Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 1. Nr. September 1997

Frankfurter Konzepte und Versuche, Literaturwissenschaft interdisziplinär im Rahmen der Kulturwissenschaft(en) in Forschung und Lehre zu entwickeln: ein Erfahrungsbericht mit weiteren Perspektiven(1)

Eckhard Höfner (Frankfurt/Oder)

I

I.1. Als das Land Brandenburg im Jahre 1991 in Frankfurt (Oder) die Europa-Universität Viadrina gründete - historisch genauer: wieder eröffnete, gab es die An der Oder Gelegene doch bereits von 1506 bis zu ihrer Verlagerung 1811 nach Wroclaw/Breslau -, geschah dies nicht zuletzt im Zeichen der anzustrebenden Interdisziplinarität, an der alle drei der angesiedelten Fakultäten - Rechtswissenschaften, Volks- und Betriebswirtschaft(en), Kulturwissenschaften - mitzuwirken aufgefordert waren und sind.

Es liegt in der Struktur der einzelnen Studiengänge und den Zwängen der allgemeinen deutschen Juristenausbildung begründet, nicht im (bestehenden) Interesse der Dozenten oder in den relevanten Lehr- und Forschungsgebieten (z.B. Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie), daß diese Kooperation mit den Rechtswissenschaften weniger stark ausgeprägt ist denn die zwischen der Ökonomie und den Kulturwissenschaften respektive die unter den einzelnen Teildisziplinen der Kulturwissenschaften. So haben sich Studierende der Kulturwissenschaften Grund- und Rahmenkenntnisse der Volkswirtschaftslehre anzueignen; im Gegenzug verlangt man von Studierenden der Ökonomie im Rahmen des "Fünften Faches" die Absolvierung von kulturwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen mit Zertifikat.

Das Studium ist im Grundstudium vorwiegend disziplinär (Erwerb der Grundlagen zweier Disziplinen), im Hauptstudium interdisziplinär aufgebaut: dort sollen eine Reihe von Schwerpunkten, deren Kanon veränderlich ist, von den disziplinären Kenntnissen der einzelnen her betrachtet und auf diese Weise insgesamt in den Seminaren von den diversen Ansätzen aus reflektiert werden.(2)

Es schließt, abgerundet von Berufs-Praktika im In- und Ausland, nach acht (+ einem Prüfungs-) Semester(n) mit einem Diplom zum Kulturwissenschaftler; ein Magister-Studiengang sowie Kurzstudiengänge (Master) sind in Vorbereitung.

Die Kulturwissenschaft(en) vereint(en) in FF (O) 18 Professuren(3), die in folgende größere Gruppierungen zusammengezogen wurden: Geschichte - Sozialwissenschaften - Sprach- und Literaturwissenschaften.

Nicht nur die Studenten sind mit diesem Programm neu gefordert, auch die Dozenten, denen man mit der Interdisziplinarität viel Flexibilität im Disziplinen-Spagat abverlangt: fachliche Genauigkeit stehen auf der einen Seite, auf der anderen aber auch "Mut zur Lücke" und zum (etymologisch verstandenen) "Dilettantismus".

 

I.2. An der Viadrina - auch dies ein wichtiger Aspekt - findet keine Lehrerausbildung statt, die im Lande Brandenburg der ebenfalls neugegründeten Universität Potsdam obliegt.

Angestrebt wird also die Ausbildung von Studierenden, die sich auf dem freien Arbeitsmarkt um Berufe bewerben wollen.

Wer das deutsche Ausbildungs- und Universitätssystem kennt, weiß, daß die Lehrerausbildung seit geraumer Zeit für Dozenten wie Studierende gerade auch der Geisteswissenschaften insofern unbefriedigend ist, als die Einstellungschancen der Lehramtskandidaten relativ gering sind: eine Besserung der Situation scheint nicht in Sicht.

Die Magisterstudiengänge weisen im allgemeinen zu große Nähe zu den zum Staatsexamen führenden auf; weder sind sie in der Regel interdisziplinär ausgerichtet noch annähernd berufsbezogen.

Auf der anderen Seite besteht seitens der Industrie/Wirtschaft sowie seitens der Institutionen/Stiftungen etc. ein gewisser Integrationswille respektive ein Interesse an Fähigkeiten, wie sie in kulturwissenschaftlichen Studiengängen erworben werden (können). Die Schlagwort sind bekannt(4) ; ich nenne nur die auch von den Wirtschaftsunternehmen noch nicht hinreichend skizzierte Ausfächerung der geforderten Schlüsselqualifikationen wie analytisches und strukturelles Denken; (Er-)Lernen des Lernens; Kommunikation; Flexibilität etc.

Hier besteht noch auf seiten der Industrie wie der Unversität erheblicher Klärungs- und Diskussionsbedarf.

 

II

Die Etablierung eines solchen Konzeptes Kulturwissenschaft(en) unter dem Signum Interdisziplinarität - wir bleiben hier bei der innerhalb der kulturwissenschaftlichen Disziplinen eingeforderten - scheint prima vista Reflexions- und Definitionsarbeit zu erfordern bezüglich der Termini Kultur(-begriff) und Kulturwissenschaft. Viele Studierende, nicht wenige Dozenten sind der Ansicht, sinnvolle Arbeit könne erst dann konzipiert bzw. geleistet werden, wenn - ich bediene mich alt-ehrwürdiger Begriffe - die materiale wie die formale Seite der Kulturwissenschaften klar umrissen dastehe: ihr Objektbereich wie ihre Methodologie.

Diese desiderata mögen verständlich sein; für wissen(schaft)s-praktisch halte ich sie dennoch nicht.

