Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 1. Nr. Februar 2003


'Transkulturalität' als Perspektive der Geschichtsschreibung deutschsprachiger Literatur

Andreas Herzog (Budapest)

 

Für die regional orientierte Literaturgeschichtsschreibung sind ethnisch geprägte 'Kulturräume' ein konstitutives Ordnungskriterium, weil Sprach- und Kommunikationsräume einen wesentlichen Kontext literarischer Texte bilden. Mit der 'Region' sind aber so erhebliche Abgrenzungs- bzw. Zuordnungsprobleme verbunden, dass 'Kulturraum' immer nur als relativer, mitunter sehr problematischer Begriff zu betrachten ist. An der Geschichte Mittelost- und Südosteuropas lässt sich besonders gut studieren, wie Kulturräume entstehen und vergehen, sich Grenzen überschneiden und verschieben. Neben den politischen und staatlichen Rahmenbedingungen ändern sich die Rollen und Funktionen der in ihnen praktizierten Sprachen und die Stellung der zu ihnen gehörenden Gemeinschaften.

Mit dem Konzept der 'Transkulturalität', wie es Wolfgang Welsch - ein Philosoph und Historiker postmoderner Theorien - entworfen hat(1), wird keine Alternative zu bisherigen Beschreibungsmodellen beansprucht; für die Beschreibung der zum Teil 'vormodernen' Verhältnisse Mittelost- und Südosteuropas sind Begriffe wie 'Kultur' und 'Kulturraum' weitaus praktikabler und treffender. Kritische Geschichtsschreibung darf sich ihre Begriffe, Methoden und Perspektiven jedoch nicht von ihrem Gegenstand vorschreiben lassen, weil dies eine Fortschreibung historischer Auffassung bedeuten würde. Aus dem Rahmen aktueller Diskussionen sollte man sich von der Frage leiten lassen, welchen Zwecken das in ganz Europa gewachsene Interesse an der 'Region' dient. Zielt es auf eine gemeinsame Verfassung eines 'Europa der Regionen' oder - im Gegenteil - auf den Versuch der Behauptung nationaler und 'ethnischer Eigenständigkeit' gegenüber wirtschaftlicher und kultureller Globalisierung?

In der Überzeugung, dass man sich zu den persönlichen Überzeugungen bekennen sollte, die wissenschaftlichen Arbeiten stets eingeschrieben sind bzw. seine eigenen, zeitgebundenen Fehler machen muß, wendet sich der folgende Aufsatz gegen die fortgesetzte Verwendung nationalstaatlicher Kategorien wie 'binnendeutsch' und 'auslandsdeutsch' im Rahmen der Literaturgeschichtsschreibung. Die Perspektive der 'Transkulturalität' problematisiert den seit der politischen Wende in Osteuropa wieder stark verbreiteten "Kulturalismus", der homogene ethnische bzw. national-kulturelle Einheiten zu konstruieren versucht(2).

 

Regionalliteratur vs. Nationalliteratur

Wenn man den sich verändernden Grenzen Rechnung trägt, ist 'die Region' der am besten geeignete Rahmen, um die Literaturgeschichte in Mittelost- und Südosteuropa zu untersuchen und darzustellen. Die deutschsprachige Literatur dieses Raumes entstand und entwickelte sich in unterschiedlichen Sozial-, Sprach- und Kommunikationszusammenhängen, die durch keinen übergreifenden politischen oder nationalen Rahmen verbunden waren. Die sich wandelnden Beziehungen zwischen Literatur und Gesellschaft (mit ihren Produktions- und Rezeptionsverhältnissen oder Institutionen) lassen sich am ehesten im Rahmen bestimmter Regionen beschreiben, deren ethnisch-sprachliche Zusammensetzungen und politisch-ökonomischen Bedingungen während der letzten Jahrhunderte ständigen Verschiebungen unterlagen.

'Deutschsprachige Regionalliteratur' ist in ausdrücklicher Opposition zu 'auslandsdeutscher Literatur' zu verwenden, weil literarische Texte nicht an staatsrechtliche Begriffe gebunden werden sollten und die deutsche Sprache in mindestens drei Varietäten existiert.(3) Auch die Tatsache, daß meines Wissens noch niemand Franz Kafka oder Paul Celan als 'Auslandsdeutsche' bezeichnet hat, zeigt die Problematik eines Begriffs, der ethnisch konnotiert ist und deutschsprachige Schriftsteller von weltliterarischen Rang eher aus- als einschließt. In seiner Literaturgeschichte des Deutschtums im Ausland hat Karl Kurt Klein (1897-1971) auch nicht zufällig über die ganze Welt verstreute "deutsche Sprachzeugnisse" berücksichtigt, deutsche und deutschsprachige Schriftsteller jüdischer Herkunft aber ganz bewusst ausgeschlossen. Sie waren für Klein keine "Volksdeutschen", sondern, wie es auf Seite 218 der 1979 neu herausgebenen Ausgabe heißt: "Volksfremde"(4)!

In einer anderthalbseitigen Vorbemerkung des ohne Zweifel "materialreichen Standardwerkes" hat Alexander Ritter zwar die "politische Fehlleitung germanistischen Wissenschaftsverständnisses [...] vor allem während der nationalsozialistischen Herrschaft" beklagt(5), aber für meine Begriffe unzureichend kommentiert: Das Veröffentlichungsjahr der Erstauflage (1939) und "vereinzelt[e] terminologische[r] Anklänge" könnten "kulturpolitische und wissenschaftliche Bedenken evozier[en]". Darüber hinaus sei die zeitbedingte Orientierung an Nadlers Literaturgeschichtsschreibung problematisch.

