Frühe zivilgesellschaftliche Initiativen internationaler Entwicklungszusammenarbeit

Nr. 18    Juni 2011 TRANS: Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften


Section | Sektion: Frühe zivilgesellschaftliche Initiativen internationaler Entwicklungszusammenarbeit | Early civil society initiatives in international development cooperation

Sektionsbericht

Arne Haselbach (Wien, Österreich) [BIO]

Email: arne.haselbach@vienna-thinktank.at


 Konferenzdokumentation |  Conference publication


 

Dieser Sektion ging es darum, Veränderungen in den Gesellschaften unserer Welt – wie das Entstehen von Wissensgesellschaften, Veränderungen innerhalb und zwischen Kulturen ebenso wie Prozesse der Verstädterung – nicht als von einer unsichtbaren Hand herbeigeführt zu betrachten, sondern die Handlungen von Menschen – als Einzelne, in Gruppen und/oder in Institutionen – in den Vordergrund zu stellen.

Im Visier waren insbesondere grenz- und systemüberschreitende Initiativen internationaler Zusammenarbeit und Bemühungen, gerechtere Verhältnisse auf der Welt herbeizuführen.

Eine weitere Zielsetzung bestand darin, einen Beitrag zur Dokumentation zivilgesellschaftlicher Aktivitäten zu leisten. Dies erscheint nützlich, da einerseits über den nichtstaatlichen Bereich ohnehin viel weniger an historischer Dokumentation vorhanden ist, andererseits deshalb, weil das Vorhandene im historischen Rückblick nicht nur (berechtigterweise) sehr verkürzt, sondern oft auch beträchtlich verfälscht wird. Darüber hinaus hat es vieles, was auch heute in angepasster Form nützlich sein könnte, schon einmal gegeben, und muss nicht jedes Mal neu erfunden werden, wenn entsprechende Unterlagen zugänglich gemacht werden.

Schwerpunkt der Sektion waren daher zivilgesellschaftliche Initiativen internationaler Zusammenarbeit, die vor der Verbreitung des Internets stattgefunden haben, und daher der jüngeren Generation weitestgehend unzugänglich sind.

Einleitend wies der Sektionsleiter, Arne Haselbach, darauf hin, dass für die Entwicklung einer weltweiten Wissensgesellschaft technologisches und naturwissenschaftlich-universelles Wissen ebenso wenig ausreicht, wie bei Prozessen der Veränderung von Siedlungsstrukturen (Verstädterung) und bei den mit der Globalisierung verbundenen kulturellen Veränderungen. Dies sind alles soziale und kulturelle Phänomene. Sie folgen nicht universellen Gesetzen, sondern Praktiken, die in Gruppierungen von Menschen entstanden sind, sich tradiert und verbreitet haben. Sie ändern sich auch historisch mit den jeweiligen Konstellationen. Gerade das Spezifische einer weltweiten Wissensgesellschaft – das Interagieren und Kooperieren über nationale Grenzen und unterschiedliche kulturelle Eigenheiten hinweg – erfordert diese Art von Wissen. Die Aufforderung des früheren österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky “Lernen Sie Geschichte !” gilt hier ungebrochen.

Alle Beiträge der Sektion stammen von Autor/inn/en, die an den jeweiligen Initiativen beteiligt waren und selbst intensiv daran mitgearbeitet haben. Sie berichten über ihre Erfahrungen und die Lehren, die man daraus ziehen kann. Es handelte sich also um ein auf vorbereiteten Beiträgen beruhendes intensives Gespräch über Bemühungen zur Herbeiführung positiver Entwicklungen unserer Welt unter Zeitzeugen.

Im einleitenden Referat sprach Helmut Braun (Wien) unter dem Titel Hilfe zur Selbsthilfe – Eine Initiative der österreichischen Jugendorganisationen über Entstehung und Arbeit des Österreichischen Jugendrates für Entwicklungshilfe.

Im Jahre 1953 hatten die demokratischen Jugendorganisationen den Österreichischen Bundesjugendring als Dachverband zur Vertretung der gemeinsamen Interessen der österreichischen Kinder- und Jugendorganisationen sowie mit dem Ziel geschaffen, einen Beitrag zur Verbesserung der Demokratie in Österreich zu leisten.

