit, die sie erwarten, nicht hervorrufen wollen: keine Spur von Herausforderung, und eine Angst, die sich wohlweisliche verborgen hält" (SvM, 44)

In seinen Beobachtungen spricht Canetti weiterhin mit dem ewigen Leid der Juden ihren Verfolgungswahn an, aufgrund dessen sie auch stets ihren Rücken in Sicherheit halten (vgl. SvM, 45). Auch das in der breiten Öffentlichkeit intolerierte Handelstreiben der Juden, verfolgt Canetti, wie es aus seinem Nachlaß bekannt wurde, aufmerksam: “ohne durch ihre Handelstätigkeit zu sehr angewidert zu sein”, da er nun nach 40-jährigem schmerzlichem Kampf mit sich selbst endlich erkannt hat, daß es noch Schlimmeres als den Handel gibt, denn  

 “der ‘Fortschritt’ unseres Lebens hat dafür gesorgt, - und der Ort, an dem ich sie beobachtete, enthält ob Araber oder Juden oder Franzose nichts anderes als Menschen die handeln. Da sie nicht die ausschliesslichen und alleinigen Händler und Feilscher waren, fühlte ich mich weniger für sie verletzt. – In den Suks der Mohammedaner habe ich es gelernt, die Juden ruhiger zu sehen, und ich glaube, ich kann über sie jetzt endgültig ins Reine kommen.” (33).

In der Mellah gewinnt Canetti darüberhinaus auch die Einsicht, daß die Seele eines jeden Menschen “einmal zum Juden werden muß” (SvM. 38), als er schließlich auf einem kleinen Platz, den er als Mittelpunkt, „als das Herz“ (SvM, 39) der Mellah bezeichnet, gelangt, mit dem er sich so satrk identifiziert, daß er sich durch eine glückliche Verzauberung “am Ziel [s]einer Reise” (SvM, 40) erkennt:

“Ich mochte nicht mehr weg von hier, vor Hunderten von Jahren war ich hier gewesen, aber ich hatte es vergessen und nun kam mir alles wieder. Ich fand jene Dichte und Wärme des Lebens ausgestellt, die ich in mir selber fühle. Ich war dieser Platz, als ich dort stand. Ich glaube, ich bin immer noch dieser Platz.” (SvM, 40)

Mitten in Marrakesch erfährt der dieser Kultur eigentlich fremde Reisende die Dichte und Wärme des Lebens, “die für die isolierten einzelnen, Ungleichen der modernen Massengesellschaften sonst nur noch im Erlebnis der eruptiven Gleichmachung des Massenerlebnisses zu finden sind, als soziale Stärkung der Induvidualität”(34), wie es Dagmar Barnouw prägnant formuliert. Und nach diesem in ihm entstandenem Heimatgefühl erkundet Canetti im weiteren noch eine hebräische Schule, eine Synagoge, den Friedhof, die „Wüste der Toten“ (SvM, 53) und ein Gebetshaus im jüdischen Milieu. Dieses Milieu, dessen Atmosphäre ihn bestimmt an Rustschuk erinnert, macht ihn schließlich neugierig auf das Innenleben der Häuser, so daß er sich um Einlaß in ein jüdisches Haus bemüht. Sicherlich erwartet und erhofft Canetti sich von diesen Häusern eine orientalische Einrichtung, wie er sie von seiner Jugend in Rustschuk her mit ihren Innehöfen, offenen Küchen, Hühnern und Gänsen, niedrigen türkischen Sofas, Teppichen an den Wänden und kleinen Tischen (vgl, GZ, 18), besonders aus dem Hause der aus Adrianopel stammenden Großmutter Laura väterlicherseits nur zu gut kannte, die nie ihr Sofa und Haus verließ, und unter ihren Verwandten am orientalistischsten geblieben war (vgl, GZ, 28). Der Besuch eines marokkanischen Hauses im jüdischen Viertel wird Canetti immerhin mit dem Eintritt in das Haus der Dahan-Familie gewährt. In dieser ihn enttäuschenden “bescheidenen französischen Kleinbürgerwohnung” (SvM, 49) werden ihm dann auch “eingemachte Früchte[…], wie meine Mutter sie zu machen pflegt,gereicht, die er ”vielleicht weil sie mich zu sehr anheimelten” ablehnt (SvM, 50). Die Frage, “ob es noch Leute in der Mellah gäbe, die das alte Spanisch sprächen” (GZ, 51) ist schließlich, wie es auch Sven Hanuschek feststellte, der einzige repräsentative Hinweis in den “Stimmen von Marrakesch”, auf die Gründungsbedingungen des Judenviertels in dieser Stadt, die im 16. Jahrhundert durch sephardische Flüchtlinge entstand(35). Indem Canetti mitgeteilt wird, daß in Marrakesch noch 250 arme Juden existieren, denen die Gemeinde zu essen gibt, wird verständlich, daß auch diese Familie sich in ihrem bescheidenen Wohlstand von bettelarmen Juden deutlich und entschieden abgrenzt (SvM 65-66). Währenddessen sich die Dahans nach dem Wohlergehen der Juden in England erkundigen, erwacht Canettis “warme Dankespflicht gegen England, in dem es mir gut gegangen war” (SvM, 65).