Das ist unzureichend, weil der Herausgeber nicht über die Grenzziehungen aufklärt, die einer "deutschtümlichen" Literaturgeschichte zugrunde liegen müssen. In den "terminologische[n] Anklänge[n] verrät sich nicht nur eine problematische Methode, sondern eine "politische Fehlleitung", die mit jedem Nachdruck fortgeschrieben wird, der sie nicht klar benennt: Da Kleins Literaturgeschichte nicht ästhetische, sondern "Volkstumswerte" zugrunde liegen, handelt es sich um ein materialreiches Standardwerk, das eine völkische Basis hat.(6)

Nicht weniger problematisch war die erste regional gegliederte Literaturgeschichte, die die Entwicklung der Literatur noch vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten aus der Existenz der "deutschen Stämme und Landschaften" erklärt. Josef Nadler, der über die "Tragische Spannung des jüdischen Zudrangs" und "Tragische Spannung der deutschen Abwehr" philosophiert und Gotthold E. Lessings Schaffen aus 'jüdischen Blutseinflüssen' (,der wohl jüdisch gemischte Lessing") erklärt, schließt alle Werke aus der deutschen Literatur aus, deren Autoren 'mosaischer Abstammung' waren. Weder die Assimilation noch die Konversion konnten daran etwas ändern. Auch diese Literaturgeschichte hat eine völkische bzw. rassistische Grundlage(7). Bei Nadler erscheinen 'binnendeutsch' und 'auslandsdeutsch' im Rahmen eines organischen Gebildes von "Brennpunkt" und "Umkreis". Das sind typische Konstruktionen einer "Volksgeschichte", mit der man sich in den letzten Jahren wieder kritischer auseinandersetzt.(8)

Ritter sieht keinen Grund, den Begriff der "auslandsdeutschen Literatur" in Frage zu stellen, weil er ihn nicht als staatsrechtlichen Begriff, sondern als Hinweis auf die "anderssprachige Umgebung" und "multikulturelle Bindung" auffaßt.(9) Aus darstellungspragmatischen Gründen mag man ihn auch durchaus verwenden, muß dann aber zumindest bestimmen, in welcher Beziehung er zur deutschsprachigen Literatur Österreichs und der Schweiz steht. Österreichische und Schweizer Literatur kann nicht als 'binnendeutsch' bezeichnet werden, es hat aber auch wenig Sinn, sie als 'auslandsdeutsch' zu bezeichnen. Die deutschsprachige Literatur besteht aus Varietäten, die von ganz bestimmten Kontexten gebildet werden. Bei Arbeiten zur Literaturgeschichte der ehemaligen Habsburger Monarchie bzw. Österreichs wird das besonders deutlich.

 

Deutschsprachige Literaturgeschichte als Historiographie eines Kontextes. Fallbeispiel: Österreich

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden zwar spezielle 'Literaturgeschichten' für Länder wie Bayern(10), Ostpreußen(11), Schlesien(12), Siebenbürgen, das Banat und die Bukowina geschrieben.(13) In den allgemeinen 'Geschichten der Deutschen Literatur' werden Länder und Regionen aber nur als besondere 'Literaturräume' dargestellt, wenn sie staatliche Eigenständigkeit erreicht haben. Das gilt vor allem für Österreich, dem man spätestens seit der kleindeutschen Lösung 1871 eine eigene politische und kulturelle Geschichte zugestehen muß, was durch die Ergebnisse der beiden Weltkriege weiter verstärkt wurde. Auch deutsche Historiker berücksichtigen (mehr oder weniger) die besonderen Bedingungen, welche die Entwicklung der Literatur in Österreich und der Schweiz beeinflussen(14) oder gestehen ihnen eine eigene "Identität" zu.(15) Inwiefern dem nur politische Gründe bzw. Konzessionen zugrunde liegen und wie weit es gelingt, in allen drei Gattungen signifikante Charakteristika zu zeigen, welche die Existenz 'nationaler Varietäten' verifizieren, wäre zu prüfen.

Am weitesten geht die Geschichte der deutschen Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart unter der Leitung des Zagreber Germanisten Viktor Zmegac. Hier erfährt nicht nur die österreichische Gegenwartsliteratur eine 130-seitige (!) eigenständige Darstellung durch österreichische Historiker - schon die spezifischen literarischen Formen, die sich im Josephinismus und österreichischen Biedermeier bildeten, werden separat behandelt.(16) Daß man die Beiträge von Raimund, Nestroy, Grillparzer und Stifter zur deutschen Literatur schwerlich darstellen kann, wenn man sie nicht aus dem österreichischen Kontext erklärt,(17) scheint heute klar zu sein. Vor Viktor Zmegac wurde das aber offensichtlich für nicht so wichtig erachtet.

Obwohl sie zum deutschen Sprachraum gehört und im weitesten Sinne Teil der deutschen Literatur ist, wird die österreichische Literatur mit Recht als 'eigenständig' betrachtet, weil der habsburgische bzw. österreichische Staat einen eigenen Kulturraum bildet. Zu den besonderen Bedingungen einer eigenen Geschichte, gesellschaftlichen und Kommunikationsverhältnissen, tritt die institutionell gestützte Behauptung einer eigenen Identität. Seit der Gründung des 'Zweiten Reiches' versucht sich Österreich von Deutschland abzugrenzen,(18) bis heute beansprucht es das Erbe der multinationalen Habsburger Monarchie. Nicht nur die auf seinem Herrschaftsgebiet entstandene deutschsprachige Literatur, auch anderssprachige Literatur wird gelegentlich zur österreichischen gerechnet.

