Pasquale Fornaro (Universität Messina)
pasquale.fornaro@unime.it
Abstract
Die schwere politische und soziale Krise, die durch den Ausgang des Weltkriegs ausgelöst wird, zeigt sich vor allem in den Ländern, die als Verlierer aus dem Krieg hervorgehen, den radikalsten Gruppen der marxistischen Linken als günstige Gelegenheit, das Experiment einer Revolution, wie sie mit Erfolg gut ein Jahr zuvor die Wende in Russland herbeigeführt hat, auf eigenem Boden zu wagen. Wien und Budapest stehen so – wie auch verschiedene Städte Deutschlands – im Zentrum einer Reihe von Umsturzversuchen, die sich die Bildung von am bolschewistischen Modell orientierten Herrschaftsformen zum Ziel machen. Synthetisch werden im vorliegenden Beitrag die Eigenheiten der österreichischen und ungarischen Aufstandsbewegungen wie auch die Gründe für deren Scheitern aufgezeigt.
Der Herbst 1918 mit seiner Beendigung der Gefechte an den verschiedenen Kriegsfronten sowie das Jahr 1919 mit den unvermeidlichen Auswirkungen der in Paris tagenden Friedenskonferenz auf die internen Angelegenheiten der jeweils betroffenen Staaten bilden die Höhepunkte einer revolutionären Mobilisierung, die vor allem in den Ländern zu beobachten ist, die als Verlierer aus dem Weltkrieg hervorgehen. In der Tat erweist sich für sie das Vakuum politischer und institutioneller Gewalt, das die ersten Wochen und auch noch die ersten Monate der Nachkriegszeit charakterisiert, als ein Faktor, der eine Radikalisierung des Kampfes um die Regierungsmacht stark begünstigt. Derart, dass deren Ergreifen den revolutionären Fraktionen der sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien, die sich zudem durch den Erfolg der Bolschewiken in Russland ermutigt sehen, nicht nur möglich, sondern sogar zwingend erscheint. Ja, das Chaos der Nachkriegszeit präsentiert sich ihnen als einmalige Gelegenheit, die es schnellstens zu nutzen gilt, da unter anderen Umständen – zu Zeiten von Frieden und weitgehender politischer wie ökonomischer Stabilität – sich wohl kaum die gleichen Erfolgsaussichten zeigen würden.
Was zu einer Revolutionierung der unmittelbaren Nachkriegssituation beiträgt, ist natürlich nicht nur das Beispiel der Bolschewiken, es sind vielmehr vor allen Dingen die objektiven Bedingungen, die in besagten Ländern herrschen. Die lange, entkräftende Dauer des Weltkriegs, das tragische Nichtendenwollen von Trauer und Leid, das er bewirkt hat, die materiellen Entbehrungen, die die Zivilbevölkerung erdulden musste und noch weiterhin erdulden muss bei fortwährendem Ernährungsmangel und allgemeiner Unsicherheit überhaupt, all dies sind potenzielle Auslöser von Aufstandsbewegungen, die sich nicht zufällig gerade in den Ländern zeigen, welche am stärksten von einem negativen Ausgang des Krieges getroffen sind, also namentlich in Deutschland und Österreich-Ungarn.
Überspringen wollen wir den Fall des erstgenannten Landes, den Deutschlands, da die betreffenden Vorgänge – verschiedene Revolutionsversuche zwischen November 1918 und dem darauffolgenden Frühjahr, allesamt von kurzer Dauer und mit blutigem Ausgang, ihrerseits geknüpft an eine politische Gruppe, den Spartakusbund, und an Persönlichkeiten wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, welche als Paradigmen gelten für die gesamte dramatische Umsturzepoche der unmittelbaren Nachkriegszeit – hinreichend bekannt sind. Konzentrieren wollen wir uns hingegen im Wesentlichen auf die gleichfalls kurze und, so sei sofort angefügt, gleichfalls zum Scheitern verurteilte Revolutionsphase, die in den ersten Monaten des Jahres 1919 zwei Metropolen Mitteleuropas betrifft, welche sich jetzt in einer Situation politischen und institutionellen Chaos befinden, die ihresgleichen sucht. Budapest und Wien erweisen sich denn auch als Vorposten einer breit gespannten revolutionären Offensive genau im Herzen Europas (auch Bayern wird auf einige Wochen einbezogen), die darauf abzielt, auf internationaler Ebene ein Verbindungsnetz verschiedener linksradikaler Bewegungen und Strömungen zu knüpfen, welche sich selbst mehr oder minder direkt am bolschewistischen Modell orientieren.
In einem Klima großer und optimistischer revolutionärer Gärung also, das seinerseits noch durch die scheinbar ermutigenden Nachrichten aus Russland verstärkt wird, wo Lenin keine Gelegenheit auslässt, das Proletariat Deutschlands und Österreich-Ungarns aufzufordern, dem Beispiel seines Landes zu folgen1, bilden sich jene günstigen, ja man kann sagen exzeptionellen – da doch größtenteils kaum vorhergesehenen – Voraussetzungen, die Budapest zuerst und dann Wien dazu bringen, eine probolschewistische Propaganda zur Unterstützung der sowjetischen Herrschaft zu intensivieren2, die sich in jenen Monaten zum einen von der internen Konterrevolution und zum anderen durch die Auswirkungen der vom kapitalistischen Westen verhängten „Sanitätssperre“ ernsthaft bedroht sieht. Und das nicht allein, besagte Voraussetzungen verleiten gleichfalls dazu, nach russischem Modell eine radikale soziale und politische Revolution in den betreffenden Ländern zu entzünden3 sowie, was nicht weniger wichtig ist, ein Aktionsbündnis mit Sowjetrussland zu schaffen und dabei jenes ideelle wie praktische Zusammengehen zu Wege zu bringen, welches eine weitere revolutionäre Ausstrahlung auf kontinentaler Ebene begünstigen und dergestalt das – für die Kriegstragödie als verantwortlich angesehene – internationale kapitalistische System in seine letzte Krise stürzen soll.