Meine Skepsis ließe sich ebenso gut abstrakter formulieren; ich kleide sie hier zunächst in einige wenige Feststellungen und Fragen:

- Literaturwissenschaftler wissen sehr wohl, daß der Literaturbegriff jeweils ungeheuer epochenspezifisch ist: die Klassifikation Literatur vs. Non-Literatur ist eine historische Variable. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß es sich mit dem Kultur- Begriff wesentlich anders verhalte, schon gar nicht in der heutigen Situation höchst ausdifferenzierter Einzelwissenschaften und nach dem Verlust der Verbindlichkeit eines arbre encyclopédique.

- Neuerungen z.B. in der Geschichtswissenschaft (Wirtschaft-, Wissenschafts-, Sozial-, Mentalitätsgeschichte) kamen nur dadurch zustande, daß jeweils die Grenzen der vorgegebenen Objektbereiche und (häufig genug) der methodologischen Zugriffe aufgesprengt und transformiert wurden;

- ich kenne keinen Naturwissenschaftler welcher Disziplin auch immer, der seine Lehr- und/oder Forschungstätigkeit von einer seiner der Arbeit vorausliegenden Definition des Begriffes Natur abhängig machte; was nicht ausschließt, daß einige im Verlauf oder gar nach ihrer Tätigkeit auch philosophisch über diesen Begriff reflektieren;

- die bis in neueste Überlegungen(5) hinein beliebte Trennung in Natur vs. Kultur scheint mir - révérence parler - obsolet: die Feststellung, daß Natur- und Kulturwissenschaftler in der Regel verschiedene Objektbereiche bearbeiten, ist trivial; ferner gilt - nicht mehr trivial -, daß zu normative Trennungen die Verarbeitung/Analyse von vernetzten Komplexen störend beinträchtigen (z.B. in bunter Folge: Handlungs-/Entscheidungs-theorien; Psychosomatik; Sozialpsychologie und Wirtschaftsverhalten; Neuro- logie- Psychologie-Gedächtnis-(kulturelle) Rezeption(en), Verhaltensforschung usf.: Abstraktionsklassen wie andere Weiterklassifizierungen wären denkbar).

Schon anders verhält es sich mit der Trennung in Natur- vs. Kulturwissenschaft(en):
Zunächst - nicht jede Trivialität erscheint in veränderten Kontexten als 'trivial' - wird man darauf hinweisen dürfen, daß Naturwissenschaften, in der gesamten Breite ihrer Methoden, 'Welt'-Modellierungs-Verfahren, Rezeptions- und Akzeptanzweisen, zur Kultur gehören. Im Bewußtsein und Selbstverständnis der Kulturwissenschaften muß also - unabhängig von der vom einzelnen Lehrer und Forscher zu leistenden Aufga- benbewältigung - Raum bleiben für diese simple Tatsache diverser, von verschiedenen Prämissen geleiteter 'Welt'-Beschreibungs-Modalitäten, die nebstbei, sehe ich recht, ihrerseits nicht selten Überschneidungen und Vernetzungen kennen(6)

Ich folgere daraus, daß die Methoden-Debatte nur zu führen ist eingedenk der wissen(schafts)stheoretischen Möglichkeiten, Bandbreiten und Reichweiten, die sich aus einer Wissenschafts-Systematik präziser ergäben denn aus der herkömmlichen ungenauen und arg niveaulos trennenden "Logik" der Wissenschaften.

- Ich beschließe diesen unvollständigen Katalog mit der allein auf die Frankfurter (O)- Praxis bezogenen Frage, wie denn auch nur in unserem begrenzten Fächer- und Fakultätenspektrum einerseits, andererseits der Vorgabe und Verpflichtung der Gründungs-Denkschrift auf Interdisziplinarität ein Definitions-Versuch der Inhalte von Kultur/Kulturwissenschaft aussehen soll, der integrierend, nicht ausgrenzend wirksam werden kann; schon innerhalb der Fakultät Kulturwissenschaft(en) selbst - ganz zu schweigen von den methodologischen Selbstverständnissen der zwei anderen Fakultäten -, ist die Auffächerung groß.

 

Mein Vorschlag geht dementsprechend dahin, einen Weg auszuloten und (gegebenfalls zu nehmen), der sich nicht um Definitionen von Kultur/-wissenschaft(en) bemüht, sondern um Rahmen-Bedingungen: es genüge die (aller-) weiteste, auch: vorwissenschaftliche Auslegung respektive Akzeptanz von Kultur/kultureller Tätigkeit.

Als zu Ende des 19./ Anfang bis etwa Mitte des 20.Jahrhunderts im vorwiegend deutschsprachigen Bereich eine Kulturwissenschafts-Debatte aufkam - Romanisten kennen die Schwierigkeit/Unmöglichkeit der paraphraselosen Übersetzung dieses Terms; die slawistischen Probleme scheinen nicht geringer -, (prä-)formierten sich Grenz-Ziehungen - eben dieser Bereich gehört zur Definitions-Frage, gerade nicht zu meinem Rahmen-Vorschlag: Rahmen sind beweglich; Grenzen teilen -, die genauer Betrachtung als nur schwer aufrecht erhaltbar vorkommen müßten.

