TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehungionstitel
Sektionsleiterin | Section Chair: Tamara Janssen-Fesenko (Bad Zwischenahn, Deutschland)

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Sprachkulturologischer  Aspekt  beim  Unterrichten  „Russisch als Fremdsprache“ aus  Sicht  der  Kreativität

Stella Fessenko  (Moskau, Russland)

E-Mail: stellafes77@mail.ru

 

Es ist kaum zu bestreiten, dass der Russischunterricht bei den ausländischen Studenten als eine der wichtigsten Quellen ihres kulturologischen, sozialen, politischen und rein sprachlichen Wissens betrachten werden kann. Diese soziokulturelle Pragmatik des Studiums fordert die Anwendung nicht nur methodischer Routine, sondern auch kreativer Methoden, die je nach den pragmatischen Bedürfnissen verschiedene Zielsetzungen zu erfüllen haben, zum Beispiel: Entwicklung und Festigung von grammatischen Fähigkeiten, sprachkulturologischen Kompetenzen, fachlichen Kenntnissen und so weiter.

In der letzten Zeit wird  über die auf Kompetenzen basierende Berufsausbildung sehr viel diskutiert. Die Erarbeitung des Kompetenz– Ausbildungsmodells, ist besonders für ausländische Studierenden in der neuen sozial-politischen Situation von besonderer Bedeutung. Ein erfolgreiches Leben in der polykulturellen Gesellschaft ist ohne interkulturelle Kompetenz (z.B. Toleranz, Verstehen der Unterschiede zwischen den Trägern unterschiedlicher Kulturen und Religionen und der Fähigkeit mit ihnen zu kommunizieren) schwer vorstellbar. Auch die kommunikative Kompetenz ist für die ausländischen Studierenden von großer Relevanz. Sie soll ihnen helfen, in der neuen und für sie fremden Gesellschaft zu überleben und sich in diese Gesellschaft integrieren zu können.

Es ist zu bemerken, dass am Ende des XX. Jahrhunderts statt der bekannten Begriffe „Kenntnisse“, „Wissen“, „Fähigkeiten“, „Fertigkeiten“ etc.,  neue Begriffe  wie „Kompetenz“, „kompetent“ (zur Bezeichnung der  Ergebnisse der Arbeit von Bildungsinstitutionen) aufgetaucht sind. Es gibt genug Interpretationen von diesen Begriffen – je nach dem Forschungsgesichtspunkt werden unterschiedliche semantische Komponenten dieser Begriffe unterstrichen. Unseres Erachtens nach kann die Kompetenz als aktuelle persönliche Fähigkeit eines Menschen, seine auf Kenntnisse basierende  und durch Intellekt bestimmte sozial-fachliche Charakteristik, interpretiert werden.

Die Kompetenz integriert soziale und berufliche Erfahrungen eines Menschen und ermöglicht seine situative – persönliche Adaptierung im Sozium. Die Kompetenz  kann als Basiskomponente von anderen Begriffen verstanden werden, von solchen wie „Fähigkeit“, „Sachlichkeit“ und bedingt die Verbindung von erworbenen Kenntnissen und  praktischem Handeln. Kompetenz ist die Bereitschaft in unterschiedlichen  Situationen professionell  zu handeln, das ist im Prinzip die „reale“ Professionalität und sie ist für die ausländischen Studierenden unentbehrlich mit der fremdsprachlichen Kompetenz  (das heißt mit den Russischkenntnissen) verbunden.  Die fremdsprachliche Kompetenz ist für die ausländischen Studierenden der kommunikativen Kompetenz adäquat, spiegelt ihre Hauptcharakteristika wider und wird durch erworbene und dem soziokulturellen Kontext angepassene fremdsprachliche Kenntnisse  bestimmt.  Die Analyse der fremdsprachlichen Kompetenz  der ausländischen Studierenden (z.B. an der Moskauer Zahnmedizinischen Universität) ermöglicht es uns, diese Kompetenzart als ein offenes Wissenssystem zu interpretieren, das im Prozess der Berufstätigkeit, der beruflichen und alltäglichen Kommunikation vervollständigt werden kann.

