Fremdsprachenunterricht zwischen Grammatik und Pragmatik

MENDILI Karima
Université d’Alger 2

Abstract

Die Grammatik ist oft als das abstrakte Regelsystem der Sprache betrachtet. Anders gesagt: wenn man sich mit der Grammatik beschäftigt, dann befasst man sich oft mit der idealen Sprache bzw. mit den grammatischen Formen und der rein strukturellen Seite der Sprache. Die grammatische Betrachtungsweise der Sprache spielt eine wichtige Rolle beim Sprachenlernen. Dies ist ein Fakt, der kein Linguist leugnen oder in Frage stellen wird. Die Fragen, die sich nun im algerischen Kontext stellen, sind wie folgend: Was ist das reale Ziel des Grammatikunterrichts? Wie wird das Modul Grammatik von Lehrenden vermittelt, und wie wird es von Lernenden wahrgenommen? Soll die Grammatik als Selbstzweck betrachtet werden oder soll sie als Mittel zur tatsächlichen Sprachverwendung dienen?
Der Grammatikunterricht wird von den algerischen Lernenden als monoton, da er oft als bloßes Lernen von starren Regeln, Begriffen und Kategorien dargestellt wird. Er wird sogar als unnützes Wissen empfunden, denn Kommunikation – ihrer Meinung nach-brauche keine rigiden grammatischen Regeln. Obwohl die algerischen Studenten im Grammatikunterricht die Regeln zu beherrschen scheinen, sind sie oft mit „grammatischen, syntaktischen Schwierigkeiten“ bei der konkreten Textrezeption und Produktion konfrontiert. Welche anderen Betrachtungsweisen sind beim Grammatikunterricht erforderlich, damit das Fremdsprachenlernen –in Algerien- effizienter wird?

Schlüsselwörter: Regelsystem, grammatischen Formen, Grammatikunterricht, Schwierigkeiten, algerische DaF-Studenten,

Abstract

Grammar is considered as an abstract system of rules for the language. In other words, when studying grammar, we often study the language in its ideal form, the grammatical forms, and the purely structural aspect of the language.It is an undeniable fact that the grammatical approach of language plays an important role in language learning. When it comes to the Algerian context, many questions arise: What is the goal of grammar teaching? How is the grammar module presented by teachers, and how is it perceived by learners? Should the grammar be seen as an end in itself or should it serve as a means of actual communication?

Grammar lessons are often described as monotonous and useless; Learners often perceive that communication does not involve that many rigid rules and concepts.Although the Algerian students master the rules of grammar during the lessons, they are often confronted with “grammatical problems” in terms of concrete text reception and production. Are there any more efficient approaches when it comes to learning foreign languages ​​and grammar in Algeria?

Keywords: Grammar, rules for the language, grammatical forms, language learning, Algerian DaF-students, grammatical problems

1. Einführung

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit einem meist als schwierig und langweilig bezeichneten Fach im Fremdsprachenunterricht: die Grammatik. Schon seit Jahren habe ich festgestellt, als Dozentin an der Universität Algier 2, dass Grammatik das ungeliebte Modul sei. Seit Jahren bin ich also mit der Frage konfrontiert worden: Wozu Grammatik? und mit der Tatsache, dass viele algerische Studierende die Grammatikstunde als Zeitverschwendung und als monotone Unterrichtsroutine erleben.

Der Grammatikunterricht wird als unnützes Wissen, als schwer und langweilig empfunden, da er oft als bloßes Lernen und Lehren von starren Regeln, verwirrenden Begriffen und immer sich wiederholenden Übungen gestaltet wird. Und obwohl unsere Studenten in vielen Fällen die grammatischen Regeln lernen, haben sie immer grammatische und syntaktische Probleme bei der Textrezeptionund -produktion. Dieses Defizit hat natürlich seine Gründe. An dieser Stelle sollten wir uns, als Lehrkräfte, einige Fragen stellen:

  • Wie ist dieses Scheitern zu explizieren?
  • Warum funktioniert es nicht, wie es geplant und erwartet wird?
  • Wie wird Grammatik von Lehrenden vermittelt und wie wird sie von Lernenden wahrgenommen?
  • Welches sind die passendsten Methoden zur Grammatikvermittlung im Fremdsprachenunterricht?

  • Soll die Grammatik als Selbstzweck betrachtet werden, da wir im Vordergrund Germanisten ausbilden, oder soll Grammatik nur als Mittel zur tatsächlichen Sprachverwendung dienen?

