Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften	17. Nr.	April 2010
Sektion 8.12.	Framed Knowledge as an obstacle for creativity and transition of societies Sektionsleiterin | Section Chair: Farhad Atai (University of Tehran) Dokumentation | Documentation | Documentation

Welchen Weg geht tadshikische Bildung?

Boboev K.F. (Zentrum für strategische Forschungen Tadschikistan) [BIO]

Email: k_bobojev@mail.ru

Das moderne Bildungssystem und die Ausbildungsmethoden werden von den noch neuen Formen der Wirtschaftsentwicklung des Landes, seines Übergangs zu den neuen Marktwirtschaftsbeziehungen, diktiert.

Die tadschikische Regierung und das Bildungsministerium der Republik Tadshikistan haben eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die auf eine gründliche Veränderung des Bildungssystems zur Vervollkommnung des Bildungssystems und der Erhöhung des Wissensniveaus der Gesellschaft ausgerichtet sind. Im Bildungsbereich geht es vor allem um die Erhöhung der Qualität der Ausbildung, die Ausbildung hochqualifizierter Spezialisten, die konkurrenzfähig auch auf dem internationalen Arbeitsmarkt sind und ist auf den Eintritt auf einen zukünftigen einheitlichen Raum der weltumfassenden Bildung ausgerichtet. Tadshikistan gehört zu einer Region mit einem großen Arbeitsmarktpotential . Die erfolgreiche Lösung dieser Frage kann sich nur als Ergebnis der allgemeinen Reform des Bildungssystems und der Annäherung des Hochschulunterrichtes an den Weltstandard der Bildung ergeben. Die Bildungsreform bedeutet auch die Übereinstimmung des nationalen Bildungssystems mit den Weltstandards, durch den Übergang zu einem mehrstufigen Bildungssystem und eines Systems der Ausbildung auf Grundlange von Bildungs"krediten".

Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Einführung eines einheitlichen weltumfassenden Bildungssystems, wurden laut der Verordnung des Bildungsministeriums der Republik Tadshikistan vom 22. September 2004 unter der Nummer 698 die Tadshikische Staatliche Universität für Handel und die Technische Universität Tadshikistan, als experimentale Universitäten für die Anpassung an das Kreditpunktsystem im Studiums ausgewählt. Die genannten Hochschulen funktionieren heute schon vollständig nach dem neuen Bildungskreditsystem. Diese Erfahrungen werden nach und nach auch an des anderen Hochschulen Tadshikistans umgesetzt. Entsprechend dem Regierungsbeschluss sollen bis 2016 alle Hochschulen des Landes auf das Kreditsystem umgestellt werden.

Der Begriff Kredit, der im Bildungs- und Unterrichtssystem verwendet wird, unterscheidet sich völlig von der Bedeutung des Kreditbegriffes in der Wirtschaft. Als wirtschaftliche Kategorie, wird der Begriff als Bankdarlehnen angesehen.Statt dessen bedeutet der Kreditbegriff im Bildungssystem “Vertrauen”, das darauf ausgerichtet ist, dass der Stoff und das Programm für ein bestimmtes Fach in einer bestimmten Zeit angeeignet werden kann. Die Anzahl der Kredite hängt vom Umfang des Stoffes der zu unterrichtenden Fächer ab. Je nach Umfang der Fächer wird die Mindestzeit für die Aneignung dieses oder jenes Faches bewertet und auf die Studienzeit gleichmaessig verteilt. So ergeben sich für die Aneignung bestimmter Fächer 2, 3, 4 oder mehr Kredite. Wenn wir etwa zwei Kredite für das Studium irgendeines Faches auswählen, so bedeutet das, in dem Fall, wenn das Semester 16 Wochen dauert, dass in jeder Woche zwei Stunden Zeit für das Fachstudium bestimmt sind. Es wird davon ausgegangen, dass in dieser Zeit das Programm seitens der Studenten im gegebenen Fach angeeignet werden kann.

In der Welt existieren verschiedene Arten des Bildungskreditsystems (1).

1. Das amerikanische System der Ansammlung von Kreditpunkten.
2. Das System der Kreditpunkte im Vereinigten Königreich.
3. Das europäische Kreditpunktesystem.
4. Das System der Kreditpunkte in den Asiatischen und Pazifikregionen.