In dieser Familie entdeckt Canetti auch die komplizierten Familienverhältnisse, ganz ähnlich seiner eigenen Familienkonstellation in Rustschuk: “Sie waren eigentlich mehr reichhaltig als kompliziert, es gab Angehörige von ihm in den verschiedensten Städten Marokkos “ (SvM, 75) und er zeigt sich, wie es Dagmar Barnouw  treffend feststellte, “fasziniert von dem Geheimnis der Induvidualität in der außerordentlich konkreten Hierachie der Familie”(36). Elie Dahan, der jüngste Sohn der Dahan-Familie, der den selben Vornamen wie er trägt, und aus seinem begrenzten Millieu des Familienclans unbedingt ins amerikanische Lager zu entkommen versucht, erinnert in seinem Verhalten an den tragischen Ausbruchsversuch seines Vaters aus Rustschuk und dem Familiengeschäft (vgl. GZ, 50-51). Mit dem unangebrachten Wunsch eines Empfehlungsschreiben wird er allerdings durch seine tägliche Begleitung und Besuche Canetti immer lästiger, der schließlich den “Augenblick, in dem ich das Haus seiner Familie betreten hatte” (SvM, 55) verflucht, bis er dessen Vater, den würdevollen, gelehrten Patriarchen der Dahan-Familie, kennenlernen darf, der ihn sogar mit seinem richtig ausgesprochenem Namen empfängt: “E-li-as Ca-ne-ti? […] Er wog ihn großherzig vier- oder fünfmal; mir war, als hörte ich das Klingen von Gewichten. Ich fühlte keine Sorge, er war kein Richter. Ich wußte, er würde Sinn und Schwere meines Namens finden; und als er so weit war, blickte er auf und lachte mir wieder in die Augen” (SvM, 81). Diese Namensaussprechung ist für Canetti, der “die Zerlegung und Erklärung von Namen” (AvV, 77) mehr als Mord fürchtet, sehr bedeutungsvoll.

Und auch wenn beide Männer keine gemeinsame Sprache haben, in der sie sich verständigen können, verspürt Canetti dem Vater Dahan gegenüber eine unerklärlich “unbändige Liebe” (vgl. SvM, 82).  Der Grund für diese geistige und seelische Verwandtschaft zu diesem Familienoberhaupt liegt zweifelslos darin begründet, daß dieser ähnlich wie Canettis Großvater damals in Rustschuk mit seinem Bruder ein recht sonderbares Familiengeschäft führt, das wie damals das Geschäft seines Großvater (vgl. GZ, 14) ebenfalls an einer modernen Strasse liegt (SvM, 80). Allerdings ist der Dahan-Vater darüber hinaus noch ein Gelehrter, der viel liest. Und Lesen hatte Canetti seit seiner Kindheit schon sehr viel bedeutet. Allerdings lehnt Canetti eine weitere Einladung zum Purim ab, um den Vater Dahan nicht durch seine jüdische Unkenntnis zu enttäuschen und begnügt sich damit, “ihn einmal gesehen” und kennengelernt zu haben (vgl. SvM, 82).  

