Wie die südafrikanische Regierung den Protest der Jugend in den Medien unsichtbar machen will
Peter Horn (Johannesburg) [Bio]
Abstract: While the apartheid regime has delayed the advent of TV in South Africa for many years and the strictly controlled its content, it was hoped that the new government would free the media of such constraints. Recently the announcement of Hlaudi Motsoeneng (SABC COO), that the SABC would not screen any images of the violent protests of the opposition of mainly young blacks of the Economic Freedom Front has ended this fairly free regime. Even within the ANC there is violent protest against the one sided appointment of candidates for the coming local elections. This form of censorship is illegal in terms of the South African constitution, but there seems no political will to end it.
Die Apartheidregierung hat lange gezögert, bevor sie 1976 die Einführung des Fernsehens erlaubte, und hat dann zugesehen, dass sie das neue Medium völlig kontrollierte, wenn sie schon die freie Presse in Südafrika nicht gänzlich mundtot machen konnte.
In seinem Buch God, Spies and Lies führt John Matisonn den Leser durch die Geschichte des SABC (South African Broadcasting Corporation) und zeigt, wie die Nationalistische Partei und der geheime Bruderbond das Fernsehen als Werkzeug gebrauchten, um die Apartheid zu verteidigen. Viele Weiße haben sich am Ende der Apartheid damit entschuldigt, dass sie durch die Zensur der Medien gar nicht gewusst haben, was in Südafrika wirklich vor sich ging. (Die Entschuldigung ist nicht ganz glaubhaft, denn wer wirklich wollte, konnte sich natürlich doch informieren).
Dass die Regierung des befreiten Südafrika diese Politik der völligen Kontrolle des Fernsehens auch weiterhin verfolgen würde, konnte 1990 niemand vorhersehen. Unmittelbar nach dem Ende der Apartheid gab es eine Debatte darüber, wie man den SABC dazu nutzen könnte, um die Demokratie im Lande zu befördern und wie man es verhindern könnte, dass der Staat das Medium als Propagandawerkzeug für die regierende Partei benutzen könnte. Unmittelbar nach dem Ende der Apartheid war das Fernsehen eine Zeitlang frei und ein Schaufenster auf die weite Welt nicht nur für Südafrika, sondern auch für die Nachbarländer.
Die Ankündigung, von Hlaudi Motsoeneng (SABC COO), dass das Fernsehen keine gewalttätigen Proteste mehr zeigen wird, war daher überraschend und enttäuschend. Man kann zwar argumentieren, dass die Ausstrahlung solcher Szenen Nachahmer ermutigen könnte, aber solche Entscheidungen dienen fast immer dazu, die Meinungsfreiheit einzuschränken, unter dem Vorwand, man wolle die Gemeinschaft schützen. Am Schluss kann die Regierung zensieren, was ihr nicht passt. Dann kann man z.B. die zum Teil handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der Opposition (EFF – Economic Freedom Front) der Zensur unterwerfen. Wenn die Regierung sich einmal das Recht aneignet, zu entscheiden, was die Fernsehzuschauer sehen dürfen, dann gibt es keine Grenzen mehr für die Zensur.
Im Augenblick erlebt Tshwane (früher Pretoria), die Hauptstadt Südafrikas, eine Welle von Gewalt, Zerstörung und Plünderung von Geschäften von Flüchtlingen, vor allem aus Zimbabwe und Somalia. Manche Kommentatoren können sich das nicht erklären und andere wissen nicht, warum die Kandidatur von Thoko Didiza als Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Tshwane eine solche Reaktion erzeugen konnte. (Ranjeni Munusamy, Daily Maverick; 24.6.2016.) Die ANC scheint keinen klaren Plan zu haben, wie sie mit dem Protest ihrer Mitglieder umgehen soll, und schickt die Polizei gegen die Proteste vor. Eigentlich hätte der Kandidat durch die 107 lokalen ANC-Gruppen bestimmt werden müssen, aber das geschah nicht. Der ANC ließ verkünden, dass der Widerstand gegen Thoko Didiza ein bloßer lokaler Kampf um Pfründe zwischen dem Tshwane regionalen Vorsitzenden Kgosientso Ramokgopa und seinem Stellvertreter Mapiti Matsena sei. Didiza war als Kompromiss gedacht. Der Präsident der ANC-Jugend, Collen Maine sagte darauf wütend, die alte Garde der Bewegung sollte abtreten und die Jugend das Land leiten lassen. (Amanda Khoza, News24, 2016-06-25.)
Die Gewalt ging augenscheinlich von der ANC aus, um die die nationale Führerschaft zu zwingen, Didizas Kandidatur zu überdenken, aber niemand sagt, wer diese Leute nun waren. 200 wurden verhaftet wegen Brandstiftung und Plünderung, aber bisher niemand, der die Gewalt geplant hat. Zum Beispiel wurde das Gerücht verbreitet, dass das Arbeitsbeschaffungsprogramm in Tshwane beendet würde, falls der bisherige Bürgermeister seine Stelle verlieren würde. Es wurde auch berichte, dass die Sammel-Taxi-Bosse die Unruhen benutzten, um gegen ihre Konkurrenz, den Autopax-Busdienst, vorzugehen. 19 Autopax-Busse wurden an einem Tag in Brand gesteckt. Andere benutzten die Unruhen, um die Geschäfte von Ausländern zu plündern. (Munusamy, Daily Maverick.) Auf dem südafrikanischen Fernsehen wurden die Proteste in Tshwane allerdings durch schöne Bilder von blühenden Jakarandas in Pretoria ersetzt.