Was sich durch diese Debatte ins wissenschaftliche/wissenschaftstheoretische Bewußtsein schlich, waren - bei allem Respekt vor Kantischen Begrifflichkeiten(7) - ungenaue bis falsche Propositionen zu den Objektbereichen der Wissenschaften - vor allen noch fragwürdigeren Aufsplitterung in Stichwörter wie Materie vs. Geist; Kausalität/Gesetz vs. Individualität; Wert-Neutralität vs. Wert(e)-Einstellung etc., einzufangen im Oppositionspaar Natur vs. Kultur -, und höchst fragwürdige im Bereich der Methodologie, geführt unter der zwischen Aristoteles und Hegel oszillierenden, nur separierend wirkenden Terminologie der Logik (der Wissenschaften), denen partiell eine ontologische, id est non-wissenschaftliche Begründung überwölbt wurde.

Wohlgemerkt: es geht nicht darum, alt-ehrwürdigen Überlegungen ihren Wert zu nehmen; es geht - praktisch/pragmatisch - darum, angesichts einer anderen objektalen wie methodologischen Vernetzung der 'Dinge' und 'Erkenntniswege' gegenüber, andere Zuordnungen zu treffen, die nicht die 'Bunker'-Mentalität der Trennung in Kultur-(Geistes-) Wissenschaften vs. Naturwissenschaften festschreiben, gerade nicht den Streit der "Zwei Kulturen"(8)

Wenn gilt - kaum jemand würde dem widersprechen -, daß Theoriebildungsverfahren wie Hypothesen-Überprüfungs-Modalitäten etwa der Naturwissenschaften ebenso eine kulturelle Tätigkeit(9) darstellen wie kulturwissenschaftliche Verfahrensweisen(10), kann man sich als Kollektivum/scientific community - wie sehr es den einzelnen Forschern/Dozenten überfordern mag - doch nicht unter dem Verweis, naturwissenschaftliche Modellierungs-Verfahren von 'Welt' gingen den Kulturwissenschaftler - per "Logik der Wissenschaften" - nichts an, aus einer, ihr Prädikat auch verdienenden interdisziplinären Debatte über die generellen Modellierungs-Verfahren eines Objektes namens 'Welt' einfach ausklinken.

 

Meine Rahmen- Vorstellung setzt dagegen nur auf eins: den Dialog der Disziplinen/Wissenschaften. Interdisziplinarität wäre dann - so meine Auffassung - das Resultat der 'Offenheit' eines Dialoges, das nicht von den einzelnen Dozenten/Forschern zu leisten ist, aber ein (scientific community-)desideratum der Non-Abkapselung darstellte.

Dies Verfahren würde den Mengen-Volumina, in deren Schnitt unsrere Objekte/Objekts-Modellierungs-Möglichkeiten angesiedelt sind, gerechter denn die Führung eines (Ab-)Grenz- (ungs)-Diskurses.

Den Studierenden wäre, unter Maßgabe der Flexibilitäts-/Kommunikations-Erlernung, mitzugeben: der Respekt vor verschiedenen 'Welt'-Modellierungs-Weisen, der nebstbei auch ein Respekt ist gegenüber der Sicht des 'anderen': ich halte die Einsicht, daß wahr allemal nur System- oder Theorie-wahr heißen kann, für ein akademisch-pädagogisches (Ausbildungs-) Ziel.

 

Wer die Frage nach der Voraussetzung(-smöglichkeit) solcher Dialogizität stellte, wird freilich eine Anforderung annehmen müssen: die nach der Rationalität seines (methodischen) Diskurses.

Hierzu gibt es in der Wissenschaftsgeschichte einige Prinzipien - wie Klarheit der Begrifflichkeit, der Ableitungsverfahren und Interpretationsregeln, Metasprache, Widerspruchsfreiheit, allesamt älter und 'ehrwürdiger' denn die Logik der Dilthey, Rickert, Rothacker et alii; von einigen 'modernen' Einlassungen, etwa gegen die "Logozentrizität" ganz zu schweigen -, die ich hier unter dem einen ihrer Aspekte, dem der gegenseitigen Übersetzbarkeit zusammenfasse: jedes 'Proponenten'-'Opponenten'-Schema wird auf diese Verständigungs-Basis angewiesen bleiben; und: wer nicht kommunizieren will, der 'bunkert' im 'Streit der Kulturen'; und beantwortet nicht die Frage, warum er dieses tut.

Immerhin wird doch das Objekt seiner Bemühungen - Welt, Leben, Entwicklung etc. - auch von anderen Disziplinen behandelt; warum also nicht in vergleichbarer Weise. Eine - neu zu entwerfende - Vergleichende Methode unterliegt ja wohl nicht sofort dem Reduktionismus-Verdacht; und bestünde selbst dieser Verdacht einmal zurecht(11), so wäre er nicht durch sprach-/diskurslose gegenseitige Abschottung, also durch ein Postulat der Un-Übersetzbarkeit, intelligibel zu machen.

Ich erlaube mir zum Abschluß der skizzenhaften Ausführungen noch ein, zugegeben: nahezu abschreckendes Beispiel, das uns in gewisse Nähe zur Literaturwissenschaft in diesem 'Disziplinen-Konzert bringt.

In seinen Studien zur Kulturwissenschaft hat E.Cassirer immer wieder auf den Entwurf H.Taines hingewiesen, hin- und herpendelnd zwischen Achtung und Ablehnung. Niemand nun würde Cassirer widersprechen in der Meinung, daß Taine sein Konzept der Herleitung kultureller Daten aus (quasi-) naturgeschichtlichen weder durchgehalten hat noch stimmig machen konnte.

Wenn wir recht sehen, so liegt freilich die Taine'sche Unstimmigkeit nicht primär im Gedanken an eine Vernetzung der "lebensweltlichen" Phänomene, sondern primär im Glauben, sie seien in seiner Weise deduzierbar, damit erklärbar; von seinem in der Tat beständigen Wechsel zwischen 'Einfühlung' und 'Naturgesetzlichkeit' einmal ganz abgesehen(12).

