Nina K. Danilova — Textproduktion und Textrezeption in der modernen Informationsgesellschaft

Nr. 18    Juni 2011 TRANS: Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften


Section | Sektion: Interkultureller Dialog im Mediendiskurs der Informationsgesellschaft

Textproduktion und Textrezeption in der modernen Informationsgesellschaft

Nina K. Danilova (Staatsuniversität Samara, Russland) [BIO]

Email: danilova_nina@mail.ru


 Konferenzdokumentation |  Conference publication


 

I. Vorbemerkung

Im vorliegenden Beitrag werden Probleme des modernen Informationsaustausches aufgeworfen.

Sind elektronische Medientexte eigentliche Informationsträger oder werden sie aus der Leserperspektive anders eingeschätzt? Diese Frage lässt sich erst dann beantworten, wenn man elektronische Texte aus der kommunikativ-pragmatischen Perspektive untersucht und die an den Partner gerichteten Botschaften (Zielsetzungen, Einstellungen, Gefühle) analysiert.

Im Mittelpunkt unserer Betrachtung stehen elektronische Informations- und Meinungstexte in ihrem Wechselspiel im Mediensystem. Unser Anliegen ist es, neue Informations- und Kommunikationstechnologien und neue Kommunikationsinhalte im großstädtischen Mediendiskurs aufzudecken und zu untersuchen. Reaktionen der Leser auf Informationstexte werden von uns auch als kognitives Phänomen angesehen, sie werden als Problemlösung betrachtet und analysiert.

 

II. Theoretischer Hintergrund

Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Annahme, dass der intensive sprachliche Verkehr in der modernen Informationsgesellschaft Veränderungen im strategischen sprachlichen Handeln hervorgerufen hat, die weitreichende Konsequenzen für das sprachliche Handlungswissen der modernen Menschen beinhalten. Der Überfluss von Massenmedientexten in den heutigen Großstädten ruft bestimmte Besonderheiten ihrer Qualität hervor, zu denen offene Grenzen, totale Bezogenheit der Texte aufeinander und Anonymität gezählt werden könnten. Die Rezeption von solchen Texten verlangt von Kommunikationsteilnehmern zusätzliche kommunikative und soziale Kompetenz, um Manipulationen zu vermeiden. Neues im textuellen sprachlichen Handeln lässt sich anhand von Kommunikationsmodellen darstellen.

Für ihre Analyse sind Kommunkationsmodus und Kommunikationsinhalt als Elemente sowohl der Textproduktion als auch der Textrezeption von grundlegender Bedeutung. Unter dem Begriff Kommunikationsmodus wird die explizite oder implizite Wiedergabe der Partnerbeziehungen, als Kommunikationsinhalt der objektive oder subjektive Charakter der Darstellung verstanden [1: S.68]. Beide Qualitäten bestimmen die sprachliche Spezifik der pragmatischen Matrix, die den Vestehens- und Interpretationsprozess steuert. Sprachliche Prozesse unterliegen dabei den Gesetzmässigkeiten der sprachlichen Perspektivierung, die von der Subjektivität der menschlichen Wahrnehmung und ihrem genetisch eingeschränkten Charakter zeugt und nicht nur für das konkrete, visuelle Wahrnehmen, sondern auch für das Konzeptualisieren eines Sachverhalts, das Erinnern an ein zurückliegendes Geschehen, das Imaginieren eines künftigen Geschehens gilt [3: S.7].

Für die Analyse der Textproduktions- und Textrezeptionsprozesse werden als weitere theoretische Konstrukte „Referenzfeld“, „Ereignistyp“, „repräsentierte Wahrnehmung“ und „Kommunikationstyp“ herangezogen, die von J. Barwise und J. Perry in ihrer Situationstheorie entwickelt wurden [2: S.65]. Dabei treten wesentliche kognitive und sprachliche Phänomene in den Vordergrund, die das strategische sprachliche Handeln bestimmen. Die pragmatische Matrix, die von der Kombination der genannten Kategorien geprägt wird, müsste von den Aktualisierungsmöglichkeiten der im Text vorhandenen Informationsstrukturen zeugen.