Literaturwissenschaftler wie Klaus Zeyringer und Albert Berger betrachten eine 'österreichische Literaturgeschichte' als praktisches Organisations- und Ordnungskonzept, das der historischen Beschreibung eines relativ eigenständigen Kulturraums wie einer Literaturentwicklung dient, die ihre Differenzen und Widersprüche, Beschränktheiten und Offenheiten stets reflektieren muß.(19) Auf Autoren wie Rilke, Kafka, Horvath, Celan oder Canetti, die sehr oft "zur Etat-Aufbesserung des österreichischen Geisteshaushaltes" verwendet wurden,(20) wird aus methodischen Gründen inzwischen eher verzichtet. Wer die Literaturgeschichte eines gesellschaftlichen Kontextes schreiben will, die an Texten überprüfbar ist,(21) muß Herkunftsorte als unzureichend betrachten, um sich Spekulationen über bestimmte Traditionen oder österreichische Eigenschaften zu erlauben.(22) Eine "relationales Konzept" von sich geschichtlich verändernden Literaturräumen bedeutet auf höherer Abstraktionsebene, die österreichische Literatur auch als Teil der deutschen bzw. deutschsprachigen zu betrachten.(23) Auf einer niedrigeren Abstraktionsebene ist der Begriff aber viel zu unscharf, weil sich die Kontexte deutschsprachiger Texte in den unterschiedlichen Regionen der Habsburger Monarchie zuweilen grundlegend unterschieden. Das soll am Fallbeispiel der siebenbürgisch-deutschen Literatur erläutert werden.

 

Identitätsprobleme - und verschiebungen von Minderheitenliteraturen. Fallbeispiel: Siebenbürgisch-deutsche Literatur

Für eine ästhetisch orientierte Geschichtsschreibung, die den Höhenkamm der deutschen Literatur nachzuzeichnen sucht, ist die 'Literatur einer Region' die Niederung der Provinz, an der bestenfalls ihre 'Welthaltigkeit' interessant ist. Johnsons Jahrestage können als 'Mecklenburg-Roman' verbucht werden, zumal der Weg seiner Hauptfigur nach New York führt.

Für eine sozial- und kulturgeschichtlich orientierte Literaturwissenschaft ist die Region ein wesentlicher Untersuchungsrahmen, weil sie einen sozialen und kommunikativen, letztlich auch literarischen Raum bildet(24), der von außerliterarischen Faktoren mitbestimmt wird, dessen Eigenständigkeit aber immer relativ ist. Um sinnvoll von 'einer Region' sprechen zu können, müssen besondere Bedingungen vorhanden sein, die sich über die Erfahrungen ihrer Bewohner zumindest indirekt in den Texten niedergeschlagen haben. Regionen sind nicht mit Staatsräumen identisch. Unter der Bedingung der Mehrsprachigkeit bestehen Staatsgebiete aus sich überschneidenden Regionen und unterschiedlichen Literaturräumen, die Subräume bilden und mit anderen Regionen oder dem Ausland vernetzt seien können. Literarische Regionen erstrecken sich über politische Grenzen, lassen sich nicht auf nationale Begriffe bringen und können von mehreren Sprachgemeinschaften geprägt sein.

In einem Aufsatz mit dem Titel "'Ich wohne in Europa/Ecke Nummer vier'" hat Michael Markel am Anfang der 1990er Jahre die Probleme der regionalen deutschsprachigen Literatur differenziert reflektiert und sehr einleuchtend beschrieben, welchen Wandlungen sie ausgesetzt ist. Der damals noch in Klausenburg arbeitende und lebende Germanist nannte sieben Faktoren, mit deren Hilfe man die besondere Situation der siebenbürgisch-deutschen beschreiben könne:

  1. Der geografische Faktor begründe einen vom sonstigen deutschen Sprachbereich mehr oder weniger abgetrennten Raum.
  2. Der sprachliche Faktor unterscheide die Literatur einer deutschen Minderheit von ihrer anderssprachigen Umgebung, aber auch von anderen deutschsprachigen Räumen.
  3. Der demographische Faktor schaffe eine "Literatur kleiner Verhältnisse"; spezialisierte Medien zur Literaturvermittlung hätten sich z.B. kaum bilden können.
  4. Der soziologische Faktor bewirke eine im Falle Siebenbürgens "kleinstädtische Sozialstruktur" und "Sozialkontrolle"; urbane Lebensformen spielten keine große Rolle.
  5. Der ethnopolitische Faktor stelle die literarischen Texte in den Dienst "kollektiver Identifizierung" und "Erhaltung".
  6. Der ethnologische Faktor sorge für eine "Affinität zu Heimatliteratur" und "Folklorismus".
  7. Der kulturhistorische Faktor stifte Gemeinsamkeiten mit den Deutschen anderer Regionen.(25)

Die sieben Faktoren überschneiden sich und bilden ein differenziertes Beziehungsgefüge, dass den Kontext der in Siebenbürgen entstandenen deutschen Literatur bietet. Die Identität dieser Minderheitenliteratur nur auf den ethnopolitischen und ethnologischen Faktor zurückzuführen und die soziologischen Gemeinsamkeiten mit den anderen Völkern der Region zu vernachlässigen, wäre eine Konstruktion, die sich - wie die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts zeigen, leicht für die Grenzziehungen völkischer Ideologien funktionalisieren läßt: Die von unterschiedlichen Völkern besiedelten 'Mischgebiete' Jugoslawiens wurden zu 'Grenzgebieten' und 'Frontabschnitten' ethnischer Auseinandersetzungen. Exklaven wurden zu Bastionen kultureller, politischer oder militärischer Expansionen, Enklaven zu 'killing fields' "ethnischer Säuberungen".

Schon der Begriff des "Randes", den Peter Motzan methodisch produktiv und in unproblematischer Weise anwendet(26), kann problematisch werden, wenn er wie bei Nadler im Rahmen einer völkisch begründeten großdeutschen Konzeptionen gedacht und mit entsprechenden Wertsetzungen verbunden ist: Die 'Ränder' werden zum Umkreis einer naturhaften Konstruktion, als dessen Mitte 'Bayreuth' und 'Weimar' fungieren.