Prinzipiell wäre ja nicht zu folgern - von der Unschärfe der Taine'schen Kategorien, zu denen schon F.Brunetière Einschlägiges formulierte, einmal abgesehen -, daß nicht eine Reihe von Bedingungen, die von verschiedenen Wissen(schaft)szweigen different beschrieben werden, interagierend am Zustandekommen (auch) der kulturellen Besonderheiten in der Kultur X in zu bestimmender Form beteiligt seien.

Zur Debatte stünde also nicht eine Vernetzungs- oder Schnittmengen-Vorstellung, sondern die Spezifik von Taines Erklärungs-Modell, das man aber auch als Herausforderung lesen könnte, ihm ein besser fundiertes, differenzierteres entgegenzuhalten.

Das Beispiel, es sei glücklich oder nicht, verweise zugleich auf eine Reihe von Möglichkeiten zum Wiederaufgreifen von Fragestellungen, nicht: Lösungen, im Rahmen der Interdisziplinarität.

Ein der Literaturwissenschaft und meiner Professur naheliegendes Lehr-Feld stellt z.B. auch die Intermedialität dar, innerhalb dessen man sich vor der - freilich anders begründeten und formulierten Vergleichbarkeit der Künste - nicht fürchten sollte.

Es sei hier genannt, um den ersten Punkt abzurunden, in dem ja noch die Frage offen geblieben ist, wie denn die eigene Vorstellung in Forschung und Lehre bezüglich der Methodologie, jedenfalls der des primären Zugriffes, ausfalle.

Ohne die Wahl hier ausführen oder präzise begründen zu können, sei - auch im Zusammenhang mit der Fragestellung der Konferenz: Literaturwissenschaft und Linguistik - nur vermerkt, daß der Lehrstuhl sich - in Kooperation übrigens mit anderen Frankfurter Lehrstühlen - in erster Linie der Semiotik verpflichtet fühlt.

Diese Wahl entsprang dabei nicht aus der an der Viadrina gewünschten Interdisziplinarität, sondern leitete schon immer meine Arbeiten(13); hier an dieser Wirkungsstätte allerdings fand sie eine neue Bestätigung: die Semiotik ist von Haus aus interdisziplinär; sie hat in den Kulturwissenschaften ihren deutlichen Niederschlag gefunden; und sie hat, wie mir scheint, große Integrations- und Übersetzungskraft hinsichtlich anderer Zeichenbegriffe (etwa: Kant, Geschichtszeichen; Cassirer, Symbolische Formen etc.; die wohl, bei allen weiteren Unterschieden und/oder Strittigkeiten, in eine semiotische Analyse überführbar wären).(14)

 

II: Literaturwissenschaft: Da an der Viadrina keine National-Philologien angesiedelt sind, sondern nur Vergleichende und Allgemeine Literaturwissenschaft muß auf bestimmte, anderswo selbstverständliche Ausbildungsziele verzichtet werden. Auch die Komparatistik selbst ist schon durch die Tatsache, daß sie in FF (O) nicht neben und zusätzlich zu Nationalliteraturen angeboten wird, zu Veränderungen genötigt.

Dem Interdisziplinaritäts-Konzept ebenso gemäß wie der Entwicklung der Literaturwissenschaft seit wenigstens den 60er Jahren, ist freilich die Frage der Innsbrucker Tagung Literaturwissenschaft und (Teil-Aspekte der) Linguistik vorentschieden, die Kooperation der Disziplinen institutionell wie - zumindest momentan - personell fest verankert.

 

II.1. Probleme der Literaturwissenschaft in FF (O) betreffen zunächst den diachronen Aspekt: die Kenntnis/Vermittlung einer/mehrerer Literaturgeschichte(n) kann nicht angestrebt werden. Ein anderswo für etwa einen Anglisten vielleicht erwünschter Kenntnis-Bogen von Beowulf zu Virginia Woolf ist hier nicht lehrbar.

Das ist auch dann ein Nachteil, wenn man sich nicht der Illusion hingibt, daß z.B. der Normal-Student der Anglistik an einer herkömmlichen Fakultät/Universität eben diese historisch-diachronen Kenntnisse auch erwirbt - über die Lektüre einer Standard-Literaturgeschichte hinaus.

Dennoch produzieren anderswo die Anforderungen für Zwischenprüfung wie Staatsexamen/Magister - wie immer kanonisiert sie ausfallen mögen - im allgemeinen nicht nur ein gewisses Überblicksverständnis für diverse Epochen und Epochen-Spezifika; sie schärfen auch dann, wenn "Lücken" bleiben, herkömmlicherweise das Verständnis für die Dynamik von 'Literarischen Reihen'. Sie vermitteln selbst auf der ungenügendsten Ebene wenigstens Grundkenntnisse über die (bibliographischen und anderen) Möglichkeiten, sich über bislang "lückenhaft" gebliebene Zeiträume schnell Grundkenntnisse zu verschaffen.

Man denke nur an den so relevanten - selbstverständlich auch an der Viadrina bearbeiteten - Problemkreis der Intertextualität von Literatur (cf. unten), dessen Behandlung, schlicht und vor allen weiterführenden interpretativen Schritten, breite Textkenntnisse verschiedener historischer Textgruppen und Rezeptions-Modaliäten voraussetzt.

Man denke an die Moderne - beliebt bei den Studenten - deren Darstellung aber allemal Rückgriffe auf andere 'alte' Literatur-Modelle voraussetzt.