 

III. Kommunikationsmodelle der Meinungstexte.

Der deutlich erkennbare Unterschied zwischen den Meinungs- und Informationstexten widerspiegelt sich in zahlreichen Genreformen. Zur ersten Gruppe gehören Leitartikel, Kommentar, Kolumne, Kritik, Rezension, Besprechung, Glosse, zur zweiten Berichte, Lexikonartikel.

Das Wesensmerkmal der Meinungstexte besteht darin, dass diese einen Sachverhalt interpretieren und werten. Dabei müssen verschiedene Meinungen und Standpunkte miteinander verglichen und abgewogen werden. Außer dem informierenden Charakter tragen Meinungstexte noch den Stempel des Persönlichen. Besonders stark ausgeprägt sind diese Merkmale in der Glosse, in der aktuelle Themen aus subjektiver Sicht behandelt werden.

In einem Meinungstext können zwei grundlegende Situationen auseinandergehalten werden: eine referentielle und eine kommunikativ-pragmatische. Beide werden im Text skizziert. Das entstehende Modell der Realität beinhaltet nur wesentliche Zusammenhänge und keine ausführliche Darstellung der Situation. Für die Explikation der referentiellen Zusammenhänge können unterschiedliche Sprachmittel gebraucht werden, die sowohl den Objektbezug als auch den Personenbezug realisieren können.

Die Artikel, die unter dem Titel „reporter“ im Internet zusammengefasst sind, werden auf folgende Rubriken aufgeteilt: Kommentar, Debatte, Quergeschrieben, Feuilleton, sogar Pizzicato. Auffallend und systemhaft erscheint in solchen Texten Ironie, die sie prägen. Der ironische Vergleich des modernen Östereich mit den alten Römern, dem Osmanischen Reich und dem sonnenköniglichen Frankreich hebt die Hauptthese des Leitartikels „Die Weinverkoster und ihr Spendierhosen-Föderalismus“ von Michael Prüller hervor – Die österreichische Spielart gibt dem Föderalismus einen schlechten Ruf“.

Die Einstellung des Autors wird durch die Darstellung einer Kontradiktion artikuliert: „Diese Situation – dass Österreich im Ausgeben föderalistisch und im Besteuern zentralistisch ist – wissen einige Landeshauptleute mit großem Sinn für praktischen Humor einzusetzen, etwa, wenn sie die linke Hand für das vom Finanzminister abzuliefernde Sümmchen aufhalten und ihm gleichzeitig mit der rechten Hand für seine unsozialen Steuererhöhungen eine Ohrfeige verpassen“. Die Reflexion ist hier subjektiv gefärbt und weist auf die bewußt verwendete Antithese und die negative Bewertung der Ereignisse hin. Die Wahl der konkretisierenden Epitheta statt bewertender Beiwörter erlaubt es, den Sachverhalt widerspruchsvoll darzustellen und beide Extreme dadurch gegeneinander ausspielen zu können. Die grob umrissene Situation wird durch die Konstellation der Personen des Handelns (Landeshauptleute, Finanzminister) wiedergegeben, wobei die pragmatische Matrix knapp und einseitig erscheint, da sie die korrekte und vorsichtige Einstellung des Sprechers zum Sachverhalt ausdrückt: „einen schlechten Ruf, Landeshauptleute mit großem Sinn für praktischen Humor“.

Der strategische Kommunikationsmodus (Selbstpräsentation des Autors) wird hier implizit verdeutlich und hebt sich dank der bewertenden Epitheta kontrastiv gegen den interaktiven (an den Parntner gerichteten) ab. In der Art und Weise, wie der Kommunikationsinhalt ausgedrückt wird, reflektiert sich die Absicht des Verfassers, das Wesentliche in einer strukturierten und betont objektivierten Form darzubieten.