Hier ist zu betonen, dass nicht alle algerischen Studenten nach dem Abschluss ihres Studiums als Deutschlehrer tätig werden. Dieses frustrierende Scheitern ist sicher schon von vielen Lehrkräften bemerkt worden;auf diese Fragen und andere versuchen wir zu antworten, durch verschiedene Methoden: linguistische und didaktische, mit der Hoffnung, dieses Wissen effizienter zu vermitteln und zu verwenden.

2. Zum Stellenwert der Grammatik beim Spracherwerb

Die Rede über Grammatik ist nicht neu, wie die über der Sprache. Unter der Bezeichnung Grammatik ist eine Gesamtheit von grammatiktheoretischen Ansätzen und Sprachbeschreibungsmodellen zusammengefasst, die heterogene Klassen bilden und die in ihrer Mehrheit heutzutage revisions- und ergänzungsbedürftig sind. Im Allgemeinen wird Grammatik aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet:

a) als Regelsystem einer Sprache: Grammatik wird hier als Bestandteil einer Sprache verstanden; als Struktur, Normen und Regeln.

b) als Beschreibung des Regelsystems: Dabei wird Sprache auf morphologischer, syntaktischer, und funktionaler Ebene beschrieben. Die Sprachbetrachtung beruht auf unterschiedlichen Modellen und Methoden (z. B. die traditionelle Grammatik, die Dependenzgrammatik, die generative Grammatik, die funktionale Grammatik…).

c) als Sprachkompetenz: Kognitiv gesehen haben wir alle Grammatik im Kopf, indem wir die Regeln automatisch beim Sprechen verwenden. In diesem Falle wird Grammatik als die vom kompetenten Sprachbenutzer verinnerlichte Struktur der Sprache bezeichnet.

Über das Wesen, den Ursprung und die Entwicklung der Sprache wird seit Jahrtausenden debattiert. Denker und Sprachwissenschaftler haben sich in jeder Zeit mit der Frage nach der Mechanismen der Sprache, ihren Strukturen, ihren Komponenten und ihrem Funktionieren beschäftigt. So hat sich De Saussure intensiv mit der Langue als Sprachsystem auseinandergesetzt. Chomsky hat sich mit der angeborenen Grammatikkompetenz des Menschen und der universalen Seite der Sprache befasst. Wittgenstein, Bühler, Austin und Searle haben den Weg zu neuen pragmatischen und funktionalen Perspektiven bereitet.

3. Grammatik und Sprachgebrauch

Die Sprache wurde und wird als menschliches Phänomen unter der Lupe betrachtet: ausgehend von der Arbitrarität des regelhaften Sprachsystems bis zur Fähigkeit des Menschen, das Regelsystem zu verinnerlichen und damit sprachliche Einheiten im Alltag kreativ und interaktiv zu produzieren;ausgehend vom natürlichen Erwerb bei Kindern und Erstsprachlern bis zum gesteuerten Lernen im Fremdsprachenlernen, vom impliziten Wissen bis zum metalinguistischen…

Wie schon oben angedeutet, ist das Streben, die Sprache mit all ihren Aspekten zu explizieren, hat dazu geführt, vielfältige und diverse Betrachtungsweisen und Methoden zu konzipieren. In diesem Sinne schreibt Fiehler in seinem Beitrag „Weichenstellungen der Sprachwissenschaft und ihre Folgen“:

Überblickt man die Geschichte der Sprachwissenschaft, so hat sie über weite Strecken genau dies getan: Sie hat Sprachkenntnis produziert, indem sie Regeln expliziert und – auf sehr heterogene Weise – kodifiziert hat. Im Prozeß der Regelexplikation hat sie zugleich auch Strukturierungen für das Regelgesamt erarbeitet. Und sie hat die Veränderung der Regeln beschrieben. Die Geschichte der Sprachwissenschaft kennt eine Vielzahl solcher Strukturierungen.1.