Wenn man sich also auf die Paradigma(ta)-Darstellung von Textgruppen, -sorten, Gattungen etc., deren Tragweite und deren Ausfächerung beruft, wie ich das hier tun will, so soll man doch den Nachteil nicht unterschlagen.

Freilich gibt es eine Vielzahl von Kompensations-Möglichkeiten, die diesen Nachteil, zumindest hinsichtlich der Palette der für die Absolventen möglichen Berufe auszugleichen in der Lage sind.

Zunächst bedeutet der Vorrang des Paradigmatischen vor dem Diachronen nicht, daß man damit auf den Aspekt der Historizität - in den Kultur(wissenschafts-)Theorien der ersten Hälfte des 20.Jhdts. so deutlich, ja geradezu als Abgrenzungskriterium gegenüber den Naturwissenschaften eingefordert - zu verzichten hätte. Textgruppen-Paradigmata müssen keineswegs rein synchron aufgefaßt werden, stehen also nicht in Opposition zur Diachronie; ihre Behandlung kann demgemäß auch interdisziplinär, z.B. mit (Kunst-; Wissenschafts-) Historikern erfolgen.

Darüberhinaus bliebe - eine Abstraktionsstufe - etwa zu behandeln, wie, nach welchen Methoden, unter welchen Selektionsprinzipien, mit welchen Verknüpfungsgenauigkeiten zwischen literarischen und nicht-literarischen Daten/Reihen, bei Pointierung der Autoren bzw. der Rezipienten resp. der Texte/Textgruppen überhaupt sinnvoll Literaturgeschichte zu schreiben oder aber auch: eine/mehrere bereits vorliegende "wozu und zu welchem Ziele" zu benutzen ist.

Da die angestrebte Interdisziplinarität gemeinsame Lehrveranstaltungen von Vertretern verschiedener Disziplinen nicht nur ermöglicht, sondern geradezu fordert, lassen sich hier dann bestens Vergleiche anstellen, wenn Philosophen, Soziologen, Anthropologen, Literatur- und Sprachwissenschaftler etc. gemeinsam ihre historiographischen methodischen Verfahren und Kriterien ventilieren.

Nennen wir, um ein Beispiel der Behandlungs-Möglichkeiten herauszugreifen, den "Quellen"-Status: viele Historiker neigen dazu, literarische 'Welt'-Modellierungen ohne weiteres als Quelle für sozio-politische Verhältnisse zu nehmen - was allemal eine nicht hinterfragte Mimesis-Vorstellung und eine häufig überaus 'schlichte' von literarischen (Gesellschafts-)Funktionen voraussetzt.(15)

 

In einen gewissen Schwerpunkt gerückt erscheinen - und das ist mehr denn eine bloße Kompensation eines Diachronie-'Verlustes' - die Fragen nach dem Status von Texten (literarischer wie non-literarischer, bezüglich der Probleme Vertextungs-Strategien, Textintentionalität, primäre respektive "sekundäre Modellbildung" von 'Welt'(16)) und ihrer Rezeption (s-Modalitäten) nach diversen, auch: gewiß noch strittigen methodologischen Mustern. Unabdingbar erscheinen dabei die Diskussion der Begriffe Code, Repertoire, kulturelles Gedächtnis, enciclopedia wie die nach der Rekonstruktion des Lesers (empirische Untersuchung; "archetypischer" Leser (Riffaterre) und andere Konstrukte).

Es ist dabei nicht gesondert hervorzuheben, daß der Text-Begriff nicht allein für Linguistik und Literaturwissenschaft zentral erscheint, sondern auch für die Historiographie, Ethnologie, Sozio-/Politologie, zumindest in seiner Ausweitung auf nicht als literarisch klassifizierbare/klassifizierte Texte.

Nicht nur in Ansätzen und von mehr denn einem Lehrstuhl wird die - semiotische - Erweiterung des Text-Begriffes in Probleme der Text-Bild-Relation, der Intermedialität in das Lehrprogramm hereingenommen.

 

Wenigstens zwei Beispiele seien kurz umrissen:

Beispiel Rhetorik: es sei nicht nur erwähnt, weil es einen der Schwerpunkte für das Hauptstudium betrifft, das von partiell verschiedenen Gesichtspunkten einzelner Lehrstühle her angegangen wird, sondern auch, weil es das Interesse der Studierenden aller Fakultäten findet.

Aus nicht allein meiner Sicht, die nun eher vom System der Rhetorik herkommt, nicht von den Extensionserweiterungen, die der Begriff zumal in den Vereinigten Staaten erfahren hat, so:

- der Teil der elocutio erforderte schon immer, verstärkt in den letzten 25 Jahren, die Kooperation der Linguistik zur Beschreibung der ornatus-Lehre(17); Medien-Theoretiker (Film; Werbung etc.) diskutieren seit geraumer Zeit, ob Begriffe wie Sprache, Code, aber auch (einzelne) Tropen für ihr Material übernehmbar sind;

- die (Sprach-)Philosophie ist gefordert etwa in der Diskussion der antiken Annahme, es gäbe eine Trennung in res und verba, Thesaurus-Formen, die man nach einem aptum-Prinzip einsetzen und äquilibrieren könne;

- der Teil der inventio reflektiert Fragen einer logischen vs. nicht stringent logischen Argumentations-Lehre(18);

- die Rechtswissenschaft hat aus gutem Grund nicht nur die actio der Rede aufgegriffen, sondern vor allem die Topik für sich fruchtbar zu machen gesucht(19);

- die (z.B. antik geforderten) oratoris virtutes implizieren eine Ethik, die man beschreiben und mit sozialen Normen anderer Gesellschafts-Systeme (nutzbringend) vergleichen kann;

- wie ethos hat auch die persuasio-pathos-Form eine sozial-psychologische Komponente, die sicherlich nicht als anthropologische Konstante anzusprechen ist und damit - von 'Welt'-Vorstellungen her gesehen - sich vergleichend bearbeiten läßt;

- die Betriebswirtschaftslehre hat aus dem System 'Rhetorik' mannigfaltige Extrapolationen vorgenommen, an denen sich eine Reihe der obgenannten Punkte ebenso zeigen läßt wie z.B. die Relevanz von Kleidungs-/Auftretens-Codierung(en), cf. pronuntiatio.

