TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr.
Januar 2010

Sektion 5.5. Mehrsprachigkeit und literarische Kreativität
Sektionsleiterin | Section Chair: Michaela Bürger-Koftis (Genua)

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Pluridimensionale Kreativität und Interpretation von Text und Sprache

Dagmar Winkler (Universität Padua) [BIO]

Email: dagmarsonja.winkler@tin.it

 

mit Sprache kann man eigentlich alles machen – auch ein flugzeug bauen und damit fortfliegen – aber die träume bleiben deutsch
(Oswald Wiener die verbesserung von mitteleuropa 1969)(1).

Durch Sprache magnetisch angezogen. Akribisch archiviert. Ein Gewirk aus Bewegungen, Tönen, Gerüchen, Kopf- und Körperhaltungen, aus Augenblicken, Augenfarben, Mundregionen und Wangenleuchten, das sich mit dem Klang vereinigt
(Marica Bodrožić Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern 2007)(2).

 

I.

Zwei Interpretationen von Sprache, die „alles mit allem mit allem in Beziehung“ bringen, wie die österreichische Autorin Elfriede Gerstl in ihrem Roman Spielräume von 1969  behauptet(3). Die Worte von Oswald Wiener, einem Mitglied der Wiener Gruppe, sind seinem experimentellen Roman die verbesserung von mitteleuropa, vorangestellt. Die ‚Wiener Gruppe’, Oswald Wiener galt als der Theoretiker, Kybernetiker der Gruppe, ist eine Gruppe, die in den fünfziger Jahren mit Sprache und Literatur experimentierte, wobei vor allem die Sprache im Mittelpunkt stand. Die Sprache wurde in ihre kleinsten Teile zerlegt, der Einfluss des amerikanischen Strukturalismus ist unverkennbar. Nicht nur das Schriftbild wurde beobachtet und analysiert, denn jedes Wort und jeder Buchstabe hat seine eigene Gestalt, seine grammatikalische Funktion und semantische Interpretation, auch die phonetische Komponente war von größtem Interesse und es wurde die Wechselbeziehung zwischen Schriftbild und Klanggestalt,  zwischen geschriebenen und gesprochenen Buchstaben, zwischen ihrer bildlichen Darstellung und akustischen Realisierung untersucht und überprüft. Diese Wechselbeziehung ist einer Molekülkette vergleichbar: die Wörter des Satzes sind die Moleküle, die Buchstaben die Atome, und die Verschiedenheit der Atome wird durch die Differenzierungen zwischen geschriebenen und gesprochenen Buchstaben charakterisiert.

Die Tendenz mit Sprache zu experimentieren und die Sprache zu zerlegen war kein Außenseiterphänomen der fünf Mitglieder der Gruppe Friedrich Achleitner, Hans Carl Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener(4), der Gruppe standen auch Ernst Jandl, Friederike Mayröcker und Andreas Okopenko nahe, sondern spiegelt eine Zeiterscheinung wider: nach den „zwölf schwarzen Jahren“ des Nationalsozialismus und nach „sieben Jahren gewaltsamer Absperrung“ galt es „aufzuholen, was sich inzwischen draußen getan hatte“, wie Gerhard Rühm dazu sagt (Rühm 1967: 7). 1945, in dieser „Stunde Null“ spricht man auch von „Kahlschlag“ in der Literatur, von „Trümmerliteratur“, von einem Neubeginn von Grund auf, und wo sollte dieser Neubeginn seinen Anfang nehmen, wenn nicht von der Sprache aus? Theodor Wiesengrund Adornos bis zum „Überdruss zitiertes Wort, dass ‚nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben barbarisch’ sei, wurde zum paradoxen Anlass weiter Gedichte zu schreiben: zu erweisen, wie Lyrik nicht nach Auschwitz, sondern trotz Auschwitz möglich wäre“(5). Was die Textproduktion betrifft, zu der es nach 1945 kam, ist zu sagen, dass vieles von dem Geschriebenen nicht mit den üblichen, ins Literaturschema passenden Kriterien, definiert werden kann; diese neuen Texte haben nicht nur das Ziel, Inhalte zu vermitteln, sondern in erster Linie das Rohmaterial dieser Texte, die Sprache, Grundbaustein eines jeden Textes, in Betracht zu ziehen und darauf aufzubauen. Dieser Prozess führte auch dazu, durch nicht traditionelles Verwenden der Sprache provokativ zu wirken, wodurch die Gesellschaft, der konservative Leser/Zuhörer aufgerüttelt werden sollte; mit anderen Worten heißt das auch: soziale Revolution mittels kreativen Neueinsatzes der Sprache. Verschiedene lose Avantgardegruppen bildeten sich, ihre Ziele waren mehr oder weniger radikal, auch politisch untermalt, linksgerichtet und anarchistisch, aber ein gemeinsamer Nenner vereinte die Textproduktion jener Epoche des 20. Jahrhunderts: die Hinwendung zur Sprache, ein sich auf die Sprache Konzentrieren und als Folge davon entwickelte sich ein neues Sprachbewusstsein.

An dem Phänomen Sprache sind seit der Antike Philosophen, Schriftsteller und Intellektuelle interessiert; im deutschsprachigen Raum war schon Karl der Grosse mit der Herausgabe eines Wörterbuches Latein – Althochdeutsch beschäftigt, im 16. Jahrhundert betätigte sich Martin Luther als Spracherneuerer und Übersetzer der Bibel in eine allgemein verständliche deutsche Sprache, aber auch Johann Fischart(6), der mit Anagrammen und Palindromen in und mit der Sprache experimentierte. Im 18. Jahrhundert leitete Johann Wolfgang Goethe die moderne Sprache ein und schuf zahlreiche Neologismen. Mit Sprachbetrachtung beschäftigten sich im 19. Jahrhundert die Philosophen Friedrich Schleiermacher, Wilhelm von Humboldt und Friedrich Nietzsche. Von grundlegender Bedeutung wurde Sprache an sich im 20. Jahrhundert, von den verschiedensten Blickpunkten aus beleuchtet, vor allem in der ersten Hälfte des Jahrhunderts mit den zwei bisher bedeutendsten Sprachphilosophen Fritz Mauthner(7), dessen Ideen dann von Ludwig Wittgenstein aufgegriffen, weitergeführt und erweitert wurden. Skepsis der Sprache gegenüber charakterisierte auch Schriftsteller ab der Jahrhundertwende wie Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Franz Kafka. Strömungen wie der Expressionismus, der Dadaismus, der Futurismus, der Surrealismus hatten soziale Revolution auch durch Spracherneuerung in ihren Werken als Ziel. Interessant ist diesbezüglich auch die Tatsache, dass die zwei wichtigsten Sprachphilosophen, Mauthner und Wittgenstein, Österreicher waren, sicher hat dazu auch die Mehrsprachigkeit des Habsburgerstaates beigetragen; auch vom heutigen Standpunkt aus kann dazu gesagt werden, dass sich mit spezifischen Experimenten in und mit der Sprache vor allem österreichische Autoren beschäftigt haben und noch heute beschäftigen, wie nach 1945 die Wiener Gruppe, die sich 1964 auflöste, ab 1959 die Grazer Gruppe mit Autoren wie Peter Handke, Wolfgang Bauer, Gert Jonke, Klaus Hoffer, Peter Rosei, Urs Widmer, Erwin Einziger, um nur einige zu nennen und der noch heute erscheinenden Literaturzeitschrift „manuskripte“(8); nicht zu vergessen sind die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und der schon verstorbene Thomas Bernhard. Sie alle strebten und streben eine Synthese zwischen experimenteller und traditioneller Textproduktion an. In den sechziger Jahren begannen Autoren zu veröffentlichen, die als so genannte Fortsetzer der Wiener Gruppe definiert wurden wie Elfriede Gerstl, Peter Waterhouse, Heimrad Bäcker, Elfriede Czurda, Reinhard Prießnitz, Ferdinand Schmatz, Bodo Hell, um nur einige zu nennen, weil sie sich weiterhin intensiv mit Sprachexperimenten beschäftigten, wenn auch weniger radikal(9).