Kurz nach der Bildung des amerikanischen Peace Corps 1961 ist die Diskussion über die Entsendung von Freiwilligen als Entwicklungshelfer auch in Europa voll losgegangen. 1963 wurde der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) gegründet. Die Diskussion In Österreich wurde bald von den Jugendorganisationen übernommen. Ausgangspunkt der Bemühungen waren Formen der Zusammenarbeit, wie wir sie schon im Österreichischen Bundesjugendring erfolgreich praktizier hatten. Eine Zusammenarbeit der großen Jugendorganisationen sollte helfen, Formen der Hilfe zur Selbsthilfe zu erreichen und dafür auch die österreichische Bundesregierung zu gewinnen, diese Arbeit finanziell zu unterstützen.

1966 war es dann soweit. Der Österreichische Jugendrat für Entwicklungshilfe (ÖJREH) wurde gegründet. Die Gründungsversammlung fand in Anwesenheit von Bundeskanzler Dr. Klaus und Staatssekretär Dr. Mock statt. Hauptträger der neuen Organisation waren die Katholische Jugend, die Gewerkschaftsjugend, die Österreichische Jungarbeiterbewegung sowie die Sozialistische Jugend und die Junge ÖVP. Aufgabe war die Entsendung von Freiwilligen als Entwicklungshelfer. In der Praxis bedeutete dies auf der einen Seite die Suche und Auswahl geeigneter Bewerber sowie ihre Vorbereitung auf den Einsatz, auf der anderen die Suche nach geeigneten Projekten und ihre Auswahl und die entsprechenden Planungs- und Kooperationsprozesse.

In der ersten Zeit wurden Einsätze im Tirolerdorf Pozuzo in Peru, in Lesotho, Ghana, Indien und in Zusammenarbeit mit dem World Assembly of Youth durchgeführt. In den späteren Jahren sind weitere Länder hinzugekommen, es wurden Schwerpunkte etabliert, in denen Koordinatoren eingesetzt wurden. Im Laufe der Zeit haben wir mehr als 190 junge Menschen ausgebildet, die ihren Einsatz in 28 Ländern, meist in Afrika und in Südamerika, absolvierten.

Die Mitarbeiter im Feld und in der Zentrale zeigten viel Einsatz und Begeisterung. Wir hatten auch viel Glück. Es war für alle Beteiligten ein bemerkenswerter Lernprozess. Die Reflexion dieser Erfahrungen führte langsam, aber anwachsend dazu, die Möglichkeit in Frage zu stellen, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die wirklichen Probleme lösen zu können.

So hatten einige strategische Grundannahmen, die unseren Überlegungen zugrunde lagen, einer Prüfung an der komplexen Realität nicht standgehalten. Daher ist im Laufe der Jahre die Informationsarbeit über die Probleme der Armut in den Entwicklungsländern und die Rolle, die reiche Länder dabei spielen, immer mehr in den Vordergrund gerückt. Von 1971 an wurden Informations- und Mobilisierungskampagnen wie “Countdown Dritte Welt”, “Nicken Sie nicht – Tun Sie was”, “800 Millionen suchen Arbeit”, “Gerechtigkeit für die Dritte Welt” und “Jute statt Plastik” zu einer zweiten zentralen Aufgabe des Jugendrates.

Ende 1978 hat sich der Österreichische Jugendrat für Entwicklungshilfe selbst aufgelöst. Die meisten der bisherigen Trägerorganisationen traten mit weiteren Organisationen und Einzelpersonen in Diskussionen über die Gründung einer neuen Organisation ein, die sich ganz der Informations- und Bewusstseinsarbeit widmen sollte. Diese neue Organisation, der Österreichische Informationsdienst für Entwicklungspolitik (ÖIE) begann schon im Jänner 1979 – also ohne Unterbrechung – mit der Arbeit.

Aus den ehemaligen Jugendfunktionären wurden später Funktionäre der verschiedenen Parteien, aber der Wunsch den Menschen in den Entwicklungsländer zu helfen, besonders durch Facharbeiterausbildung und in der Landwirtschaft ist geblieben.

Rückblickend kann gesagt werden, dass sich die Arbeit sowohl für die Menschen in der 3. Welt, als auch für unsere Helfer und damit für unser Land gelohnt hat, wenn auch die hohen mit der Entsendung von Entwicklungshelfern verbundenen Erwartungen nicht erfüllt werden konnten.

Der Beitrag von Helmut G. Ornauer über Das Vienna Centre – Eine Institution der sozialwissenschaftlichen Zusammenarbeit in der Zeit des Kalten Kriegesbefasste sich mit einer Institution, die internationale Zusammenarbeit über Grenzen ideologischer und Wirtschaftssysteme hinweg hergestellt hat.