Kennzeichnend für das amerikanische System der Kreditpunkte ist, dass eine Kredit-Stunde einer Unterrichtsstunde à 50 Minuten entspricht, das können Vorlesungen, Seminare, Labor-, selbständige oder andere Arten von Arbeiten sein, die wöchentlich im Laufe des Semesters absolviert werden müssen. Für das Studium mehrer Fächer an amerikanischen Universitäten ist es üblich, 3-4 Kreditstunden pro Semester zu wählen. Im amerikanischen Bildungssystem wird der Terminus Credit als Maß definiert, das die Lehrbelastung des Lehrers und die Schätzung der Ergebnisse der Aneignung des Wissens der Studenten bestimmt, und ist nicht ein Maß für die Lehrerbelastung und die Bewertung der Ergebnisse der Aneignung der einzelnen Fächern durch die Studenten undwird auch nicht als Mass der geleisteten Arbeit für die Aneignung des Unterrichtsstoffes bewertet. Hier werden die Kreditstunden der selbständigen Arbeit der Studenten und die verbrauchte Zeit der Studenten für deren Ausführung nicht erfasst. Die Studenten bekommen für die selbständige Arbeit keine zusätzlichen Kredite, obwohl jeder Lehrer nach eigenen Vorstellungen sie durch Referate, Hausaufgaben, Gruppen- und individuelle Projekte abprüft.

An einigen Hochschulen Grossbritanniens wird ein System der Ansammlung und der Übergabe der Kredite benutzt, die einige Eigenschaften sowohl des amerikanischen Systems der Nutzung der Kredite, als auch des europäischen Systems beinhaltet. Das akademische Jahr der Ausbildung umfasst nach diesem System 1.200 obligatorische Unterrichtsstunden oder 120 Kreditpunkte und ein Kreditpunkt entspricht 10 obligatorischen Unterrichtsstunden. Der Begriff der obligatorischen Unterrichtsstunden oder der obligatorischen Lehrzeit bezeichnet den Umfang der Stunden, die man für die Ausbildung eines Studenten bis zum Niveau des Bachelors oder des Magisters verbrauchen sollte. Es umfasst die Gesamtzahl der Unterrichtsstunden, die Ausführung der Jahresarbeiten, der Projekte, der selbständigen Arbeiten der Studenten, die Zeit für die Vorbereitung auf die Prüfungen und ihre Durchführung. Kurz gesagt, den ganzen Prozess der Ausbildung, der zum Abschluss der Ausbildung auf dem jeweiligen Niveau der Ausbildung in der obligatorische Studienzeit notwendig ist.

Zum Erreichen des Niveaus des Bachelors haben die Studenten an der Hochschulen Grossbritanniens in der Regel drei Jahre Zeit und das Studium umfasst 360 Kreditpunkte. An den medizinischen und Architekturfakultäten dauert die Ausbildung verhältnismäßig länger, bis zu 7 Jahren.

In den europäischen Ländern wird in den letzten Jahren mit dem Ziel der Entwicklung eines einheitlichen gesamteuropäischen Raumes der Hochschulbildung im Rahmen des Bolognaprozesses ein Kreditsystem im Rahmen des modernen europäischen Systems der Kreditpunkteübergabe realisiert.

Bis heute haben über 35 Länder dieses Abkommen unterzeichnet. Im September 2003 hat sich auch Russland an dieses Abkommen angeschlossen. Andere Länder, einschließlich der zentralasiatischen Länder haben die Absicht bekundet, sich auch an dieses Abkommen anzuschließen.

Das Hauptziel der Realisierung eines einheitlichen europäischen Systems der Kreditpunkteübergabe ist die Harmonisierung der Ergebnisse der Ausbildung beim Übergang der Studenten von einer Hochschule auf eine andere, einschließlich der Hochschulen im Ausland und die gegenseitige Anerkennung ihrer Diplome. Der Student soll für das Erreichen des akademischen Bachelors-Niveaus  im Laufe eines Semesters nicht unter 30, und im gesamten Lehrjahr also 60 und für vier Studienjahre entsprechend 240 Kreditpunkte bekommen.

Seit 1991 wird in den Ländern Asiens und der Pazifikregion ein System der Übergabe von universitären Kreditpunkten in die Hochschulen eingefuehrt. Dieses System wird seitens der Organisation “Universitäre Mobilität in Asien und in der Region des Pazifischen Ozeans“ organisiert, mit dem Ziel der Förderung der Mobilität der Studenten und Lehrkräfte durch den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten der Region.

Das System der Kreditpunkteübergabe in den Asiatischen und Pazifikregionen sowie im europäischen System der Kreditpunktvergabe, fusst auf der Aneignung von 60 Kreditpunkten im Laufe eines Studienjahres . Eine besondere Eigenschaft dieses Systems besteht darin, dass es als Mittel der Anerkennung des einheitlichen Lernprozesses und der Ergebnisse der Ausbildung des Studenten an anderen Universitäten der Region verwendet wird.

