TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 8.17. Massenmedien und sozial-geistige Ökologie unserer Gesellschaft
Sektionsleiterin | Section Chair: Maja N. Volodina (Lomonosov-Universität, Moskau)

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Werbekompetenz bei Kindern: Werbung im Fernsehen

Elena Ivanova (Universität Bielefeld, Deutschland) [BIO]

Email: elena.ivanova@uni-bielefeld.de

 

Das Leben in der massenmedialen Gesellschaft stellt an Menschen immer wieder neue Herausforderungen. Insbesondere für Kinder bedeutet das, dass sie schon in jungen Jahren viele Fähigkeiten und Kenntnisse brauchen, um sich in dieser Gesellschaft zu orientieren. In der massenmedialen Gesellschaft tritt der Begriff der Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation ein – Qualifikation, die für den kompetenten Umgang mit Medien erforderlich ist.

Es existieren in der Medienpädagogik mehrere Ansätze zur Erläuterung des Begriffs „Medienkompetenz“. Dieser Begriff ist mehrdimensional und lässt sich nicht in einem Satz erklären. Die Wissenschaftler entwickeln komplexe Modelle der Medienkompetenz. Insgesamt lassen sich etwa 100 Medienkompetenz-Modelle unterscheiden. Eine solcher Modelle (bekannt unter dem Namen „Bielefelder Medienkompetenz-Modell“) wurde von Dieter Baacke in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts vorgeschlagen. Nach Baacke, bedeutet Medienkompetenz. „nichts anderes als die Fähigkeit, in die Welt aktiv eingeeigneter Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen“(1).

Werbekompetenz entwickelt sich demgemäß nach der häufigen aktiven Mediennutzung, wobei die kritische Einstellung zur Werbung herausgebildet wird, die zur bewußten Werbenutzung führt.

Medien sind aus dem Alltag der Kinder nicht mehr wegzudenken. Laut der Daten der Studie „Kinder und Medien 2003“, sind die Kinder heutzutage mit Medien sehr gut vertraut. Neben der Schule und Familie sind Medien schon längst zum Teil ihres Alltags geworden. Umgang mit Medien ist für Kinder eine wichtige Form der Freizeitaktivität, so wie draußen spielen oder Freunde besuchen.

Das ist eng damit verbunden, dass heute in jeder Familie verschiedene Medien den Kindern zur Verfügung stehen. Jedes fünfte Kind in Deutschland hat sogar sein eigenes Fernsehgerät im Zimmer.

Bei der Freizeitgestaltung von Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren nehmen elektronische Medien wie Fernseher, Computer oder Spielkonsole einen wichtigen Platz ein. Die meiste medial verbrachte Zeit widmen die Kinder dem Fernsehen.  So sehen 98% aller 6- bis 13-Jährigen jeden oder fast jeden Tag fern(2). An einem durchschnittlichen Tag im Jahr 2003 sahen die 6- bis 13-Jährigen etwa 93 Minuten fern, Samstags aber etwa 110 Minuten. Diejenigen, die sein eigenes Gerät haben, sehen wesentlich mehr fern am Tag  (121 Minuten gegen 85 Minuten)(3).  Der tägliche Nutzungsgipfel des Fernsehens bei dieser Altersgruppe liegt zwischen 20.00 Uhr und 20.15 Uhr. Da Kinder am Samstagabend aber länger fernsehen dürfen,  findet die höchste Nutzung samstags  gegen 21.00 Uhr statt.

Trotz der verbreiteten Meinung, ist jedoch Fernsehkonsum bei Kindern seit 1992 stabil geblieben: genau wie 1992 sehen Kinder jeden Tag etwa 93 Minuten fern(4).

Unter den beliebtesten Kanälen der Kinder sind Super RTL und KI.KA zu nennen, wobei Super RTL im Vergleich zu KI.KA fast doppelt so häufig gesehen wird (24,2% gegen 12,12% der 6-bis 13-Jährigen bevorzugen SRTL vor Ki.Ka)(5)

Fernsehen ist nach den Tageszeitungen die zweitstärkste Mediengattung im deutschen Werbemarkt(6). Die Daten der Fernsehnutzung von Kindern sind für Werbetreibenden enorm wichtig. Dazu schreibt Eckart Waage folgendes:

„Kinder sind Konsumenten der Gegenwart, und eine intensive Beobachtung dieser Zielgruppe lässt bereits auf das Konsumverhalten der Zukunft schließen. Sie entscheiden sich für Produkte, die ihnen vertraut sind oder durch Werbung bekannt gemacht wurden. Kein Wunder also, das Werbung bei Produkten für junge Kinder nichts dem Zufall überlässt“ (7).