Seit 1960 wurde im Rahmen der UNESCO diskutiert, wie sozialwissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen West und Ost trotz des Kalten Krieges verbessert werden könnte. 1962 wurde eine von Österreich und fünf anderen west- und osteuropäischen Staaten eingebrachte Resolution einstimmig angenommen, in Wien zu diesem Zweck das “Europäische Koordinationszentrum für sozialwissenschaftliche Forschung und Dokumentation” (European Coordination Centre for Research and Documentation in Social Sciences) zu errichten.

Dieses “Wiener Zentrum” (“Vienna Centre”) nahm auf Grund eines Übereinkommens zwischen der Österreichischen Regierung und der UNESCO im November 1964 seine Arbeit auf. Das Ziel war, Kontakte und Austausch zwischen sozialwissenschaftlichen Forschern verschiedener europäischer Länder mit unterschiedlichen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen zu organisieren und zu verstärken, sowie vergleichende Forschungsprojekte zu lancieren und zu koordinieren.

Interessant waren die strukturellen Vorgaben, mit denen gehofft wurde, die gewünschte Kooperation in den heiklen sozialwissenschaftlichen Themen soweit entschärfen zu können, dass die Kooperation sich als fruchtbar erweisen würde. Träger des Zentrums war der bei der Unesco angesiedelte International Social Science Council (ISSC), der auch die Mitglieder des Direktoriums bestellte. Jedes beteiligte Land war im Direktorium durch je ein/e Wissenschafter/in vertreten. Das wissenschaftliche Personal bestand aus einem Direktor und Mitarbeitern, die jeweils von einzelnen am Zentrum beteiligten Ländern entsandt und bezahlt wurden. Projektanträge mussten vom Direktorium einvernehmlich akzeptiert werden. Jedes angenommene Projekt hatte zwei Projektleiter, je einen aus Ost und West, und wurde von wissenschaftlichen Mitarbeiter/inne/n des Sekretariats betreut.

In der Periode bis ca. 1978 wurde überwiegend vergleichende Survey-Forschung betrieben. Unter den Projekten der Umfrageforschung waren insbesondere “Images of the World in the Year 2000”, “Jugendkriminalität und wirtschaftliche Entwicklung”, “Studenten aus der Dritten Welt in Europa”, “Regionalentwicklung in Europa”, “Wachstumspole”, Zeitbudgetforschung, und viele andere. Später kamen eine ganze Reihe anderer Ansätze und neue Themen hinzu.

Was waren die Ergebnisse dieser über fünfundzwanzig Jahre währenden Zusammenarbeit? Wie in einem solchen Kontext anzunehmen, waren Personen, die für diese Zusammenarbeit vorgeschlagen wurden, aus der Sicht der jeweils entsendenden Länder verlässliche Personen, die schon arriviert waren. Dennoch konnte das Wiener Zentrum seine Rolle als Vernetzungszentrum zwischen Wissenschaftern aus Ost und West erfüllen. Die Zusammenarbeit brachte ein besseres Verständnis der von der anderen Seite entsendeten Personen, es entstanden Freundschaften, sogar Ehen. Auch im Rahmen verschiedener Aktivitäten in der Unesco war eine Verbesserung der Beziehungen untern den Wissenschaftern spürbar. Das Wiener Zentrum war eine Erfolgsstory, die mit dem Auseinanderbrechen der Ostblocks ihr Ende fand.

Der Beitrag von Sepp Pacher befasste sich mit der Donaustädter Sozial- und Entwicklungshilfe für die Flüchtlinge aus der Westsahara.

Die Entkolonialisierung der Provinz Spanisch Westafrika hat nicht gehalten, was geplant war. Im November 1975, als die Spanier abziehen, dringen 300.000 marokkanische Zivilisten in die Westsahara geschützt von marokkanischem und mauretanischem Militär ein. Nach Bombardements fliehen 170.000 Sahauris in die Wüste nach Algerien. Seit damals, seit 1975, also seit 35 Jahren, gibt es Flüchtlingslager der Polisario in Algerien. Als sich Mauretanien zurückzieht, rücken die marokkanischen Truppen nach. Bis 1991 führt die Polisario Krieg um ihr Land. Dem von der UNO ausgearbeiteten Friedensplan mit Referendum verweigert Marokko 1999 – als alle Vorbereitungen abgeschlossen sind – die Teilnahme.