Klargestellt werden muss aber gleich, dass im Unterschied zum deutschen Raum, welcher bekanntlich auf industrieller Ebene und daher auch im Hinblick auf die politische und gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterbewegung weiter entwickelt ist, in den Territorien des aufgelösten Königreichs Ungarn entsprechende Organisationsformen, selbst wenn sie schon zu einer ansehnlichen Entwicklung gediehen sind, noch nicht das von deutschen oder österreichischen Sozialisten erlangte Potential, deren gefestigte parlamentarische Tradition, ihnen entsprechende Möglichkeiten politischer Theoriebildung besitzen und schließlich sogar nicht einmal über eine Gesamtkontrolle der doch eher dünnen städtischen Arbeiterschaft verfügen4.
Folglich ist, wer sich in Ungarn für die soziale Revolution einsetzen sollte, jene spärlich besetzte kommunistische Fraktion, die kürzlich erst auf Initiative vor allem vormaliger Kriegsgefangener entstanden ist, die sich für die Sache des Bolschewismus haben gewinnen lassen und soeben in die Heimat zurückgekehrt sind (so der Fall Béla Kuns, des Bekanntesten unter den Protagonisten der ungarischen Revolution von 1919)5. Was aber die Propagandaaktion dieser kleinen Gruppe politischer Agitatoren doch recht eigentlich überzeugend und wirksam macht, ist der keineswegs zu unterschätzende Umstand, dass sich an die soziale Frage in den Gebieten, die zu Ungarn bzw. bis dato zu dessen Gerichtsbarkeit gehören, noch die heikle – weil bisher nie gelöste und jetzt mehr denn je brennende – Frage der nationalen Minderheiten knüpft. Und der laute Aufruf zu proletarischer Internationalität seitens der bolschewistischen Propaganda tut zweifellos das Seinige hinzu, um die Situation Ungarns zu einer ganz besonderen, ja vielleicht zu der explosivsten im zentraleuropäischen Raum zu machen.
Ungarn weist all dem zufolge denn auch die – sowohl im Hinblick auf Dauer wie auf Bedeutung – eindrucksvollste Episode der revolutionären Offensive in der Nachkriegszeit auf. Anzufügen sei noch, dass die Umstände, unter denen in Budapest die Kommunisten an die Macht kommen, wahrlich außergewöhnlich sind. Im Gegensatz zu den Vorgängen in Russland gelingt der Umsturz hier praktisch ohne Blutvergießen, insofern Graf Mihály Károly, der am 16. November 1918 die Republik hat ausrufen lassen, wobei er selbst das Amt eines provisorischen Präsidenten übernahm6, freiwillig der politischen Macht entsagt, um sie an eine Koalition aus Sozialdemokraten und Kommunisten abzutreten. Und dies in der Hoffnung, die Entente werde angesichts einer durchweg marxistisch geprägten Regierung und der daraus erwachsenden Gefahr eines Bündnisses mit dem russischen Bolschewismus von jener entschiedenen Unnachgiebigkeit ablassen, die am 20. März 1919 zur Übermittlung einer ultimativen Note an den Präsidenten Ungarns geführt hat mit der Androhung einer Wiederaufnahme militärischer Intervention für den Fall, dass der Forderung nach einer weiteren Einengung der Demarkationslinien nicht entsprochen würde, welche beim Waffenstillstand von Padua am 3. November 1918 und dann der Belgrader Konvention vom 13. November für Ungarn festgelegt worden sind7.
Besagte Note stellt in der Tat eine neue Repressalie der Entente dar, die die endgültigen Beschlüsse der Siegermächte bezüglich der Ungarn zugewiesenen Grenzen schon durchblicken lassen. Und das heißt ein gewaltiger Verzicht nicht bloß bezüglich der Möglichkeit, das Gesamtterritorium der Vergangenheit zu bewahren, sondern obendrein auch der, wenigstens die Hoheit über die östlich der Theiss gelegenen Gebiete zu halten, insbesondere die Provinzen Transsylvaniens, die über ihre vitale Bedeutung in wirtschaftlicher, historischer und kultureller Hinsicht hinaus als unentbehrlich wegen ihres starken magyarischen Bevölkerungsanteils gelten8.
Schaut man also näher hin, so erweist sich der Herrschaftswechsel Budapests nicht als eine „bolschewistische“ Eroberung, sondern vielmehr als eine verzweifelte Protestaktion gegen die in Paris versammelten Ententemächte9. Selbst die Fusion der Kommunisten Béla Kuns mit der sozialdemokratischen Partei stellt genau genommen keinen revolutionären Akt dar10, da sie mit zunehmender Vergiftung der Beziehungen zur Entente aus einer Situation extremen institutionellen Notstands erwachsen ist. Vor allem aber ist sie das Ergebnis einer taktischen Entscheidung, welche freilich, wenn sie einerseits – wie zumindest am Anfang – der Vermeidung von Blutvergießen gedient hat, so andererseits doch die Voraussetzungen für jene theoretischen Widersprüche und jene tiefen Kontraste schuf, welche fast sofort von innen heraus ein Überleben der „ungarischen Räterepublik“ untergraben sollten, die – mit deutlichem Namensbezug auf die anderthalb Jahre zuvor in Russland entstandene schwesterliche „Sowjetrepublik“ – am 21. März 1919 ausgerufen wurde.
Die einzigartige Konvergenz von Sozialdemokraten und Kommunisten, die in erster Linie in Anbetracht der großen der Nation drohenden Gefahr gerechtfertigt erscheint und eben daher von einem beträchtlichen Teil sowohl der demokratischen als auch der radikalen Intelligenz gutgeheißen wird, ja zunächst selbst, und zwar als extrema ratio, von nicht wenigen Vertretern konservativer Gruppen sowie des Militärs akzeptiert wird11, bringt sich jedoch in scharfe Gegentendenz zu dem auf internationaler Ebene inzwischen eingeleiteten Prozess einer Abspaltung reformistischer von revolutionären Flügeln innerhalb der sozialistischen Parteien. Ein Abspaltungsprozess, der offenkundig wird durch die Bildung einer neuen – der Dritten oder Kommunistischen – Internationale, zu der es eben im März 1919 in polemischer Kontraposition gegen die Versuche gekommen ist, die Scherben der Zweiten Internationale der Vorkriegszeit nochmals zusammenzuflicken.