Das für Meinungsäußerung gewählte Gleichnis realisiert eine Entlarvungsstrategie (die sich später noch in eine Entwertungsperspektive verwandelt), wobei der nächste Schritt als Ausgleich dient. Es werden nicht nur Politiker, sondern auch Bürger vors Gericht gezogen: „Da die Kompetenz der Landespolitik das Geldausgeben ist, bemessen die Bürger heute die Qualität eines Landeshauptmanns danach, wie leicht er Finanzierungszusagen gibt, und wie rasch er diese einlöst. Ob überhaupt Geld da ist, interessiert weniger, da Budgetüberschreitungen keine Erhöhung von Landessteuern nach sich ziehen – und damit auch dem Bürger scheinbar nicht wehtun“. Die wiederholte Wahl der Antithese für die Wiedergabe der Position der Bürger zeugt von der scheinbaren Identifizierung des Autors mit ihrer Meinung, eine Tatsache, die den Leser kaum irreführen könnte. Nicht die Lage der Dinge, sondern die Reflexion darüber wird zum Inhalt der Aussage.

Die Mangelhaftigkeit der unbegründeten Meinung wird sogar dem Autor deutlich und er greift zu bestimmten Argumenten, um die These über den Pseudoföderalismus in Österreich zu begründen, wozu der weitere Vergleich mit der Schweiz dient: „Die Schweiz ist zwar ein Land, in dem dank alemannischer Putzfreude auch unedles Material glänzt. In Schul- und Spitalspolitik etwa ist auch dort die optimale Struktur noch nicht gefunden. Aber der Föderalismus ist dort tatsächlich echter und produktiver als hier – weil die Kantone für ihre Ausgaben ihre eigenen Bürger belasten müssen. So sind die Kantonalparlamente für 35 Prozent der Steuereinnahmen verantwortlich. Und damit sind wirklich die Kantonalparlamente gemeint und keine Fürsten in geschützten Machtwerkstätten: In der Schweiz wählt nämlich das Landesparlament ein paar Minister und jedes Jahr einen anderen Primus inter Pares, der nicht viel mehr macht, als die Sitzungen zu leiten – in denen weit umfangreichere Materien als in unseren Landtagen zu beschließen sind“.

Der totale Vergleich vom Föderalismus in benachbarten Ländern beruht leider auf den im Bewußtsein der moderner EU-Bürger vorhandenen Denkmustern, laut denen die Gerechtigkeit und Ordnung eher den Nachbarn zuzuschreiben ist. Die Argumentation ist in diesem Falle nicht nötig; es genügt eine für jeden Leser verständliche Metapher: „Fürsten in geschützten Machtwerkstätten“. Der objektive Kommunikationsinhalt wird dank dem Vergleich von zwei Wirklichkeitsbildern zum Ausdruck gebracht.

Das Kommunikationsmodell der untersuchten Textzusammenhänge zeugt von der diskursiven Aktualisierung des Sachverhalts und kann folgendermaßen dargestellt werden:

.  (1)

(KT- Kommunikationstyp, RF- Referenzfeld, W- repräsentierte Wahrnehmung, ET – Ereignistyp)

Als repräsentierte Wahrnehmung dient die Reflexion, ausgedrückt durch die  logische Abfolge, in der das Referenzfeld und Ereignisstrukturen repräsentiert werden, als Kommunikationstyp die implizite Selbstpräsentation. Die pragmatische Matrix der Aussagenabfolge wird vom Wechselspiel des impliziten Kommunikationsmodus und des objektivierten Kommunikationsinhaltes geprägt.

Die kommunikative Perspektive, aus der berichtet wird, ist die des Sprechers. Dabei unterliegt sie im weiteren Text den zahlreichen Variationen. Der gemischten Perpektive (Sprecher+Reflektor) wird allmählich ein Plauderton untergelegt, der weitere durch modale Partikeln und Wörter gegebene Akzente mit sich bringt: (zwar, etwa, tatsächlich, wirklich). Die Reflexion erhält dadurch eine umgangssprachliche Schattierung, wird authentisch und echt.