- solche nicht-sprachlichen Codierungen sind zugleich ein eminentes, z.B. soziologisches (cf. der Umkreis der Rollen-Theorie) Problem bis hinein in die "Feinen Unterschiede" und des life style;

- die Medien-Transformation hat die Rede- und Repräsentationsformen ebenso geändert wie manche Rezeptionsformen und -gewohnheiten.

Kurzum: der Bereich der 'Rhetorik' ist gerade für die interdisziplinäre Betrachtung und (Methoden-)Diskussion in spezifischer Weise geeignet: er vernetzt Untersuchungsbereiche, beruht auf (der Akzeptanz - gruppentypisch, sich modern verringernd oder transformierend - von) 'Welt'-Modellierungen und ruft diverse wissenschaftliche Beschreibungssprachen zur Diskussion auf.

 

Stärker auf das originäre Feld der Literatur-/Kunst-Wissenschaft bezogen wäre das weitere Beispiel der Intertextualität/ Pluridiskursivität(20):
nennen wir unter diesem caput einerseits die Debatte über die Extensionsbreite des Begriffes (wie deutlich muß Intertextualität - je nach Gattung - vom Text signalisiert sein - etwa gegen Vorstellungen Kristevas et al. ?), andererseits die damit verbundene Überlegung zum Problemkreis kulturellen Lernens/Bewußtseins/kulturellen Gedächtnisses bei der Rezeption (cf. die Modelle Code, enciclopedia (Eco), Gedächtnis (Assmann)) und nicht zuletzt die Möglichkeit, von diesem Term ausgehend die Debatte der Verknüpfung von special histories und literarischen Texten in literarischen Reihen, die bereits die Russischen Formalisten aufgelegt hatten, zu vertiefen: letzteres immerhin eine Form, Fragen nach Epistemologie-Literatur, Gesellschaft-Literatur erneut zu stellen.

Lassen Sie mich anstelle weiterer Beispielsreihen und möglicher Problem-Modellierungen - das diesbezügliche Feld im Rahmen eines Zieles der interdisziplinär orientierten Literaturwissenschaft ist sehr groß - eine Art Résumé ziehen, das freilich meinen Vorgaben gemäß kein programmatischer Schlußstrich, sondern nur eine Zwischen-Bilanz sein möchte:

Wissenschaft - und damit auch die Kulturwissenschaft - hat zu beschreiben - auf diachroner wie systematischer Achse - in welchen und in wie gearteten Modellen 'Wissen über Welt' formuliert und aufbewahrt/'gespeichert' wird, weil aus diesen, wie immer komplexen und behandlungsstrittigen Vorgaben, Wissensbestände wie 'Handlungen'/'Handlungsmöglichkeiten', es stehe dahin, ob in jedem je einzelnen Falle und dann 'wie', deduziert oder imaginiert, erfolgen.

Durch die hochgradige, in der Moderne erheblich tempo-beschleunigte Ausdifferenzierung der Einzelwissenschaften sowohl in relativ vage umgrenzte, jederzeit verschiebbare 'Objektbereiche' einerseits, in dagegen viel präziser umrissene Methoden-/Diskurs-/Modellierungs-Varianten andererseits, haben sich konkurrierende und differente 'Welt'-Betrachtungsmöglichkeiten ergeben, deren Reduktion auf eine 'Ein-Welt'-Theorie ausgeschlossen erscheint.

Man hält - nicht völlig grundlos - den heutigen Menschen für akzelerations- und komplexitäts-überfordert, - es handele sich dabei nur um den "mündigen Bürger", dem aufklärerisch-republikanisch jedenfalls Grundlagen der Rechtswissenschaft, der politischen Institutionen, der Ökonomie etc. - und das neben seiner 'Primär'-Probleme - dort, wo er 'entscheidungsmächtig' werden soll, zurecht zugemutet werden müssen: zumindest in Rahmen-Kenntnissen.

Diese Problemlage kann die Kulturwissenschaft nicht ändern; und durch das Spezialistentum, das Ergebnis der differenzierten Ausgliederung ist, kann kein einzelner Vertreter dieser Wissenschaften allein die Diversifikationen der Wissen(schaft)s-Systeme und ihrer jeweiligen, zurecht oder zu unrecht bestehenden, 'Wahrheits'-Ansprüche vermitteln.

Diese Problemlage ist andererseits aber so hinreichend bekannt, daß man sehen kann, wie andere - z.B. die sogenannten Naturwissenschaften - bemüht sind, in stellenweise sehr präziser Weise, ihre Forschungsfelder und selbst ihre Methoden-Wahl über die notwendige Spezialisierung hinaus zugänglich und 'kommunikabel' zu machen.

Sollte dieser Eindruck richtig sein, so folgt daraus, daß auf eben diese Kommunikabilität auch für die Kulturwissenschaften zu setzen ist, d.h.