Was wollen Wieners Worte, eingefügt in den eben erwähnten historischen Kontext, besagen? Zwei Zeilen nur, die aber bestens zu einer pluridimensionalen Interpretation von Text und Sprache Anlass geben. Dass man mit Sprache experimentieren, und in diesem Sinne „alles machen kann“, haben die zahlreichen Experimente in und mit der Sprache gezeigt, die radikalen Experimente ab den fünfziger Jahren haben die Sprachpotentialität erkennen lassen, gleichzeitig aber auch ihre Grenzen, wenn die Experimente auf eine Nonsens-Schwelle stießen. Diesbezüglich können die bis heute getätigten Experimente in ein Dreiphasenprogramm (Winkler 1996: 90-163) gegliedert werden, wobei Phase Eins allgemeine jahrhundertealte dichterische Freiheiten, wie zum Beispiel die für die deutsche Sprache so charakterisierenden Wortkomposita, die zu neuen Wortkreationen und Neologismen führen, in Betracht zieht, zusammen mit verschiedenen Montagetechniken, von der Filmproduktion inspiriert, aber auch der Technik der Nominalisierung und Verbalisierung von Verben und Adjektiven, Freiheit der Interpunktion, Kleinschreibung der Substantiva und Substantivierungen. Erst in Phase Zwei werden spezifische Techniken beleuchtet, wie die Satz- und Wortmontage, das heißt Einfügen von Sätzen, Slogans, Aphorismen, Sprichwörtern in Absätze und Sätze, der Wortaustausch in Sätzen, das Auflösen von Sätzen und vollkommene Weglassen jeglicher Interpunktion; eine andere Technik ist die Satz- und Wortkonstellation, dabei handelt es sich um das mehrmalige Wiederholen von Sätzen, Satzkonglomeraten und Wörtern, die auch optisch positioniert werden, um eine mögliche Verbindung zwischen semantischer Bedeutung des Satzes/Satzkonglomerates/Wortes und optischer Darstellung zu  überprüfen. Als Beispiel sollen nur einige dieser Experimente angeführt werden, die nunmehr bekanntesten, um ihren Effekt – optisch und akustisch – auch wirklich erkennen zu können. Viele dieser Experimente wurden als Audio-visuelle

Poesie oder Konkrete Poesie definiert:

Figur 1: (10)                                                         

                               ebbeebbeebbeebbeebbe
                               ebbeebbeebbeebbe          f l u t     
                               ebbeebbeebbe          f l u t f l u t
                               ebbeebbe       f l u t f l u t f l u t
                               ebbe       l u t f l u t f l u t f l u t
                                    l u t f l u t f l u t f l u t f l u t
                               ebbe       l u t f l u t f l u t f l u t
                               ebbeebbe       f l u t f l u t f l u t
                               ebbeebbeebbe          f l u t f l u t
                               ebbeebbeebbeebbe          f l u t     
                               ebbeebbeebbeebbeebbe
                               ebbeebbeebbeebbe          f l u t     
                               ebbeebbeebbe          f l u t f l u t
                               ebbeebbe       f l u t f l u t f l u t
                               ebbe       l u t f l u t f l u t f l u t
                                    l u t f l u t f l u t f l u t f l u t
                               ebbe       l u t f l u t f l u t f l u t
                               ebbeebbe       f l u t f l u t f l u t
                               ebbeebbeebbe          f l u t f l u t
                               ebbeebbeebbeebbe          f l u t     
                               ebbeebbeebbeebbeebbe
                               ebbeebbeebbeebbe          f l u t     
                               ebbeebbeebbe          f l u t f l u t
                               ebbeebbe       f l u t f l u t f l u t
                               ebbe       l u t f l u t f l u t f l u t
                                    l u t f l u t f l u t f l u t f l u t
                               ebbe       l u t f l u t f l u t f l u t
                               ebbeebbe       f l u t f l u t f l u t
                               ebbeebbeebbe          f l u t f l u t
                               ebbeebbeebbeebbe          f l u t     
                               ebbeebbeebbeebbeebbe
                               ebbeebbeebbeebbe          f l u t     
                               ebbeebbeebbe          f l u t f l u t
                               ebbeebbe       f l u t f l u t f l u t
                               ebbe       l u t f l u t f l u t f l u t
                                    l u t f l u t f l u t f l u t f l u t
                              

Diese Konstellation von Timm Ulrichs soll eine Wellenbewegung aufzeigen, vor allem wenn die Figur statt vertikal in die Horizontale gedreht wird. Somit können semantisch die zwei Wörter/Worte, sie sind ja eng miteinander verbunden, dekodiert werden: für den Betrachter durch die optische Darstellung der zwei sich wiederholenden mit kleinem Anfangsbuchstaben geschriebenen Substantiva ebbe und f l u t, die eine Wellenbewegung erkennen lassen und durch den differenzierten Abstand zwischen den Buchstaben der beiden Worte auch darauf hinweisen, dass die Flut zu mehr Volumen führt als die Ebbe; für den Hörer phonetisch, denn das Wort Ebbe, ein Palindrom, das aus den zwei Silben eb und be besteht, wird mit leiser Stimme vorgetragen und durch den stimmhaften Vokal e als Anlaut und Auslaut wird das Zusammentreffen der zwei stimmhaften Konsonanten b in seiner phonetischen Weichheit noch unterstützt. Das Wort Flut hingegen, besteht aus drei Konsonanten und einem Vokal und ist durch den obstruent-frikativen  Anlautkonsonanten f, auf den der koronal-frikativeKonsonant l folgt und den obstruent-anterior-koronalen Auslautkonsonanten t phonetisch viel härter anzuhören; der hohe und stimmhafte Konsonant u verleiht dem Wort, das mit lauterer Stimme gelesen wird als das Wort Ebbe, etwas Dunkel-Beunruhigendes, wodurch das rauschende Wasser, das mit seiner Stärke die Ebbe ablöst, wiedergegeben werden soll. 

Figur 2:
                                     d i e   z e i t  v e r g e h t

                                                   l u s t i g
                                            l u s l u s t i g t i g
                                   l u s l u s l u s t i g t i g t i g
                            l u s l u s l u s l u s t i g t i g t i g t i g
                    l u s l u s l u s l u s l u s t i g t i g t i g t i g t i g
            l u s l u s l u s l u s l u s l u s t i g t i g t i g t i g t i g t i g  
    l u s l u s l u s l u s l u s l u s l u s t i g t i g t i g t i g t i g t i g t i g   
 l u s l u s l u s l u s l u s l u s l u s l u s t i g t i g t i g t i g t i g t i g t i g t ig
 l u s l u s l u s l u s l u s l u s l u s l u s l u s t i g t i g t i g t i g t i g t i g t i g t i g t i g 

 

Figur 2 ist von Ernst Jandl und trägt den kleingeschriebenen Titel die Zeit vergeht. Die dargestellte Figur lässt sofort die Idee einer Pyramide aufkommen, wodurch an vergangene Zeiten und Kulturen erinnert und optisch eine Beziehung zum Titel herstellt wird. Am Gipfel der Pyramide steht das zweisilbige Wort lus-tig, semantisch eine Anspielung darauf, die Zeit, die vergeht, angenehm und unterhaltsam zu verbringen. Phonetisch wird das Wort lustig besonders signifikativ: durch die Silbentrennung und das mehrmalige aufeinander folgende Wiederholen der jeweiligen Silben lus und tig, wird phonetisch durch die zweite Silbe mit dem stimmhaft obstruenten Auslautkonsonanten g, der sich wie der Konsonant k anhört, das Ticken einer Stand- oder Wanduhr wiedergegeben und somit eine Verbindung zum Titel und zur graphischen Darstellung, der Pyramide, hergestellt.

Figur 3

:

Diese Apfelkonstellation von Reinhard Döhl – der Apfel als biblisches Ursprungssymbol – wird als optisches Schriftbild dargestellt. Der aufmerksame Leser und Hörer wird durch das Wort Wurm als Störungsfaktor aufgeschreckt und zu verschiedenen Interpretationen angeregt.

Fig. 4:
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                                               Worte
                               Du           Worte        Ich      

 

                          Worte Worte Worte
                           Worte Worte Worte Worte
                      Worte                                    Worte
                   Worte                                       Worte
                 Worte                                                Worte
     Du    Worte                                                         Worte    Ich
           

In dieser letzten hier dargestellten Konstellation bezieht sich der Autor Ernst Jandl auf das Substantiv das Wort und wählt bewusst den Plural Worte und nicht Wörter, was bedeutet, dass er sich auf eine zusammenhängende Texteinheit beziehen will, und die Anordnung der drei Worte dahingehend interpretiert werden soll, dass die erste dargestellte Konstellation – sechzehn Mal Worte untereinander geschrieben und an der Basis die Personalpronomen Ich und Du, mit großem Anfangsbuchstaben – etwas Trennendes, eine Mauer, eine Trennwand symbolisieren soll, die die Kommunikation zwischen zwei und mehreren Personen stören oder überhaupt nicht stattfinden lassen kann. In Darstellung Zwei hingegen kann die Disposition der Wiederholung von Worte als eine Art Verbindungsbrücke zwischen dem Du und dem Ich, also zwischen Personen interpretiert werden. Kommunikation, bei der die sprachliche Komponente, das mündlich oder schriftlich ausgedrückte Wort von grundlegender Bedeutung ist, kann durch verschiedene kulturelle, psychologische und physische Faktoren in einer Sprache, und bei Miteinbeziehung von Fremdsprachen in verschiedenen Gradationen, positiv oder negativ erfolgen und sogar zu völligem Nichtverstehen führen.

Durch Einfügen dieser Ein- und Mehrwortkonstellationen und audio-visueller Poesie konnten beim Fremdsprachenunterricht große Erfolge erzielt werden, die zu pluridimensionaler Kreativität anregen und das visuelle Gedächtnis schulen, Ansätze, die noch weiter ausgebaut werden müssten(11).