Inwiefern ist die Verbindung zu dem deutschen Land, aus dem ihre Vorfahren einst ausgewandert sind, für die literarische Lebenspraxis deutscher Minderheiten bestimmend? Inwieweit ist es bei der Untersuchung literarischer Texte sinnvoll und legitim, von einem 'Ausland' zu sprechen, das damit auf ein 'Binnenland' bezogen wird oder - wie oft auch im Falle der Habsburger Monarchie - von 'Peripherie' und 'Zentrum' zu sprechen? In diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass die deutschsprachigen Gemeinschaften nicht selten von mehrfachen Identitäten gezeichnet waren. Ihre Literaturen waren an so unterschiedliche Regionen wie Siebenbürgen, das Banat, die Bukowina,(27) an Galizien, Böhmen und Mähren, die Slowakei oder die Siedlungsgebiete der Ungarndeutschen gebunden. Eine Gemeinsamkeit dieser 'Auslandsdeutschen' aber war die Staatsbürgerschaft der Monarchie(28), die zwischen 1867 und 1918 in einer österreichischen und ungarischen Hälfte bestand, in denen jeweils sehr unterschiedliche Völker lebten. Ob sie ein 'Hungarus'-Bewußtsein hatten bzw. sich als Ungarn verstanden oder nicht, und unabhängig wie sie zu einem föderalistischen Umbau der ungarischen Reichshälfte und einem eigenen Kronland Siebenbürgen standen - die in Ungarn lebenden Deutschen erfuhren eine Madjarisierung,(29) die ihr Selbstverständnis nachhaltig veränderte.

Mit den historischen Phänomenen müssen sich die Begriffe ihrer Darstellungen wandeln.(30) Am Beispiel der siebenbürgisch-deutschen Literatur hat Michael Markel gezeigt, wie sich diese von einem "weltbürgerlichen" und "pluriethnischen Selbstverständnis" (zur Zeit der Aufklärung) zu einem völkischen (während der Nazizeit) veränderte(31). Obwohl sie kein dementsprechendes Bewusstsein ausbildete, wurde sie im 19. Jahrhundert sehr wohl vom österreichischen Staat und ungarischen Adel geprägt. Die Ungarn erschütterten den ethnischen Konsens Siebenbürgens und setzten die Sachsen ihrer Nationalbewegung aus. Durch politische Einflüsse wurde ihre "multiethnische" (genauer wohl: 'supraethnische') Identität in eine ethnisch-territoriale Identität verwandelt. Man wurde ein deutscher Sachse, der seine Eigenständigkeit zu behaupten versuchte. Ohne das regionale Sonderbewußtsein Siebenbürgens zu beseitigen, verstärkte das Wachsen des Nationalismus die Hinwendung zur deutschen Kulturnation.

Mit der Eingliederung Siebenbürgens in den rumänischen Nationalstaat nach dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie kam es bei den deutschen Minderheiten zur Bildung größerer Integrationsrahmen. Die deutschen Literaturen so unterschiedlicher Regionen wie des Banats, Siebenbürgens und der Bukowina verstanden sich nunmehr als 'rumäniendeutsch' und der Bezug auf Deutschland verstärkte sich. Die nationalsozialistische Ideologie, deren völkische Grundlage bekannt ist, erweiterte den Integrationsrahmen schließlich auf den eines vermeintlichen Volkes, dessen Kultur wertvoller sei als die der anderen Völker, über die es zu herrschen habe.

Die Zugehörigkeit deutschsprachiger Minderheitenliteratur zur deutschen Kulturnation zur Grundlage und Ausgangspunkt ihrer geschichtlichen Darstellung zu verwenden, ist nicht weniger fragwürdig als das weltbürgerliche Bewußtsein der Aufklärung zum Wertmaßstab zu nehmen. In beiden Fällen handelt es sich um ein Selbstverständnis, das an bestimmte geschichtliche Phasen gebunden ist. Über Zuordnungen und Abgrenzungen werden Identitäten konstruiert, die nur in bestimmten historischen Rahmen gültig sind und stets als geschichtliche deutlich gehalten werden müssen. Ist Deutsch eine lingua franca, vorübergehend eine mögliche Sprache ungarischer Patrioten oder die Sprache der Nazis? Die Beantwortung bleibt an bestimmte Konstellationen gebunden, jede Verallgemeinerung ist eine Konstruktion, mit der historische Verhältnisse festgeschrieben und für bestimmte Interessen instrumentalisiert werden: Sprache wird gern zur Sakralisierung von Sinngebungen missbraucht; sozialgeschichtliche Differenzierung leicht durch einen "Kulturalismus" ersetzt,(32) der eine "kollektive Identität"(33) bildet, um sie unter Umständen in den Krieg führen zu können. Obwohl Ethnien keine homogenen Gruppen bilden,(34) werden Ethnizismus und Nationalismus seit über einem Jahrhundert "unheimlich" erfolgreich immer wieder zum politischen Kampf eingesetzt.(35)

 

Transkulturalität als Konzept für die Geschichtsschreibung von Literaturen

Antworten auf Identitäts- und Zuordnungsfragen sind - wie auch Michael Markel festgestellt hat - "standpunkt- und sichtwinkelbedingt", sie unterliegen "historisch wechselnden Selbstbesinnungsbedürfnisse(n)".(36) Geschichtsschreibung muß sich ihres Konstruktcharakters bewußt sein und vom aktuellen Stand ihrer Problemdiskussion ausgehen. Für eine selbstreflexive Wissenschaftsauffassung haben Zuordnungsfragen, Darstellungsprinzipien und Bewertungskriterien im Mittelpunkt der Geschichtsschreibung zu stehen. Migrations- und Assimilationsprozesse sind ein wesentlicher Teil von regionaler und Minderheitengeschichte, obwohl sie mit ihren Ordnungsrahmen ihren Gegenstand in Frage stellen. Die Frage wäre weniger, welche Texte und Autoren zur deutschsprachigen Literatur (z. B. Ungarns) zu zählen sind oder wie literarische Regionen geographisch oder kulturell voneinander abzugrenzen sind. Wichtiger ist, warum eine regionale Ordnung literarischer Entwicklungen notwendig ist, was sie leistet und worin ihre Grenzen bzw. Beschränktheiten bestehen?