Ganz in diesem Sinne erinnert die Milieubeschreibung Canettis an dieser Stelle wiederum an die Viertel seiner Jugend, in denen er heranwuchs. Denn bereits das alte Rustschuk bestand aus Vierteln, in denen sehr verschiedene Völkerschaften lebten. An dieser Stelle beschreibt Canetti beispielsweise das Viertel der Türken, das an das spaniolische Viertel angrenzte, und in dem sich die Häuser durch vergitterte Fenster auszeichneten (vgl. GZ, 201), hinter denen sogar Eifersuchtsmorde stattgefunden hatten. Diese verbotenen Fenster fand Canetti nun wieder in Marrakesch vor. Die sehr eifersüchtigen Türken versuchten Canettis Aussage zufolge auf diese Weise ihre Frauen davor zu hindern, aus den Fenstern hinauszuschauen:

Einmal, als wir da vorbeigingen, zeigte sie mir eins der vergitterten Fenster und sagte: Da stand die Frau des Türken, als sie den Bulgaren ansah. Und dann kam ihr Mann und erstach sie Die Frau hatte sich an ihr Fenster gestellt, es gab einen Bulgaren, der da immer vorbeiging, den sie gern sah, und der Mann hat sie dafür allein erstochen. Man fand die Frau in einer Blutlache-. Das war das erste Mal, daß ich vom Tod erfuhr, und es war auch der erste Mord, von dem ich erfuhr.”  (AGR, 242-243)

Trotz dieser erschreckenden Erfahrung aus seiner Kindheit gelingt es Canetti auf einem Spaziergang nicht seine neugierigen Blicke von einer irren, unverschleierten Frau am Gitter eines Fensters, die liebliche  Koseworte an ihn richtet, abzuwenden. Denn er holt in Marrakesch das nach, was er früher wiederstandslos mit Vorurteilen in Verbindung gebracht hatte, da er keine Vorstellung davon gehabt hatte, wie die Menschen in diesen Vierteln aussahen, wie sie sich bewegten und zueinander benahmen. Dieses Fehlverhalten drückt er folgendermaßen aus:

“Alles ferne nahm mich in Anspruch […] man meinte sich für die Welt zu öffnen und zahlt dafür mit Blindheit in der Nähe. Unfaßbar ist der Hochmut, mit dem man darüber entscheidet, was einen angeht und was nicht. Alle Linien der Erfahrung sind einem vorgeschrieben, ohne daß mans weiß […] und der wölfische Appetit, der sich Wißbegier nennt, merkt nicht, was ihm entgeht.”   (GZ, 343)

Daß Canetti sich bereits früh mit dem Orient verbunden fühlte wird in der “Geretteten Zunge” offensichtlich, da ihm schon immer zumute war, “als käme ich aus der Türkei, der Großvater war dort aufgewachsen, der Vater noch dort geboren. In jener Heimatstadt gab es viele Türken, alle zuhause verstanden und redeten ihre Sprache. Die Nachrichten der frühesten Zeit stammten von dort ab” (GZ, 322). Und was andere Leser vielleicht als exotische Nachricht berühren mochte, war für Canetti stets so vertraut, als käme es aus einer Art von Heimat. Canetti entfaltet hier eine fremde Welt, die sich im Laufe der Lektüre fast ein wenig in die eigene Wirklichkeit verwandelt. Denn letztlich findet er den orientalischen Flair seines Großvaters und seines Rustschuker Elternhauses in Marrakesch genauso wieder, wie er auch auf die spaniolisch-jüdischen Wurzeln seiner Vorfahren in der Mellah trifft. Und gerade dieser entscheidende, der eigentliche aufschlußreiche Moment im Leben eines Menschen ist der, in dem die “disparaten Elemente, die er in sich trägt, die zerstreut und unverbunden in ihm herumliegen, plötzlich zu einem unsichtbaren Kristall zusammenschießen, der nie mehr aufzulösen ist, von dessen harter, spürbarer, ja vielleicht schmerzlicher Form alles bestimmt sein wird, was er je unternimmt”(37), wie es Canetti in seiner Rede anläßlich der Verleihung des Großen Österreichischen Staatspreises im Januar 1968 bemerkte.