- Rahmen-, Reichweiten- und Übersetzungs-Diskurse sind unabdinglich;

- in der Lehre ist den Studierenden zu vermitteln nicht eine, objektale wie vor allem methodologische Hierarchie des 'Wissens', sondern ein Bild des (historischen/jetzigen) Wissen(schaft)s-Systems, abzielend auf Denkstrukturen und deren Vernetzungs- Möglichkeit(en).

Dies hat, so meine ich, so zu geschehen, daß eine wertfreie Darstellung der Funktionsweisen und (wissenschaftlich wie gesellschaftlich relevanten) Anwendungsbereiche der einzelnen Disziplinen vermittelt bzw. deren Vermittlung offengelassen und ermöglicht wird: die Debatte nach dem '(Sozial-)Prestige' der Disziplinen wie der Interdisziplinaritäts-Option, damit verbunden die Frage nach der Berufswahl/-perspektive setzt eben diesen (jedenfalls ansatzweise) 'weiten Blick' voraus.

Wie immer skeptisch die Antwort auf die quaestio (herkömmliche) 'Philosophie' oder ' Germanistik heute' ausfallen mag, für den interdisziplinär - methodisch/objektal - offenen Kulturwissenschaftler sehe ich, allemal in unserer ökonomisierten und technisierten Gesellschaft, von der Praxisorientierung bis zur Grundlagenforschung, die es auch non-naturwissenschaftlich - z.B. semiotisch orientiert - gibt, vielfältig Raum.

 

Eben die genannten Vernetzungs- und damit kommunikativen Possibilitäten kann jeder einzelne Lehrende und Forschende nur von der Grundstruktur seines disziplinären Wissens her einschätzen - und das erst dann, wenn er sein disziplinäres Wissen auf einen Anknüpfungspunkt hin öffnet; zur Problem-Übersetzbarkeit wird er einen rational-wissenschaftlichen Diskurs wählen müssen. Schon die 'Vergleichbarkeit der Künste' - bleiben wir brav innerhalb eines abgesteckten, ehemals virulenten, heute wieder semiotisch und terminologisch neu gedachten Bezirkes - scheiterten ohne 'Übersetzbarkeits'-Hoffnung, die freilich z.B. die Semiotik, bei aller Walzel- und Strich-Ungenauigkeiten, nicht aufgegeben hat.

Interdisziplinarität in dieser Vorstellung ist Problem-Übersetzung, und zwar in genau jenem genau nicht Benjamin'schen Sinne, nicht darauf abzuheben, was an Unsagbarem/Unübersetzbarem(21) verloren ginge, sondern in dem, was rational kommunizierbar ist.

 

So möge etwa ein Studierender, der gelernt hat, wie ein Text aufgebaut ist, wie dieser linguistisch und literaturwisenschaftlich funktioniert, sich fragen, in welchen Relationen dieser sein Text zu Denk- und Gesellschaftssystemen der Epoche in Relation steht, um herauszufinden, welches mögliche Modell von 'Welt' darin aufgebaut wird; wie literarische Strukturen in Relation zu epistemologischen etc. stehen; wie die jeweilige Rezeptionssituation zu rekonstruieren wäre (empirischer, nicht-empirischer Leser; Code; Repertoire etc.).

Ausgerüstet mit Kenntnissen und den zugrundeliegenden Verfahren zu Zugriff und Beschreibung über literarische/ästhetische Modellierung(en) und ihren historischen Implikationen, könnte er sich anderen "gesellschaftlichen Konstruktionen der Wirklichkeit" (Berger/Luckmann) oder "Sinnwelten" (Hitzler) vergleichend zuwenden; sollte er von mir und meinen MitarbeiterInnen noch nicht genug haben, z.B. der Frage, wie in Bildmedien (Fernsehen, öffentliches wie rechtliches) 'Welt' vermittelt wird, über Selektionsmechanismen, Bild-Text-Relationen, Nachrichten-Geschwindigkeit und Merkfähigkeit, Interessen-/"fun"/infotainment-Steuerung oder aber Probleme der Werbung, mit Seitenblick auf Ökonomie, semiotisch angehen.

Der Konjunktiv ist angebracht: denn unser Studierender könnte auch eine ganz andere Auswahl treffen, etwa geplagt mit dem Erwerb mindestens zweier - und gewissen Kenntnissen einer dritten - Fremdsprache, würde er sich etwa auf die Linguistik verlegen oder generell auf Kommunikationsformen, inklusive etwa der innerbetrieblichen in der Wirtschaft; es sei denn er fände die Methoden des Argumentierens, rechtlich wie philosophisch, anregender ......

Sie sehen, meine Damen und Herren, die Auswahl ist groß; jede davon enthält aber eine Reihe konstanter, für kulturelle Systeme relevanter Wissenspunkte.

© Eckhard Höfner(Frankfurt/Oder)

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Anmerkungen:

(1) Diskussionsvorlage zur Konferenz "Europäische Literatur- und Sprachwissenschaften", 22.-26.9.1997 in Innsbruck (Sektion III: Disziplinüberschreitende Ansätze der Sprach- und Literaturwissenschaften in Europa). Die Vorlage ist nicht nur äußerst skizzenhaft, sie gibt auch bei aller Durchsicht auf andere Konzeptionen und Lehrinhalte anderer Professuren vorwiegend wieder, was dem Verfasser an der in Frankfurt in process geführten Debatte relevant erscheint bezüglich einer obgenannten wissenschaftlichen Positionierung. Diese Einseitigkeit bittet der Verfasser vorab entschuldigen zu wollen.