Werbung im Kinderprogramm ist im keinen Fall unprofitabel. Laut der Studie „Kids VA 2004“, wurde die Kaufkraft der 5,98 Mio der 6-bis 13-jährigen Kinder in Deutschland auf der Höhe von etwa 5,49 Mrd. Euro pro Jahr eingeschätzt(8). Außerdem sehen die Firmen Kinder als Manipulatoren ihrer Eltern: Kinder äußern ihre Kaufwünsche ihren Eltern, die dann genau das kaufen, um was gebeten wurde (und schließlich für welches Produkt geworben wurde). So wird zum Beispiel vor den Weihnachten viel mehr für teuere Spielsachen geworben als in übrigen Jahreszeiten.

Im Fernsehprogramm für Kinder lässt sich eine Vielfalt von unterschwelligen und direkten Werbeformen finden.

  1. Werbung neben dem Programm: zeichnet sich dadurch aus, dass Werbung in zeitlich begrenzten Sendeteilen neben dem Programm gezeigt wird. Der bekannteste Beispiel dafür ist Blockwerbung. Auch Narrow Casting ist an das Programm angelehnte Film, der thematisch mit der Sendung verbunden ist. Ähnlichkeit und inhaltliche Nähe mit dem Programm ist das wichtigste Merkmal dabei, weil der Werbetreibende damit versucht, so viele Interessierte wie möglich anzusprechen. Weitere Form ist Moderatorenwerbung im Werbeprogramm: ein Moderator trägt nach der Sendung eine nachrichtenähnliche Werbung in der Form einer Reportage vor, wodurch Seriosität erzogen wird.
  2. Werbung im Programm: Vordringen der Werbeaussagen in den Programmteil. In erster Linie Sponsoring ist dabei zu nennen. Sponsoring ist eine Form der Kooperation des Senders mit dem Dritten, wobei finanzielle Unterstützung gegen Erwähnung des Firmennamen im Programm „getauscht“ wird (z.B. die Sendung Kim Possible wird von der Schuhfirma Geox unterstützt). Product Placement bedeutet die Platzierung des Produktes unmittelbar im redaktionell gestalteten Programm, wie z.B. im Film. Ferner sind Werbespiele zu nennen - Quizsendungen und Fernspiele. Populär im Kinderprogramm sind Fernspiele, z.B. Spongebob-Gewinnspiel, wo Kinder durch die mit Anruf richrig beantwortete Fragen eine DVD gewinnen können.
  3. Werbung anstelle des Programms: zeichnet sich dadurch aus, dass das ganze Programm als Ziel Vermarktung von Produkten hat. Das sind die Infomercials oder Kino-und Videocommercials, und auch Videoclips. Sie scheinen einen informativen Charakter zu haben, werden aber als Anreger zum Kauf von DVD’s und CD’s gezeigt. Im Kinderprogramm sind oft Videoclips zu sehen, denen CD-Werbung folgt.
  4. Werbung nach dem Programm: Merchandising und Lizensing. Sie äußert sich im Verkauf von Nebenrechten auf bekannte Fernsehfiguren an Firmen (wie Namen, Marke, Bild oder Emblem). Das sind z.B.  Bob der Baumeister-Figuren mit Zubehör von HIT, oder Thomas-Bahn aus dem gleichnamigen Trickfilm als Spielzeug von LEGO.

Die oben genannten Formen kann man als „klassische“ Werbeformen bezeichnen, die schon seit langer Zeit etabliert sind. Es entstehen jedoch immer wieder neue Formen der Werbung(9). Für das Kinderprogramm ist Bartering relevant. Bartering ist keine Werbeform an sich, sondern ein Mittel, Werbung effizienter zu machen. Bartering ist Tausch vom Produkt gegen Werbezeit. Prinzip besteht darin, dass Programmveranstalter Programme von Werbungstreibenden bekommen, die dafür Werbezeit vor und nach dem Programm  erhalten. Der Werbetreibende kann auf diese Weise ein produktfreundliches Umfeld schaffen, und der Sender bekommt attraktiveres Programm. Bekanntlich kooperiert Disney sehr eng mit Super RTL und liefert dem Sender die meisten Inhalte.  Dafür ist jede Stunde mehrmals das „Disney Toon Time“- Logo auf dem Bildschirm zu sehen.

Der private Sender SRTL steht auf dem 1. Platz der Liebliengssender der Kinder, was zur größeren Aktivität der Werbetreibenden auf diesem Kanal führt. Die Zeit von 19 bis 21 am Wochenende ist „Prime-Time“ bei Kindern, und die Werbebotschaften, die um diese Zeit ausgestrahlt werden, erreichen das größte Zuschauerauditorium.

Die durchschnittliche Anzahl der Spots in einem Werbeblock bei SRTL ist 13-14, pro Stunde sind es ungefähr 37 Spots. Außerhalb des Blocks kommen dazu noch etwa 12 Programmhinweise, die auch Werbung enthalten (hauptsächlich für CD’s und DVD’s) und mehrere Spots der Sponsoren. Gewinnspiele werden unmittelbar vor dem Anfang des Programms angekündigt und nach dem Ende durchgeführt (es wird eine Frage über den Inhalt des Programms gestellt). Durchschnittliche Dauer jedes Blocks ist 5 Minuten, mit Programmhinweisen etwa 7 Minuten.