Zu Phase Zwei gehört auch die immer beliebtere Technik, die Collage, die von der kommerziell orientierten Werbung übernommen wurde, das Verbinden zwischen Bild und Wort, Bild und Ton, Grundlage des Phänomens Film und Fernsehen. Zahlreiche Autoren bedienen sich dieser Technik, der Phantasie sind da fast keine Grenzen gesetzt. Der österreichische Autor Bodo Hell zum Beispiel, der viele Monate im Jahr im Gebirge verbringt, setzt in seine Texte anstatt der Punkte kleine Photographien von verschieden geformten Steinen, denen er auf seinen Wanderwegen begegnet. Und den Prozess der Sprachkommunikation vergleicht er mit der Mühe beim Bergsteigen bis zum Gipfelerklimmen. Pflanzengeflechte, die sich im Hochgebirge um Steine und Wurzeln kringeln, werden von Hell mit dem komplizierten und doch auch konkret sichtbaren und hörbaren Sprachgeflecht verglichen(12). Andere Autoren, wie zum Beispiel der schon verstorbene Reinhard Prießnitz setzten statt des Wortes und, in einige Texte das Handel und Industrie charakterisierende Zeichen & ein(13), womit Phase Drei eingeleitet wird, durch das Einführen von semiotischen Elementen in verschiedenartigste Texte charakterisiert; in dieser Phase kommt es auch zum Einfügen von fremdsprachigen Sätzen und Ausdrücken in Texte, aber auch von nicht existierenden, erfundenen Wortformen in Sätze, Prosa- und Lyriktexte(14); es kommt zu Sprechgedichten, wobei der akustische Effekt im Vordergrund steht und oft die genaue Aussprachewiedergabe im Text gedruckt erscheint. Das Augenmerk wird immer mehr auf den Buchstaben an sich gelenkt, es kommt zu Morphemmontagen, Buchstabenaustausch innerhalb ein und desselben Wortes, die optische Einteilung beginnt immer mehr Wichtigkeit anzunehmen, bis durch einen weiteren Schritt Wörter durch Zahlen und verschiedene semiotische Zeichen ersetzt werden und auf diese Weise die Nonsense-Schwelle überschritten wird. Um verstehen zu garantieren, darf diese Schwelle, einer Normengrenze vergleichbar, nicht überschritten werden und das bedeutet, dass im Endeffekt für die Sprache nicht ins Unbestimmte gehende Möglichkeiten gegeben sind. Man kann mit den verschiedensten Kombinationen experimentieren, „man kann“, wie Oswald Wiener feststellt, mit Sprache eigentlich alles machen, auch ein „Flugzeug bauen“ und damit auf den Flügeln der Phantasie „fortfliegen, aber die Träume bleiben Deutsch“; den Träumen, also auch der Phantasie, sind Grenzen gesetzt, sprachliche Grenzen, denn Phantasie und Träume werden doch auch immer sprachlich dekodiert, was Sprachkenntnisse einer oder mehrerer Sprachen impliziert. Experimente, Träume und Phantasien in und mit der deutschen Sprache bleiben Deutsch und wenn sie in einer anderen Sprache mitgeteilt werden sollen, müssen sie Übersetzungstechniken, verschiedenen Regeln und Neuinterpretationen unterliegen, soll in der zu übersetzenden Sprache nicht die Verstehensgrenze überschritten werden. Daraus ergibt sich, was in der Sprachwissenschaft von den verschiedensten Sprachforschern belegt wird, dass Sprache ein unaufhörlich dynamisch fluktuierendes Phänomen zwischen Kodieren und Dekodieren, zwischen Kommunikation und Interpretation ist. Diese unaufhörliche Interaktion erfolgt nicht nur innerhalb einer Sprache, sondern auch von einer Sprache zur anderen, von der Muttersprache in andere Sprachen; deshalb führt auch jedes Erlernen einer neuen Sprache zur Horizonterweiterung im Sinne von Ludwig Wittgensteins Maxime 5.6. aus seinem Tractatus logico-philosophicus, wenn es heißt: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“(15), und Horizonterweiterung führt zu pluridimensionaler Interpretationsfähigkeit, notwendig für das Übersetzen und Vertiefen von Muttersprache und Fremdsprache.

II.

Das unaufhörliche Fluktuieren zwischen Kommunikation und Interpretation hat, außer zu Experimentierfreude, zu zwei weiteren Sprachphänomenen geführt: zu einer über die Sprachskepsis hinausgehenden extrem pessimistischen Anschauung der Sprache gegenüber, wie in Wittgensteins Maxime 7 zum Ausdruck kommt, wenn er behauptet, dass man „worüber man nicht sprechen kann, schweigen muss“; oder bei Konrad Bayer, der behauptet, dass wenn er „etwas mitzuteilen hätte, würde er es sein lassen. Es würde in den Sätzen hängenbleiben“(16). Das andere nennenswerte Phänomen ist, dass sich die strukturalistische Experimentierfreude langsam erschöpft hat und einer Synthese zwischen Sprachexperiment und traditioneller Textproduktion Raum gelassen hat, wobei vor allem die semantische Variante in den Mittelpunkt gestellt wird und die Sprache in die Tiefe gehend, auf ihre pluridimensionale Wechselbeziehung zwischen grammatikalischem, syntaktischem und semantischem Wert hin untersucht wird. Zu dieser Kategorie gehören nicht nur schon erwähnte zahlreiche deutschsprachige Autoren; als eine Art von Synthese zwischen Sprachtradition und Experiment kann auch das interessante Phänomen, das sich in den letzten Jahren in den deutschsprachigen Ländern herauskristallisiert hat, angesehen werden: die Migrantenliteratur. In die deutschsprachigen Länder wurden vor allem in den fünfziger Jahren viele „Gastarbeiter“(17) gerufen, um beim Wiederaufbau und dem Wirtschaftsboom als Arbeitskräfte mitzuhelfen. Sie wurden Gastarbeiter genannt, denn sie sollten nur kurz bleiben, aber wie der Schweizer Autor Max Frisch feststellte, wurde bald erkannt, dass man Arbeitskräfte gerufen hatte, und „Menschen“ gekommen waren, die ihre Familien nachholten und im neuen Land sesshaft wurden(18); das führte natürlich nicht nur zu effektiven Integrationsproblemen, sondern auch dazu, dass sie die deutsche Sprache lernten und vertieften, um ihren Problemen im neuen Land und dem Heimweh nach dem Ursprungsland/Ausgangsland Ausdruck zu verleihen. So begann  eine nicht geringe Anzahl von diesen „Gastarbeitern“ auf Deutsch zu schreiben: Lyrik und Prosa, aber von einem neuen sprachlichen Blickpunkt aus. Diese Autoren gingen an die deutsche Sprache über ihre Muttersprache heran. Das Deutsche wurde durch die arabische, italienische, kroatische, türkische und rumänische Sprache filtriert, was natürlich zu neuen, pluridimensionalen Aspekten und verschiedenartiger Textproduktion und Interpretation führt. In den Texten werden auch neue Probleme aufgeworfen, die das Ursprungsland und Gastland betreffen, und die noch heute in Deutschland bestehenden schwierigen Kontakte zu den Migranten, aber auch Arbeitsprobleme und Politik werden erwähnt; man schrieb über die immer im Hintergrund schwelende Sehnsucht nach einem verlorenen Paradies, dem Ursprungsland, und davon, dass man nach Jahren Aufenthalt im neuen Land seine Ursprungsidentität in gewisser Weise verloren hat; diejenigen, die als Kinder in das Gastland kamen, oder schon dort geboren wurden, werfen wieder andere Probleme auf und behandeln sie unter einem neuen Blickpunkt, denn sie erlebten und erleben die Kultur ihrer Eltern und Verwandten im häuslichen Bereich und teils auch im Sommer während der Ferien, besuchten aber die Schule in Deutschland, und hätten somit in das System des Gastlandes schon von Jugend auf integriert werden sollen, was aber nicht immer geschah. Das Problem, das wie ein Leitmotiv die Werke dieser Autoren durchzieht sind tiefgehende Sprach- und Kommunikationsbetrachtungen.

Schon 1981 waren es zwei dieser Autoren gewesen, der Italiener Franco Biondi und der 1946 in Damaskus geborene, und seit 1971 in der Bundesrepublik lebende Rafik Schami, die als erste mitarbeiteten, um die Literatur der Betroffenen(19), wie sie ihren Essay nannten, das heißt die von „Gastarbeitern“ geschriebene Literatur, diese „zerstreute, vernachlässigte und unterdrückte Literatur“ zu fördern. Die beiden Autoren organisierten eine literarische Serie, das „Südwind Gastarbeiterdeutsch“(20), was als ein Ergebnis des 1980 gegründeten „Polynationalen Literatur- und Kunstvereins“ angesehen wurde. Die Polikunst wurde nicht als ein Mittel gedacht, um Zugang in die deutsche Kultur zu haben, sondern um die Aufmerksamkeit auf die multikulturelle Kultur zu lenken:

This literature of the affected was intended both to disconcert the bourgeois reader and to foster solidarity among the politically and economically oppressed(21).

