Alexander Wolodtschenko – Atlaskonzeptionelle und kartosemiotische Untersuchungen: Doppelstädte Europas

Nr. 18    Juni 2011 TRANS: Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften


Section | Sektion: Signs and the City. In honor of Jeff Bernard

Atlaskonzeptionelle und kartosemiotische Untersuchungen: Doppelstädte Europas

Alexander Wolodtschenko (Technische Universität Dresden, Deutschland) [BIO]

Email: Alexander.Wolodtschenko@mailbox.tu-dresden.de


 Konferenzdokumentation |  Conference publication


 

Abstract:

Im Rahmen des Forschungsprojektes „Atlaskartographie–Atlaskartosemiotik“ am Institut für Kartographie der Technischen Universität Dresden wurden in der Zeit 2005-2010 theoretische Untersuchungen und konzeptionelle Vorschläge für  diverse thematische Taschen- bzw. Miniatlanten realisiert. Jede Konzeption für Taschenatlanten schließt eine kartosemiotische Analyse von themenbezogenen Atlanten sowie inhaltliche und layoutbezogene Vorschläge ein. Im Paper werden zwei Projekte als Studienarbeiten von Studenten der Technischen Universität Dresden bezüglich der Doppelstädte in Europa präsentiert. Die durchgeführten Untersuchungen schließen nicht nur traditionelle atlaskartographische, sondern auch neue atlaskartosemiotische Aspekte ein. Es ist zweckmäßig, solche Untersuchungen weiter zu führen.

 

1. Zu Begriffen  Atlaskartographie und  Atlaskartosemiotik

 Der Begriff Atlaskartographie ist in den 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Kartographie entstanden. Im Lexikon der Kartographie und Geomatik findet man folgende Definition (Denk 2001): „Die Atlaskartographie ist ein Arbeitsfeld der Kartographie, das sich mit Planung, Organisation, Herstellung und Laufenthaltung von Atlanten befasst“.

Der Begriff Atlaskartosemiotik ist ein neuer Begriff sowohl für die Kartographie, als auch für die Kartosemiotik. Die Atlaskartosemiotik ist ein Teil der angewandten Kartosemiotik, welcher sich mit Untersuchungen, Interpretation und der thematisch-modularen Analyse (T-M Analyse) von analogen und elektronischen Atlanten als meta-semiotische Modelle beschäftigt, mit dem praktischen oder wissenschaftlichen Ziel neues oder vergessenes raumbezogenes Wissen zu gewinnen (Wolodtschenko 2009). Die Atlaskartosemiotik als eine neue Forschungsrichtung und integrativer Wissensbereich hat kartenbezogene Wurzeln, aber entwickelt sich weiter mit kartographischen und nichtkartographischen Traditionen (z.B. in der Geographie, Geschichte, Ökologie, angewandte Kunst usw.).

 

2. Stadt- und doppelstädtebezogene Atlaskonzeptionen

Das Thema Städte bzw. Doppelstädte an Staatsgrenzen Europas ist nicht nur von wirtschaftspolitischem und kulturhistorischem (vgl. Schultz 2004), sondern auch von kultursemiotischem und atlaskartographischem Interesse. In der Zeit 2005-2010 wurde das Forschungsprojekt „Atlaskartographie-Atlaskartosemiotik“ mit Schwerpunkten zu theoretischen und konzeptionellen Untersuchungen von diversen thematischen Taschen- bzw. Miniatlanten realisiert. Jede Konzeption für Taschenatlanten schließt eine kartosemiotische Analyse von themenbezogenen Atlanten sowie inhaltliche und layoutbezogene Vorschläge ein.

Im neunten Semester hat jeder Kartographie-Student (die Diplom-Kartographie Ausbildung ist leider seit 2008 an der TU Dresden eingestellt worden) eine Studienarbeit (Prä-Diplonarbeit) zu schreiben. Unter diversen Studienarbeitsthemen sind auch Themen zu stadtbezogenen Atlaskonzeptionen zu nennen. Tab. 1 zeigt die Liste von stadtbezogenen Themen von Studienarbeiten.