Die ungarische Räterepublik hält sich nur vier Monate, nur bis zum 1. August 1919. Nachdem die Möglichkeit, durch das subkarpatische Ruthenien hindurch kurzfristig eine operative Verbindung mit den Truppen der bolschewistischen Roten Armee herzustellen, sich als hinfällig erwiesen hat – letztere wurden von dem starken Widerstand der weißen Armeen an einem Vordringen in ukrainisches Gebiet gehindert –, wird die Republik schließlich mit Militärgewalt erdrückt. Unter französischer Regie gelingt es den Truppen des rumänischen Heeres, ohne Schwierigkeiten die Theiß zu überqueren, den ganzen östlichen Teil des Landes zu besetzen und, noch bevor sie in Budapest selbst einmarschieren, Béla Kun und seine Revolutionsregierung zur Kapitulation und eiligster Flucht nach Wien zu zwingen. Unmittelbare Folge war dann nicht allein, dass die „bolschewistische Gefahr“ im Herzen der Donauländer ausgemerzt, sondern zugleich auch, dass die Entstehung einer Reihe schwacher Übergangsregierungen begünstigt wurde, welche ihrerseits das Terrain für eine Rückkehr konservativer Kräfte an die Macht vorbereiten sollten12.
Von den negativen Auswirkungen der diplomatischen Isolation und der militärischen wie ökonomischen Blockade jener Monate einmal abgesehen ist als Ursache für den Sturz der ungarischen Räteregierung zu einem großen Teil eben die rapide Aufweichung jener ganz besonderen Einheit der inneren Front geltend zu machen, einer Einheit, die es seinerzeit aber nicht allein möglich machte, dass die Machtübernahme ohne jeden Widerstand erfolgte, dass ferner ein Heer nationaler Abwehr in kürzester Zeit zusammengestellt wurde – die Ungarische Rote Armee, ein seltsames Bündnis zwischen Arbeitermiliz und einem zumeist aus dem alten Habsburger Militär rekrutierten Heeresstab –, sondern vor allem, dass Hand angelegt wurde an eine mutige, mitunter sehr fortschrittliche soziale Reformpolitik. Alles Faktoren, die schließlich dazu beitrugen, aus der „bolschewistischen“ Erfahrung Ungarns einen zweifellos einzigartigen Fall zu machen, mit dem sich insbesondere die ungarische Geschichtswissenschaft – aber nicht nur sie allein – im Lauf der letzten Jahrzehnte eingehend befasst hat13.
Um nun von Budapest auf Wien zu kommen, sei vorangeschickt, dass das Problem einer Machtübernahme von Seiten lokaler „Bolschewiken“ sich – entgegen der Besorgnisse, die im ersten Moment die Beobachter der Entente hegen14 – als eine mehr hypothetische denn reale Gefahr erweist. Was einen dem Fall Budapest analogen Ausgang zu vermeiden hilft, ist hier neben einer fast vollständigen Abhängigkeit von militärischer und ökonomischer Kontrolle seitens der in Wien stationierten Vertretern der Entente (in der Hauptstadt Ungarns hingegen gab es in den heißen Monaten der Revolution lediglich eine italienische Militärmission)15 das Vorhandensein einiger wirksamer „Antikörper“ innerhalb der sozialdemokratischen Partei Österreichs, welche herausgebildet im Laufe ihrer mehr als dreißigjährigen Geschichte den revolutionären Weg fast ungangbar machen. Ein Umstand, den die Parteiführer sogleich zu betonen sich beeilten, als von Budapest die ersten drängenden Aufforderungen kamen, dem ungarischen Beispiel vom 21. März Folge zu leisten16.
Der wichtigste dieser Antikörper ist, um jetzt zur Sache zu kommen, ideologischer Natur. Eine intensive interne Auseinandersetzung hat im Laufe der Jahre die Entwicklung der sozialdemokratischen Partei begleitet und dabei in zweifellos bedeutender Form auch auf internationaler Ebene Früchte getragen. Die Partei Österreichs ist von einer gefestigten und in gewisser Weise einzigartigen politischen Persönlichkeit, einer Persönlichkeit, die man synthetisch auf den Begriff Austromarxismus gebracht hat und die auch nicht ohne Grund einmal als eine Mischung von Verbalradikalismus und vorsichtiger Reformpraxis bezeichnet worden ist17. Von solch wesenhafter Ambiguität zeugt beispielsweise recht deutlich die Haltung, die die Partei mit ihrem geschickten politischen Balancespiel während der zu Debatte stehenden Zeit eingenommen hat, mit ihrem „Gewehr-bei-Fuß-Stehen“, wie es dann prägnant genannt wurde18. Ein Balancespiel, das einerseits die Versicherung uneingeschränkter Solidarität mit der Revolution auf russischer wie auf ungarischer Seite bedeutete und andererseits aus vorsichtigen Erklärungen bestand, die praktisch – zumindest für den Augenblick – dann doch die Möglichkeit ausschlossen, ihrem Beispiel zu folgen.
Im Gegensatz zu der Bündnislösung, die von den Sozialdemokraten und Kommunisten Ungarns gewählt wurde, hat die Sozialdemokratie Österreichs schon seit langem und mit großer Mehrheit eine taktische Linie verfolgt, die in keiner Weise an Formen von Extremismus denkt, für die ein Umsturz des institutionellen Rahmens notwendig, ja vordringlich ist. Dabei geht es um einen Rahmen, so sei hinzugefügt, innerhalb dessen die politische und gewerkschaftliche Vertretung der österreichischen Arbeiterbewegung sich wohl formiert und eine ihr eigene, doch insgesamt bemerkenswerte Positionierung und Glaubwürdigkeit gewonnen hat.