Gemäß Heidrun Suhr, wie sie in ihrem Essay von 1989 Ausländerliteratur: Minority Literature in the Federal Republik of Germany behauptet, wollten die ausländischen Schriftsteller mit ihren Veröffentlichungen die Leser dazu anregen, über Xenophobie und die vielen anderen damit zusammenhängenden Probleme innerhalb der Gesellschaft nachzudenken und dadurch zu einem besseren Verständnis zwischen Ausländern und Deutschen beizutragen. Der deutsche Schriftsteller Günter Wallraff schrieb 1985 das Buch Ganz Unten (Köln: Kiepenheuer und Witsch), in dem der Protagonist, ein Türke, den Zustand der Gastarbeiter, die Ausbeutung und Unterdrückungsprozesse der Arbeitswelt aufdeckte. Der Autor, der drei Millionen Kopien seiner Bücher verkaufen und ein großes Publikum gewinnen konnte, hatte dafür zwei Jahre lang mit versteckter Kamera und Mikrophon, schlecht bezahlt, an verschiedenen Orten gearbeitet, um seine Erfahrungen ‚life’ dokumentieren zu können. Sein Buch wurde von deutschen und türkischen Intellektuellen kritisiert, weil die Türken als ungelehrt, ungebildet und leichtgläubig dargestellt werden, Wallraff wollte aber in erster Linie die Unterdrückung als „paradigmatic for the experience of oppression in general“ darstellen (Burns 1997: 13). Der italienische Schriftsteller Gino Chiellino, der ebenfalls zu dieser Art von Literatur gehört, sagt in seinem Essay Die Fremde als Ort der Geschichte, dass es für ihn eine „Notwendigkeit“ war, zu „schreiben“, um „jene totale Isolation zu durchbrechen, die nach dem Heimatverlust in einer fremden Umgebung“ um ihn herum entstanden war. Als „Heimatverlust“ versteht Chiellino weniger den „Gang in die Fremde als die Unmöglichkeit, sich weiterhin als Teil der Dorfgemeinschaft oder sogar der eigenen Familie zu verstehen“(22). Das Problem an sich ist zur Zeit noch immer und mehr denn je aktuell, es ist nicht leicht, diese Art von Literatur einzuordnen und auch die Definition „Ausländer- oder Migrantenliteratur“ ist nicht eindeutig zu erklären:

It ist difficult to find an unambiguous term to denote this newly developing field within German literature: the terms „Auslaender-„ or „Migrantenliteratur (literature by foreigners or migrants) are too general to characterize the specific development in the Federal Republic of Germany. „Gastarbeiterliteratur“ /guest worker literature) is too limited and arries negative and stigmatizing connotations (Suhr 1989: 74).

Rafik Schami versuchte in dem Referat Eine Literatur zwischen Minderheit und Mehrheit eine Definition der Gastarbeiterliteratur zu geben, indem er sagt, dass es sich um eine „spezifische Minderheitliteratur“ handelt, deren „Autoren Elemente ihrer Ursprungskulturen haben, deren Schmiede aber die hiesige Gesellschaft ist“(23). In dem schon erwähnten Essay Literatur der Betroffenen von Biondi und Schami, wird das Wort „Gastarbeiterliteratur“ auf provokative Weise verwendet, auch um auf die Ironie dieses Ausdrucks hinzuweisen:

The intended purpose of this literature was to make guest workers aware that their plight was not their individual failure and to provide self-help in defending their identity, a stepp in the process of self-discovery (Suhr 1989: 80).

Zweifelsohne hat die Migrantenliteratur zum Beispiel in der Exilliteratur zur Zeit des Nationalsozialismus im Dritten Reich, von 1933 bis 1945 und danach, einen diametral entgegen gesetzten Vorläufer innerhalb der deutschen Literaturszene: deutsche Autoren jüdischer Abstammung und mit dem Regime nicht in Einklang stehende Intellektuelle gingen ins Exil, einige kamen erst spät oder nicht mehr nach Deutschland zurück, und viele begannen in der neuen Sprache ihrer „Wahlheimat“ zu schreiben, um anzuklagen, um sich ihren Schmerz über die Zeitereignisse von der Seele zu schreiben. Bedeutungsvoll ist dazu der Titel von einem Essay von Jim Jordan von 2006 More than a metaphor: the passing of the two worlds paradigm in German Language diasporic Literature(24). „Gastarbeiterliteratur“, „Ausländerliteratur“, „Migranten-literatur“, die die Gegenwart ab 1970 kennzeichnen und die schon zur Vergangenheit gehörende „Exilliteratur“ sind Definitionen, die „viel mehr sind als eine Metapher“ (more than a metaphor), denn dahinter stehen die Schwierigkeiten und Frustrationen wirklicher Menschenschicksale, die unaufhörlich, in fluktuierender Dynamik zwischen zwei Kulturen vermitteln müssen, der Welt des Ausgangslandes und Migration und der Welt der Ankunft in dem neuen Land. Das Problem mit und in der Sprache, das Wie an Sprache herangegangen werden kann, steht im Mittelpunkt der Überlegungen der Werke dieser Autoren.

1985 wurde zum ersten Mal der Adalbert von Chamisso Preis für Literatur vergeben, ein Preis für Schriftsteller, die Ausländer sind, aber auf Deutsch schreiben(25) den ersten Preis erhielt der türkische Autor Aras Ören – viele ausländische Autoren folgten ihm – in seiner Rede zur Preisannahme sagte er, dass es sein „Wunsch“ ist, dass das „geschriebene Wort über alle Grenzen hinweg eine Brücke zur Kommunikation werden möge, die Phantasie mit Phantasie, Gedanken mit Gedanken, Sprache mit Sprache, Individuum mit Individuum verbindet“(26). Die Namen dieser ersten Phase gehen von dem schon erwähnten Ören aus, dazu kommen Autoren wie Habib Bektas, Franco Biondi, Marica Bodrožić, Gino Chiellino, Jusuf Naoum, Emine Sevgi Özdamar, Yueksel Pazarkaya, Rafik Schami, Suleman Taufiq, Vladimir Vertlib, Feridun Zaimoğlu und viele andere. „Die Sprache befreit sich von anfänglichen Unsicherheiten“, will Chiellino klarstellen, und ist „nicht mehr oder nicht nur die Sprache der mitgebrachten oder in der Fremde erfundenen Erinnerungen“, sondern wird zu einer Sprache, die „immer mehr vom Alltag in der Fremde geprägt wird“, und auf diese Weise „immer mehr zur Sprache einer nationalen und kulturellen Minderheit“ wird, die sich auf den „Weg gemacht hat, die eigene Anwesenheit in der Fremde zu erforschen und zu begründen“(27). Die Sprache dieser Autoren ist sehr gewählt und ausgesucht und zeigt tiefe Sprachbewusstheit, die in einem weiteren Stadium zu Sprachbewusstsein führt und einen fest verankerten Kultur- und Sprachprozess voraus setzt(28).

III.

Die anfangs schon erwähnte und ebenfalls zur Migrantenliteratur zählende Marica Bodrožić, wurde 1973 in Dalmatien geboren; sie lebt seit 1983 in Deutschland, hat ihrem vorletzten,  2007 veröffentlichten, Buch den Titel Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern gegeben. Mit wenigen Worten wird die Hauptproblematik, die diese Art von Literatur auf einen gemeinsamen Nenner bringt, in den Mittelpunkt gestellt: die Sprache und Kommunikation, das Ankommen in einer neuen Wirklichkeit und die Sehnsucht nach der verlassenen Heimat; all das besteht in erster Linie aus Wörtern, aus neuen Wörtern mit neuem Schriftbild und Lautklang, die Ausdruck sind einer den Wörtern zugrunde liegenden Kultur, Wörter, die in einem Wortspiel zwischen erben und färben Anlass geben zu nie endendem Assoziieren, zu nie endendem Feed-back zwischen der Ausgangskultur, dem Mythos der „geerbten Sterne“ und der Ankunftskultur, den noch blassen „Sternen“, die erst mit Konnotaten „gefärbt“ werden müssen, um Konsistenz und Kolorit anzunehmen. Dieser Prozess wird nur durch den Hauptbestandteil menschlicher Kommunikation  möglich, die Sprache, die Aufschluss über Kulturen und Menschen geben kann:

Was wird gesucht? Die Werkstatt der Wörter. Ihr Amboss und das Feuer darunter. Die Pferdehufe der Erinnerung. Anagrammatische Sonnenuhren, buchstabenweise (Rückseite des Buches M. Bodrožić 2007,Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern).