Südafrikanische Politiker des ANC argumentieren, dass solche Nachrichten über gewalttätige Proteste dem Nationalbewusstsein und der Einheit der Nation schaden und das Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und politischen Parteien gefährden. Den Journalisten wird daher in diesem Zusammenhang oft fehlender Patriotismus vorgeworfen.
Bheki Makhubu[1] schreibt in der Mail and Guardian vom 13. Juni 2016, dass die Zensur des südafrikanischen Fernsehens an die Tage der Apartheid erinnert. Makhubu meint, es sei nicht im Interesse der südafrikanischen Öffentlichkeit, wenn die Regierung kontrolliert, was der Fernsehzuschauer sehen kann. Inzwischen wird der SABC völlig durch die Südafrikanische Regierung kontrolliert. Auch in den Nachbarländern wird das Fernsehen streng zensiert und dient als Staatspropaganda-Instrument.
Unter anderem hat der SABC das Programm “The Editors” beendet, in dem die Redakteure südafrikanischer Zeitungen sich zu Ereignissen des Tages äußerten. Steuart Pennington sprach in diesem Zusammenhang von SABCs Animal Farm. Das ist natürlich kurz vor den Stadtratswahlen eine besonders einschneidende Zensur. Die ANC wollte sich scheinbar die wöchentliche Kritik kurz vor den Wahlen ersparen, in denen die Partei fast sicher Stimmen verlieren wird. Der SABC hat auch Vuyo Mvokos Sendung “On The Record” beendet, da er eine Diskussion über den (korrupten) Einfluss der Gupta-Familie auf die Regierung plante. (ANA, 7. Juni 2016.)
Das Forum der südafrikanischen Redakteure (Sanef) ist schockiert, weil der SABC drei Journalisten suspendiert hat, die mit dessen Entscheidung, nicht über die Proteste der Right2Know (R2K) Kampagne zu berichten, nicht einverstanden sind. (BDLive: Juni 24 2016) Suspendiert wurden: Thandeka Gqubule, Foeta Krige, und Suna Venter. R2K protestiert gegen die Zensur durch das Fernsehen. Sanef berief sich auf das südafrikanische Grundgesetz und das darin verbürgte Recht der freien Meinung. Andere Gruppen wie Media Monitoring Africa, SOS Support Public Broadcasting Coalition, und das Freedom of Expression Institute unterstützen die Proteste. Aktivisten haben aus Protest die Internetseiten des Fernsehens gehackt. Icasa, die Independent Communications Authority of SA, hat eine Anhörung zu den Anschuldigungen durchgeführt. Die offizielle Opposition, die Democratic Alliance, hat am 24. Juni vor dem Büro von Icasa protestiert, aber auch darüber wurde nicht im Fernsehen berichtet. Diese Zensurmaßnahmen sind illegal und sind im Gesetz, das das Fernsehen reguliert, verboten. (BDLive.)
Der SABC ist im südafrikanischen Zusammenhang kritisch: er erreicht die größte Anzahl Hörer und Fernsehzuschauer in Südafrika, und Millionen hängen von seiner Berichterstattung ab. Es gibt zwar Alternativen: einmal das Satellitenfernsehen, das aber über Südafrika kaum berichtet und eher nur den Wohlhabenderen zugänglich ist, und das sind zum großen Teil sowieso keine ANC-Wähler, andererseits durch das Internet, das aber auch nur einem Teil der Südafrikaner zugänglich ist, wenn auch durch kostenloses Wi-Fi z.B. in Johannesburg und bessere Mobiltelefone der Zugang für viele mehr jetzt möglich wird.
[1] Bheki Makhubu is the editor of ‘The Nation’ newspaper in Swaziland.
Bibliografie
Makhubu, Bheki (2016): SABC’s censorship of news recalls the days of apartheid. Mail and Guardian. 13 Jun 2016. [http://mg.co.za/article/2016-06-13-00-sabcs-censorship-of-news-recalls-the-days-of-apartheid/Acc. 26.6. 2016]
Munusamy, Ranjeni (2016): Tshwane unrest: The hidden ANC power play Daily Maverick (DM) [http://www.dailymaverick.co.za/article/2016-06-24-tshwane-unrest-the-hidden-anc-power-play/#.V2-CZY9OKM8 Acc. 24.6.2016]
African News Agency (ANA): Pulling ‘The Editors’ another act of SABC censorship: DA. 07 Jun 2016 14:40. Mail and Guardian. http://mg.co.za/article/2016-06-07-00-pulling-the-editors-another-act-of-sabc-censorship-da (Acc. 10.6.2016)
Staff Writer BDLive: Suspension of SABC journalists shocks National Editors’ Forum, by Juni 24 2016, 12:23 http://www.bdlive.co.za/national/media/2016/06/24/suspension-of-sabc-journalists-shocks-national-e
Pennington, Steuart: SABC’s Animal Farm – drops ‘The Editors’ – as press freedom slides. http://www.fin24.com/BizNews/pennington-sabcs-animal-farm-drops-the-editors-as-press-freedom-slides-20160608
Khoza, Amanda: News24, ‚Old guard‘ move over and let the youth lead – ANCYL http://www.news24.com/Elections/News/old-guard-move-over-and-let-the-youth-lead-ancyl-20160625
Staff Writer, BDLive, DA to picket outside Icasa offices Juni 24 2016, http://www.bdlive.co.za/national/media/2016/06/24/da-to-picket-outside-icasa-offices
Staff writer, BDLive, SABC websites hacked and it’s not over yet (Juni 12 2016) http://www.bdlive.co.za/national/2016/06/12/sabc-websites-hacked-and-it-s-not-over-yet