Die Grammatik ist zweifellos, obwohl umstritten, ein wichtiger Bestandteil der Sprache.Meiner Ansicht nach erfüllt sie eine äußerst wichtige und komplexe Rolle in unserem Leben.In diesem Sinne schreibt Johann Gottfried Herder (1780):

Ein Mensch, der in seinem Leben keine Grammatik gelernt hat, lernt sein Leben durch nicht genau, wenigstens nicht sicher sprechen und schreiben: er irret in Ungewissheit umher und hat kein Leitseil im Großen Labyrinth der Sprachen und Worte.2

Von der oben dargestelltenAuffassungausgehend, können wir behaupten, dass das grammatische Wissen notwendig für das Beherrschen der Sprache sei.Nun stellen sich die folgenden Fragen, besonders im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts:Ist die Grammatik wirklich nötig, um die Sprache bzw. eine Fremdsprache zu beherrschen? Wenn ja, wie vielegrammatische Kenntnisse brauchtein Fremdsprachenlernender, und wie sollteeigentlich das grammatische Wissen gelernt bzw. gelehrt werden?

Dass Grammatik als Wegweiser zum sicheren Sprachgebrauch dient, kann heute kein Sprachwissenschaftler in Frage stellen. Auf die Frage: Ist die Grammatik wirklich nötig, um eine Sprache zu beherrschen?kann man mit der folgenden Auffassung von Strecker antworten:

Wer sich die Mühe macht, die grammatischen Strukturen einer Sprache genauer zu betrachten, dem eröffnet sich eine Perspektive, aus der sich Muster zeigen, wo zunächst alles kleinkariert oder gar zufällig schien, und mit der neuen Perspektive ergibt sich mittelbar ein Zuwachs an Sicherheit im Umgang mit der Sprache3.

Sicherheit im Umgang mit der Sprache. Das ist ja eben das, was unseren Studenten (und uns auch, als nicht-muttersprachlichen Lehrkräften) fehlt. Wie schon oben gesagt, obwohl die algerischen Studierenden im Grammatikunterricht die Regeln zu beherrschen scheinen, sind sie oft mit „grammatischen, syntaktischen Schwierigkeiten“ bei der konkreten Textrezeption und -Produktion konfrontiert.

4. Grammatikunterricht zwischen Theorie und Praxis

Das Problem besteht darin, Gleichgewichte zu erzeugen: zwischen dem Erlernen der grammatischen Regeln und ihrem Bearbeiten und Verwenden in verschiedenen Kontexten und Situationen. Wenn man über Kontexten und Situationen redet, dann geht es zwangsläufig um die pragmatische Betrachtungsweise der Sprache. Mit der pragmatischen Perspektive werden wir uns später befassen, aber zuerst möchten wir die Idee der Sprachbeherrschung näher betrachten: was wird damit gemeint? Was bedeutet eigentlich der Ausdruck „eine Sprache beherrschen“? Welches sind die Maßstäbe, die uns erlauben, den einen oder anderen als „Sprachen- Beherrscher“ zu definieren?

Unter Sprachbeherrschung wird im Allgemeinen sprachliche Kompetenz verstanden. Laut Kummer ist der Begriff „Sprachbeherrschung“ irreführend. Seiner Ansicht nach, gibt es „keine einzelne Sprache, die durch ein festliegendes System von Regeln definiert ist, sondern nur untereinander ähnliche offene Systeme von Konventionen, die in Grenzen von Individuum zu Individuum variieren und niemals vollständige Verständigung erlauben“4.

In „Reflexion als Schlüsselphänomen der gegenwärtigen Fremdsprachendidaktik“ vertritt Trad die Auffassung, dass unter Sprachbeherrschung generell „ die Gebrauchsadäquatheit und Ausdrucksangemessenheit der sprachlichen Mittel in Wort und Schrift“ verstanden wird5.

Muttersprachler erwerben unbewusst eine grammatische Kompetenz in Bezug auf ihre Muttersprache, während Fremdsprachler sich diese Kompetenz durch Lernen und durch Übungen aneignen müssen. Da die Grammatik auch kognitiv gedeutet werden kann, kann sie als ein Teil unserer sprachlichen Kompetenz verstanden werden. Kompetenz ist laut Chomsky:

das System von Regeln und Prinzipien, von denen wir annehmen, dass sie auf gewisse Weise in einer Person, die eine Sprache kennt, mental repräsentiert sind und dass sie dem Sprecher im Prinzip ermöglichen, einen beliebigen Satz zu verstehen und einen Satz, der seinen Gedanken ausdrückt, hervorzubringen“6.

Die Kompetenz führt, wie wir bemerken können, zum Begriff Performanz.UnterPerformanz wirddie Anwendung der Regeln und die Realisierung der Strukturen verstanden. Wenn man sich mit Begriffen wie Gebrauchsadäquatheit und Ausdrucksangemessenheit auseinandersetzt, so soll man feststellen, dass es in Wirklichkeit um das sprachliche Handeln geht, das sich auf wesentliche Grundlagen stützt, nämlich auf dieSprachfähigkeit und die Sprachtätigkeit7 bzw. auf Kompetenz und Performanz, die „in vieler Hinsicht interdependent“sind.