Ein weiterer wichtiger Antikörper besteht in der fast vollständigen Kontrolle, die die Partei über die Räteorganisationen, die nach russischem Beispiel auch in Österreich entstanden, wie selbst über den Militärapparat ausübt, der sich jetzt durch die Bildung eines regelrecht proletarischen Berufsheers neu formiert hat, und zwar der Volkswehr19, welche sich in jenen Monaten als ein hervorragendes militärpolitisches Instrument erweist, das den Weisungen der SDAPDÖ-Parteispitze treu folgt.
Verstehen kann man angesichts solcher Umstände, wie begrenzt von vornherein die Möglichkeiten sind, dass in Österreich der Bolschewismus zu Erfolg kommen kann, auch wenn dort eine ökonomische und soziale Krise herrscht, die von vielleicht noch größeren Ausmaßen ist als die in Ungarn selbst. Doch ungeachtet dessen wird von Seiten der Komintern, der Revolutionsregierung des nachbarlichen Budapest und selbstredend auch der gerade geborenen österreichischen kommunistischen Partei Ruth Fischers und Fritz Koritschoners20 keine Gelegenheit ausgelassen, auf der Welle eines guten Starts der Räterepublik Ungarns sowie auch ermutigender Meldungen, die aus dem nahen München verlauten, auf eine Beschleunigung einer möglichen Machtergreifung zu drängen, damit es zu der angestrebten Verbindung Moskau-Budapest-Wien komme.
Doch alle Bemühungen der Kommunisten Österreichs, die von Ernő Bettelheim, dem Emissär Béla Kuns in Wien unterstützt werden, enden schließlich mit zwei völlig fehlgeschlagenen Aufstandsversuchen, zu denen sich lediglich „hungernde, unwissende, verzweifelte Arbeitslose und Kriegsinvalide“21 zusammengetan haben. Der erste Versuch findet am 17. April statt – man spricht von ihm als tragischem „Blutdonnerstag“, insofern es an einem Gründonnerstag war – und der zweite dann Mitte Juni, genannt daher „Juniaktion“. Ohne Schwierigkeit ist es der Volkswehr in beiden Fällen gelungen, mit den Demonstranten fertig werden, auch wenn es dabei zu Dutzenden von Todesopfern kam22.
Diese Fehlschläge – das Resultat einer grundlegenden Desorganisation der KPDÖ, eines Abenteurertums dann seitens der ungarischen Emissäre und einer nur zu offensichtlichen Unfähigkeit, weitere Kreise der Bevölkerung zu gewinnen an Stelle der paar Tausend von Verzweifelten – führten bekanntlich zu einer breiten und intensiven Debatte über Zeitpunkte und Methoden des revolutionären Kampfes, an der in den Folgemonaten nach einem grundsätzlichen Scheitern der „bolschewistischen“ Offensive auf europäischer Ebene alle Mitglieder der internationalen kommunistischen Bewegung teilhatten23.
Die verwegensten und extremistischsten Tendenzen – welche Lenin auch wenig später in seiner Studie über den Extremismus mit dem Etikett „Kinderkrankheit des Kommunismus“ versehen sollte24 – treffen in jenen Monaten auf Rückhalt und auf Ausdrucksmöglichkeit in einer theoretischen Zeitschrift, der Zeitschrift Kommunismus, die eben in Wien, doch nur auf kurz, nämlich vom 1. Februar 1920 bis zum 1. September 1921, zweimal monatlich erscheinen sollte25. Emblematisch ist in den ersten Monaten der Untertitel „Zeitschrift der Kommunistischen Internationale für die Länder Südeuropas“, so als wolle er quasi auf eine direkte Abhängigkeit von der Komintern verweisen (die aber sowohl faktisch wie auch von den Inhalten selbst her nicht bestand)26. Zu den Mitarbeitern zählen bedeutende Vertreter der europäischen kommunistischen Bewegung wie die Österreicher Paul Koritschoner, Ruth Fischer, Paul Friedländer und Johannes Wertheim, die Ungarn Béla Kun, Lásló Rudas, József Révai und György Lukács neben den Deutschen Paul Fröhlich und Willi Münzenberg und den Holländern Anton Pannekoek, Henriette Roland-Holst und Herman Gorter sowie noch eine Reihe anderer Linkskommunisten aus der Schweiz, aus Belgien, Bulgarien und auch Italien. Alles in allem ein interessanter aber bei Licht gesehen unmöglicher Versuch, zwischen der Ideologie der deutschen kommunistischen Linken – wie der mitteleuropäischen überhaupt – und dem sowjetischen Leninismus zu vermitteln, der seinerseits inzwischen, was die konkreten Möglichkeiten einer alsbaldigen internationalen Revolution betrifft, schon vorsichtiger geworden ist.
Die Themen der Zeitschrift sind breit gespannt und allesamt streng an die internationale politische Aktualität gebunden, geben dabei aber auch theoretischen Erörterungen Raum, und zwar bezüglich der Wirtschaft, der Kapitalismuskrise, des Militarismus und der Bauernfrage. Auch weist die Zeitschrift ein präzises und stets auf dem neuesten Stand gehaltenes Observatorium auf, das die jeweilige Situation der kommunistischen Parteien in den einzelnen Ländern registriert und dies mit besonderem Auge auf ein Vorantreiben der revolutionären Offensive im Anblick des Aufmarschs der kapitalistischen Reaktion27.