Kontradiktorisch aufgebaute Texte wirken traditionell, das logische Spiel wird in der Medienpraxis allmählich durch neue Informationstechnologien abelöst. Chatstrategien sind dem modernen Menschen viel vertrauter: (1) “In meinem digitalen Zoo surren fünf verschiedene Computer. Handys piepsen neben PDAs und Spielkonsolen, Digicams glitzern neben Microcontrollern. Seit kurzem gibt es auch einen herzigen Navigator und ein liebes Netbook. Jede Woche nasche ich von neuer Software. Nie überhöre ich den letzten Schrei. Am frühen Morgen steige ich aus dem Bett und falle gleich ins Internet. Wenn es ein Instrument der Befreiung gibt, dann ist es der Computer. E-Wörter, von E-Book bis E-Mail, bilden eine der schönsten Strecken im Wörterbuch des Fortschritts. Ich erwähne das alles nur, damit niemand denkt, ich sei gegen E-Voting, weil ich meine Maus nicht halten könne.

Das Wirklichkeitsmodell wird aus einer fachlichen Perspektive entwickelt, auch wenn es sich eher um eine Animation handelt. Im Unterschied zum strategisch orientierten Kommunikationsmodus und dem scheinbar objektiven Kommunikationsinhalt im oben erwähnten Textbeispiel greift hier der Autor zu einer anderen Strategie, bei der das Referenzfeld und die Ereignisstrukturen in den Vordergrund treten. Situationsbezug wird dabei zum Ausgangspunkt für den Sinnerzeugungsprozess, dem zugrunde ein konträres Verhältnis liegt.

(2) Es ist bloß so, dass Wahlen eine 2500 Jahre alte, archaische Veranstaltung sind, die durch Technik so fatal gestört wird wie die Stille im Museum von einem Rap aus dem Ghettoblaster. Man betritt die Wahlzelle, füllt den Wahlzettel aus, verschließt das Kuvert und wirft es unter den Augen der Wahlkommission in einen Kübel mit Schlitz, fertig. Das ist ein glasklarer Prozess. Elektronik verdunkelt ihn. (3) Daheim im Wohnzimmer die Wahlmaschine anzuwerfen hieße, seinen Wählerwillen zu Bitbrei zu zermanschen und dann als vagen elektrischen Impuls auf geheimnisvolle Server huschen zu lassen. Wenn sich die Bürgerkarten-Software plötzlich zickig beschwert, weil sie ihr Wurzelzertifikat wieder einmal nicht finden kann, vermag man sich vielleicht noch selbst zu helfen. Werden die Schwierigkeiten aber größer, verhängt sich die Demokratie schnell in den Warteschleifen der Hotlines.

Die pragmatische Matrix entsteht als Ergebnis eines impliziten Vergleichs von zwei unterschiedlichen Modellen – einem traditionellen personenorientierten und einem modernen nicht-personenorientierten. Obwohl die Meinungstexte in den alltäglichen Informationsaustausch integriert sind, wollen die Autoren erkannt werden, aber ihr Ziel ist dabei merkwürdigerweise oft nicht der eigene Stil, sondern die Wiedergabe des typischen Ausdrucks.

(4) Im Falle eines Desasters müsste man, um wirklich zu verstehen, Logfiles lesen, Algorithmen studieren und nachrechnen können, ob die künstlich hergestellten Zufälligkeiten zufällig genug und die Hash-Codes nicht versalzen waren. Wenn es im wirklichen Wahllokal Schwierigkeiten gibt, muss die Wahlkommission nur ein bisschen streiten. Für die Ermittlung des Wahlergebnisses braucht man bloß des Zählens mächtig zu sein. (5) Bei der virtuellen Wahl aber wird aus dem stolzen Wahlhelfer ein Bitschlüsselträger, der letztlich nur erahnen kann, was er tut, wenn er Zahlenkolonnen in Masken tippt, um Urnen zu öffnen, die Gelee aus Nullen und Einsern enthalten. Die stolzen Wahlhelfer werden zu Hilfsarbeitern der Informatik. Gewiss erledigt man am Computer tagtäglich heikle Dinge, ohne sich zu fürchten. Wird der Wähler jedoch beim intimsten Akt der Demokratie seiner Souveränität entkleidet, kommt etwas Neues zum Vorschein: Die Demo- wird zur Digi kratie.