Das Konzept der Transkulturalität, wie es Wolfgang Welsch seit Anfang der 1990er Jahre vertritt,(37) löst viele Probleme, die bisher skizziert wurden. Indem es die traditionelle Auffassung von homogenen Einzelkulturen problematisiert, wird es sowohl den globalen als auch den regionalen Aspekten der Kulturentwicklung gerecht. Um mögliche Missverständnisse auszuräumen: 'Transkulturalität' ist kein modischer Begriff, der die Existenz relativ eigenständiger Kulturen negiert. Er betont allerdings, daß die Auffassung von separaten Kulturen eine Konstruktion ist, die uns den Blick für wesentliche Entwicklungen verstellt. Keine Kultur ist 'die reine' Kultur nur eines Volkes, und unterschiedliche Kulturen befinden sich in Bestimmungsrahmen mit gemeinsamen Determinanten. Statt von homogenen müssen wir von hybriden, gemischten Kulturen ausgehen - was für Ostmittel- und Südosteuropa sicher besonders evident ist.

Eine Historiografie, welche die Geschichte von geschlossenen Ethnien oder Kulturnationen zu re-konstruieren versucht, muß Grenzziehungen unternehmen, die auf dem traditionellen idealistischen Kulturbegriff Pufendorfs und Herders beruht. 'Die eigene Kultur' von der Kultur anderer Völker zu unterscheiden, entsprach Separatinteressen,(38) die Welsch als deskriptiv falsch und normativ gefährlich ausweist.(39) Im Prozeß der Modernisierung differenzieren sich 'die Kulturen' der Völker in unterschiedliche Lebensweisen und Lebensformen. Aus einer Kultur werden unterschiedliche (Multi-)Kulturen, die mit den unterschiedlichen (Multi-)Kulturen anderer Sprachgruppen und Ethnien vernetzt sind.(40)

Für die Untersuchung der Entwicklung der deutschsprachigen Literatur Ostmittel- und Südosteuropas bedeutet das zum Beispiel folgendes: Statt die Literatur einer regionalen Sprachgruppe wie eine autonome Insel zu betrachten, ist deren Differenzierung in unterschiedliche 'Strömungen', 'Schulen' oder 'Ästhetiken' herauszuarbeiten. Viele Texte sind auch in andere Zusammenhänge zu stellen, zumal viele Autoren die Region nicht zufällig (früher oder später) verlassen haben oder erst in sie eingewandert sind. Der tatsächliche Lebensraum, nachweisbare Schaffenshintergrund oder die selbstgewählte 'literarische Heimat' sind generell wichtiger als der Umstand, in welches politisch-territoriales Gebilde ein Autor zufällig geboren wurde.

Statt nach Verbindungen mit dem 'sprachlichen Mutterland' oder der 'Kulturnation' zu suchen,(41) müßte dem Vergleich mit der anderssprachigen Literatur der unmittelbaren Umgebung viel größerer Raum eingeräumt werden.(42) So kann 'das Eigene' als gar nicht so 'eigen' entdeckt werden, weil es zum Beispiel zwischen den ländlichen und urbanen Literaturtraditionen unterschiedlicher Sprachgruppen jeweils relativ viele Gemeinsamkeiten geben dürfte. Peter Motzan hat darauf hingewiesen, dass es Darstellungsmuster wie die Dorfgeschichte oder den lyrischen Traditionalismus in rumänischen, ungarischen und deutschen Varianten gab.(43) Die Analyse des Kontextes und der Funktion kann hinter vermeintlichen Gemeinsamkeiten auf der anderen Seiten aber auch beträchtliche Unterschiede oder Interessenskämpfe deutlich machen.(44) Die Verhältnisse in Ungarn machen besonders deutlich, wie wenig kulturelles Selbstverständnis, Nationalbewußtsein und Sprachgebrauch gleichgesetzt werden können.(45)

Die Suche nach entsprechenden Tendenzen kann jedoch nicht bedeuten, daß man Texten oder Autoren ein 'transkulturelles' Selbstverständnis unterstellt. Das wäre eine neue, für die zum Teil noch 'vormodernen' Verhältnisse sehr unhistorische Konstruktion. So gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, daß eine 'kultursymbiotische Mehrvölker-Identität' für die deutschen Literaturen Rumäniens nach 1918 keine so große Rolle spielte wie die Orientierung nach Deutschland.(46) Aus rumänischer Perspektive kann man die Hinwendung der Deutschen zu ihrer nationalen Sprachgemeinschaft als partikularistischen Trend ansehen, mit dem eine Minderheit auf den Homogenisierungsdruck durch den Zentralstaat reagierte. Weil Homogenisierungsbestrebungen und Globalisierungsprozesse auch Partikularisierungsbewegungen befördern, verlangt die Untersuchung von Transkulturalität die differenzierte Beschreibung der Herausbildung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden.