Bei allen spezifischen Besonderheiten aller vier betrachteten Typen des weltumfassenden Kreditpunktesystems, gleichen sie sich dem Prinzip nachin ihrer Praxis. In der Republik Tadshikistan steht eine große Arbeit bevor, das eigene System an das der USA, als auch an das der EU-Ländern anzugleichen. Dieser Bildungspolitikkurs erfolgt entsprechend den strategischen Aufgaben des Aufbaues eines Rechtsstaates mit einer freien und entwickelten bürgerlichen Gesellschaft. Die Realisierung des Zieles ist ohne ein entsprechendes System der volkseigenen Bildung  nicht möglich. Der deutsche Politikwissenschaftler H. Maier schätzt die Rolle des Bildungsniveaus in der Gesellschaft für die Erreichung der komplizierten Aufgaben, die vor den Gesellschaften stehen, das demokratische Verwaltungssystem aufzubauen, hoch ein. Er schreibt: “Demokratie erschien als schwache, als gefährdete Staatsform, unstabil und stutzungsbedurftig. Seitdem es eine Theorie der Staatsformen gibt, wiegen die Philosophen bei der Betrachtung der Volksherrschaft immer wieder bedenklich das Haupt. Keiner anderen Staatsform ist so viel Skepsis entgegengebracht, sind so viele Vorbedingungen gestellt, so viele Aufgaben gemacht worden wie der Demokratie. Dazu gehört auch ihre Padagogisierung. Man bezweifelte, dass sie im realen Leben uberhaupt funktionieren koenne” (2).

Auch wenn an den Hochschulen der EU-Staaten, wie zum Beispiel in Deutschland, 30 Kreditpunkte für ein Semester vergeben werden, so planen wir unter Berücksichtigung der ungenügenden Vorbereitung der Sudenten in den Mittelschulen 38 Kreditpunkte für ein Semester zu vergeben. Diese zusätzlichen 8 Kreditpunkte werden die schwachen Kenntnisse der Studenten, die sie in der Schule bekommen haben, ausgleichen.

Die Bildung in der Republik Tadshikistan, wie auch in der tadshikischen Gesellschaft, befindet sich heute auf dem Weg der Entwicklung. Wenn die Gesellschaft in Richtung Demokratie geht, so sucht die Bildung nach einem neuen System und neuen Methoden der Vervollkommnung des Unterrichts. Das neue Kreditsystem der Bildung hat im Vergleich zu dem alten eine Reihe von positiven Merkmalen. Wenn bei dem alten und bis jetzt noch erhalten gebliebenden System an den meisten Hochschulen der Republik das Studieren in allen Fächern ??? obligatorisch ist, so wird beim neuen System, je nach gewählter Ausbildung, den Studenten eine Reihe von Fächern zur Wahl vorgelegt. Das ist die eine Seite. Die andere erfordert mehr selbständiges Arbeiten der Studenten. Wobei das selbständige Arbeiten in zwei Bereiche eingeteilt werden wird: a. ohne Begleitung durch einen Lehrer und b. mit dem Einsatz des Lehrers. Drittes wird durch das Kreditsystem die Evolution des Wissens transparenter und von Prüfung zu Prüfung deutlicher sichtbar: sowohl bei den fortlaufenden Prüfungen als auch den abschließenden und zusammenfassenden. Viertens werden die fortlaufenden und Zwischenprüfungen von den Lehrern vorgenommen. Die Abschlussprüfungen werden vor einer Kommission durchgeführt, wo auch die Lehrer, die den Unterricht durchführten, ihren Platz haben werden. Jede schriftliche Prüfung der Studenten wird in den persönlichen Akt des Studenten aufgenommen und im Rahmen der Abschlussprüfungen berücksichtigt. Das Ziel dieser deutlich vorgezeichneten Prozesses ist die Verhinderung des Rückganges des Bildungsniveaus, von Bestechungen und der Protektion für Verwandte und Bekannte, mit einem Wort, die Befreiung von allen negativen Erscheinungen, die in der Bildungssphäre vorhanden sind.

So soll das neue Kreditpunktesystem in der Republik Tadshikistan, die auf eine gründliche inhaltliche Veränderung der Hochschulen des Landes hinausläuft, die Bedingungen setzen, die allmählich dazu beitragen, dass sich auch unsere Studenten sowohl an den Hochschulen der USA als auch an den Hochschule der EU-Länder studieren können.

Anmerkungen:

1. Ausfuhrlich sieh: Сангинов Н.С.,Салимов Н.С. Низоми кредитии тахсилот. – Душанбе:Ирфон, 2005. – С. 13-21.
2. Maier Hans. Demokratie braucht politische Bildung // Demokratie braucht politische Bildung. (Hrsg. Breit G., Schiele S.). – Schwalbach / Ts.: Wochenschau, 2004. – S. 11.

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