 

Thema Name Jahr Betreuer Konzeption eines Atlas der Stadt Leipzig für Kinder und Eltern Schubert, Ines 2005 Wolodtschenko,A Konzeption für einen Taschenatlas: Doppelstädte an deutschen Grenzen Grießman, Peter 2006 Wolodtschenko,A Konzeption für einen Kinder- und Elternatlas der Stadt Dresden Jochim, Klaudia 2007 Wolodtschenko,A Kartosemiotische Analyse der Straßennamen von Görlitz (1906-2006) Elsner, Lars 2008 Wolodtschenko,A Konzeption für einen Taschenatlas: „Doppelstädte Europas“ Preiwuss, Christine 2010 Wolodtschenko,A

Tab. 1: Stadtbezogene Themen der Studienarbeiten von Kartographie-Studenten

 

Zwei Projekte als Studienarbeiten  „Konzeption für einen Taschenatlas: Doppelstädte an  deutschen Grenzen“ von Peter Grießman und  „Konzeption für einen Taschenatlas: Doppelstädte Europas“ von Christine Preiwuss  werden hier kurz behandelt. Beide Projekte bezüglich der Doppelstädte an Staatsgrenzen in Europa wurden in konzeptioneller Form für die klassischen Printmedien erarbeitet. 2006 und 2010 wurden sie entsprechend präsentiert und verteidigt. Die  beiden Konzeptionen sind als touristische Produkte zu  betrachten. Im weiterem werden hier nur ausgewählte informationssemiotische Aspekte (ohne organisatorische,  layoutbezogene und technologische Aspekte) dargestellt.

Die erste Konzeption des Atlasprojekts schließt insgesamt neun Städtepaare ein, welche sich in Nachbarschaft zu Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Polen und der Schweiz befinden. Abb. 1 zeigt einen möglichen Titel und eine Übersichtskarte der Doppelstädte an deutschen Grenzen. Im zweiten Taschenatlas werden 30 europäische  Staaten mit über 80 Städtepaaren erfasst (Abb. 2).

 

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Titel des Atlas (links) und Übersichtskarte der Doppelstädte an deutschen Grenzen

Abb. 1: Titel des Atlas (links) und Übersichtskarte der Doppelstädte an deutschen Grenzen (rechts) (nach Grießman 2006)

Verteilung von Doppelstädten Europas

Abb. 2:  Verteilung von Doppelstädten Europas (Preiwuss 2010)

 

Alle Atlanten kann man nach dem Zweck, Inhalt, Struktur, Konzeption usw. unterscheiden und als semiotische Modelle mit zeit-, raum- und themenbezogenen Merkmalen charakterisierenIn diesem Kontext lassen sich Atlanten mit Hilfe von semiotischen Meta-Variablen (Text, Bild und Karte) kennzeichnen (Wolodtschenko 2007, 2010). Jede Atlas-Konzeption schließt eine nutzerorientierte Planung von semiotischen Informationsmodulen bzw. Meta-Variablen ein. Dabei ist sehr wichtig, die vier semiotisch orientierten Konzeptionstypen von Atlanten zu berücksichtigen:

  1. klassische Kartenatlanten
  2. Bildatlanten
  3. Textatlanten und
  4. Mischform der Atlanten.

Die beiden geplanten Taschenatlanten wurden auf eine Mischform der Atlanten orientiert. Aus atlaskartographischer Sicht sind dabei statistische, kartographische und thematische Quellen anzuwenden.

 

3. Semiotisches Potenzial

Jeden (in Print- bzw. elektronischer Form) beliebig seitenbezogenen Atlas kann man mit Hilfe von semiotischen Meta-Variablen  quantitativ charakterisieren. Das semiotische Potenzial (Wolodtschenko 2006, 2010) in quantitativer Form  (graphisch in Profil-, Diagramm-, Orbit- und Tabellenform) führt zu neuen struktur-konzeptionellen und methodischen Untersuchungsmöglichkeiten von allen Atlanten.