Wie aus den autobiographischen Schriften und Aufzeichnungen des kosmopolitischen Dichters ersichtlich wird, gibt es auffallende Gemeinsamkeiten zwischen seinen Reiseskizzen und seiner Autobiographie, in denen die Farbe “Rot” in den Erinnerungen in Rustschuk, als auch in Marrakesch immer wieder besticht. Die “Durchrötung”, wie Hanuschek sie in den Erinnerungen Rustschuks nennt, und wir sie auch persistent in den “Stimmen von Marrakesch” beobachten können, stellt “ein künstliches Verfahren [dar], das wie in einer Nuß zeigt,  wie das Ineinander von Kunst und Erinnerung (von Dichtung und Wahrheit, wenn man so will) bei Canetti funktioniert”(38). In der “Geretteten Zunge” treffen wir auf das unvermeidliche Rot in dem anfänglichen traumatischen Erlebnis um das Kindermädchen und ihren Liebhaber, der Kleidung der Zigeuner, der Zunge der Wolfsmakse, der Beschneidung seins Bruders Nissim, dem Halleyschen Kometen am Himmel, dem brennenden Haus in der Nachbarschaft und dem Eifersuchtsmord des Türken an seiner Frau, auf die bereits während dieser Untersuchung hingewiesen wurde, und die er in wachem Bewußtsein mitverfolgen konnte. Aber auch in den drei einleitenden Kapiteln der “Stimmen von Marrakesch” taucht die rote Farbe immer auf. Denn nicht anders greift der Schriftsteller auch in den “Stimmen von Marrakesch” die übliche, sein Leben bestimmende und symbolisch blutig rote Kolorierung besonders in seinen Darstellung und drei tragischen Begegnungen in den Kamelszenen am Tor von El-Khemis (vgl. SvM, 13-15) auf. Aber auch im allgemeinen wird die Stadt als die “rote Stadt” (SvM, 16) bezeichnet, deren Dämmerung und Mauern ebenfalls in rot erstrahlen.  Auffalend ist jedoch, daß bei den Schilderungen der Ereignisse lediglich die Begegnung im Vordergrund steht, und nicht nach Begründungen oder Erklärungen gesucht wird, und indem auf eine radikale Gesellschafts- und Kulturkritik verzichtet wird, wie es auch Dagmar Barnouw feststellte: 

“Er ist weder an einer sozialpolitischen noch an einer anthropolopgischen Dokumentation spezifischer Verhaltensweisen dieser fremden Gesellschaft interessiert; er verzeichnet “einfach”, was er gehört und gesehen hat. Er reist mit leichtem Gepäck; er kommt, er sieht, er hört er mischt sich nicht ein, er geht weiter. Er erlebt das Reisen selbst, das Fremdsein selbst.”(39)  

Im Kontrast dazu, assoziiert der Autor bei der Darstellung seiner fragmentarisch  aufgezeichneten Selbstreflexionen ausschließlich die historischen Verhältnisse, die geographischen und kulturellen Existenzen der besprochen Städte, sowie die sozio-kulturellen Eindrücke, die er über ihre multikulturell-exotischen Gebilde durch seine soziale Neugier erfahren hat, und sie uns nun in aktiven, als auch in passiven Stimmen ausdrückt. Denn bereits in seiner Biographie führt Canetti dem Leser multikulturelle “Stimmen” von Frauen, Männeren, ethnischen und kulturellen Minoritäten vor, bei denen es um Fragen der Identität als soziales Konstrukt überhaupt geht. Näher betrachtet, entfaltet Canetti in beiden besprochenen Werken eine fremde Welt, die sich im Laufe der Lektüre fast ein wenig in die eigene Wirklichkeit verwandeln. Und dies gelingt ihm bei der Beschreibung unterschiedlicher Milieus. So lernt Canetti in Marrakesch nach Rustschuk erneut das orientalische und jüdische Millieu kennen, das seine Mutter stets verworfen hatte und vor dem sie sich und ihre Familie aus Rustschuk in das zivilisierte Europa hinüberrettete. So präzisiert und inszeniert Canetti durch das dichterische Verfahren eines Orts- und Zeitwechsels aus dem vergangenen Rustschuk in das ihm gegenwärtige Marrakesch, in einer Art der Verwandlung, den   Zusammenstoß des Individuums in einer von Multikulturalismus geprägten Gesellschaft, und eröffnet dem Leser in der Verschmelzung der Kulturen und Vielstimmigkeiten der Städte Rustschuk und Marrakesch eine zum Nachdenken auffordernde Dimension. Mental versucht Canetti somit in seinem Marrakeschbuchwieder dorthin zu kommen, wo er schon einmal gewesen ist: Zur Vielfalt von Kulturen und Sprachen, die regen Handel und Wohlstand mit sich brachten. Die Faszination für diese versunkenen Welt der kulturellen Vielfalt und der sozialen Gegensätze, bedeutet eine Reise in die Welt der Kontraste, auf der Suche nach der Multikulturalität der Kindheit, wie sie in dieser Studie offen dargelgt wurde. Die Spurensuche der Grenzregion, ihrer einmaligen Vielfalt und das Nebeneinander der vielen Völker, entwickelt sich jedoch für Canetti fast vom dichterischen Verfahren zu einer suchenden Reisefahrt in das Innere, in die geistige Herkunft, die ihn zurück zu seinen Wurzeln führt, und in der er an seine kulturelle Identität gelangt.  