Für Bodrožić ist die Erkenntnis, dass die Sprache wichtigster Bezugspunkt und Lösungsschlüssel für die Probleme zwischen Ausgangsland und seiner Kultur und Ankunftsland und dessen Kultur sein kann. Dass es sich dabei um einen langen und mühsamen Weg handelt, dessen ist sich die Autorin bestens bewusst: in ihren ersten Werken, den Erzählungen Tito ist tot von 2003 und Der Spieler der inneren Stunde von 2005, versucht sie auf psychoanalytisch autobiographische Weise ihre Probleme aufzuarbeiten, bis sie zu dem Schluss gelangt, dass der Lösungsschlüssel im Sprachverstehen und die Sprache Vertiefen liegt, einem in und mit der Ausgangssprache, der Muttersprache, und der Ankunftssprache, der Fremdsprache Experimentieren liegt. Dazu muss aber auch präzisiert werden, dass der Terminus Ankunftssprache im vorliegenden Kontext genauer ist, denn Fremdsprache bezieht sich auf das normale Erlernen einer fremden Sprache, im allgemeinen, in Mutter sprachlicher Umgebung; Ankunftssprache hingegen ist eine genaue Definition, wenn es sich um die Situation handelt, dass sich der Fremdsprachenlernende in dem neuen Land befindet, seine Umgebung nicht mehr Mutter sprachlich ist, auch wenn er die Möglichkeit hat, innerhalb der Familie noch seine Muttersprache zu sprechen und zu hören. Die Tatsache, dass die Familie zu einer Art Sprach- und Kulturinsel wird, auf die man sich vor der Außenwelt flüchtet, wie das auch bei Bodrožić  geschah, die zehnjährig von ihren Eltern, die schon in Deutschland arbeiteten, nachgeholt wurde, kann den Integrationsprozess in das neue Land erschweren, das oft noch intensiver als feindliche Außenwelt angesehen wird. Innerhalb und außerhalb der Familie, der Wohngemeinschaft, gelingt es aber nur durch die Sprache den anderen die eigenen Probleme  klarzumachen und einen Weg zu den anderen zu finden; dieser Weg ist im Mutter sprachlichen Kontext schon mit äußersten Schwierigkeiten verbunden, die sich unvermeidbarer weise verstärken und vertiefen, wenn es sich um Vermittlungsprozesse zwischen Muttersprache / Ausgangssprache und Fremdsprache / Ankunftssprache handelt. Das Sprachpotential und die Sprachkreativität, die sich bei diesem Prozess entwickeln, verlaufen aber ohne Zweifel anders als beim  normalen Spracherlernprozess von Muttersprachlern oder beim Fremdsprachenerlernen und führen zu erweiterten, pluridimensionalen Sprachkenntnissen und Sprachinterpretationen. Ein Beweis dafür ist die Migrantenliteratur, die neue Szenarien in die Spracherwerbs- und Sprachproduktionsprozesse einführt, neue Probleme aufwirft und behandelt, und durch andersgeartete Perspektiven zu neuem Sprachmaterial und neuen Sprachbetrachtungen führt und somit das Sprachpotential erweitert. Diese Migrantenliteratur ist aber auch ein interessantes Beispiel für Fremdsprachenlernende, um zu zeigen, wie tiefgehend eine Fremdsprache erlernt werden kann. Marika Bodrožić zum Beispiel fügt in ihre Texte konkrete Beispiele von Sprachreflexion und Sprachkomparation ein und   hebt hervor, dass es der „Stille“ bedarf, um die dem „Menschenohr zugewandten Buchstaben zu hören, wie sie gehört werden möchten, das heißt ein Buchstabenhören. Der Stille bedarf es, um das Ich und den dazugehörigen Namen auf seine Brauchbarkeit hin zu umpflügen“. Dieses „Fließen“ zwischen geschriebener, gesprochener und gehörter Sprache und der Stille, dem Nichts, einem weißen unbeschriebenen Blatt vergleichbar, dieses Fließen erlebt die Autorin nur in der deutschen Sprache, in der die „Wurzeln der Buchstaben“ ganz mit ihr und ihrem „Nabel“ verbunden sind. Die Buchstaben sind „Bewohner einer inneren Landschaft, in der das Slawische als Rhythmus und als Hintergrundmusik lebt, niemals aber als Chor der Buchstaben, als Singen schon und vielleicht auch als das Innere der Luft“, das heißt als etwas Ursprüngliches, als etwas das in dem Menschen liegt, noch bevor es kognitiv erfasst werden kann  (Sterne erben. Sterne färben: 13, 14).

In der Autorin hat sich ganz spezifisch Buchstabenbewußtheit entwickelt, die dann zu einem tiefen „Buchstabenbewußtsein“ führte(29). „Nur im Deutschen“ lässt es sich denken, sagt dazu  Bodrožić, dass das Wort Engel auch etwas mit Enge zu tun haben muss, einer „Enge“, die sich aber in den Buchstaben L, den „Buchstaben der Liebe ausdehnt, in die Lebensflure der Imagination“, und dass diese „Enge“ eigentlich „zum Menschsein dazugehört, ergänzt und beschirmt vom Buchstaben L, dem sich das Licht von oben her zuspricht, sich aus dem Senkrechten in die Waagrechte legend, um der Erde etwas ihr Zugehöriges zu bringen“ wie zum Beispiel „Lieder aus dem Lichtinneren, Lieder, die in direkter Linie zu dem fruchtbaren Land eilen, auf dem die Menschen ihre Häuser, Träume und Schmerzen bauen“ (Sterne erben. Sterne färben:  14):

             Enge  .   Enge + L
                          Licht von oben, senkrechte,
                                                 vertikale Linie
               .                             
             L    .       waagrechte, horizontale Linie,
                                                  nimmt das Licht auf, um es der             
                                                  Erde zuzuführen
            .

       LIEBE
       LICHT
       LIEDER
       LICHTINNERES
       LINIE
       LAND 

Einzelne Wörter werden von Bodrožić auf ihre optische Form, auf ihre bildliche Darstellung hin geprüft, dann wird ihr  semantischer Wert eingehend betrachtet und mit anderen Wörtern, die sich nur durch minimale Merkmale unterscheiden, auf optischer Ebene betrachtet und dann auf den semantischen Wert erweitert und Interpretationsvergleiche zwischen zwei oder mehreren Wörtern angestellt. Die einzelnen Buchstaben, vor allem diejenigen, die ein Ursprungswort semantisch erweitert haben, wie der Buchstabe L, der als Auslautkonsonant die Enge zu einem Engel werden lässt, werden als geometrische Figuren gesehen und ihre Form semantisch interpretiert; daraufhin werden andere Wörter, die mit demselben Buchstaben beginnen und semantische Affinitäten zu der von der Autorin gegebenen Interpretation aufweisen, zwecks Interpretationserweiterung gesucht und hinzugefügt.

Auf diese pluridimensionale Interpretation der Wörter Enge und Engel, die durch ihren von der Autorin hergestellten semantischen Bezug zu Worten geworden sind, folgt eine zweisprachige Wortkomparation zwischen dem deutschen Wort Liebe und dem dem Deutschen entsprechenden kroatischen Wort ljubav, das Liebe in der „ersten Muttersprache“ der Autorin bedeutet; auch hier werden für Bodrožić durch den „Buchstaben L einige interessante Elemente „sichtbar“, wenn sich „dieses Buchstabenbild zeigt“, das nach dem L „hinüber  in das Land des Buchstaben J bringt, der zu großen Teilen in der Erde lebt, dort, wo die Wurzeln der Pflanzen und Bäume verwandt sind mit den Küssen, wo sie sich und die Zukunft ihrer Farben besprechen. Dieser Buchstabe begibt sich ins Erdige wie eine Suppenkelle, um später wieder etwas Neues zu werden. Liebe und das Neue“ sind der Autorin aus diesem Grund „immer als ein und dasselbe erschienen, weshalb sie auch manchmal weh tun können, in jener ersten, in jener zweiten“, ihr etwas „erzählenden Sprache“ und in jeder anderen „lebendigen Sprache“ (Sterne erben. Sterne färben: 14,15):

                  Liebe                          ljubav

Bei rein optisch komparativer Betrachtung der beiden Wörter, sticht der die horizontale Linie unterbrechende Buchstabe j des Wortes ljubav, eines Wortes der „ersten Muttersprache“ der Autorin, sofort ins Auge und wird daraufhin semantisch interpretiert:

                                  l    j

                                             .

Der Buchstabe j sieht wie eine „Suppenkelle“ aus und lebt in der Erde; während der Buchstabe l durch seine Form nur das Licht von oben zur Erde weiterleitet und die Erde dadurch fruchtbar wird, dringt der Buchstabe j in die Erde ein, wo die „Wurzeln der Pflanzen und Bäume verwandt sind mit den Küssen, wo sie sich und die Zukunft ihrer Farben besprechen“, um später wieder „etwas Neues zu werden“. 

Wiederum beobachtet und beschreibt die Autorin die optischen Aspekte eines Wortes und ihrer Buchstaben; diesmal unterliegt aber nicht ein Wort der gleichen Sprache einer komparativen Analyse, sondern ein Wort mit derselben semantischen Bedeutung wird in zwei verschiedenen Sprachen auf seine bildhafte Darstellung hin betrachtet und die kontrastiven Merkmale hervorgehoben. Dass das Wort ljubav, ein Wort der ersten Muttersprache der Autorin eine stark charakterisierende optische Differenz zeigt, wird von Bodrožić mit einer noch weiter in die Tiefe gehenden semantischen Interpretation ausgelegt, so als wolle die Autorin den Wörtern ihrer „ersten Muttersprache“ eine tiefere, eine ursprünglichere Bedeutung beimessen, eben die, die einer „ersten Muttersprache“ zukommt. Interessant dabei ist auch die Tatsache, dass die Autorin von ihrer „ersten“ und „zweiten Muttersprache“ spricht, für sie wird das Deutsche nicht als Fremdsprache und auch nicht als traditionelle Zweitsprache erlebt, sondern als „zweite Muttersprache“. Dazu trägt sicher auch die Tatsache bei, dass Bodrožić bei ihrem Großvater in Dalmatien aufgewachsen ist, und die Eltern, die in Deutschland als Gastarbeiter ihr Geld verdienten, nur in den Ferien zu ihren Kindern kamen und häufig vor ihnen Deutsch sprachen; deshalb hatte die Autorin schon früh mit der deutschen Sprache Kontakt und sah darin „die Sprache der Liebe, aber auch eine sie ausschließende Sprache der Liebe zwischen Vater und Mutter, eine Sprache, die mit Neugierde, Verlangen, sie verstehen zu können, aber auch mit Neid und Ausgrenzung“ verbunden war (Winkler 2007):

Die deutschen Wörter waren früh das Zeichen der Liebe. Der Vater sagte sie zur Mutter. Die Mutter zum Vater. Dann beide, zeitgleich, zueinander. Wie Verbündete des Atems. Aufgeperlte Liebe. Dann der Abschied. Schweres Herz nach so viel Elternhaut und Wörternähe; nach der Nachbarschaft der Elternsonne (Sterne erben, Sterne färben: 151).