Abb.: Struktur der Sendung: eine Stunde bei Super RTL

   Struktur der Sendung: eine Stunde bei Super RTL

Blick auf die Struktur des Programms zeigt, dass der eigentliche Programmteil zwischen den zahlreichen Werbeblöcken und zusätzlichen Informationen verloren geht. Nach dem Programm kommen Programmhinweise, denen Werbung folgt, und nach der Werbung werden Programmhinweise wiederholt.

Besonders für junge Zuschauer ist es deswegen schwierig, zwischen dem Programm und den Werbeanteilen im Programm zu unterscheiden. Studien, die zu diesem Thema durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass besonders die jüngeren Kinder zwischen dem Programm und der Werbung nicht richtig unterscheiden können. Etwa 37% der Vierjährigen kennen den Unterschied zwischen Werbung und Programm nicht. Dasselbe gilt für noch 21% der fünfjährigen und 12% der sechsjährigen Kinder(10).

Das Fehlen der Fähigkeit bei Kindern, zwischen der Werbung und Programm zu unterscheiden, ist das größte Hindernis auf dem Weg zur kompetenten Umgang mit Werbung.

Für die Entwicklung der Werbekompetenz ist medienpädagogisches Engagement erforderlich. So berichtet Norbert Neuß, dass nach der medienpädagogischen Arbeit mit den Kindern zum Thema Werbung Werbekompetenz bei 85% der Kinder gestiegen ist.(11)

Dabei können auch Eltern seine Kinder zum Thema Werbung zu Hause unterrichten. Für alle Eltern existiert schon seit 2004 die Web-Ressource „mediasmart.de“, wo zahlreiche Materialien zum Thema „Augen auf Werbung“ vorhanden sind. Das ist die Initiative zur Förderung der Werbe- und Medienkompetenz bei Kindern, die von der deutschen Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur GMK unterstützt wird. Spielerische Arbeit mit solchen Materialien im Unterricht soll Kinder lehren, mit Werbebotschaften kritisch umzugehen und reflektierte Kaufentscheidungen zu treffen. Diese Fähigkeit wird ihnen in der Zukunft bestimmt nützlich sein.

 


Anmerkungen:

1 Baacke, Dieter: Kinder und Werbung / Dieter Baacke ; Uwe Sander ; Ralf Vollbrecht . - Stuttgart [u.a.] : Kohlhammer , 1993. S. 189.
2 Kuchenbuch, Katharina/Simon, Erik: Medien im Alltag Sechs- bis 13-Jähriger: Trends, Zielgruppen und Tagesablauf. Ergebnisse der ARD/ZDF-Studie “Kinder und medien 2003” In: Media Perspektiven 9/2004, S. 443.
3 Feierabend, Sabine/Klingler, Walter: Was Kinder sehen. In: Media Perspektiven 4/ 2005, S. 164ff.
4 Ebd., S. 163.
5 Ebd., S. 163.
6 Müller, Dieter K. Werbung und Fernsehforschung. In: Media Perspektiven, 1/2004, S. 30.
7 Waage, Eckart: Kindermund tut Wahrheit kund. Über Kinder in der Hörfunkwerbung. In: Bachmair, B./Diepold, P./de Witt, C. (Hg.): Meister, Dorothee M./Sander, Uwe (Hrsg.): Kinderalltag und Werbung. Zwischen Manipulation und Faszination. Neuwied: Luchterhand, 1997. S. 79.
8 Freiziet-und Medienverhalten von Kindern: aktuelle Daten aus der medien-und Konsumforschung. [online]
URL: http://www.mediasmart.de/content/view/26/68/ [Stand: 05.05.2008]
9  vgl. Hormuth, Steffen:  Placement : eine innovative Kommunikationsstrategie / von Steffen Hormuth . - München : Vahlen , 1993. S. 1993, S. 59ff.
10 Neuß, Norbert: Kinder werden werbekompetent - Medienpädagogische Bausteine und ihre Effizienz. Teil 2 der Reihe: Werbekompetenz und Werbepädagogik. In: Medienimpulse, Heft Nr. 29, September 1999, S. 85.
11 vgl. Neuß, Norbert: Kinder und Fernsehwerbung. Medienpädagogische Herausforderungen angesichts aktueller Forschungsergebnisse. Teil 1 der Reihe: Werbekompetenz und Werbepädagogik. In: Medienimpulse, Heft Nr. 28, Juni 1999. S.99ff.

8.17. Massenmedien und sozial-geistige Ökologie unserer Gesellschaft

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For quotation purposes:
Elena Ivanova: Werbekompetenz bei Kindern: Werbung im Fernsehen - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/8-17/8-17_ivanova17.htm

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