In beiden Werken stellt der übernationale Autor Canetti die heterogenen Kulturen der beiden Städte Rustschuk und Marrakesch in den Atmosphären des multikulturellen Milieus und der beobachteten Menschenschilderungen eingehendst, als eine Illustration einer Kultur ohne Grenzen dar, die überall geschehen könnte. Das äußere Kostüm der Städte ist lediglich die Kulisse des gemeinsamen Judenmilieus.

Wie sich zeigte, ähneln die Die Stimmen von Marrakesch”, den Lebensbedingungen der ehemaligen orientalischen Heimatstadt Canettis aus der “Geretteten Zunge”. Sie evozieren beide ihre ganze Epoche und die Atmosphäre, und “feig ist wirklich nur der, wer sich vor seinen Erinnerungen fürchtet” (AvV, 63). Fürwahr ist Canetti nach Marrakesch gereist, um seine jüdisch-spaniolischen Wurzeln aufzusuchen, deren Spuren er beinahe verloren hatte. Jedoch wurde die Reise nach Marrakesch zu einem so einschneidendem Erlebnis, dass Canetti nach seiner Rückkehr in England sogar über die unverschleierten Frauen so irritiert gewesen sei, daß er sich erst wieder orientieren mußte (vgl. PdM, 197). Wie Sven Hanuschek aus dem Nachlaß Canettis bekanntgab, war die “Reise nach Marrakesch” für Canetti die merkwürdigste Reise seines Lebens gewesen, “eine Reise endlich, die keine Rückkehr war”(40). Eine Reise, die so anders, so neu war, daß “man alles neu anfangen könnte”(41). Denn Störungen des routinenhaften, alltäglichen Lebens sind besonders gut für Menschen, denen  “überall Mauern wachsen. Glücklich, die darüber springen, bevor die Mauern zu hoch sind” (AvV, 89).Canetti zweifelt fortan an seiner bisherigen Welt aus Büchern, und Gesprächen, die vielleicht zu vieles ausgeschlossen hatte. Er vermißt die “Allah!Allah”-Rufe der Blinden, die Bettelkinder, und er erkennt sein alltägliches, orientalisch veranlagtes Kaffeehaus-Gefühl, allein als Beobachter unter den Menschen zu sitzen, was in England zu dieser Zeit höchst verpönt war, und in seinen späteren Aufzeichnungen wie folgt ausgedrückt wird:  

London nach Marrakesch. Er sitzt in einem Raum mit zehn Frauen an verschiedenen Tischen, alle unverschleiert. Leichte Irritation.-Das Runde aller Vorgänge in Marrakesch, wie die Augenhöhlen der Blinden; nichts bricht ganz ab, das Abrupteste setzt sich fort durch Wiederholung. – Das Stammeln deines Ohres, als es so viel hörte und nichts begriff. Zu Denken, daß sie jeden Tag, seit du fort bist, weiter gerufen haben, zu Denken, daß die Blinden jetzt rufen, während du hier sitzt: Allah! Allah!  […] Was ist es, das man an den geschlossenen Städten so liebt, an den Städten, die ganz in Mauern enthalten sind, die nicht allmählich und ungleichmäßig an Straßen auslaufen? Es ist besonders die Dichte, man kann nicht überall hinaus, immer wieder gerät man an Mauern und wird auf die Stadt zurückverwiesen. In einer Stadt mit vielen Sackgassen wie Marrakesch vervielfältigt sich dieser Vorgang; man gerät tiefer und tiefer in sie hinein und steht plötzlich vor einer Haustüre und kann nicht mehr durch”   (AVV, 64)

Denn während er sich den Engländern und Franzosen in Marrakesch immer fremder fühlt, werden ihm die Leute, “die immer da gelebt haben und die ich nicht verstand […] mir wie ich selbst” (SvM, 198). Schließlich unternahm Canetti die Reise und Konfrontation  mit dieser Sprache bewußt ohne Sprachkenntnisse. Dies ist auch ein Grund dafür, daß der polyglotte Canetti in seinem Traum vom “Mann, der die Sprachen der Erde verlernt, bis er in keinem Lande mehr versteht, was gesagt wird” (SvM, 21) anschließend seine eigentliche Sprachlosigkeit: “Eine wunderbar leuchtende, schwerflüssige Substanz bleibt in mir zurück und spottert der Worte” (SvM, 21) erkennt. Die Erklärung dieser wichtigen Erfahrung der Sprachlosigkeit hat Canetti in seinen Aufzeichnungen auf den Punkt gebracht:

“Alle Sprache ist durchsetzt und belebt von Geschöpfen, denen die größte Verachtung gilt. Man spricht von Kröten und Ungeziefer, von Schlangen, Würmern und Schweinen. Was wäre, wenn alle Worte und Gegenstände der Verachtung plötzlich abhanden kämen? – Wenn jeder Mensch ahnte, von wie vielen er durchschaut wird! – Dort gehen die Leute nie allein, nur in Gruppen von vier bis acht, ihre Haare unentwirrbar ineinander verflochten.-Die Religionen stecken einander an. Kaum geht man auf eine ein, wird die andre in einem lebendig.”    (AvV, 64)

Abschließend können wir davon ausgehen, daß beide Erkundungsreisen Canettis, in seine autobiographische Vergangenheit und die orientalische Gegenwart, ganz in diesem Sinne keineswegs frei von seinen exemplarischen Erinnerungen  an das tragische Schicksal und die Tragödie der Juden sind, die gerade in Mitteleuropa seine Heimat für Jahrhunderte zu finden geglaubt hatten. Die Frage nach der Multikulturalität Rustschuks und Marrakeschs bleibt ein Wunsch nach einer Wiedergutmachung und bedeutet eine Sehnsucht nach der Vergangenheit. Und dieses besondere Interesse für das Judentum, wie auch die Suche nach der multikulturellen Vielfalt der beiden Regionen, in denen sich die verfolgten Juden niederließen, nach dem Mythos und dem Phänomen der multinationalen Harmonie stellt auch das Thema und Hauptziel der besprochenen Aufzeichnungen nicht nur im privaten Bereich dar. Es handelt sich in beiden Werken zweifelsfrei um die Spurensuche der einstigen Multikulturalität; dies mündet allerdings hauptsächlich in der Suche nach den “verwehten Spuren” einer einzigen Bevölkerungsgruppe und nicht nach dem Zusammenleben vieler Nationen. Somit stehen Canettis aufgezeichneten Erinnerungen der Gegenwart gegenüber, deren Einsamkeit und Einfältigkeit er offen in einem Gegenbild von Rustschuk und Marrakesch kritisiert. Und die Suche nach dem geographisch-literarischen Ort verwandelt sich in eine Suche nach dem multikulturellen Milieu, das die Sensibilität und Weltauffassung des Schriftstellers und Menschen Canetti mitgeprägt und geformt hat. Schließlich wurde ihm bereits in frühester Kindheit anerzogen, Dinge nicht etwa aus praktischen Gründen zu unternehmen, sondern besonders seine Mutter lehrte ihn, trotz ihres unerklärlichen Kastenstolzes, “Freiheit, Weite und Uneigennützigkeit des Blicks” (GZ, 230-231) zu bewahren.Ganz in diesem Sinne fordert Canetti für die multikulturelle, friedliche Harmonie zwischen den Kulturen, die Zugänge zwischen den Menschen offenzuhalten:

“Sie sollten imstande sein, zu jedem zu werden, auch zum Kleinsten, zum Naivsten, zum Ohnmächtigsten. Ihre Lust auf Erfahrung anderer von innen her dürfte nie von den Zwecken bestimmt sein, aus denen unser normales, sozusagen offizielles Leben besteht, sie müßte völlig frei sein von einer Absicht auf Erfolg oder Geltung, eine Leidenschaft für sich, eben die Leidenschaft der Verwandlung. Es würde ein immer offenes Ohr dazugehören, doch wäre es damit allein nicht getan, denn eine Überzahl der Menschen heute ist des Sprechens kaum mehr mächtig, sie äußern sich in den Phrasen der Zeitungen und öffentlichen Medien und sagen, ohne wirklich dasselbe zu sein, mehr und mehr dasselbe. Nur durch Verwandlung in dem extremen Sinn, in dem das Wort hier gebraucht wird, wäre es möglich zu fühlen, was ein Mensch hinter seinen Worten ist, der wirkliche Bestand dessen, was an Lebendem da ist, wäre auf keine andere Weise zu erfassen. Es ist ein geheimnisvoller, in seiner Natur noch kaum untersuchter Prozeß und doch ist es der einzige wahre Zugang zum anderen Menschen."(42)

Durch seine Worte hält Canetti den modernen Intellektuellen dazu an, für Andersartigkeiten Toleranz aufzubringen, und kritisiert die Verantwortungslosigkeit für natürliche und kulturelle Welten von Multikulturalitäten. Und dazu muß “Einer, der sich nach Hause verirren kann […]  jedesmal einen anderen Weg” finden (AvV, 49).