Abb. 3 zeigt eine Verteilung der Informationsmodule bzw. das geplante semiotische Potenzial für den Taschenatlas Doppelstädte an deutschen Grenzen (Text-50%, Karte-35%, Bilder-15%) und Taschenatlas Doppelstädte Europas (Text-55%, Karte-35%, Bilder-10%). In beiden Konzeptionen dominieren Textinformationen als Text-Metavariable. Die drei Meta-Variablen basieren auf informations-semiotischen Modulen z.B. Hauptkarten, Nebenkarte, Generallegende, Fließtext, Register, Tabellen, Fotos, Luft- bzw. Satellitenbilder usw., wobei jede Variable ihre charakteristischen Module einschließt. Dabei wirkt das semiotische Potenzial in qualitativer Form als ein mediales „Barometer“ eines Atlas mit dominierenden bzw. kennzeichnenden Meta-Variablen. Hier wurde eine neue kartosemiotische Methodik der themen-modulbezogenen Auswertung und Interpretation (T-M Methodik nach Wolodtschenko 2007)  von  diversen Atlanten angewendet.

 

Grafik Verteilung der Doppelstädte an deutschen Grenzen

Abb. 3:  Semiotisches Atlaspotenzial: Taschenatlas Doppelstädte an  deutschen Grenzen (links) und Taschenatlas Doppelstädte Europas (rechts)

 

4. Zusammenfassung

Die konzeptionellen Erarbeitungen von printbezogenen Taschenatlanten haben einen Übergangszweck zur Entwicklung von mobilen Minidisplay-Atlanten (z.B. auf die 3-Zoll bis 4-Zoll multimedialen Handys bzw. Players). Diesen Atlanten wird  der Nutzer in der Zukunft zweifellos großes Interesse widmen. Somit nehmen die Minidisplay-Atlanten einen besonderen Platz in der modernen Kommunikationsgesellschaft nicht nur als Informations- und Orientierungsmittel, sondern auch als mobile Kulturdokumente ein.

Im Rahmen dieses Artikels wurden nur einige informationssemiotische Aspekte betrachtet. Die stadtbezogenen atlaskonzeptionellen Untersuchungen schließen nicht nur traditionelle atlaskartographische, sondern auch atlaskartosemiotische Aspekte ein. Es ist zweckmäßig, solche Untersuchungen weiter zu führen.

 

Literatur:

  • Denk, W. (2001): Atlaskartographie (Stichwort). In: Lexikon der Kartographie und Geomatik. Heidelberg/Berlin 2001, S.42.
  • Grießman, P. (2006): Konzeption für einen Taschenatlas: Doppelstädte an  deutschen Grenzen. Studienarbeit. TU Dresden 2006.
  • Preiwuss, C. ( 2010): Konzeption für einen Taschenatlas: Doppelstädte Europas. Studienarbeit. TU Dresden 2010.
  • Schultz, H. (2004): „Doppelstädte an europäischen Grenzen.“ In: Intern. Tagung „Stadt – Grenze – Fluss“, Doppelstädte an den neuen EU-Binnengrenzen. 29.-30.04.2004, Collegium Polonicum in Slubice, http://www.fluesse-verbinden.net/download/schultz_vortrag.pdf (letzter Zugriff 27.06.2011)
  • Wolodtschenko, A. (2006): Atlaskartosemiotik. Dresden 2006.(in Russisch)
  • Wolodtschenko, A. (2007): „Nationalatlas Deutschland: ein kartosemiotisches Portraet.“ In: Diskussionsbeiträge zur Kartosemiotik und zur Theorie der Kartographie. (Hrsg. A. Wolodtschenko) und H. Schlichtmann. H.10. Dresden 2007.
  • Wolodtschenko, A. (2009): Kartosemiotika. e_Lexikon. 3nd Edition. Dresden 2009 (in Russisch). Auch im Internet: http://meta-carto-semiotics.org (letzter Zugriff 27.06.2011)
  • Wolodtschenko, A. (2010):  „Atlaskartosemiotik: neue Möglichkeiten und Lösungen.“ In: meta-carto-semiotics. (Eds. Hruby F. & Wolodtschenko A.)// E_Journal for Theoretical Cartography, Vol.3/2010, http://meta-carto-semiotics.org  

TRANS INST

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For quotation purposes:
Alexander Wolodtschenko: Atlaskonzeptionelle und kartosemiotische Untersuchungen:
Doppelstädte Europas –
In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 18/2011.
WWW:http://www.inst.at/trans/18Nr/II-1/wolodtschenko18.htm

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