Auch „in den Namen“ haben sich, behauptet Bodrožić, „hin und wieder beweisbare Regungen der ersten Sprache erhalten“, und führt als Beispiel „Filomena(30) an: ein Name, der sich bei ihr wie ein „Reisekoffer vor die Türen der deutschen Sprache gestellt hat“. Dieses Wort wollte „hier“ vor den Türen der zweiten Muttersprache wohnen, auf der „anderen Seite ihrer selbst eine feste Sprachadresse haben, ansprechbar sein, gleich einem fern gereisten Verwandten, der nach der Kenntnis anderer Kontinente nun das Eigentliche erleben muss, sich selbst als Mittler zwischen der Vergangenheit und der eigenhändig gebauten Brücke zur Gegenwart erlebt“ (Sterne erben. Sterne färben: 15). Ihre eigene „Kindheit“, behauptet die Autorin, „führte sich erstmalig als Name in der deutschen Sprache spazieren. Der eigene Name wurde dabei ein mit Buchstabenpulver zu erobernder Planet“ (Sterne erben. Sterne färben: 11; die kursiv gedruckten Wörter sind von der Autorin). Ganz klar bringt die Autorin das unaufhörliche Fluktuieren zwischen Ausgangs- und Ankunftssprache(n) zum Ausdruck, und gibt gleichzeitig ein Beispiel von pluridimensionaler Sprachkreativität in Form von Neologismen, wenn sie von „Buchstabenpackpulver“ spricht, die Buchstaben, die wie das Backpulver gären und aufquillen; „in den Buchstaben wird beim Erschreiben der Welt“ plötzlich die „Hand sichtbar, die die „Lungen der Wörter ermuntert“ und als „Leiter des Sinns“ fungiert. Die „Buchstaben“ sind „Bewohner einer inneren Landschaft, in der das Slawische als Rhythmus und als Hintergrundmusik lebt“ (Sterne erben. Sterne färben: 14). Die „Selbstverständlichkeit, mit der die Wälder des Slawischen in mir liegen, wird mir erst im Schreibengehen bewusst. Dieses Unterpfand, das immer aus der ersten Sprache herauftönt und mich endlich zu jemand macht, der etwas von sich sagen kann. Aber erst in der deutschen Sprache wird mein eigenes Zuhause für mich selbst hörbar“. Mit dem Begriff „Schreibengehen“, das heißt in das Schreiben hineingehen, wie man einen vertrauten Ort betritt und dann im und mit dem Schreiben spazieren gehen, “alles mit allem in Beziehung“ bringen (Gerstl Spielräume 1993: 7), hat Bodrožić nicht nur das unaufhörliche Fluktuieren zwischen erster und zweiter Muttersprache, Ausgangs- und Ankunftssprache definiert, sondern auch eine neue Wortkomposition geschaffen.

Aber erst in der deutschen Sprache hat die Autorin begonnen zu erkennen, dass das „Sagbare begrenzt ist“, und durch die deutsche Sprache hat sie gelernt – Wieners einleitende Worte werden wieder lebendig – die „Grenzen zu verstehen“ (Sterne erben. Sterne färben: 18); dadurch ist ihr im „Deutschen das Größere der Freiheit möglich geworden, gerade durch den Entzug alles Vertrauten“. Die „Baumnamen“ zum Beispiel wollten alle „noch einmal neu gelernt sein. Die Linde hieß jetzt nicht mehr lipa, dadurch wurde aber ihr Geruch noch stärker als einst“.

Alle eben erwähnten Elemente führen bei der Autorin zu synästhetischer Sprachkomparation und Sprachkreativität. Immer wieder werden Wörter der „ersten Muttersprache“ komparativ mit der „zweiten Muttersprache“ verglichen, wie das Beispiel Liebe – ljubav zeigt, aber auch Wörter der zweiten Muttersprache werden untereinander verglichen wie die Beispiele Enge – Engel und Wunde – Wunder zeigen. Bei einer Analyse der beiden letztgenannten Wörter „leuchtet“ es Bodrožić zum Beispiel „überhaupt nicht ein“, warum in der deutschen Sprache Wörter wie „die Wunde und das Wunder so nahe bei einander liegen, als wärmte das eine Wort schon die Ankunft des anderen vor, damit die Zukunft eine Sache und Wirkkraft eines einzigen Buchstabens und mit ihm der Ewigkeit würde“; dieser „einzige Buchstabe“ sollte im Leben der Autorin nicht nur eine „wichtige Mittlerrolle im Alphabet ihres von den Sternen mitgebrachten Lebens übernehmen“, sondern konnte auch über den „Glauben an Leben und Tod entscheiden“:

    Wunde      Wunde + r
                               .
Der Buchstabe r verändert vollkommen den semantischen Wert des Wortes Wunde, und die Autorin wundert sich, dass ein „einziger Buchstabe“ eine solche „Wirkkraft“ haben und sogar über den „Glauben an Leben und Tod entscheiden“ kann.   

Über diese beiden Wörter, die die Autorin wegen ihrer optischen Ähnlichkeit in Zusammenhang gebracht hat, steht sie nun „gebeugt“, um beide Worte in ihrer Tiefe zu verstehen und erkennt

gleichsam Zellkern für Zellkern, dass nicht Leben und Tod, aber Leben und Sterben jene beiden Gegensatzpaare sind, die jeden gehenden Menschen in den Abschied einführen, jeden, denn jeder ist ein Grenzgeher auf seine Art. Jeder Einzelne ist ein Bewohner jenes großen kosmischen Hutes, in dem, neben den je vergebenden Namen dieser Erde, auch die Sprachen unseres Planeten wohnen, die dort, in diesem Kleidungsstück des Himmels, fassbare Gestirne geworden sind, Wirkungen aus Tönen, Zahlen, Buchstaben und menschlichen Stimmen (Sterne erben. Sterne färben: 22; die kursiv gedruckten Wörter sind von der Autorin).

In der eigenen Sprache und anderen Sprachen wohnen, heißt ein „Grenzgeher“ sein, sich andauernd der eigenen Grenzen bewusst werden und dieselben überschreiten sollen oder müssen als „Bewohner“ eines „großen kosmischen Hutes“, in dem auch die Sprachen der Erde, „unseres Planeten“, mit ihren „Wirkungen aus Tönen, Zahlen, Buchstaben und menschlichen Stimmen“ wohnen, die die „Spannungen der Wörter wie auf einem Lichtschweif transportieren“ (Sterne erben. Sterne färben: 21, 22). Durch die Sprachen der Erde sollten die eigenen und die Horizonte der anderen pluridimensional erweitert werden, um immer kreativer und dynamischer zu werden, damit sich „all die Widersprüche der Sprachen und Bedeutungen, der Wut und der Sehnsucht aufheben könnten (Sterne erben. Sterne färben: 100). Bodrožić fühlt in sich ein „Gespür für die deutsche Sprache“, das aus dem daraus „erwachsenden Bleibenden“ kommt: „beispielsweise Streben, Strom, Schneise sind drei Wörter“, die sich für die Autorin in „einem Wortraum“ bewegen und wenn sie sich Mühe gibt, dann versteht auch ihr „Kopf das dahinter liegende ‚Warum?’“. Ihr „Brustbereich tönt aber, schwingt ganz unbegründet in diesen drei Wörtern. Eine gewisse innere Gesättigtheit“ weist ihr die „Stimmigkeit“ zu  (Sterne erben. Sterne färben: 84; die kursiv gedruckten Wörter sind von der Autorin) und gibt semantischen Wert: das Streben nach vorne, nach immer unendlicheren Horizonten, das unaufhörliche Weiterfließen des Stromes, der Ströme; all das kann und wird oft plötzlich von einem Hindernis, der Schneise aufgehalten.

IV.

Abschließend ist zu sagen, dass alle Autoren der Migrantenliteratur durch die Art, wie sie an die Sprache herangehen und dieselbe handhaben, verblüffen: einige wie Franco Biondi und Rafik Schami, wenn sie das Ausländerdeutsch in ihre Texte einfügen, ein Ausländerdeutsch, das nicht nur von Ausländern gebraucht wird, sondern auch die Inländer angesteckt hat, wie im folgenden Dialog zwischen einem deutschen Privatmann und einem Türken zum Ausdruck kommt:

Privatmann:    „Du gehen. Hier privat“
Türke:              „Du müssen nix atmen. Luft privat“
Privatmann:    „Du nix verstehen, hier privat, verboten,
                         verstehen?“
Türke:              „Ich nix töten, ich nix klauen, ich nur Sonne
                         gucken. Sonne nix privat, Sonne nix
                         verboten“(31).

Andere, wie die türkische Autorin Emine Sevgi Özdamar, die provokativ Schimpfwörter in ihre Werke einfügt, wie in Mutterzunge von 1990 (Berlin: Rotbuch Verlag), wo in der Erzählung Karriere einer Putzfrau sogar die Protagonistin als Nachnamen ein Schimpfwort bekommt.

Marica Bodrožić, der 2003 der Adalbert von Chamisso Preis verliehen wurde, ist eine Autorin, die die Sprache in den Mittelpunkt ihrer literarischen Tätigkeit stellt; der Leser wird von ihrer „fließenden Sprache“ überspült, bis man von der Ausdruckskraft, dem Kreativitätspotential der Sprache und dem Tiefsinn ihrer Worte mitgerissen wird. Man spürt, die Autorin hat alle Fäden ihres „Zeichen- und Sprachprogramms“ (Sterne erben, Sterne färben: 96) wie ein „Marionettenspieler in ihrer Hand, ein leichtes Ziehen genügt, um die Wortpuppen tanzen zu lassen“ (Winkler 2007). Wie ein „zweifaches Leben, wie zwei autonom nebeneinander wirkende Lebensspuren“ scheint der Autorin das „Durchschreiten beider Sprachen“, der „ersten“ und der „zweiten“ Muttersprache, der Ausgangssprache und der Ankunftssprache, und nur „im Schreiben“ gelingt es ihr, dieses „zweifache Leben“ zu verbinden, obwohl es scheint, als „gehöre zu jeder Sprache ein ganz eigenes, eigenständig arbeitendes Herz, das alleinsprechend ist“ und es deshalb immer sehr schwierig wird, eine „Einheit“ zu „beginnen“ und zu erreichen (Sterne erben, Sterne färben: 96) (32).