QUELLENVERZEICHNIS:


Fußnoten:

(1) Frank-Olaf Radtke (1991): Lob der Gleichgültigkeit. Die Konstruktion des Fremden im Diskurs des Multikulturalismus. In: Uli Bielefeld (Hrsg.): Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der Alten Welt? Hamburg, Junius, S. 79-96, hier: S. 93.
(2) Elias Canetti (1977): Die gerettete Zunge. Geschichte einer Jugend. München, Wien, Hanser. Im folgenden werden alle Zitate nach dieser Ausgabe mit GZ und Seitenzahl angegeben. 
(3) Elias Canetti (1988): Die Stimmen von Marrakesch. Aufzeichnungen nach einer Reise. München, Wien, Hanser. Im folgenden werden alle Zitate nach dieser Ausgabe mit SvM und Seitenzahl angegeben.  
(4) Heinrich Pleticha, Siegfried Ausgustin (1999): Lexikon der Abenteuer- und Reiseliteratur von Afrika bis Winnetou.  Edition Erdmann, Stuttgart, Wien, Bern, S. 5.
(5) Elias Canetti (1970): Alle vergeudete Verehrung. Aufzeichnungen 1949-1960. München, Hanser, S. 102. Im folgenden werden alle Zitate nach dieser Ausgabe mit AvV und Seitenzahl angegeben. 
(6) Wolfgang Kraus (11/12.10.1969): Reise zur Gegenwelt, In: Die Presse (Wien). Zitiert nach Sven Hanuschek (2005): Elias Canetti. Biographie. München, Wien, Hanser, S. 528.  
(7) Elias Canetti (1982): Provinz der Menschen. Aufzeichnunge 1942-1972, München, Wien: Hanser, S. 45.
(8) In Wien hat er Chemie studiert, als ergebener Jünger die Vorlesungen von Karl Kraus besucht und seine erste Frau und wichtigste Gesprächspartnerin Veza kennen gelernt. Vgl. dazu Zbigniew Światłowski: Elias Canetti oder die Ehrenrettung der Literatur, http://www.nkjo-legnica.oswiata.org.pl/data/orbis/text/SWIATLOW.htm , letzer Zugriff am 12.09.2007.
(9) Wie Canetti sich in der “Geretteten Zunge” zurückerinnert, wurde ihm, dessen Muttersprache bis dahin das judenspanische Ladino war, die Deutsche Sprache erst 1913, nach dem Tod seines Vaters von seiner Mutter “unter Schmerzen eingepflanzt” (GZ, 102).
(10) Simone Kremsberger (25. Juli 2005): Der Jahrhundertschriftsteller Elias Canetti. Unter: http://www.dieuniversitaet-online.at/kultur/neste/3.html, letzter Zugriff am 20.11.2007.
(11) Elias Canetti (2005): Aufsätze, Reden, Gespräche. München, Wien, Hanser, S. 190. Im folgenden werden alle Zitate nach dieser Ausgabe mit ARG und Seitenzahl angegeben.
(12) Die Vorfahren der Sepharden wurden im 15. Jahrhunder im Zuge der Reconquista und der Inquisition aus Spanien vertrieben. Zahlreiche dieser Emigranten fanden damals im Osmanischen Reich eine neue Heimatstadt, wo sie sich ihre spanischen Sitten und ihre spanische Sprache über Jahrhunderte zu bewahren wussten. So sprach auch die sephardische Gruppe in Rustschuk, das nach dem Zerfall des Osmanische Reiches bulgarisch geworden war, noch das altertümliche Spanisch (Ladino), doch zugleich orientierte sich die gebildete Schicht kulturell und sprachlich an dem donauaufwärts gelegenen “Europa” (vgl. GZ, 11), vgl. dazu: Martin Bollacher: “Spaniole” und “deutscher Dichter”. Elias Canettis Verhältnis zum Judentum. In: Heinz Arnold Ludwig (Hrsg.): Elias Canetti. 4. Aufl., Neufassung, Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur, Heft 28, München, Boorberg Verlag, Juli 2005, S. 92-103, hier: S. 95.
(13) Die autobiographische Triologie Canettis besteht aus: “Die gerettete Zunge” (1977), “Die Fackel im Ohr” (1980) und “Das Augenspiel” (1985), alle im Hanser Verlag  (München, Wien) erschienen.