Die Distanz zwischen beiden Weltbildern wird bewußt zugespitzt dargestellt, die scheinbar positive Einstellung des Autors verwandelt sich in eine negative, wobei die Evolution durch den Kontext und nicht durch den subjektiven Kommunikationsinhalt provoziert wird.

(6) Was für ein seltsamer Anblick wäre doch ein Wahlvolk, das in der Einsamkeit seiner Wohnzimmer gebückt auf der Maus herumritte. Demokratie ist die Summe aller erhobenen Häupter. Sie soll sich öffentlich zeigen. Anstatt das Wählen technisch zu erotisieren, investiert doch die Millionen in Volksfeste mit Gesang und Tanz, Gelage und Freibier, Zirkus und Theater! Und jeder, der wählen war, hat freien Eintritt“ („Wähler als Digikrat“ von Franz Zauner).

Der interaktive Kommunikationsmodus bedient sich eines typischen Ausdrucks, der für die Leser höchst verständlich, voll von Computerjargonwörtern ist und mit einem Wortspiel endet: Die Demo- wird zur Digi kratie. Dabei ergibt sich die Bewertung erst aus der Gegenüberstellung von Situationen. Das Kommunikationsmodell sieht in diesem Fall anders aus:

Ellipse:     RFEllipse:     KTEllipse:     WEllipse:     ET  (2)

Die Dominanz des Referenzfeldes, die im Vergleich von zwei Wirklichkeitsmodellen zutage tritt, ist interaktiv angelegt und partnerbezogen. Der Wahrnehmungstyp tritt dabei in den Hintergrund.

 

IV. Kommunikatonsmodelle der Informationstexte

Im Unterschied zu den Meinungstexten sind Informationstexte betont unpersönlich. Das unpersönliche Pronomen „man“ eröffnet eine Beobachterperspektive: „Wenn man sich mit dem Imperialismus beschäftigt, muss man zu allererst seine Entstehung betrachten. Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich der Kapitalismus bereits fast auf der gesamten Welt durchgesetzt, die Grenzen der Kapitalistischen Staaten Europas waren relativ fest und auch die Herausbildung der 2 Klassen (Kapitalistenklasse und Proletariat) war vollständig. Anfangs gab es noch viele kleine Betriebe, die sich aber im Laufe der Zeit zu Großbetrieben zusammenschlossen und immer mehr an Einfluss gewannen. So entstanden Kartelle, die bald so mächtig waren, dass sie die Geschicke ihrer Staaten mehr beeinflussten, als ihre Regierungen. Und als sie in den eigenen Staaten nicht weiter expandieren konnten, richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf Gebiete außerhalb der eigenen Staatsgrenzen“ (Imperialismus).

Aus der Perspektive des Beobachters wird objektiv berichtet, was mögliche Ungenauigkeit fast völlig ausschließt und dadurch dem Geschriebenen wie selbstverständlich einen wahren Charakter zuschreibt. Der Grad der Objektivität wird noch höher dank den kausalen Beziehungen innerhalb des Textausschnitts, die dazu noch temporal unterstützt werden (Ende des 18.Jahrhunderts, anfangs, im Laufe der Zeit, bald, immer mehr, als sie in den eigenen Staaten…).

Informationstexte sind thematisch geordnet, sie können als Museumsführungen, Lexikonartikel, Referate zu rechtlichen Themen, Ratschläge zum Thema „Familienleben“, Bildung usw. erscheinen. Ihr gemeinsames Merkmal in den elektronischen Medien ist Kürze und Themenbezug. Die persönliche Note als Ausdruck für die pragmatische Matrix, wird in den rhetorischen Fragen in der Überschrift deutlicher: „Partnerschaften unter Hochspannung?” Kooperationen zwischen NGOs und Konzernen – wie kann das gut gehen?“ Die Antworten finden sich im weiteren Text noch nicht: „Immer häufiger starten Umweltverbände und andere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Projekte mit Wirtschaftsunternehmen. Mit der gemeinnützigen Projektgesellschaft Leuchtpol haben ANU und E.ON ein ungewöhnliches Sponsoringprojekt im Bereich der Umweltbildung auf den Weg gebracht. Am 22. April diskutierten der ANU Bundesverband und E.ON mit Kritikern über ihr gemeinsames Projekt“.