Eben ihr Insistieren auf der Notwendigkeit einer Revolutionsoffensive um jeden Preis – nämlich selbst bei kaum oder gar nicht günstigen objektiven Voraussetzungen28 – weist sich dann auch als fatal für das Schicksal der Zeitschrift aus. Und wenn sie mit dem September 1921 ihr Erscheinen plötzlich einstellt, ist dies gewiss kein Zufall. Der Dritte Kongress der Komintern, der vom 22. Juni bis zum 12. Juli, also nur kurz zuvor, stattfand und der als Tagesordnungspunkt neben anderen Fragen eine so brenzlige und schmerzliche Angelegenheit diskutierte wie den letzten Fehlschlag der sogenannten „Offensivtheorie“, als der sich die – von der Zeitschrift in gewissem Maß theoretisch unterstützte29 – Märzaktion der Kommunisten Mitteldeutschlands erwiesen hat, unterzog solch waghalsige und extremistische Marschrichtung einer scharfen Kritik. Eingeleitet hat er so jenen Prozess zeitweiliger Richtungsänderung in der Taktik der kommunistischen Parteien, welcher nur wenig später zur Ausarbeitung der Thesen über die „Einheitsfront“ der Arbeiterschaft führte30.
Noch eine Bemerkung zum Schluss, die die Lage Österreichs betrifft. Anders als im Fall der kurzlebigen Erfolge, die die Revolutionen in Ungarn und in Bayern nach dem russischen Modell von 1917 zeitigten, erweisen sich sowohl die Doktrin des „Austromarxismus“ – prägnant hat man sie auf die Formel gebracht „Freiheit und Arbeit“, was so viel heißt wie Treue gegenüber den parlamentarisch-demokratischen Institutionen bei gleichzeitiger Verpflichtung zu einer stark auf Sozialreform abgestellten Politik – wie auch ihre Praxis selbst in dem Klima großer Unsicherheit und Behelfsmäßigkeit, das die unmittelbare Nachkriegszeit charakterisiert, als effizienter und allgemein beruhigender als jener „Sprung ins Dunkle“, den die bolschewistische Alternative darstellt. Indem es zu einem entschiedenen Bremsen subversiver Sprengkraft kam, ist gleichzeitig dazu beigetragen worden, Österreich das Los militärischer Besatzung und schwerer Demütigungen zu ersparen, welches hingegen Ungarn im Anschluss an sein aussichtsloses Sowjetexperiment treffen sollte.
1 Verwiesen sei auf einige Aufrufe, Botschaften und Reden Lenins aus besagter Zeit. So z.B. Manifesto del Comitato esecutivo centrale panrusso, del Consiglio dei Commissari del popolo e del Soviet di Mosca ai lavoratori dell’Austria-Ungheria (3 novembre 1918), in Pasquale Fornaro, Crisi postbellica e rivoluzione. L’Ungheria dei Consigli e l’Europa danubiana nel primo dopoguerra, Milano 1987, App. I, S. 239. So auch der Brief an die Arbeiter Europas und Amerikas (21. Januar 1919), in Wladimir I. Lenin, Werke, Bd. XXVIII, hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Berlin 31970, S. 441-449, sowie die Rede auf einer Arbeiterkonferenz des Moskauer Stadtbezirks Presnja (14. Dezember 1918), a.a.O., S. 359-372. In letzterer vermerkt der Leiter des Sowjetstaats mit voller Überzeugung: „Jetzt wird die Revolution in Europa zur Realität“ (a.a.O., S. 362). Und wenig später führt er eindrucksvoll aus: „Zur Zeit des Brester Friedens standen wir allein. Ganz Europa hielt die russische Revolution für eine Ausnahmeerscheinung […]. Wir standen allein. Jetzt sind wir nicht mehr allein. Jetzt ist Revolution in Berlin, in Österreich, in Ungarn; selbst in der Schweiz, in Holland und in Dänemark, in diesen freien Ländern, die den Krieg nicht gekannt haben – selbst dort wächst die revolutionäre Bewegung, und die Arbeiter fordern dort bereits die Organisierung von Räten. Jetzt hat sich gezeigt, daß es keinen anderen Ausweg gibt. Die Revolution reift in der ganzen Welt heran. Wir sind darin die ersten gewesen, und unsere Aufgabe ist es, diese Revolution so lange zu verteidigen, bis unsere Verbündeten nachrücken, diese Verbündeten aber sind die Arbeiter aller Länder Europas“ (a.a.O., S. 364, Hervorhebung von mir).
2 Initiativen einer Arbeitersolidarietät gegenüber Sowjetrussland hat es auch anderswo in jenen Monaten gegeben. Eine der wichtigsten war die Durchführung eines großen internationalen Streikes seitens der italienischen Sozialisten wie auch anderen französischen und englischen politischen und gewerkschaftlichen Organisationen zur Unterstützung der „sozialistischen Republiken“ Russland und Ungarn (vgl. den Aufruf A tutte le Sezioni. A tutti i compagni!, in Avanti!, 17. Juli 1919). Die Manifestation, die auf den 20. und 21. Juli angesetzt war, glückte in Italien zu einem Teil, in Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern schlug sie fehl oder wurde widerrufen.
3 Die Soziale Revolution war auch nicht zufällig der Name des Organs der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs (KPDÖ) (zuvor, und zwar vom Mai 1918 ab, nannte es sich Der Weckruf) in den „heißen“ Monaten von 1919, also von Mitte Januar bis Ende Juli. In der Folge hieß die Zeitung Die Rote Fahne.
4 Die sozialdemokratische Partei Ungarns (Magyarországi Szociáldemokrata Párt), die 1890 gegründet wurde, nahm für mehrere Jahre eine Randstellung auf Grund eines eingeschränkten Wahlsystems und einer repressiven Regierungspolitik ein. Erst nach 1905 konnte sie sich mehr und mehr herausbilden, musste dabei aber weiterhin ihre Rechnung mit einem starken Mangel an Organisationsstrukturen auf dem Land machen, der durch die Konkurrenz und die Feindseligkeit verschiedener bereits bestehender – zum Teil in etwa sozialistisch angehauchter – Agrarverbände verschuldet worden war. Zu den Einzelheiten des ersten ungarischen Sozialismus siehe neben anderen István Schlett, A szociáldemokrácia és a magyar társadalom 1914-ig [Die Sozialdemokratie und die ungarische Gesellschaft bis 1914], Budapest 1982.
