TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 8.17. Massenmedien und sozial-geistige Ökologie unserer Gesellschaft
Sektionsleiterin | Section Chair: Maja N. Volodina (Lomonosov-Universität, Moskau)

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Werbung und ihre Einwirkung auf die Bildung von Genderstereotypen -

am Beispiel der deutschsprachigen Frauen- und Männerzeitschriften

Maria Krapivkina (Lomonosov-Universität, Moskau, Russland) [BIO]

Email: mkrapivkina@mail.ru

 

In den letzten Jahrzehnten wurde die Werbung zum Forschungsobjekt einer ganzen Reihe der wissenschaftlichen Disziplinen: Psychologie, Semiotik, Psycholinguistik, Pragmatik u.a.

Eine der wichtigsten Besonderheiten der Werbung besteht darin, dass alle internen Gesetze dieses Phänomens sowie die Hauptidee der Werbung an sich auf ein einziges Ziel orientieren: sie lassen den Rezipienten ein Produkt / eine Dienstleistung akzeptieren und, im Endeffekt, es kaufen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Etymologie des deutschen Wortes „Werbung“. Es geht auf das althochdeutsche Verb „hwerban“. Die lexikalische Bedeutung dieses Verbes – „sich drehen, wenden, sich bemühen“ – hat sich allmählich in „sich um etwas, jmdn. bemühen; jmdn. für einen Dienst, eine Arbeit, gewinnen wollen“ transformiert.  Auf diese Weise erweist sich die Spezifik der Werbung auch in der Etymologie des Wortes.

Aber die Werbung ist nicht nur auf ein bestimmtes Produkt gerichtet, sondern auch auf die Lebensweise, deren Voraussetzung wäre, dieses Produkt zu erwerben. Die Werbung stellt nicht nur Informationen über ein Produkt, dessen Eigenschaften und Vorteile dar. Sie repräsentiert auch die Vorstellung über einen typischen Verbraucher / eine typische Verbraucherin dieses Produktes. Da Werbungsujets vorwiegend Alltagssituationen reproduzieren, nimmt sie der Rezipient als etwas natürliches und normatives wahr. Die Werbung, indem sie das jeweilige Produkt propagiert, beeinflusst die Wertorientierung des Publikums und schafft bestimmte Verhaltensmuster. Diese Verhaltensmuster und die Mittel ihrer Bildung unterscheiden sich je nach der Geschlechtsangehörigkeit der Leser.

In diesem Zusammenhang ist der Begriff „Gender“ zu erwähnen. Der amerikanische Soziologe A. Giddens erklärt diesen Begriff als social expectations about behaviour regarded as appropriate for the members of each sex [Giddens 1999:153]. Dabei wird betont, dass “sex” sich auf physische, körperliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern bezieht, während “gender” ihre psychologische, soziale und kulturelle Besonderheiten betrifft.

In der jeweiligen Kultur werden mit dem jeweiligen Geschlecht bestimmte Vorstellungen verbunden, die das Genderverhalten unmittelbar beeinflussen bzw. regeln. Auf der einen Seite befinden sich feminine Kulturen, die vor allem durch die "weiblichen" Eigenschaften von Mitgefühl, Toleranz, sozialer Ausrichtung und einer gewissen Sympathie für den Schwächeren gekennzeichnet sind. Dabei sind auch die Geschlechterrollen in diesen Kulturen eher nicht strikt getrennt – ein Mann kann auch weinen.

Maskuline Kulturen auf der anderen Seite sind mehr durch die "kriegerisch-männlichen" Eigenschaften gekennzeichnet: Nur der/das beste zählt, Toleranz und Mitgefühl spielen eine untergeordnete Rolle. Geschlechterrollen sind dabei relativ strikt getrennt [Hofstede].

Deutschland gilt als eine eher maskuline Kultur, wo die üblichen Genderstereotypen in Massenemedien und unter anderem in der Werbung, eindeutig fixiert sind. Gleichzeitig schafft die Werbung immer neue Verhaltensmuster, die weiterhin einen starken Einfluss auf die Vorstellungen über Geschlechterrollen ausüben.

Bei der Analyse einer Werbungsanzeige aus der Genderperspektive spielen folgende Kriterien eine wesentliche Rolle: argumentative Strategien, Text- und Bildverhältnis, semantische Felder, lexikalische und syntaktische Unterschiede

Zu erwähnen sind weibliche Abbildungen, die in allen Werbungsanzeigen unabhängig vom Lesergeschlecht oft eingesetzt werden. Dabei sind die Frauen in der Männerwerbung ständig als sexuelles Objekt dargestellt. In Frauenzeitschriften treten auch andere Seiten des Frauenlebens in den Vordergrund, z.B. die Frau als Mutter oder als eine karrierebewusste Businesswoman (s. Werbungsanzeige für Opel Tigra TwinTop).

Werbung Opel Tigra

 „Das beste SPORT BILD Bundesliga-Sonderheft aller Zeiten: alle Teams, alle Spieler, alle Fakten der Bundesliga-Saison 05/06.“ („Maxim“, 08/2005)
„Jede Menge Software. Jede Menge Geräte.“ („Maxim“, 01/2006)

Es lassen sich zwei Werbestrategien aussondern, die auf Basis der oben genannten sprachlichen und nicht-verbalen Mitteln umgesetzt werden. Die erste Werbestrategie appeliert an die emotionale und assoziative Wahrnehmung. Dieses Verfahren ist durch die Vielzahl der expressiven syntaktischen Konstruktionen, die Imitation der gesprochenen Sprache, große und prägnante Bilder gekennzeichnet. Diese Werbestrategie wird in Zeitschriften hauptsächlich im Bezug auf die Leserinnen verwendet.

Die zweite Strategie unterscheidet sich durch rationale Argumentation und greift in der Regel zu solchen sprachlichen Mitteln wie lexikalische Wiederholungen, detaillierte Aufzählung der technischen Eigenschaften des Produktes und hebt die Exklusivität der Ware durch entsprechende Bewertungsadjektive hervor. Sehr oft verweist solche Werbungsanzeige auf die Meinung einer angesehenen Person (s. Werbungsanzeige für die Firma Breitling).

Werbeanzeige der Firma Breitling

Die Vorstellungen über Frauen und Männer und ihre Position in der modernen Gesellschaft, die durch Massemedien und insbesondere durch Werbung gebildet werden, sind vielfältig. Es lassen sich aber zwei generelle Genderstereotypen herausgliedern: „eine typische Frau“ und „ein typischer Man“. Das eine ist eine attraktive, karrierebewusste Frau, die sich gleichzeitig als eine vorbildliche Mutter und Frau erweist, und das andere ein erfolgreicher Mann, der Qualität und Luxus an allem zu schätzen weiß. Es ist fraglich, ob nur solche Frauen und Männer die betreffenden Zeitschriften kaufen, aber gerade durch diese Stereotypen sind Denkmodelle der meisten Leser der modernen Magazine geprägt.

 

Literatur


8.17. Massenmedien und sozial-geistige Ökologie unserer Gesellschaft

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For quotation purposes:
Maria Krapivkina: Werbung und ihre Einwirkung auf die Bildung von Genderstereotypen - am Beispiel der deutschsprachigen Frauen- und Männerzeitschriften - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/8-17/8-17_krapivkina17.htm

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