Eine wichtige Rolle  als Quelle der fremdsprachlichen und fremdkulturellen Kenntnisse spielen die Lehrveranstaltungen in Russisch. Es ist zu betonen, dass diese Lehrveranstaltungen von uns als integratives Modul organisiert und durchgeführt werden. Dieses Modul dient dazu, die Bildungsausländer mit den Bedingungen und „Traditionen“, unter denen ihr Studium an einer Hochschule in Russland abläuft, schon in der ersten Studienphase, vertraut zu machen. Von uns werden beim Unterrichten der unterschiedliche Hintergrund der ausländischen Studierenden, ihre Erwartungen an einen erfolgreichen Abschluss und die Lernerfahrungen im bisherigen Bildungssystem,  beachtet.

Eine wichtige Rolle spielen auch sprachliche Vorkenntnisse, die die Bildungsausländer für ihr Fachstudium mitbringen. Man muss auch die Tatsache beachten, dass für die Bildungsausländer bis jetzt die Lehrveranstaltungen in einer anderen Unterrichts- und Fachsprache und nach anderen methodischen Standards durchgeführt wurden. Individuelles Arbeiten und Gruppenarbeit wurden vielfach nicht sozialisiert. Neu für die ausländischen Studierenden ist bestimmt auch die hiesige „Prüfungskultur“. Unser integratives Modul soll den Bildungsausländern helfen, sich an all diese Bedingungen anpassen, sonst mussten sie ihre Akkulturation individualisiert nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum parallel zum Fachstudium leisten.  Die fachsprachliche  Qualifikation spielt beim Studium eine wesentliche Rolle. In den meisten Fällen soll aber akzeptiert werden, dass die sprachlichen Voraussetzungen unzureichend für eine effektive Kommunikation im Wissenschafts- und Lehrbereich  sind. In ihrem alltäglichen Studium stehen die ausländischen Studierenden vor dem Problem, dass sie noch die komplexe  (russische) Sprache brauchen (Bestimmungen, Regularien, Prüfungsordnungen etc.); Diese Sprache erschwert im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Ausbildungsbedingungen die Integration der Bildungsausländer und wird in unserem Modul separat angegangen.

Die kreative Methodik (Rollenspiele, Training, Projekte etc.) dieses integrativen Moduls soll die ausländischen Studierenden gleich in der Studieneinstiegsphase unterstützen, damit sie die bildungssozialisatorischen Differenzen problemlos überbrücken könnten. Von uns werden oft Lehrveranstaltungen als Instruktionen durchgeführt und durch eine intensive fachsprachliche Orientierung im Zusammenhang solcher Instruktion  (hinsichtlich der Lehr- und Lernbedingungen, die sie hier an den Russischen Fachhochschulen erwarten) soll den Bildungsausländern erleichtert werden, ihr intellektuelles Potenzial von Anfang an optimal zu entfalten  – auch unter Verhältnissen, die ihnen fremd zu sein scheinen. Eine der Aufgaben unseres integrativen Moduls ist die Partizipation innerhalb von russischen Fachhochschulen zu steigern, darum sollen in das integrative Modul interkulturelle Erfahrungen und Einführungen in die politische, soziale und wirtschaftliche Verfasstheit Russlands integriert werden.

Die kreative Methodik ist auch dadurch bestimmt (charakterisiert), dass das Modul den Studierenden Fachliteratur, Musterklausuren, fachlich/ sozial/kulturell orientierte Themenausarbeitungen, Tests  etc. zur Verfügung stellt, anhand derer die Bildungsausländer praktisch arbeiten können. In den Lehrveranstaltungen werden von uns darüber hinaus fachbegriffliche Glossars mit einbezogen.

Der sprachkulturologische Aspekt ist aus Sicht der kreativen Methodik von besonderer Bedeutung und spielt im integrativen Modul eine große Rolle. In den Lehrveranstaltungen sind wir unter anderem für die Vermittlung der „direkten und indirekten“ Ziele zuständig: Textanalyse, Argumentation, effektives Lesen, Zeitmanagement etc. Kurz und gut, wir vermitteln im integrativen Modul  Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, die für ein erfolgreiches Studieren in der Fremdsprache Russisch nötig sind.