Das Problem des Scheiterns beim Grammatikunterricht besteht darin, dass bei der Sprachbeschreibung des Deutschen wichtige Dinge vernachlässigt werden, nämlich diepragmatische und kulturelle Dimension der Sprache.Im Allgemeinen konzentriert man sich oft auf grammatische, syntaktische und rein formale Aspekte bei der Sprachbeschreibung, ohne die pragmatische und funktionale Seite zu berücksichtigen.

Generell basiert der Grammatikunterricht auf erfundene Beispiele, die ideale sprachliche Konstruktionen darstellen. Diese dargestellten Strukturen werden nach bestimmten grammatischen Regeln aufgebaut und sollen als Muster und Modelle für Sprachlernende und –benutzerfungieren. Wie bekanntlich lassen sich die grammatischen Regeln in Arten differenzieren, u.a. in deskriptiven vs. präskriptiven Regeln.

Im Lexikon der Germanistischen Linguistik werden deskriptive und präskriptive Regeln folgendermaßen definiert:

Grammatische Regeln lassen sich ferner als Sätze verstehen, die bestimmte Muster des Sprachverhaltens oder Sprachhandelns von Menschen abbilden, wobei deskriptive Regeln lediglich kommunikativ stabilisierte, d.h. primär durch den Gebrauch gerechtfertigte Verhältnismäßigkeiten oder Verhaltenserwartungen, präskriptive Regeln die auch über den Gebrauch hinausgehenden bzw. nach anderen (z.B. historischen, logischen, ästhetischen) Kriterien gerechtfertigten, institutionell oder quasi-institutionell geforderten Verhaltensanweisungen erfassen sollen8.

Die Regeln entsprechen aber nicht immer der realen Verwendung der Sprache.So wird man oft mit solchen Beispielen konfrontiert, wo die Regel und die Verwendung sich frontalgegenüberstehen wie in:

Ich komme nicht, weil ich bin krank.Für sich genommen ist dieser Satz, grammatisch gesehen, nicht korrekt.Trotzdem ist er verstehbar.

Solche Sätze sind häufig von algerischen Studierenden gebildet, und werden natürlich von Lehrenden als falsch betrachtet. Das Problem besteht aber darin, dass solche Ausdrücke im gesprochenen Deutsch auch häufig vorkommen.

Nach Eisenberg im Grundriss der deutschen Grammatik „ soll [eine Grammatik] erfassen, was ist, und nicht vorschreiben, was sein soll9“. Also: Ist diese Konstruktion als falsch oder als korrekt zu urteilen?Sind wir aber in der Lage, als Nicht-Muttersprachler, zu bewerten, was richtig und was falsch ist im Rahmen einer Sprachbetrachtung? Verfügen wir über genug Intuition, Sprachgefühl und ‚Urteilsfähigkeit‘, um z.B. eine Struktur als akzeptabel oder korrekt zu empfinden?

Immer in diesem Zusammenhang bezeichnet Eisenberg die Differenzierung bzw. die Trennung der zwei grammatischen Sichtweisen als problematisch, für ihn gibt es keine normative Grammatik. Normativ ist der Gebrauch, der von ihr gemacht wird. So kann seiner Ansicht nach, jededeskriptive Grammatik präskriptiv gebraucht werden.10

Ausgehend von den oben dargestellten Auffassungen ist festzustellen, dass grammatische und pragmatische Sprachbetrachtungennicht gegensätzlich, sondern komplementär sind,obwohl sie ihren Gegenstand unterschiedlicher Weise erfassen.Die grammatische Betrachtungsweise behandelt die Sprache als System, wobei sie z.B. Sätze als abstrakte und komplexe Strukturen nach grammatischen Regeln analysiert. Während die pragmatische Betrachtungsweise die Sprache als menschliches Handeln untersucht. Sie beschäftigt sich mit der Explikation der vorhandenen Beziehungen zwischen Zeichen und den Zeicheninterpreten, und untersucht jene Aspekte von Bedeutung, die nicht von einer semantischen Theorie expliziert werden und beleuchtet daher ambige Sätze im Kontext.Hier wird nicht mehr der Satz als syntaktische Struktur im Mittelpunkt gerückt, sondern die Äußerung, die in sich selbst, auf eine kommunikativ pragmatische Dimension aufweist. In diesem Bezug wird oft die Rede von „Kommunikationslinguistik“, die ein weites Spektrum hat im Gegensatz zur taxonomischen Linguistik, die sich im Allgemeinen nur mit Struktur und Form befasst, und „die in der Regel beim Morphem beginnt und beim Satz aufhört11“.