Marokko hat nun 2/3 der Westsahara besetzt, die durch einen 2500 km langen Wall von den „Befreiten Gebieten“ getrennt ist, die von der Polisario verwaltet werden und Tifariti als Hauptstadt hat. Dort wird auch jeweils der Gründungstag der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) gefeiert.

In den folgenden Jahren wird die Repression in der Westsahara sehr stark. Friedlich demonstrierende Menschenrechtsaktivist/inn/en werden verhaftet, gefoltert und für Jahre eingesperrt. Zum 35. Jahrestag des „Grünen Marsches“ im versammelten sich dieses Jahr 20.000 Demonstranten in einem Zeltlager Nach einigen Tagen wurde das Lager durch das Militär mit Sandwällen eingekesselt. Nahrungs- und Wasserlieferungen wurden behindert, die Zugänge gesperrt. Zwei Tage später stürmten die Marokkaner mit Panzern und Hubschraubern das Lager und zerstörten es.

Anfang der 90er Jahre organisierte die Volkshilfe Österreich eine Ausbildung zu Kindergärtnerinnen. Frauen aus allen Vilayas kamen für 1 Jahr und weiters für 6 Monate nach Österreich, lernten deutsch und erhielten an den Lehranstalten für Kindergartenpädagogik eine Kurzausbildung.

Da begann auch die Arbeit der Donaustädter Sozial- und Entwicklungshilfe. Als die Frauen nach der Ausbildung zurückgingen, hielten wir Kontakt und besuchten sie auch. Dabei erkannten wir die Notwendigkeit zu weiterer Hilfe. Mit Hilfe der Gemeinde Wien organisierten wir Kindergarteneinrichtungen, besorgten Spiel- und Lernmaterialien und sorgten in einem Kindergarten in der Vilaya El Aaiun für Obst und Gemüse und Milch. Da es zwischen Schulabschluss und Militär mit Jugendlichen Schwierigkeiten gab, luden wir 2002 einen Mann und eine Frau nach Wien ein, um sie zu Jugendleitern in der offenen Jugendarbeit auszubilden. Nach einem Jahr bei Wien Xtra gingen sie ins Lager zurück, bauten in Smara ein Jugendzentrum und arbeiteten mit den Jugendlichen. Es folgte eine Ausbildung zu Ausbildnern. 2011 wollen wir unser Projekt fortsetzen und mit zusätzlichen Personen die Jugendbetreuung intensivieren.

In ihrem Referat Schritte vom Wissen zum Tun – Zivilcourage für ein Südafrika ohne Apartheid arbeitete Pfarrerin Ingrid Gaisrucker den Hintergrund der Gründung und die Geschichte der Anti-Apartheid-Bewegung in Österreich (AABiÖ) 1977-1993 heraus, die sich als Solidaritätsbewegung für die unterdrückten Völker Südafrikas und Namibias verstand.

Grundlage für die Zusammenarbeit war die UN-Resolution 2922 von 1972: „Die Apartheid ist eine vollkommene Negierung der Ziele und Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.“

“Wir wissen es, wir haben gehört, wir haben es gelesen, wir haben getrauert, geweint und gebetet. Wir wissen – also müssen wir auch handeln.” Diese Spannung bestand schon beträchtliche Zeit, als es am 16. Juni 1976 zur brutalen Niederschlagung einer Demonstration von Schüler/inne/n in Soweto kam, bei der mehr als 1000 Menschen getötet wurden. Dies war der auslösende Moment für die Gründung der AABiÖ.

Wo Rassismus, kulturelle Vorurteile und Klischees über die Lebenswelten Afrikas weit verbreitet sind, ist es jedoch (auch heute noch) sehr schwer, Informationen über Realitäten, die solche Vorurteile widerlegen, an Mann/Frau zu bringen.

Die kleine Gruppe, die sich in den Monaten nach Soweto zusammenfand, hat dann 1977 die Anti-Apartheid-Bewegung in Österreich als Verein gegründet. In der Folge wurde die AABiÖ zu einer von einem breiten Spektrum politischer, kirchlicher und gesellschaftlicher Kräfte getragenen Bewegung, die gegen massiven Widerstand erfolgreich vielfältige Maßnahmen setzte.