Hier liegt auch der entscheidende Unterschied zu den Begriffen 'Multikulturalität' und 'Interkulturalität', die an die traditionelle Auffassung von geschlossenen Kulturen gebunden bleiben: Während Multikulturalität die Koexistenz unterschiedlicher Partialkulturen bezeichnet, die homogen und von einander abgegrenzt gedacht werden,(47) bezeichnet Interkulturalität, die Bemühung um einen kulturellen Dialog - auch dort, wo sich Kulturen gar nicht so unterscheiden bzw. wechselseitig durchdringen.(48)

Die deutschen Siedlungsgebiete Mittelost- und Südosteuropas dürfen nicht nur als Inseln deutscher Sprache und Literatur betrachtet werden, sondern müssen auch als Teil eines Archipels gesehen werden, der von den Verhältnissen multiethnischer bzw. multinationaler Länder mitbestimmt wurde. Deren Kulturgrenzen waren durchlässig, ihre Bewohner von mehrfachen Kollektivitäten und Identitäten bestimmt. Durch vergleichende Untersuchungen müsste in der Geschichtsschreibung deutschsprachiger Literaturen stärker als bisher gezeigt werden, inwieweit diese mit denen anderer Sprachgemeinschaften verbunden waren. Aufgrund ihrer Verortung in der Geschichte dürften nicht nur den Autoren, sondern auch den unmittelbar beteiligten Historikern der 'Erlebnisgeneration' einige transkulturelle Bezüge entgangen sein.

© Andreas Herzog (Budapest)

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ANMERKUNGEN

(1) Zuletzt: Welsch, Wolfgang: Transkulturalität. Zwischen Globalisierung und Partikularisierung. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache Jg. 26 (2000), S. 327-351.

(2) Kaschuba, Wolfgang: Kulturalismus: Kultur statt Gesellschaft? In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft Jg. 21 (1995), H. 1, S. 80-95.

(3) Ammon, Ulrich: Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der nationalen Varietäten. Berlin; New York: de Gruyter 1995. Hier werden leider nur Varietäten konstruiert, die durch drei deutschsprachige Staaten 'nationale Qualität' erreicht haben.

(4) Hier spricht Klein auch von den "blutbedingten seelisch-geistigen Grundlagen des Menschen- und Künstlertums" (Klein, Karl Kurt: Literaturgeschichte des Deutschtums im Ausland. Neu herausgegeben mit einer Bibliographie (1945-1978) von Alexander Ritter. Hildesheim; New York: Olms 1979, S. 218). Kennzeichnend ist auch, was Klein über die deutsche Literatur in den USA sagt: Es handele sich um das "Massengrab des Deutschtums"; das "Deutschamerikanertum" setzte sich nur zum geringsten Teil aus wirklichen Volksdeutschen zusammen (Ebd., S. 267).

(5) Ebd.

(6) Diese Janusköpfigkeit hat auch Norbert Mecklenburg betont: Vgl. M.N.: An Stelle einer Einleitung. Ein Generalist des Besonderen. Zu Alexander Ritters Studien über Literatur deutschsprachiger Minderheiten. In: Alexander Ritter: Deutsche Minderheitenliteratur. Regionalliterarische und interkulturelle Perspektiven der Kritik. Mit einer Bibliographie zur Forschung 1970-2000. München: Verlag Südostdeutsches Kulturwerk 2001, S. 15-23, hier S. 18.

(7) "Volkstum ist von Natur verhängt." Josef Nadler: Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften. IV. Band. Der deutsche Staat (1814-1914). Regensburg: Josef Habbel 1928, S. 8.

(8) Willi Oberkrome: Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologie in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918-1945. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993.

(9) Alexander Ritter: Germanistik ohne schlechtes Gewissen. In: Deutschsprachige Literatur im Ausland. Hg. von Alexander Ritter. Göttingen 1985, S. 20.

(10) Nöhbauer, Hans F.: Kleine bairische Literaturgeschichte. München: Süddeutscher Verlag 1984.

(11) Motekat, Helmut: Ostpreußische Literaturgeschichte mit Danzig und Westpreußen. München: Schild-Verlag 1977.

(12) Lubos, Arno: Geschichte der Literatur Schlesiens. 3 Bde. München: Bergstadtverlag Korn 1960-74.

(13) Kessler, Dieter: Die deutschen Literaturen Siebenbürgens, des Banates und des Buchenlandes. Von der Revolution bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1848-1918). Köln; Weimar; Wien: Böhlau 1997.

(14) Die jeweiligen Einzelautoren kommen zwar meist aus Österreich und der Schweiz, die Gesamtleitung der Projekte liegt jedoch in Deutschland: Vgl. den Teil "Sonderaspekte der österreichischen und schweizerischen Literaturentwicklungen" in: Kruntorad, Paul: Charakteristika der Literaturentwicklung in Österreich 1945-1967. In: Literatur in der Bundesrepublik Deutschland bis 1967. Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur. Bd. 10, Hg. v. Ludwig Fischer. München: Hanser 1986, S. 629-650 und Siegrist, Christoph: Nationalliterarische Aspekte bei Schweizer Autoren. In: ebd., S. 651-671.

(15) Vgl. das Kap. "Deutsches Reich und k.u.k. Monarchie" in: Sprengel, Peter: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1870-1900. Von der Reichsgründung bis zur Jahrhundertwende. München: Beck 1998 (=Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. IX, I), S. 3-22, bes. S. 9-13.

(16) Vgl. die Kap. "Österreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Josephinische Aufklärung" in: Geschichte der deutschen Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Hg. v. Viktor Zmegac. 3., unver. Aufl. Bd. I/1, S. 167-174; "Österreichisches Biedermeier im Bereich des Theaters und der erzählenden Prosa" in: Ebd., Bd. I/2, S. 259-276.

(17) Das gilt selbstverständlich auch für die 'Wiener Moderne', der in vielen Literaturgeschichten eine eigenes Kapitel gewidmet wird. Mit dem Begriff wird aber keine Region, sondern ein literarisches Zentrum ähnlich 'Weimarer Klassik' oder 'Heidelberger Romantik' bezeichnet.