Eine pragmatisch funktionale Betrachtungsweise zeigt, welche sprachlichen Mittel in der betrachteten Sprache z. B. für eine Sprechintention zur Verfügung stehen und wie sie eingesetzt werden können. Sie zeigt auch, welche Mittel vorhanden sind, um genau das zu sagen, was man ausdrücken möchte.

Folgende Beispiele sollen diese Auffassung schildern. So lässt sich z. B. eine Aufforderung oder eine Bitte auf verschiedene Weisen ausdrücken:

  • mit dem Imperativ: Steh auf!

  • mit Aussagesatz: Es zieht hier. (Mach bitte das Fenster zu!)

  • mit Fragesatz: Gibst du mir mal die Zeitschrift?

  • mit bestimmten Substantiven, Adjektiven und Adverbien: Ruhe! / Schneller!

  • durch die Verwendung der Pluralform: Gehen wir schneller!

  • mit dem Infinitiv oder Partizip II: aufstehen! Aufgestanden!

  • Konstruktionen mit haben/ sein + zu + Infinitiv…: Hier hat niemand zu befehlen!

Aus diesen Beispielen lässt sich feststellen, dass es eine Vielfalt von Alternativen gibt, und dass es möglich ist, eine Art Sprachbeschreibung zu treiben, die optimal alle strukturellen und funktionalen Aspekte der Sprache schildert und sie effizient erklärt.

5. DaF-Grammatikunterricht zwischen dem Arabischen und dem Deutschen

Auf jeden Fall soll die Grammatik, sei sie didaktisch oder linguistisch orientiert,drei Eigenschaften vereinen: Verstehbarkeit, Lernbarkeit und Anwendbarkeit. Im Grammatikunterricht sollen syntaktische Strukturen, die relevant für die alltägliche Kommunikation sind, in Kontextenbehandelt werden: z.B. in Texten und Gesprächen, in Briefen, Artikeln, in gesprochenen Nachrichten…

An dieser Stelle könnte der Lehrer mit dem Unterricht auch kontrastiv vorgehen: algerische Studierende haben z.B. viele Probleme mit der deutschen Deklination.Dieses Problem kann leicht durch die Konfrontation mit Beispielen aus dem Arabischen überwunden werden.

Rüschhof und Wolf sind der Ansicht, dass „durch die Möglichkeit, Wörter und Strukturen gleichzeitig in Ausgangs-und Zielsprache aufsuchen zu können, ergibt sich der zusätzliche Effekt, Sprachbewusstheit über eine vergleichende Analyse der Muttersprache und der zu lernenden Sprache fördern zu können“12.

Merkwürdigerweise weisen die deutsche und arabische Sprachen Gemeinsamkeiten in diesem Bereich auf; so wird zum Beispiel das Substantivim Arabischen je nach seiner syntaktischen Funktion dekliniert, fast wie im Deutschen. Im deutschen betrifft die Deklination z. B. den Artikel + das Substantiv:

  • Der Junge spielt mit dem Ball. Das Substantiv der Junge steht im Nominativ, weil es Subjekt ist.

  • الولدُ يلعب بالكرة Das Wortالولدُ(al waladu) ist im Nominativ mit dem Zeichen Dammaُ , weil es Subjekt ist.

  • Ich sehe den Jungen spielen. Das Substantiv den Jungen steht im Akkusativ, weil es Objekt ist.

  • أرى الولدَيلعبDas Wortالولدَ(al walada) ist im Akkusativ (mansoub) mit dem Zeichen Fathaَ, weil es Objekt ist.

  • Ich spiele mit dem Jungen. Das Substantiv dem Jungen steht im Dativ, weil es nach der Präposition mit steht.

  • ألعب مع الولدِDas Wortالولدِ(alwaladi) ist im Dativ(madschrur) mit dem Zeichen Kassraِ, weil es ein indirektes Objekt ist und weil es nach der Präpositionمعsteht.

