Arnold Groh – Sektionsbericht

Nr. 18    Juni 2011 TRANS: Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften


Section | Sektion: Colours and Culture | Kulturfarben – Farbkulturen |
Couleurs des cultures – cultures des couleurs

Sektionsbericht

Arnold Groh (Technische Universität Berlin, Deutschland) [BIO]

Email: a.groh@berlin.de


 Konferenzdokumentation |  Conference publication


 

Am 28. November 2010 fand in Wien im Rahmen der INST-Konferenz „CCKS: Städte, Kulturen, Wissensgesellschaften“ die Sektion “Colours and Culture / Kulturfarben – Farbkulturen / Couleurs des cultures – cultures des couleurs“ statt. Einleitend stellte der Sektionsleiter Arnold Groh (Technische Universität Berlin) Untersuchungen zum Thema Farbbegriffe indigener Kulturen vor. Diese Studien, die er in West-, Zentral- und Südafrika sowie in Indien durchgeführt hatte, dienten der Überprüfung der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts populär gewordenen Vorstellung, Indigene besäßen keine Farbbegriffe. Mittels standardisierter Farben konnte gezeigt werden, dass Indigenen durchaus Farben benennen. Oftmals werden dabei metonymische Farbbezeichnungen verwendet, wodurch eine höhere Genauigkeit erreicht wird als mit abstrakten Farbbegriffen. Diese Art der Bezeichnung entspricht derjenigen, die in der Industriekultur bei Designern und anderen professionell mit Farben Arbeitenden üblich ist. So ist „oliv“ präziser als „grün“, „bordeau“ präziser als „rot“ etc. Diese höhere Genauigkeit geht einher mit einer insgesamt höheren Präzision der sprachlichen Kommunikation, die insbesondere durch eine komplexere Grammatik indigener wie auch archaischer Sprachen gekennzeichnet ist.

Im zweiten Beitrag stellte Christian Trautsch (Technische Universität Berlin) Farbe als Natur- und Kulturzeichen vor. Aus der Perspektive der Semiotik analysierte der Referent die Funktionen der Farbe, wobei er deren Analogien zu sprachlichen Ausdrucksformen aufzeigte. Auf der Grundlage zunächst antiker und dann neuzeitlicher Philosophie legte Trautsch die Bildsemiotik dar, in die er alsdann Farbe als bedeutungstragende Einheiten argumentativ einbettete. Anhand von Bildbeispielen aus der Werbung und aus der Malerei wurden die semiotischen, wie auch speziell die linguistischen Aspekte verdeutlicht. Es wurden damit durch diesen Beitrag wesentliche Grundlagen für die Bearbeitung von Fragen zur Bedeutung und zu Funktionen der Farbe herausgearbeitet.

Christoph Witzel (Justus-Liebig-Universität Gießen) stellte unter dem Titel Farberscheinung und kulturelles Wissen: Der Farbgedächtniseffekt für kulturspezifische Objekte Experimente zum Einfluss erworbenen Farbwissens auf die Wahrnehmung vor. Versuchspersonen, die beispielsweise mit Bananen oder gelben Briefkästen vertraut sind, assoziieren auch farblose Abbildungen dieser Objekte noch sehr stark mit Gelb. Sie wurden in einer Versuchsreihe gebeten, den Grauton, in welchem diese Gegenstände dargestellt waren, farblich so zu tönen, dass die damit verbundene Vorstellung von Gelb aufgehoben wird. Sie wählten dann jeweils eine leichte Tönung des Grau in Richtung Blau. Dieser Effekt ließ sich allerdings nicht für rote Objekte aufzeigen.

Einen literaturwissenschaftlichen Beitrag lieferte Jenna Ingalls (University of California, Berkeley, USA) zu Itzik Manger and the Color Blue: An Exploration of Modality. In den Gedichten des jiddischen Poeten Manger taucht Blau relativ häufig auf. Dieses Blau hat eine Bedeutungsfärbung in Richtung Sehnsucht, zu Jiddisch „Benkschaft“. Anhand von Gedichtbeispielen machte Ingalls Mangers Einsatz der Farbe deutlich, sei es als alleinstehender, surrealistisch anmutender Begriff, oder im Zusammenspiel etwa mit Weiß als Farbe des Nichts, der Ruhe. Zugleich verwies die Referentin auf Parallelen der Gefühlstönungen, wie sie in der musikalischen Stilrichtung des Blues zu finden sind, zu diesem bei Manger vorliegenden poetischen Stilmittel.

Im letzten Beitrag, The Impact of Globalization on Fundamental Perceptions of Colours and Culture in African Societies, gab Elizabeth Kumbong Amaazee von der University of Buea (Kamerun) Einblicke in sehr konkrete Anwendungen von Farbbegriffen in Afrika. Die Referentin gab zunächst einen Überblick über die Kolonialgeschichte Kameruns und stellte dann die Assoziationen hinsichtlich der Hautfarben dar, die sich aus dem kulturellen Dominanzgefälle ergaben. So genießen Afrikaner mit leicht hellerem Teint ein höheres Ansehen, was mit einem Angebot an Körperpflegeprodukten einhergeht, die schädliche Chemikalien zur Aufhellung der Haut enthalten. Auch die Heirat mit einer weißen Person wertet eine afrikanische Person auf; ja, es genügt, dass jemand aus der eigenen Familie eine europäische Person geheiratet hat, um als afrikanische Person soziale Aufwertung zu erfahren. Weiterhin wurde die Sonderolle Südafrikas erörtert; dort hat – der Referentin zufolge – der europäische Einfluss dazu geführt, dass das Post-Apartheid-Südafrika gewisse hegemoniale Positionen vertritt und dem übrigen Afrika weder Solidarität noch Hilfsbereitschaft entgegenbringt. Zur Rolle der Chinesen sagte die Referentin, diese würden von Schwarzafrikanern kaum differenziert gegenüber anderen hellhäutigen Menschen wahrgenommen.

In der Schlussdiskussion wurde die Bedeutung des transdisziplinären Austauschs im Sinne von Impulsen für die Wissenschaft thematisiert. Dadurch, dass Beitragende mit sehr unterschiedlichen akademischen Hintergründen das Thema der Sektion, Farbe, unter dem Hauptthema der Konferenz beleuchteten, waren die Teilnehmer dieser Veranstaltung persönlich in das Liefern und Empfangen derartiger Impulse involviert.


TRANS INST

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For quotation purposes:
Arnold Groh: Sektionsbericht Colours and Culture | Kulturfarben – Farbkulturen | Couleurs des cultures – cultures des couleurs –
In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 18/2011.
WWW: http://www.inst.at/trans/18Nr/II_11/sektionsbericht.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2011-06-15