Und noch eine Seite des integrativen Moduls soll erläutert werden: „Praxis“ und „Theorie“ werden im Modul nicht getrennt. Neu und kreativ ist, dass die „Wissensvermittlung“ „Trainingscharakter“ besitzt; außerdem soll sie unmittelbar an den Erfahrungen der ausländischen Studierenden in den Ziel-Lernkulturen anknüpfen. Der Inhalt der „Sprachanteile“ wird zuerst über die Anwendung der erarbeiteten thematischen  Materialien definiert, zugleich aber soll auch das Eingehen auf  besondere „Trainingswünsche“ der Gruppe ermöglicht werden (fachsprachliche, grammatikalische Übungen etc).

Es ist noch einmal zu bemerken, dass das integrative Modul dem Anspruch genügen muss, einen Beitrag zur Integration der ausländischen Studierenden zu leisten. Was bedeutet die Integration für Bildungsausländer? Unserem Erachten nach sollen sie bestehende Norm- und Wertsysteme nicht unreflektiert übernehmen.  Integration für sie bedeutet Befähigung zur konstruktiven Auseinandersetzung mit der russischen Gesellschaft, aber sie müssen gleichzeitig ihre eigene nationale Identität bewahren. Die integrative Methodik im Russischunterricht ermöglicht folgendes zu erreichen:  Die ausländischen Studierenden sollen durch den Russischerwerb in die Lage versetzt werden, neue Kommunikationspartner kennen zu lernen, ihre  eigene Person anpassend einzubringen und ihre Interessen und Meinungen auf adäquate Weise gegenüber Institutionen und Personen  zu vertreten.

Eine wichtige Rolle im integrativen Modul spielt die Erstellung des Themenkatalogs und Methoden seiner inhaltlichen Realisierung. Darum soll bei der Themenwahl auch die Behandlung von modernen sozialen, kulturellen etc. Problemen einen Schwerpunkt  bilden, die heutzutage in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden. Es soll beachtet werden, dass ein für Bildungsausländer wichtiges Thema nicht in einen von lexikalischen und grammatischen Kriterien bestimmten Text gepresst werden muss; es muss aber in möglichst differenzierter Weise vorgestellt werden, mit Berücksichtigung  der unterschiedlichen Varianten und Aspekte, die in der russischen Realität vorkommen. Dabei ist der sprachkulturologische Aspekt von besonderer Bedeutung.  Von uns werden deshalb mehrere Texte zu einem Thema bereitgestellt, dazu auch unterschiedliche Konkretisierungen von Sprechintentionen verarbeitet und ein gewisses Spektrum an situations- und rollenspezifischen Kommunikationsmustern geliefert. Zum Unterricht werden von uns Interaktionsstrategien gewählt, die diesen Rollen-, Kontext- und  Situationsunterschieden entsprechen.

Attraktiv bei diesen Strategien ist, dass den Bildungsausländern keine Verhaltensrezepte, sondern Hilfen zur Formulierung des eigenen Standpunktes, Hinterfragung der formulierten Standpunkte oder Alternativen zur Diskussion, angeboten werden. Solche Kriterien gelten auch für den lexikalischen und grammatischen Stoff:  Der Studierende lernt nicht nur die Sprechsituationen, sondern auch die rollen- und kulturspezifischen Sprechgewohnheiten und Haltungen der Kommunikationspartner in dieser Kontextsituation zu berücksichtigen. Der Studierende soll Kommunikationsmuster situationsadäquat so beherrschen, dass er bei seinen Gesprächspartnern den gewünschten Effekt erzielt. Deswegen werden von uns die Sprechintentionen im Russischunterricht  in unterschiedlichsten Varianten realisiert.

Von jedem Lektor ist natürlich erwünscht, dass der Lernprozess optimal auf die Bildungsgruppe abgestimmt werden kann; dazu muss er aber der inhaltlichen Vielfalt des Programms auch eine weitgehende methodische Flexibilität entsprechen. Im Rahmen von Integrativen Kursen haben wir versucht, auch optimal unterschiedliche Übungstypen zu benutzen, um die Motivation der Studierenden nicht nur zu fördern, sondern auch zu erhalten, indem dem Verlangen nach systematischer Aufarbeitung (Patternübungen), gleichzeitig der Einübung idiomatischer Strukturen (im gelenkten bis freien Gespräch) sowie der Hinführung zur freien Diskussion und der schriftlichen Darstellung eigener Gedanken, Rechnung getragen wird.

 

Literaturverzeichnis


5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehung

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Autor: Titel - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/5-6/

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-03-05