(14) Elena Viorel (2003): Interkultureller Hintergrund beim Lesen und Übersetzen von Canettis Autobiographie, In: Zeitschrift der Germanisten Rumäniens. 11. und 12. J., Heft 1-2 (21-22), 2002/2003, Hrsg. v. Gesellschaft der Geermanisten Rumäniens//VI. Germanistenkongress und 100. Jubiläum. Editura Paideia, Bukarest, S. 184-194, hier:  185-186.
(15) Elias Canetti (1987): Masse und Macht. München, Wien, Hanser, S. 196. Im folgenden werden alle Zitate dieser Ausgabe mit MuM und Seitenzahl angegeben.
(16) Martin Bollacher, a.a.O., S. 95.
(17) ebd., S. 94.
(18) Außer ihrer Sprache bewahrten sich die einst in Spanien gebürtigen sephardisch-jüdischen Emigranten unter den Juden der Diaspora, welche die Judenviertel von Amsterdam, von Hamburg, von Mitteleuropa, der Balkanländer, von Saloniki, von Stambul, von Smyrna bevölkerten, ein besonderes Kennzeichen, einen Stempel der Vornhemheit, der ihrenen Eigenart verleih. Vgl. dazu: Robert Corcoll Calast: Elias Canetti und Spanien. In:  Hüter der Verwandlung, Beiträge zum Werk von Elias Canetti, Frankfurt am Main, Fischer, 1988, S. 111- 120, hier S. 116.
(19) Wenzeslav Kostanitov: Elias Canetti – ein österreichischer Schriftsteller? Verwandlungen zwischen Rustschuk und Wien. Unter: http://www.inst.at/trans/7Nr.konstantinov7.htm, letzter Zugriff am 15.10.2007.
(20) Vgl. dazu auch das Gespräch mit Ruprecht Slavko Baur, In: Hein Ludwig Arnold, a.a.O., S. 266-276, hier: 268
(21) Penka Angelova (2005): Elias Canetti. Spuren zum mythischen Denken, Wien, Zsolay,  S. 8.
(22) Sven Hanuschek, a.a.O., S. 42.
(23) Wie Canetti selbst in seiner Autobiographie erklärt, waren die meisten der Spaniolen aus “einer Art von angestammter Treue zur Türkei, wo man die sie immer gut behandelt hatte” (GZ, 148) türkische Staatsbürger geblieben.
(24) Elias Canetti (2003): Party im Blitz. Die englischen Jahre. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Kristian Wachinger. Mit einem Nachwort von Jeremey Adler. München, Wien, Hanser, S. 110.
(25) Elias Canetti (1982): Die Provinz des Menschen. Aufzeichnungen 1942-1972, München, Hanser, S. 194.
(26) Dagmar Barnouw (1996): Elias Canetti zur Einführung. Hamburg , Junius, S. 226.
(27) Kristian Wachinger (Hrsg.): Elias Canetti. Bilder aus seinem Leben. München, Wien, Hanser, 2005,  Postkarte an Georges Canetti aus Marrakkesch vom 20. März 1954, S. 111.
(28) Elias Canetti (1980): Die Fackel im Ohr. München, Wien, Hanser, S. 131.
(29) ebd., S. 134.
(30) Elias Canetti (1987): Das Geheimerz der Uhr. Aufzeichnungen 1973-1985, München, Wien, Hanser, S. 161.
(31) Dagmar Barnouw, a.a.O., 228.
(32) Sven Hanuschek, a.a.O., S. 536.
(33) ebd., S. 538.  
(34) Dagmar Barnouw, a.a.O., S. 227.
(35) Sven Hanuschek, a. a. O., S. 535.
(36) Dagmar Barnouw, a.a.O.,  228.
(37) o. A. (1995): Wortmasken. Texte zu Leben und Werk von Elias Canetti, München, Wien, Hanser, S. 119.
(38) Sven Hanuschek, a.a.O., S. 32.
(39) Dagmar Barnouw, a.a.O., S. 223.
(40) zitiert nach Sven Hanuschek, a.a.O, S. 529.
(41) zitiert nach ebd, S. 529. 
(42) Elias Canetti (1976): Das Gewissen der Worte. Essay, München, Hanser, S. 261.

3.1. Culture sans frontières / Kultur ohne Grenzen / Culture without Borders

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For quotation purposes:
Dilek Altinkaya-Nergis: Rustschuk und Marakkesch: Stationen der Multikulturalität in Canettis Vita. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/3-1/3-1_altinkaya-nergis.htm

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