5 Béla Kun (1886-1939), ein junger führender Sozialdemokrat, ist 1916 in Russland interniert worden, wo er sich für die Sache des Bolschewismus stark gemacht, mit Lenin zusammengearbeitet und sich als politischer Organisator profiliert hat. Als er im November 1918 in die Heimat zurückkehrte, hat er dort unverzüglich die kommunistische Partei Ungarns gegründet (Magyarországi Kommunista Párt). Für eine Kurzbiographie siehe Pasquale Fornaro, Kun Béla, in Enciclopedia della sinistra europea nel XX secolo, diretta da Aldo Agosti, Roma 2000, S. 170-172.
6 Mihály Károlyi (1875-1955), Vorsitzender der Unabhängigkeits- und 48er Partei demokratischer und sozialer Orientierung war während des Krieges der bedeutendste Vertreter der Opposition des ungarischen Parlaments. Nach dem Experiment der Räterepublik von 1919 war er über die gesamte Horthy-Periode hinweg zum Exil gezwungen. Als er Ende des Zweiten Weltkriegs in die Heimat zurückkam, geriet er alsbald mit dem kommunistischen Regime in Konflikt. Die letzten Jahre seines Lebens hat er als freiwilliger Exilant in Frankreich verbracht. Siehe seine Autobiographie Memoirs of Michael Karolyi. Faith without Illusion, New York 1957.
7 Es handelt sich um die „Note Vyx“, so bezeichnet nach dem Namen des französischen Oberstleutnants, der den Auftrag hatte, sie dem ungarischen Regierungschef zu überreichen. Sie sah die Bildung einer neutralen Zone zwischen Ungarn und den Territorien vor, in der die rumänischen Truppen Stellung nehmen sollten. De facto bedeutete dies ein weiteres Zurückweichen der Ungarn nach Westen um circa hundert Kilometer gegenüber der Belgrader Demarkationslinie.
8 Der Friedensvertrag von Trianon, den die ungarische Regierung am 4. Juni 1920 unterzeichnet hat, betont weiterhin den Sanktionscharakter der neuen dem Donauland aufgezwungenen Grenzen. Von den 325.000 km2 des alten Ungarn sollten nur 28,6% das Gebiet des neuen Staates bilden, 3l,3% dagegen ging an Rumänien, 18,9% an die Tschechoslowakei, 19,6% an Jugoslawien, 1,2% an Österreich und noch weitere kleinere Stücke Landes an Polen sowie an Italien. Was die Gesamtbevölkerung betrifft, war der Verlust mehr als 60% (also über ein Fünftel der magyarischen Komponente, circa zweieinhalb Millionen Personen).
9 Die Hoffnung Károlyis (vgl. seine Memoirs, zit., S. 154 f.) bestand darin, dass jene nun endlich in der neuen Regierung einen Gesprächspartner fänden, mit dem sie auf weniger aggressive Weise verhandeln würden. Und dies auch um eine weitere Radikalisierung des Landes und folglich die Gefahr abzuwehren, dass Ungarn ein nicht nur formales, sondern auch operatives Bündnis mit Sowjetrussland einginge.
10 Die neue Partei, die sich noch am Abend des 20. März formierte, an dem die Note Vyx überreicht wurde, erhielt den Namen Sozialistische Partei Ungarns (Magyarországi Szocialista Párt).
11 Zu einem guten Teil bestärkte dies die öffentliche Meinung in der Vorstellung, dass das Experiment Ungarns den Versuch darstelle, unter der Maske des Bolschewismus den traditionellen magyarischen Nationalismus noch einmal zu retten. Auch die internationale Historiographie hat oft auf diesem Punkt insistiert, so z.B. Dan Diner, Das Jahrhundert verstehen. Eine universalhistorische Deutung, München 1999, S. 84, 90, 96 f. Die ungarische Sowjeterfahrung von 1919 aber tout court als „nationalbolschewistisch“ zu etikettieren, erscheint übertrieben, ja abwegig, insofern eine Bewahrung der alten Landesgrenzen nicht ins Programm des neuen Regimes passte, wie die am 23. Juni verabschiedete Verfassung deutlich zum Ausdruck gebracht hat (Art. 3: „Die Räterepublik ist ein freier Bund freier Völker. […] Deshalb ist sie ein Feind des ausbeutenden Krieges, ein Feind jeder Unterdrückung und Unterjochung der Völker[…]“. Die Verfassung der Ungarländischen Sozialistischen Bundes-Räterepublik, in Pester Lloyd, Jg. 66, Nr. 146, 24. Juni 1919, S. 2). Dem Aufruf an alle wehrfähigen Männer einschließlich der alten Heeresbestände, an allen Fronten entschlossensten Widerstand zu leisten, als Anfang Mai die erste rumänische Attacke an der Theiss eröffnet wurde (vgl. Mobilisierungsbefehl!, in Pester Lloyd, Jg. 66, Nr. 103, 3. Mai 1919, S. 1) ist massenhaft entsprochen worden (im Laufe weniger Wochen erhöhte die ungarische Rote Armee ihr Kontingent von 40.000 auf 200.000 Einheiten), weil es als eine notwendige Maßnahme erachtet wurde, um zu dem Zeitpunkt nicht so sehr die Räterepublik selbst als vielmehr das zu retten, was von Ungarn noch geblieben war. Es ging also, kann man sagen, um ein taktisches Erfordernis, das freilich die tiefen politischen Divergenzen, die in dem Land herrschten, nicht auslöschen konnte, wie sich in der Tat auch sehr bald auf dramatische Weise zeigen sollte.
12 Diese Gruppen, die sich – unterstützt von den Siegermächten – auf die Stadt Szeged konzentrierten, bildeten sich um Admiral Miklós Horthy und noch weiteren Vertretern der alten ungarischen Führungskräfte. Allesamt waren mittlerweile pragmatisch auf ein Hinnehmen auch der härtesten Friedensklauseln eingestellt, die den neuen alten Führungskräften Ungarns wenig später präsentiert wurden als Bedingung für eine Anerkennung ihrer leadership an der eigenen Regierung und für eine Aufrechterhaltung des sozialen und politischen Gleichgewichts der Vorkriegszeit.