Auch aus der psycholinguistischen Sichtsoll ein kommunikativer Unterricht eng mit der Muttersprache der Lernenden verbunden sein, und die Erfahrungen, Interessen und Bedürfnisse der Lerner in Betracht nehmen. „Diese Erfahrungen sind in der Muttersprache gemacht und mit ihr verbunden“13.

6. Fazit

Der Grammatikunterricht sollte den Lernenden erlauben, die Grammatik als ein Mittel wahrzunehmen, das zu einer erfolgreichen Kommunikation führen kann.Deshalbsoll die Grammatik nicht als isoliertes Fach unterrichtet werden, sondern in Verbindung mit anderen Modulen in Texten und Kontexten.Zwischen Grammatik und Pragmatik sollen keine trennenden Grenzen bestehen. Laut Eisenberg „ soll Grammatik die Form sprachlicher Einheiten so beschreiben, dass der Zusammenhang von Form und Funktion deutlich wird. Alle Formmerkmale, die funktional von Bedeutung sein können, soll die Grammatik erfassen.14

Bibliographie

Chomsky, Noam (1981): Regeln und Repräsentationen. SuhrkampVerlag, Band 351. Frankfurt am Main.

Eisenberg, Peter (2013): Grundriss der deutschen Grammatik. Band 2: Der Satz. 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage. J.B. Metzler Verlag

Fiehler, Reinhard (1995): Weichenstellungen der Sprachwissenschaft und ihre Folgen oder: Zum Verhältnis von Grammatik und Pragmatik. Erschienen in: Kertész, András (Hrsg.): Sprache als Kognition – Sprache als Interaktion. Studien zum Grammatik-Pragmatik-Verhältnis. Lang, MetaLinguistica 1- Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York

Kummer, Werner (1975): Grundlagen der Texttheorie. Rowohlt Verlag, Reinbek

Althaus, H.P., Henne, H. & Wiegand, H.E.(Hrsg.) (1980): Lexikon der Germanistischen Linguistik, 2. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Max Niemeyer Verlag, Tübingen

Neuner, Gerhard / Hunfeld, Hans (1992): Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts. Eine Einführung. Fernstudieneinheit 04. Langenscheidt, Berlin

Rüschhof, Bernd/ Wolf, Dieter (1999) : Fremdsprachenlernen in der Wissensgesellschaft : Zum Einsatz der Neuen Technologien in Schule und Unterricht. 1.Auflage, Max Hueber Verlag, Ismaning

Trad, Ahmed Rafik (2010): Förderung der Sprachbewusstheit als Angelpunkt für die Kultivierung des Sprachgefühls. In: Reflexion als Schlüsselphänomen der gegenwärtigen Fremdsprachendidaktik. Posener Beiträge zur Germanistik, Band 27. Hrsg. Kazimiera Myczko. Peter lang, Frankfurt.

Internetquellen

Bruno, Strecker: Systematische Grammatik – Wozu Grammatik? In: http://hypermedia.idsmannheim.de/call/public/sysgram.ansicht?v_typ=d&v_id=4927

Dürscheid, Christa (2010): Lateinische Schulgrammatik oder andere Modelle? Welche Grammatik eignet sich am besten zur Beschreibung des Deutschen? PDF

Schlobinski, Peter (1992): Funktionale Grammatik und Sprachbeschreibung. PDF


1Fiehler,Reinhard (1995 : 23)

2 Johann Gottfried Herder (1780, 1957: 300). Zitiert in: Lateinische Schulgrammatik oder andere Modelle? Welche Grammatik eignet sich am besten zur Beschreibung des Deutschen? von Christa Dürscheid

3 Bruno Strecker: Systematische Grammatik – Wozu Grammatik? In: http://hypermedia.idsmannheim.de/call/public/sysgram.ansicht?v_typ=d&v_id=4927

4 Kummer, Werner (1975, 163)

5Trad, Ahmed Rafik (2010, 39)

6 Chomsky, Noam (1981, 203)

7Vgl. Fiehler,Reinhard (1995, 1) 

8Lexikon der Germanistischen Linguistik (1980, 772)

9Eisenberg,Peter (2013,2)

10Ebenda

11Kolschanski, Gennadij Vladimirowic zitiert in Funktionale Grammatik und Sprachbeschreibung von Schlobinski, Peter (1992: 15)

12Rüschhof, Bernd/ Wolf, Dieter (1999, 130) 

13Vgl.  Neuner, Gerhard / Hunfeld,Hans (1992, 54)

14 Eisenberg, Peter (2013: 11).