Diese Suche nach Einheit ist sicher ein Element, das dazu beiträgt, die Sprachkreativität und das Sprachpotential dieser Autoren, die zur Migrantenliteratur gezählt werden, anzuregen, um in unerwartete sprachliche und semantische Gefilde zu gelangen, die zu pluridimensionaler Kreativität in und mit der Sprache und pluridimensionaler Interpretation von Text und Sprache führen.

Bibliographie
Alle zitierten Stellen aus den Werken der Autoren sind textgetreu abgedruckt, nicht nach Rechtschreibreform. 

Primärliteratur

Sekundärliteratur


Anmerkungen:

Alle zitierten Stellen aus den Werken der Autoren sind textgetreu abgedruckt, nicht nach Rechtschreibreform. 

1 Oswald Wiener (1969), die verbesserung von mitteleuropa. roman, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, Vorwort; der Roman war, wie Wiener zu Beginn seines Romans erwähnt „in der Hauptsache von 1962 bis 1969 geschrieben worden“ und wurde von 1965 bis 1969 in Fortsetzungen in der Literaturzeitschrift „manuskripte“ veröffentlicht (in den Heften 13-15, 1965; 16-17, 1966; 19-20, 1967; 21, 1968; 22-25, 1969).
2 Marica Bodrožić (2007), Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern, Frankfurt am Main: Verlag edition suhrkamp, S.84.
3 Elfriede Gerstl (1977), Spielräume. Roman, Linz: ‚edition neue texte’ (Nachwort von Andreas Okopenko); Neuauflage 1993, Graz-Wien: Literaturverlag Droschl (Nachwort von Heimrad Bäcker), S.7 (die hier zitierte Stelle ist der Ausgabe von 1993 entnommen); Übersetzung ins Italienische: Elfriede Gerstl (2007), Spazi per giocare con la mente. Romanzo,    Übersetzung und Kommentar von Dagmar Winkler (mit einem Vorwort von Elfriede Jelinek, Einführung von Fausto Cercignani), Zevio (Verona): Perosini Editore; die Buchpräsentation erfolgte am 16.März 2007 an der Universität Padua durch Fausto Cercignani (Universität Padua) und Wendelin Schmidt-Dengler (Universität Wien).
4 Zur ‚Wiener Gruppe’, siehe Gerhard Rühm (1967), (Hrsg.), Die Wiener Gruppe. Achleitner, Artmann, Bayer, Rühm, Wiener. Texte, Gemeinschaftsarbeiten. Aktionen, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Verlag (Neuauflage 1969, ebenda); zur Wiener Gruppe siehe auch Dagmar Winkler (1991), Ideologische Ziele der „Wiener Gruppe“ und ihre Bedeutung für die Gegenwartsliteratur, in „Zeitschrift für Germanistik“, Neue Folge, Heft 3, S.588-599.
5 Wendelin Schmidt-Dengler (1984), Keine Wortopern, in „Literatur-Magazin“ der „Wiener Zeitung“, „Lyrik“ Nr.3, 3.Februar 1984; siehe auch Dagmar Winkler (1993), 2000 anni di letteratura tedesca, Padova: Unipress S.343.
6 Johann Fischart (1546 oder 1547-1590), geboren in Strassburg, zog dann nach Worms am Rhein, reiste nach England, Frankreich, in die Niederlande, in die Schweiz, lebte zwei Jahre in Siena, Italien, und verbrachte die letzten Lebensjahre in Forbach (Lothringen). Hauptwerke sind Flöh Hatz, Weiber Tratz (1573/1577), Affentheuerlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung (1575), Glückhafft Schiff von Zürich  (1576). Übersetzte und erweiterte das Werk von Rabelais Gargantua (1534).
7 Siehe zu Fritz Mauthner (1982), Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Frankfurt/M: Ullstein (das Werk in drei Bänden wurde 1904/06 veröffentlicht).
8 Die erste Ausgabe erschien 1959, Herausgeber Alfred Kolleritsch und Günter Waldorf, Verleger, Forum Stadtpark Graz, das bis heute für die Herausgabe verantwortlich ist. Siehe dazu auch Elisabeth Wiesmayr (1980),  Die Zeitschrift manuskripte 1960-1970, Königstein/Ts: Athenäum Verlag und Peter Laemmle, Jörg Drews (1975) (Hrsg.), Wie die Grazer auszogen, die Literatur zu erobern. Texte, Porträts, Analysen und Dokumente junger österreichischer Autoren, München: edition text + kritik. 
9 Siehe zu einem umfassenden Werk dieser Autoren Dagmar Winkler (1996), Die neo-kybernetische Literatur. Experimentelle österreichische Literatur, Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur, Amsterdam / Atlanta: Verlag Rodopi; zu Elfriede Gerstl siehe Konstanze Fliedl, Christa Gürtler(2001) (Hrsg.), Elfriede Gerstl. Dossier 18, Graz-Wien: Verlag Droschl und Dagmar Winkler (1999), Elfriede Gerstl: „Sprache(n). Spiele. Spielräume. Experimentelle Literatur in Österreich, siehe http://www.önb.ac.at (2000).
10 Alle Figuren aus Dietrich Krusche, Rüdiger Krechel (1984, 7.Auflage 1999), Anspiel. Konkrete Poesie im Unterricht Deutsch als Fremdsprache, Bonn: Inter Nationes.
11 Siehe zu Fremdsprachenerwerb und Lernpraxis für Deutsch als Fremdsprache Johann Drumbl (2002), Das Sprachen-Portal. Inferenz und Spracherwerb in mehrsprachiger Lernumgebung, Meran: Alpha&Beta Verlag; darin werden Theorie und Praxis beleuchtet und zahlreiche Anregungen gegeben; dazu auch der interessante Artikel Johann Drumbl (2008), Leben mit Sprachen. Mehrsprachigkeit: Das Leben mit vielen Sprachen, das Erlernen von Sprachen, auch im Alter. Warum kein Tag vergehen soll ohne Kontakt mit der anderen Sprache, in “ff. Südtiroler Wochenmagazin“, Nr. 04, 24. Januar 2008, Bozen.
12 Bodo Hell (1977), Dom Mischabel Hochjoch. 3 Bergerzählungen, Linz: ‚edition neue texte’ (mit einem Nachwort von Friederike Mayröcker); siehe dazu in Winkler 1996: 125).
13 Reinhard Prießnitz (1978), Vierundvierzig Gedichte, Linz: ‚edition neue texte’ (ebenda erschien 1981 eine Neuauflage).
14 Siehe dazu einige Texte von H.C.Artmann wie tod eines leuchtturmes. fragment (S.104-113) und ix epigrammata in teutschen alexandriner (S.33-34), auch die hochzeit caspars mit gelsomina, fragment (S.114-130) um nur einige zu nennen, in Klaus Reichert (1970), The Best of H.C.Artmann,  Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
15 Ludwig Wittgenstein (1921/1963), Tractatus Logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung, Frankfurt am Main, edition suhrkamp 12.
16 Konrad Bayer (1956), Die Boxer, in Gerhard Rühm (1977) (Hrsg.), Konrad Bayer. Das Gesamtwerk, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, S.104-119
17 Der Gastarbeiter (veraltend): Arbeiter, der [für eine gewisse Zeit] in einem für ihn fremden Land arbeitet; die Bezeichnung Gastarbeiter wird nur noch selten in der Umgangssprache gebraucht. Im öffentlichen Sprachgebrauch wird sie durch ausländischer Arbeitnehmer ersetzt, in Duden. Deutsches Universalwörterbuch, 6,überarbeitete und erweiterte Auflage (2007) (Hrsg. Dudenredaktion), Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag. Migrantenliteratur findet sich im Duden als Terminus noch nicht.
18 Max Frisch (1965), Vorwort in Alexander Jean Seiler (1965), Siamo italiani, Zürich EVZ Verlag, S.77.
19 Franco Biondi, Rafik Schami (1981), Literatur der Betroffenen, in Irmgard Ackermann / Harald Weinrich (1986) (Hrsg.), Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestimmung der Ausländerliteratur, München: Piper. .
20 1987 wurde der Name „Südwind Gastarbeiterdeutsch“ in „Südwind Literatur“ geändert, diese Änderung betont eine Änderung in dem Verhalten der Redakteure, von politischen Fragen zu einem mehr literarischen  Programm überzugehen: die Ausländer sollten auch persönliche Kommentare über ihre Situation geben, Probleme klären und Vorschläge machen, dazu Heidrun Suhr (1989), Ausländerliteratur. Minority Literature in the Federal Republic of Germany, in „New German Critique“, N.46, S.78.
21 Rob Burns (1997), Representation of the multicultural society in contemporary Germany, Birmingham: Institute for German Studies, S.9.
22 Gino Chiellino (1986), Die Fremde als Ort der Geschichte, in Irmgard Ackermann / Harald Weinrich (1986), S. 15.
23 Rafik Schami (1986), Eine Literatur zwischen Minderheit und Mehrheit, in Irmgard Ackermann / Harald Weinrich (1986), S.55.
24 Jim Jordan (2006), More than a metaphor: the passing of the two worlds paradigm in German Language diasporic Literature, in „German Life and Letters“, Band 59, S. 498.