(18) Obwohl österreichische Literaturhistoriker wie Wendelin Schmidt-Dengler und Klaus Zeyringer die Gefahr erkennen, daß die Konstruktion einer eigenen Literaturgeschichte ein "Schattenboxen" gegen die deutsche ist, räumen sie ein: "Nichts stimuliert so sehr die Lust, sich einer österreichischen Literaturgeschichte zu widmen, wie der Umstand, daß die Literaturgeschichten in Deutschland, im konkreten Fall in der Bundesrepublik geschrieben werden und dementsprechend in bezug auf Auswahl, Periodisierung, Charakteristik und Wertung verfahren." Schmidt-Dengler, Wendelin; Zeyringer, Klaus: Literaturgeschichte Österreichs. Eine Einführung in die Problematik. In: Literaturgeschichte: Österreich. Prolegomena und Fallstudien. Hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler u. Klaus Zeyringer. Berlin: Erich Schmidt 1995, S. 9- 18, hier: S. 14.

(19) Zeyringer, Klaus: Literaturgeschichte als Organisation. Zum Konzept einer Literaturgeschichte Österreichs. In: Literaturgeschichte: Österreich, S. 42-90 und Berger, Albert: Patriotisches Gefühl oder praktisches Konstrukt? Über den Mangel an österreichischen Literaturgeschichten. In: Ebd., S. 29-41, bes. S. 37-39.

(20) Schmidt-Dengler, Wendelin: Borderlines. Von der Schwierigkeit, über die österreichische Identität einiger Autoren zu reden. In: Ebd., S. 80.

(21) Zeyringer, Literaturgeschichte als Organisation, bes. S.42, 46, 52.

(22) Für 'österreichisch' werden zum Beispiel gehalten: die göttliche Weltordnung als epochenübergreifendes Leitthema wie der 'habsburgische Mythos', die Thematisierung der Sprache bzw. ein geschärftes Sprachbewußtsein sowie Sprachkritik, die spezifische Komik einer karnevalistischen Lachkultur, der Spielcharakter der Literatur, die Thematisierung eines ethnischen Pluralismus sowie die Ablehnung des deutschen Idealismus, eine stärker ausgeprägte Skepsis. - Vgl. z.B.: Weiss, Walter: Ausblick auf eine Geschichte österreichischer Literatur. In: Ebd., S. 19-28 sowie: Bodi, Leslie: Sprache - Kultur - Literatur. Modellfall Österreich im Kontext Mitteleuropas. In: Literatur als Text der Kultur. Hg. v. Moritz Csáky u. Richard Reichensperger. Wien 1999, S. 110-132.

(23) Berger, Albert: Patriotisches Gefühl oder praktisches Konstrukt? In. Literaturgeschichte: Österreich, S. 39.

(24) Norbert Mecklenburg hat die besonders große Bedeutung, die der 'Regionalismus' und die 'Thematisierung der Provinz' in Deutschland hatten, aus seiner Territorialstaatlichkeit wie als Begleiterscheinung der Modernisierung erklärt. Vgl. die Kap. "Weltbürgertum und Provinzialität. Kosmopolitismus und Regionalismus im deutschen kulturellen Erbe" in: Mecklenburg, Norbert: Die grünen Inseln. Zur Kritik des literarischen Heimatkomplexes. München: Iudicium 1986, S. 239-252 sowie das Kap. "Literatur einer Region als Hinwendung auf das Naheliegende" in: Ebd., S. 44-53.

(25) Markel, Michael: "Ich wohne in Europa/Ecke Nummer vier": Identitätsprobleme einer Minderheitenliteratur im Spiegel der siebenbürgisch-deutschen Literaturgeschichte. In: Die deutsche Literaturgeschichte Ostmittel- und Südosteuropas von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute. Forschungsschwerpunkte und Defizite. Hg. v. Anton Schwob. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1992, S. 163-175, hier S. 164-167.

(26) Motzan, Peter: Die Szenerien des Randes: Region, Insel, Minderheit. Die deutsche(n) Literaturen in Rumänien nach 1918 - ein kompilatorisches Beschreibungsmodell. In: Deutsche Literatur im östlichen und südöstlichen Europa. Konzepte und Methoden der Geschichtsschreibung und Lexikographie. Hg. v. Eckehard Grunewald u. Stefan Sienerth. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1997, S. 73-102.

(27) Wegen der großen Differenzen auch zwischen ihren Literaturen hat Dieter Kessler sie getrennt dargestellt: Kessler, Dieter: Die deutschen Literaturen Siebenbürgerns, des Banats und des Buchenlandes. Von der Revolution bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1848-1918). Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1997.

(28) Vgl. Hermsdorf, Klaus: "Außendeutsche Literatur" als Regionalliteratur. In: Die deutschen Regionalliteraturen in Rumänien (1918-1944). Hg. von Peter Motzan und Stefan Sienerth. München. Südostdeutsches Kulturwerk 1997, S. 17. - Im Gegensatz zu Karl Kurt Klein betont Klaus Hermsdorf, dass von Schriftstellern jüdischer Herkunft wie Joseph Roth und Paul Celan, die "von den Rändern des deutschen Kulturraums in die binnendeutschen Zentren" wanderten (ebd., S. 19), bedeutende Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur stammen.

(29) Hoensch, Jörg K.: Geschichte Ungarns 1867-1983. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1984, S. 36 ff.

(30) Das gilt ganz besonders für die deutschsprachige Literatur Ungarns, die an der Wende zum 19. Jahrhundert in Ofen und Pest zum Beispiel keine "Minderheitenliteratur" war. Vgl. Tarnoi, László: Deutschsprachige Literatur in der Hauptstadt des ungarischen Königreichs zwischen 1790 und 1810. In: Schriftsteller zwischen (zwei) Sprachen und Kulturen. Hg. v. Antal Mádl und Peter Motzan. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1999, S. 23-48.

(31) Markel: "Ich wohne in Europa/Ecke Nummer vier", S. 168-171.

(32) Kaschuba, Wolfgang: Kulturalismus: Kultur statt Gesellschaft? In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft Jg. 21 (1995), H. 1, S. 80.

(33) Niethammer, Lutz: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur. Reinbek b. Hamburg 2001.