13 An der historiographischen Debatte bezüglich der Bedeutung des Räteexperiments von 1919 insgesamt haben Generationen ungarischer Wissenschaftler teilgenommen. Nach einer Welle von „Verurteilungen“ der zwei Jahrzehnte Horthy wie dann auch von klar parteiisch ausgerichteter Arbeiten in den ersten Jahren des kommunistischen Ungarn der Zweiten Nachkriegszeit ist während der Kádár-Epoche von ungarischen Historikern, und zwar vor allem ab Ende der sechziger Jahre, der Weg zu einer besonneneren und gewissenhafteren Erforschung jener kurzen Revolutionsepoche betreten worden, welche nicht allein den politischen Eigenheiten Rechnung zu tragen suchte, sondern genereller auch noch das „Erbe“, das auf das sozialistische Ungarn auf der Ebene sozialer und kultureller Reformen überging. Von den wichtigsten Arbeiten siehe – neben den innovativen Beiträgen von Tibor Hajdu, Iván T. Berend und György Ránki in Magyarország története [Geschichte Ungarns], vol. 8/1, Budapest 1976 – die Studien von Mária Ormos, Padovától Trianonig 1918-1920 [Von Padua zum Trianon], Budapest 1984, und András Siklós, Revolution in Hungary and the Dissolution of the Multinational State 1918, Budapest 1988. Verwiesen sei gleichfalls auf den kritischen Überblick von Ignác Romsics, Magyarország története a XX. században [Ungarische Geschichte des 20. Jh.’s], Budapest 2000, S. 99-147.
14 „Finally, there is an undoubted growth of Bolshevism“ – schrieb der Vorsitzende der interalliierten Kommission der Friedensvorverhandlungen in Wien –. Its progress has been slow indeed –rather surprisingly so– and I do not believe it is yet either very deeprooted or widespread. But for months conditions have been such as to promote its increase, and now the example of Hungary has undoubtedly given a stimulus to those who favor a similar movement here. Relations between Austria and Hungary are still close, and what happens in Budapest inevitably affects Vienna, and viceversa. Some 800 or 900 of the Volkswehr have joined the Hungarians and this will react here; and from Hungary several prominent agitators are said already to have come to Vienna to begin work. If Bavaria goes Bolshevist, the situation will be blacker still“. Professor Archibald C. Coolidge to the Commission to Negotiate Peace, Vienna, April 7th 1919, in Papers Relating to the Foreign Relations of the United States. The Paris Peace Conference,1919, vol. XII, Washington 1947, S. 288.
15 Sie stand unter dem Befehl von Oberstleutnant Romanelli, der nicht allein Zeuge der Ereignisse jener Monate war, sondern auch zu deren Protagonisten gehört hat. Vgl. Guido Romanelli, Nell’Ungheria di Bela Kun e durante l’occupazione militare romena. La mia missione (maggio-novembre 1919), nuova ed. a cura di Antonello Biagini, Roma 2002.
16 Auf den Appell, den die ungarischen Kommunisten sofort auf ihre Machtergreifung hin verlauten ließen (Mindenkihez! [An alle!], in Népszava [Volksstimme], Jg. 47, Nr. 69, 22. März 1919 – zugänglich auf Italienisch in Pasquale Fornaro, Crisi postbellica e rivoluzione, zit., App. V, S. 246-247) – antworteten Friedrich Adler und Joseph Benisch im Namen der Partei: „Ihr habt an uns den Ruf gerichtet, eurem Beispiel zu folgen. Wir täten es vom Herzen gern, aber zur Stunde können wir das leider nicht. In unserem Lande sind keine Lebensmittel mehr. Selbst unsere karge Brotversorgung beruht nur auf den Lebensmittelzügen, die die Entente uns schickt. Dadurch sind wir völlig Sklaven der Entente. Wenn wir heute eurem Rate folgen würden, dann würde uns der Entente-Kapitalismus mit grausamer Unerbittlichkeit die letzte Zufuhr abschneiden, uns der Hungerkatastrophe preisgeben. Wir sind überzeugt davon, daß die russische Räterepublik nichts unversucht lassen würde, uns zu helfen. Aber ehe sie uns helfen könnte, wären wir verhungert. Wir sind daher in einer noch wesentlich schwierigeren Lage als ihr. Unsere Abhängigkeit von der Entente ist eine vollständige. […] Alle unsere Wünsche sind bei euch. Mit heißem Herzen verfolgen wir die Ereignisse und hoffen, daß die Sache des Sozialismus siegen wird. Kampfbereit stehen auch wir, gewillt, zu erfüllen, was die geschichtliche Notwendigkeit fordern wird“. An das Proletariat Ungarns!, in Arbeiter-Zeitung, Jg. 31, Nr. 81, 23. März 1919, S. 1. Siehe auch in derselben Nummer den langen Leitartikel Ungarn und wir.
17 Vgl. Norbert Leser, Zwischen Reformismus und Bolschewismus. Der Austromarxismus als Theorie und Praxis, Wien-Frankfurt a.M.-Zürich 1968.
18 Hans Hautmann, Rudolf Kropf, Die österreichische Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1945. Sozialökonomische Ursprünge ihrer Ideologie und Politik, Wien 1974, S. 106.
19 An ihrer Spitze Julius Deutsch, der vom ersten provisorischen Kabinett Österreichs nach dem Krieg zum Staatssekretär für Heereswesen ernannt wurde. Immer noch sehr lesenswert sowohl im Hinblick auf die detaillierten Informationen wie auch auf den Eindruck der allgemeinen Atmosphäre jener bewegten Zeit sind seine Memoiren Aus Österreichs Revolution. Militärpolitische Erinnerungen, Wien 1921.