25 Adelbert von Chamisso (1781-1838), geboren in der Champagne auf Schloss Boncourt, kam 1790 mit seiner Familie während der Revolutionswirren nach Deutschland, wo er bis zu seinem Tode in Berlin blieb, einzige Unterbrechung war die Teilnahme an einer Weltumsegelung von 1815 bis 1818. Er schrieb auf Deutsch Gedichte, Balladen und die Erzählung Peter Schlehmils wundersame Geschichte von 1814, die Chamissos Problem widerspiegelt: der Protagonist Schlehmil war ein Mann ohne Schatten und deshalb ein Außenseiter, so fühlte sich Chamisso ohne Vaterland. 
26 Aras Ören (1986), Dankrede zur Preisverleihung, in Burns 1997: 11.
27 Gino Chiellino (1985), Literatur und Identität in der Fremde. Zur Literatur italienischer Autoren in der Bundesrepublik, Kiel: Neuer Malik Verlag, S.37.
28 Siehe dazu Irmgard Ackermann (1983a), “Gastarbeiter“literatur als Herausforderung, in „Frankfurter Hefte“, Heft 1, Frankfurt/Main: Dietz Verlag; I. Ackermann (1983b), In zwei Sprachen leben. Berichte, Erzählungen, Gedichte von Ausländern, München: Piper Verlag; I.Ackermann, H.Weinrich (1986); dazu auch Dagmar Winkler (2007), Marica Bodrožić schreibt an die „Herzmitte der gelben aller Farben“ (darin auch gesamtes Werkverzeichnis von Bodrožić), Vortrag gehalten am 24.Oktober 2007 bei der internationalen Tagung, Die Osterweiterung der deutschsprachigen Literatur. Ritratti di una nuova generazione europea, Genua 24.-25.Oktober 2007, Universität Genua (Dipartimento di Scienze della Comunicazione Linguistica e Culturale), in Zusammenarbeit mit dem Forum Austriaco di Cultura (Milano), Goethe-Institut Genua, Centro Culturale Italo-Austriaco, Istituto Svizzero di Roma, Consolato generale di Svizzera a Genova, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (Veröffentlichung der Beiträge wird im Verlag Praesens, Wien erfolgen); auchIrene Moretto (2006/2007), Funktion und Wichtigkeit der Migrationsphänomene und der Migrantenliteratur in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, Dissertation der Universität Padua (Facoltà di Lettere e Filosofia und Facoltà di Scienze Politiche), Dissertationsbetreuer Dagmar Winkler, Mitbetreuer Donatella Schmidt.
29 Zum Begriff Buchstabenbewusstsein siehe Winkler 1996 und Dagmar Winkler (2004), Sprachkurs: Deutsch - einmal anders. Vertiefung des Verstehensbewusstseins für die Textanalyse, Padova: ed.Rinoceronte, S.191-218.
30 Im Anhang zu ihrem Buch Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern schreibt Bodrožić, dass sie die Protagonistin ihres nächsten Romans Filomena heißen wird.
31 Rafik Schami (1988), Die Sehnsucht fährt schwarz. Erzählungen, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S.54.
32 In Bezug auf Bodrožić spricht die Kritik häufig davon, dass die „lyrische Eigenwilligkeit der Sprache“ dieser Autorin „immer wieder an Rainer Maria Rilke erinnert“ (Rilke, geboren 1875 in Prag, gestorben 1926 in Val-Mont bei Montreux in der Schweiz; Lyrik, Prosa). Der Gedichtband von Bodrožić Ein Kolibri kam unverwandelt von 2007 lehnt nicht nur durch seine Sprache und Bildsprache an Rilke an, sondern erinnert auch inhaltlich an die  Duineser Elegien (1923) und an andere Werke Rilkes, durch Symbole wie die Engel, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft darstellen und vermischen, Sterne und Gestirne, Gedächtnis und Erinnerung. Einig ist sich die Kritik darüber, dass das facettenreiche Phänomen Sprache im Mittelpunkt der Werke von Bodrožić steht. Es wird von Freude am „Klang der Worte“ gesprochen, was zu „ungewöhnlichen Formulierungen“ führt (Tilman Spreckelsen 2002, Zum literarischen Debüt von Bodrožić, den vierundzwanzig Erzählungen, „Tito ist tot“, in „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 6. Juli 2002), vom „Nuancenreichtum und der Bildkraft“ der Sprache - wie die Buchstaben L und J – zeigen, was Rezensenten der „Zürcher Zeitung“ „frappiert“ („Neue Zürcher Zeitung“, Marica Bodrožić, Tito ist tot. Erzählungen, Artikel von A. Bn., 1.Juni 2002); der „sprachlichen Präzision“ und „hymnischen Verklärtheit“ fühlt sich Sabine Franke, Rezensentin in der „Frankfurter Rundschau“ vom März 2002, (28.3.2002) in Bezug auf die Erzählungen Tito ist tot sehr verbunden (Sabine Franke (2002), Zu Marica Bodrožić: Tito ist tot. Erzählungen, in „Frankfurter Rundschau“, 28. März 2002). Für Cornelia Staudacher ist der Roman Der Spieler der inneren Stunde, ein „synästhetisches Fest, das aus Gerüchen und Geräuschen, Stimmen, Farbschattierungen und Gesprächsfetzen“ entsteht.  Bodrožić will den „Geheimnissen der Welt“ durch die Sprache „auf die Spur kommen“ und „hinter die Phänomene blicken“ (Cornelia Staudacher, „Der Spieler der inneren Stunde“ von Marica Bodrožić. Ein Familienroman vom Dorf, Deutschlandfunk, dradio.de, Buechermarkt, 8.Juni 2005, in http://www.dradio.de/dlf/ sendungen/ buechermarkt/384433/). Die Sprache schafft in Bodrožić eine „poesie sensuelle, vibrante de grace“ (André Clavel (2004), Étranger. La fée Marica. Avec Tito est mort se révèle le talent enchanteur de la jeune Marica Bodrozic, in „L’Express“, 23. Februar 2004), von „großer Kunstfertigkeit“ und „verblüffender Fabulierkraft“ (Michael Braun (2005), Marica Bodrožić, Der Spieler der inneren Stunde. Roman, in „Neue Zürcher Zeitung“, 22.November 2005) befreit sich die Autorin aus der „Enge ihres Ursprungsdorfes“ und  öffnet Wege zu einer „neuen Freiheit“ (Barbara Griffini (2007), Successo letterario al di qua e al di là della madrelingua, in Goethe-Institut Italien, Leizpiger Buchmesse, Artikel über eine Konferenz, organisiert von den Verlagen C.H. Beck, Kiepenheuer & Witsch, Suhrkamp und Amman, mit den folgenden Autoren: Marica Bodrožić, Navid Kermani, Brina Svit, Feridun Zaimoglu, Moderatorin Sigrid Löffler, Gründerin der Literaturzeitschrift „Literaturen“, in http://www.goethe.de/ins/it/lp/prj/lit/buc/lpb/de2320179.htm).
Von  „Wortneuschöpfungen“ und einer „sprachtraditionell eher respektlos vorgehenden Autorin“, wird in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 31.August 2007 in Bezug auf den Gedichtband Ein Kolibri kam unverwandelt gesprochen, und dem Rezensenten kommen einige „Aufladungen des Deutschen“, das heißt der Sprache nicht nur „kühn“, vor, sondern ihm „schwindelt“ mitunter sogar. Dabei werden einige Neologismen aus dem Kolibri erwähnt wie „weißgesonnt“, statt braungebrannt, „muttergemalt“ (Walter Hink, Marica Bodrožić. Ein Kolibri kam unverwandelt. Gedichte, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 31.August 2007): wie ein Muttermal ein Kennzeichen der Haut ist, das auch vererbt werden kann, gibt es für die Autorin Ereignisse im Leben, die ein Individuum für immer zeichnen. Andere Neologismen schließen sich an wie „trübgesponnen“, eingewickelt in die Fäden der Trübsal, die „Wörterschnur“, Wörter werden wie die Wäsche auf einer Schnur aufgereiht, „mit Eisenworten strafen“, jemanden mit harten Worten, die schwer im Herzen liegen bleiben, treffen, die „Farbatmer“, die, wie die Autorin, alles durch und in Farben in sich aufnehmen und weitergeben (Der Spieler der inneren Stunde: 219, 57, 59, 168), das „Hautleben“, wenn alles durch und mit der Haut assimiliert wird (Tito ist tot: 144). Diese Neologismen sind ein weiterer Beweis dafür, dass sich mit Sprache beinahe „alles anstellen“ anstellen lässt, sodass sich „Schriftbild, Lautgestalt und Semantik zu einer linguistischen Anthropologie verflechten“, rezensiert Burckhard Mueller in der „Süddeutschen Zeitung“ im Juni 2007 zum Buch von Bodrožić Sterne erben, Sterne färben  von 2007 (Burkhard Müller, Marica Brodožić. Sterne erben. Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern, in „Süddeutsche Zeitung“, 13.Juni 2007).


5.5. Mehrsprachigkeit und literarische Kreativität

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For quotation purposes:
Dagmar Winkler: Pluridimensionale Kreativität und Interpretation von Text und Sprache - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/5-5/5-5_winkler.htm

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