(2) Momentan zur Wahl stehende Studien-Schwerpunkte: Moderne und Gegenmoderne; Stadt-Region-Kultur; Identität und Fremdheit; Rhetorik-Recht-Institutionen; Interkulturelle Frankreichstudien; Wissen und Wissenschaft; Geschlechterdifferenz; Medialität und Diskurs.

(3) Vglde. europ. Geschichte der Neuzeit; Vglde. Kulturgeschichte der Neuzeit; Geschichte Osteuropas; mittelalterl.Geschichte Mitteleuropas; Wirtschafts-und Sozialgeschichte der Neuzeit; Philosophie; Kunst und Kunsttheorie; Vglde. politische Soziologie; Vglde. Kultur- und Sozialanthropologie; Politikwissenschaft; Wirtschafts- und Sozialgeographie; Literaturwissenschaft (osteuropäische Literaturen); Lit.wissft. (Westeuropäische Literaturen); Vglde. Literaturwissft. (westeurop. Lit.); Sprachwissenschaft I (Vglde., Soziolinguistik); Sprachwissft. II (Fremdsprachendidaktik); Fremdsprachendidaktik unter besonderer Berücksichtigung des Polnischen.

(4) Eine (erste) Darstellung bei: Blamberger et al.,

(5) Z.B. Hansen (1995), 17-29 und passim.

(6) Statt möglicher Beispiele, hier eine Anekdote: als E.Cassirer seine Philosophie der symbolischen Formen von einem eher traditionell orientierten Logiker, der (damals zeitgemäße) Einwände zum Relationsbegriff vor brachte, angegriffen sah, verwies er zurecht auf die theoretische Entwicklung in den Naturwissenschaften, so vor allem auf die Axiomatik Hilberts und die Ergebnisse von Forschungen von B. Russell, Schlick et al. (Cassirer 1938).
Er bezog sich also nicht auf etwelche Spezifika der Kulturwissenschaften, sondern widerlegte den in seinen Positionen überholten Wissenschafts-Theoretiker durch den Verweis auf die Entwicklung in der Wissenschaftstheorie selbst. Interessanterweise beharrt selbst etwa Hansen (1995), obzwar der Trennung in Kultur vs. Natur anhängend und gewiß weniger souverän argumentierend denn Cassirer, auf der Zur-Kenntnisnahme der Neuro-Physiologie etwa Pöppels.

(7) so etwa Kants Diktum von der Natur als das Dasein der Dinge, "sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist", mehrfach bei Rickert (1898/1926).

(8) Snow (1959); zur Brisanz der Frage, cf. die "Drei Kulturen" bei Lepenies (1988). Bekanntlich hat das eine lange (Dilthey-)Tradition: cf. aber auch Gadamers Hermeneutik: nicht um die Objekte, sondern um die Methoden gehe es.

(9) Der Ausdruck Tun immer wieder hervorgehoben bei Cassirer.

(10) Die Begriffe und Probleme von etwa Hypothese(-nbildung), Nachprüfung, Erklärung, Theorie sind auch in der Kulturwissenschaft permanent präsent, zuweilen unter 'Verdeckungsformen'; manche Historiographie will den Begriff Erklären, wohl eingedenk der traditionellen Dichotomie von Erklären vs. Verstehen, durch Rekurs auf Narrativität ersetzen: eine falsche Opposition schon deshalb, weil ein normalsprachlich 'narrativer' Satz vom Typ 'x tat y, weil ihm das in der Situation z vernünftiger/besser etc. erschien', ein Erklärungsmuster impliziert, über genau dessen Reichweite und Gültigkeit sich auch die "narrativ orientierte" Historiographie wird Rechenschaft ablegen müssen; cf. u.a. von Wright (1971); Höfner (1997).

(11) Nicht selten wird der Terminus Reduktionismus als unsinniger (Abschottungs-)Vorwurf verwendet, wiewohl seine Leistungsfähigkeit wissenschaftstheoretisch relativ gut umrissen ist.

(12) Cassirer (1942); (1944) u.ö.; zu Taines 'Schwanken' zwischen Einfühlung und Positivismus, cf. auch Höfner (1980).

(13) Entgegen einer Reihe von Vorwürfen alter wie neuer Provenienz hält der Verfasser auch die Debatte über den Strukturalismus, dem er viel verdankt, nicht für sinnvoll beendet. Das Bild dieser, ihrerseits interdisziplinären Methodologie ist so diffus geworden, daß ein erklärender Zusatz, es gehe um Positionen etwa vom Typ Piaget (1968); Titzmann (1977), angebracht erscheint.

(14) Bibliographisches sprengt hier den Raum; verwiesen sei auf Hansen (1995), 209 ff.; auch - Unstimmigkeiten - auf Geertz (1973), (1977), der die Frage, wie er Dilthey'sche Hermeneutik mit Semiotik koppeln will, schuldig bleibt. Cf. etwa auch O.Apels immer stärker gewordene Wendung zur Semiotik etc.

(15) Duby; auch:Hartung.

(16) Term: Lotman.

(17) Cf. etwa Dub et alii. Cf. als Perspektivierung der Frage in Disziplinen: Haverkamp.

(18) Etwa: Perelmann// cf.Habermas. Kommunikatives Handeln.

(19) Etwa: die Viehweg-Tradition.

(20) Term: Segre (1982), der literarische Diskurse in Literatur unter intertestualità, non-literarische, z.B. wissenschaftliche in Literatur unter pluridiscorsività faßt.

(21) W.Benjamin, Und, wie immer wissens-redundant: Wittgenstein, Tractatus, 7


Kurzbibliographie:

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