Die Knappheit und Sparsamkeit des Ausdrucks lässt keine Erklärung zu, was eine weitere Leserunde notwendig macht. Eine Besonderheit der modernen Informationstexte besteht darin, dass sie über Kurztexte mit dem Leser verbunden werden; zuerst wird eine oben angeführte Zusammenfassung dargeboten, dann folgt die Beschreibung der Situation: „Nachhaltige Entwicklung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht ohne die Wirtschaft realisierbar ist“ – in diesem Punkt waren sich die sechs TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion „Partnerschaften unter Hochspannung?“ trotz unterschiedlicher Grundinteressen weitgehend einig. Die Frage, ob vor diesem Hintergrund Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit Konzernen zusammenarbeiten sollten, schlug jedoch hohe Wellen: Während die Kritiker auf dem Podium mangelnde Glaubwürdigkeit und Transparenz solcher Allianzen beanstandeten, unterstrichen die Fürsprecher die Chancen solcher Kooperationen, sofern die Partner inhaltlich und politisch unabhängig bleiben“.

Auf den zweiten Kurztext folgt ein ausführlicher Nachbericht, in dem Namen, Institutionen und Vorträge vorgestellt werden. Die getrennten Strategien, objektbezogene und diejenigen, die auf den Partner bezogen sind, gestatten es, beide Sachverhalte differenziert und ausgeformt darzustellen. Objektbezogene Strategien dienen der Wiedergabe der Tatsachen, parnterbezogene dagegen versuchen die emotionale Atmosphäre der Debatte aus der Sicht der Teilnehmer zu beschreiben.

Das dominierende Kommunikationsmodell von Informationstexten könnte folgenderweise dasgestellt werden:

.  (3)

V. Schlussbemerkung

Abschließend könnte man sagen, dass Informations- und Meinungstexte den Erkenntnisweg prägen, den die Leser gehen müssen, um den Sachverhalt zu verstehen. Meinungstexte sind dazu berufen,  das Verstehen zu manipulieren, aber sie versuchen durch die fiktive Verantwortungsübernahme (strategisches Kommunikationsmodell) oder Solidarität (interaktives Kommunikationsmodell) diese Tatsache zu tarnen. Anders sieht es in den Informationstexten aus, die von Anfang an objektiv sind, obwohl die Repräsentation des Referenzfeldes und die Ereignisstruktur strategisches Handeln des Verfassers deutlich machen. Neue Informationstechnologien, deren Ziel es ist, die Information vorsichtig und portionsweise anzubieten, erlauben es, den Leser geschickt in eine Informationsfalle zu locken.

 

Literaturverzeichnis:

  1. Handbuch„Interkulturelle Kommunikation und Kooperation (Band 1: Grundlagen uund Praxisfelder) Alexander Thomas, Eva-Ulrike Kinast, Sylvia Schroll-Machl (Hg) 2005 Göttingen: Vandenhoeck& Ruprecht GmbH.
  2. Barwise J., Perry J. Situationen und Einstellungen. Grundlagen der Situationssemantik. Walter der Gruyter : Berlin – New York, 1987.
  3. Prüller. Michael Die Weinverkoster und ihr Spendierhosen-Föderalismus“. Die Presse”, Print-Ausgabe, 18.11.2010.
  4.  Umwelt erleben! Leuchtpolwegewerk. http://httpol.de/partnerschaften-unter-hochspannung
  5. Imperialismus/Informationstexte. http://www.links-lang.de

TRANS INST

 Inhalt | Table of Contents Nr. 18


For quotation purposes:
Nina K. Danilova. Textproduktion und Textrezeption in der modernen Informationsgesellschaft –
In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 18/2011.
WWW: http://www.inst.at/trans/18Nr/II-14/danilova18.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2011-07-12