Eine der Aufgaben der AABiÖ war es, die österreichische Bevölkerung über Ideologie und Praxis der Apartheid aufzuklären, materielle und ideelle Solidarität mit den unterdrückten Bevölkerungsmehrheiten in Südafrika und Namibia zu leisten. Ein wesentliches Moment der Arbeit war der gute Kontakt zu Personen und Institutionen im südlichen Afrika, um ihr Wissen und ihre Bedürfnisse authentisch kennen zu lernen, um so auch die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen der Apartheid vermitteln zu können. Neben dieser Informations- und Bildungsarbeit wurden konkrete Zeichen durch viele Aktionen gesetzt wie z. B. „apartheidfreie Zonen in Österreich“ und jährliche landesweite Boykottwochen. Die politische Arbeit bestand darin, von der österreichischen Regierung die dringliche Einhaltung der Internationalen Wirtschaftssanktionen gegenüber Südafrika einzufordern. Das totale Engagement der Aktivist/inn/en und die Solidarität gesellschaftlicher, politischer und kirchlicher Sympathisanten in Österreich machten diese vielfältigen Beiträge möglich.

Durch die weltweite Vernetzung der Anti-Apartheid-Bewegungen und den dadurch entscheidend verstärkten internationalen Druck begann 1990 das Ende der Apartheid. 1994 bekam Südafrika eine neue demokratische Verfassung. Der aus dem Gefängnis befreite Nelson Mandela wurde der erste Präsident des Landes.

Als es in Südafrika gegen Ende 1993 zu einer Einigung über die Gründung eines Übergangsrates kam, betrachtete die AABiÖ ihren Vereinszweck als erfüllt und löste sich auf.

Damit waren die Boykottmaßnahmen zu Ende aber nicht die Solidarität, die im Forschungs- und Kooperationszentrum für das südliche Afrika – SADOCC – fortgesetzt wurde und wird.

Pfarrer Hans Fischer präsentierte das Personenkomitee Partnerschaft Wien 14. und 15. Bezirk mit San Pedro del Norte, Nicaragua, das auf seine Initiative im Jahre 1990 gegründet wurde, und die in der Region San Pedro del Norte im Nordwesten Nicaraguas an der Grenze zu Honduras seit damals durchgeführten Projekte. San Pedro hat etwa 5000 Einwohner und besteht aus einem Hauptort und 15 kleineren Dörfern. Mit diesen Projekten wurde Hilfe in den Bereichen Gesundheitswesen, Aufforstung, Wasserversorgung, Schule, Selbsthilfe und Hilfe nach dem Hurrikan “Mitch” geleistet.

Die Kooperation mit San Pedro erfolgt über das dortige Komitee, das von einer Koordinatorin, einer Nicaraguanerin, die aber nicht aus San Pedro ist, geleitet wird und die für ihre Arbeit bezahlt wird. Sie schlagen die Projekte vor und reichen sie ein. Das Komitee Wien 14/15 diskutiert und prüft sie und bringt die Mittel für die genehmigten Projekte auf. Und zwar mit Hilfe vieler Einzelspender, aber auch durch Veranstaltungen der Teilorganisationen wie Benefizkonzerte, Flohmärkte, Heurige, Vorträge u.a.

Das derzeitige Hauptprojekt, das aus Spendengeldern finanziert wird, ist das Projekt “Schulgeld für San Pedro”. Hier wird es Mädchen und Buben ermöglicht, die Schule zu besuchen, deren Eltern sie ohne diese Hilfe aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht in die Schule schicken könnten. Fast ein Drittel der Pflichtschulkinder werden auf diese Weise unterstützt.

Daneben gibt es kleinere Projekte wie z. B. bessere Küchenherde (die einen um die Hälfte niedrigerer Holzbedarf haben und den gesundheitsschädlichen Rauch gegenüber den traditionellen offenen Kochstellen stark reduzieren), Nähkurse (und Nähmaschinen), die Förderung einer Frauen-Kooperative, in der Korbwaren produziert werden und einer Männer-Kooperative für Tischlerei.

Neu ist eine Kampagne gegen Gewalt in der Familie. In der noch sehr machistischen Gesellschaft Nicaraguas eher ein Wagnis. Grundsätzlich trachtet die Partnerschaft, Projekte zu fördern, die nachhaltig sind, zu Selbsthilfe führen und besonders Frauen fördern.

Den Ehrenschutz über die Partnerschaft haben die/der Bezirksvorsteher/in der beiden Wiener Bezirke übernommen, an der zwei katholische und eine evangelische Pfarre, Schulen des 14. und 15. Bezirks, ein Pensionistenwohnhaus und die lokale Gruppe von ACUS mitwirken.