(34) Das gilt z. B. für die deutschen und madjarischen Minderheiten Südosteuropas in Bezug auf Herkunft, Siedlungsgebiet und soziale Zusammensetzung. Calic, Marie-Janine: Zur Sozialgeschichte ethnischer Gruppen: Fragestellungen und Methoden. In: Aspekte ethnischer Identität. Ergebnisse des Forschungsprojektes "Deutsche und Magyaren als nationale Minderheiten im Donauraum". Hg. v. Edgar Hösch u. Gerhard Seewann. München: Oldenbourg 1991, S. 11-33, hier S. 20.

(35) Vgl. Leggewie, Claus: Ethnizität, Nationalismus und multikulturelle Gesellschaft. In: Nationales Bewußtsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 2. Hg. v. Helmut Berding. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994. S. 46-65; Meyer, Thomas: Identitäts-Wahn. Die Politisierung des kulturellen Unterschieds. Berlin: Aufbau 1997.

(36) Markel: "Ich wohne in Europa/Ecke Nummer vier", S. 163-175, S. 163.

(37) Welsch, Wolfgang: Transkulturalität. Zwischen Globalisierung und Partikularisierung. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache Jg. 26 (2000), S. 327-351.

(38) Welsch zitiert Herder: "Das Vorurteil ist gut [...] denn es macht glücklich. Es drängt die Völker zu ihrem Mittelpunkte zusammen, macht sie fester auf ihrem Stamme, blühender in ihrer Art, brünstiger und also auch glückseliger in ihren Neigungen und Zwekken." Nach: Herder, Johann Gottfried: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit [1774], Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1967, S. 46.

(39) Welsch: Transkulturalität. Zwischen Globalisierung und Partikularisierung, S. 328-332.

(40) Die Kollektivität eines Menschen erschöpft sich auch nicht in der Zugehörigkeit zu einem einzigen Kollektiv, sondern besteht in einer "Multikollektivität", deren Kollektive ineinander verschachtelt sind (Hansen, Klaus P.: Kultur und Kulturwissenschaft. Eine Einführung. 2. vollst. überarb. u. erw. Aufl. Tübingen; Basel: A. Francke 2000, S. 197).

(41) Hobsbawn, Eric; Ranger, Terence (Hg.): The Invention of Tradition. Cambridge 1983.

(42) "Erst auf dem Hintergrund charakteristischer Vergleichsdaten erhält das Sozialprofil einer ethnischen Gruppe Aussagekraft." schreibt Marie-Janine Calic in einem grundlegenden Beitrag über Fragestellungen und Methoden der Historiografie. Calic, Marie-Janine: Zur Sozialgeschichte ethnischer Gruppen. In: Aspekte ethnischer Identität, S. 33.

(43) Vgl. Motzan, Peter: Die Szenerien des Randes, S. 86.

(44) Mehrsprachige Zeitschriften müssen z.B. nicht der interethnischen Verständigung dienen: Die Verwendung der 'Sprache des Anderen' kann zur Durchsetzung eigener Interessen dienen. Fassel, Horst: Aspekte einer geschichtlichen Kontinuität. Gruppenselbstverständnis in ein- und mehrsprachigen Periodika in Rumänien. In: Methodologische und literaturhistorische Studien zur deutschen Literatur Ostmittel- und Südosteuropas. Hg. v. Anton Schwob unter Mitarb. V. Carla Carnevale u. Fridrum Rinner. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1994, S. 123-140, bes. S. 133-134.

(45) Hier ist besonders sorgfältige und differenzierte Untersuchung nötig. Aufgrund seines Untertitels scheint das 1842-48 in Pest herausgegebene deutschsprachige "Tageblatt" Der Ungar. Zeitschriftliches Organ für magyarische Interessen, Kunst, Eleganz, Literatur und Mode, das "die Vertretung der ungarischen Interessen und der ungarischen Literatur" übernahm (Rózsa, Mária: Die deutschsprachige Presse in Ungarn im Überblick. Eine Budapester Dokumentation. In: Deutsche Sprache und Literatur in Südosteuropa - Archivierung und Dokumentation. Beiträge der Tübinger Fachtagung vom 25.-27. Juni 1992. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1996, S. 265-277, hier: S. 268.), besonders interessant. - Eine Autopsie ergab, dass es sich um eine Wochenschrift handelt, die nicht sieben Jahre, sondern nur vom Januar bis April 1846 unter diesem Untertitel erschien: Die ersten vier Jahrgänge hatten keine Untertitel, ab Nr. 101 (29.4.1846) hieß das Blatt "Zeitschriftliches Organ für ungarische Interessen, für Kunst, Eleganz, Literatur und Theater und Mode". Es wird zwar mit einem Brief von Graf Szechenyi aus "Kelet Népe" eröffnet, dient aber nur zu einem Bruchteil spezifisch ungarischen Interessen und der Vermittlung ungarischer Literatur. Es dominiert deutsche Literatur, auch viele Übersetzungen aus dem Französischen finden sich. Die Rubrik "Wiener Sonntagsbriefe", mit Kultur und Gesellschaftsnachrichten aus der Residenzstadt nehmen weitaus mehr Raum ein als die "Berichte aus Ungarn und den Nebenländern".

(46) Motzan, Peter: Die Szenerien des Randes, S. 73-102, bes. S. 86.

(47) Welsch erklärt so, dass es "in den multikulturellen USA" sehr wohl regressive und chauvinistische Tendenzen gibt. (Ebd., S. 332 f. )

(48) Ebd., S. 34.


For quotation purposes - Zitierempfehlung:
Andreas Herzog (Budapest): Literatursprachliche Entwicklungen in der Perspektive internationaler Kunstprozesse der Gegenwart. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 1/1997. WWW: http://www.inst.at/trans/1Nr/herzog.htm.

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