Zu einigen strategischen Initiativen in der internationalen Entwicklungspolitik war der Beitrag von Arne Haselbach. Er zielte darauf ab, in Erinnerung zu rufen, dass internationale Entwicklungspolitik keineswegs mit Entwicklungshilfe gleichgesetzt werden kann. Entwicklungshilfe – öffentliche Finanzierung und private Spenden sowie technische Hilfe – war und ist nicht die einzige Form internationaler Entwicklungspolitik, auch wenn man in den meisten Ländern des Nordens diesen Eindruck gewinnen konnte. Sie war immer nur ein relativ kleiner Teil des wesentlich umfangreicheren Feldes “internationale Entwicklungspolitik”, in dem es primär um strukturelle Veränderungen – in verschiedenen Bereichen, in den internationalen Beziehungen und in den Austauschverhältnissen – geht.

Schon gegen Ende der Sechziger Jahre zeichnete es sich ab, dass die Armut in der Dritten Welt mit Entwicklungshilfe alleine nicht überwunden werden kann. 1970 entstand in einem Gespräch zwischen Bruno Kreisky und Ivan Illich die Idee eines Projektes, bei dem es darum gehen sollte, Veränderungen in der Ausrichtung der Entwicklungsanstrengungen systematisch anzudenken. Dieses Denk- und Forschungsprojekt des Wiener Instituts für Entwicklungsfragen unter dem Titel “Alternativen in der Entwicklung” wurde unter dem Vorsitz des amerikanischen Soziologen Peter L. Berger mit einer Planungskonferenz im Jahre 1971 gestartet, die drei Bereiche identifizierte, in denen – aufgrund ihrer Bedeutung für die Entwicklung – vorrangig Alternativen gesucht werden sollten: ‘Alternativen im Erziehungswesen’, ‘Alternativen in der Verwaltung’ sowie ‘Aufbau alternativer Institutionen’. Dieses Projekt, aus dem viele Publikationen und Ideen für weitere Aktivitäten des Instituts hervorgingen, hat auch weitere internationale Aktivitäten angeregt: 1973 wurde die Europäische Regionalkonferenz der Society for International Development in Oxford dieser Frage gewidmet, was breite Wellen schlug. Die Idee hat auch dazu beigetragen, dass sich die Dag Hammarskjöld Stiftung entschloss, das Projekt “What Now – Another Development” für die Siebente Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen durchzuführen.

Eine zweite Initiative entstand im Bereich der internationalen Forschung. Vom Entwicklungszentrum der OECD wurde für April 1973 zu einer Konferenz über die von Regierungen finanzierte Entwicklungsforschung eingeladen, an der Beamte und Wissenschafter aus OECD-Ländern und ausgewählten Entwicklungsländern teilnahmen. Zwei Tage vorher hatte, eingeladen vom Pariser Maison des Science de l’Homme, eine Tagung stattgefunden, die zum ersten Mal französische Forscher zusammenbrachte, die ohne regelmäßige Kontakte in verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen Frankreichs über Entwicklungsfragen forschten. Einige der Teilnehmer an der OECD Tagung waren ebenfalls eingeladen worden. Während dieser Tage intensivierten sich die Kontakte zwischen den Forschern. Die Gelegenheit wurde genützt, bilateral die Möglichkeiten von Zusammenarbeit zu erörtern. Gegen Ende der Konferenz traf sich dann eine größere Gruppe von Wissenschaftern. Bei dieser Gelegenheit ersuchte Enrique Oteiza, Vertreter des Lateinamerikanischen Rates für Sozialwissenschaften, die europäischen Kollegen, doch auch einen europäischen Dachverband zu gründen, um dadurch die Kommunikation unter den Forschern der verschiedenen Kontinente effizienter zu gestalten. Aus dieser Initiative entstand in einem zweijährigen Prozess zuerst EADI, die Europäische Vereinigung der Entwicklungsforschungs- und Ausbildungsinstitute, die in den ersten sechs Jahren ihren Sitz im Wiener Institut für Entwicklungsfragen hatte und in der Folge ein weltweiter Dachverband der Vereinigungen der Entwicklungsforschung (ICCDA).

 


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 Inhalt | Table of Contents Nr. 18


For quotation purposes:
Arne Haselbach: Sektionsbericht: Frühe zivilgesellschaftliche Initiativen internationaler Entwicklungszusammenarbeit. –
In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 18/2011.
WWW: http://www.inst.at/trans/18Nr/III-1/sektionsbericht_3-1.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2011-06-17