20 Die Kommunistische Partei Deutschösterreichs (KPDÖ) wurde am 3. November 1918 im Zuge der Arbeiterproteste gegründet, die ab Januar und insbesondere in den Tagen des endgültigen militärischen Zusammenbruchs Habsburgs vor allem auf Initiative einer Handvoll junger Vertreter des linken sozialdemokratischen Flügels organisiert worden sind, welche mit der russischen Revolution sympathisierten und den Volksprotesten in Österreich in Anlehnung an das bolschewistische Beispiel eine radikale Wendung zu geben suchten.
21 So die geringschätzige Bezeichnung der Aufständischen jener Tage, zu der Otto Bauer später greifen sollte in seiner Studie Die österreichische Revolution, Wien 1923, S. 139.
22 Vgl. A.a.O., S. 140-141. Siehe zu diesem Punkt auch die Leitartikel Zwecklose Opfer, Ein Trauertag und Die Schuld der Putschisten der Arbeiter-Zeitung (Nr. 107, 164, 165, 18. April, 16. u. 17. Juni 1919).
23 Eine kurze aber aufschlussreiche Anthologie besagter Abrechnung liefert Silverio Corvisieri (a cura di), Dibattito sull’estremismo, Roma 1976. Der Sammelband enthält Schriften von Lenin, Gorter, Trotzki und Kun.
24 Wladimir I. Lenin, Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit des Kommunismus, in Werke, Bd. XXXI, zit., S. 1-106.
25 Verwiesen sei auf den wertvollen vollständigen Wiederabdruck der beiden Jahrgänge der Zeitschrift Kommunismus in Italien mit der dreibändigen Ausgabe von Feltrinelli Reprint (Milano1967).
26 Genau genommen bringt die Zeitschrift diesen Untertitel nur von Nr. 1-2 (1. Februar 1920) bis Nr. 22 (12. Juni 1920) des ersten Jahrgangs, um ihn dann umzuformen in ein allgemeineres Zeitschrift der Kommunistischen Internationale ab Nr. 23 (19. Juni 1920) bis Nr. 40 (16. Oktober 1920) und später dann, von Nr. 41-42 des ersten Jahrgangs (26. Oktober 1920) bis zu Nr. 31-32 (1. September 1921), des letzten also, ganz fallen zu lassen. Ein deutliches Zeichen dafür, wie im Laufe der Monate die kritischen Positionen ausgesehen haben, die von dem Magazin gegenüber den Führungsorganen der Komintern eingenommen wurden. Siehe dazu beispielsweise den Leitartikel Die Krise der Kommunistischen Internationale und der 3. Kongress (Jg. 2, Nr. 21-22, 15. Juni 1921, S. 689-692), wo in offener Polemik gegen die vorsichtige Haltung der vor ihrer Moskauer Tagung stehenden Internationale ohne Umschweife erklärt wird: „Die ,Krise‘ der Revolution und der Kommunistischen Parteien besteht […] in folgendem: die Arbeitermassen schrecken vor dem bewaffneten Kampf, der Revolution, zurück und lassen ihre Brüder im Stiche. Folgt daraus, daß der Kampf aufgegeben werden soll? Daß man keine Teilkämpfe, Teilaktionen – selbst mit den Waffen – durchführen soll? Nein, keineswegs! Die ,Krise‘ ist die Niederlage der Teilkämpfe, die Verfolgung der Kommunisten – sie ist eine furchtbare Niederlage, die das Gewissen der Arbeitermassen aufpeitscht. Die Pflicht der Kommunisten ist es, diese Kämpfe fortzuführen, aber nicht nur durchzuführen, sondern auch hervorzurufen“. Und was die Verzichthaltung betraf, die im Wesentlichen von der Komintern eingenommen wurde, bedurfte es eines Kurswechsels: „Zu der Tagesordnung des 3. Kongresses gehört also auch eine Neuorganisierung der III. Internationale. Die kommunistischen Parteien müssen sich zu wahren kommunistischen Parteien umbilden, zu Kampforganisationen des Kampfes, zu gleicher Zeit aber muß auch der oberste Führer der Kampforgane, das E.K. der III. Internationale, zu einem wahren Führer werden, der nicht nur auf dem Papier, rein organisatorisch, sondern in der Wirklichkeit vorangeht und führt“.
27 Vgl. z.B. St. Sz., Zum Aufmarsch der Reaktion, a.a.O., Jg. 2, Nr. 11-12, 1. April 1921, S. 320-336.
28 Vgl. z.B. Otto Benedikt, Die revolutionäre Offensivaktion. Ihr Problem und ihre Voraussetzungen, a.a.O., Jg. 2, Nr. 21-22, 15. Juni 1921, S. 693-703; Neue Phasen des internationalen Klassenkampfes, a.a.O., Jg. 2, Nr. 23-24, 1. Juli 1921, S. 753-756.
29 Siehe dazu die Artikelfolge von Henriette Roland-Holst mit dem Titel Die Aufgabe der Kommunistischen Partei in der proletarischen Revolution. Dabei insbesondere den ersten unter ihnen sowie auch die Wortmeldung von Paul Fröhlich, Die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (beides a.a.O., Jg. 2, Nr. 1-2, 15. Januar 1921, S. 20-33 u. 34-37). Siehe gleichfalls als frische Reaktion auf die deutschen Märzereignisse: József Révai, Die Ereignisse in Deutschland, a.a.O., Jg. 2, Nr. 13-14, 15. April 1921, S. 393-404.
30 Ausgehend von der Feststellung einer Zuspitzung der Weltwirtschaftskrise und einer „systematischen Offensive gegen die Arbeiter“, die mit sich immer verstärkendem Angriff des Kapitals geführt werde, wertete die Komintern den Umstand als positiv, dass „unter den Arbeitern ein spontanes, buchstäblich zurückzuhaltendes Streben zur Einheit“ erwacht sei, welches „mit einem allmählichen Anwachsen des Vertrauens der breiten Arbeitermassen zu den Kommunisten Hand in Hand“ gehe. Diese Tendenz sei durch Dialog zu stärken, nicht durch den Bruch mit den anderen Komponenten der Arbeiterbewegung. Vgl. Leitsätze über die Einheitsfront der Arbeiter und über das Verhältnis zu den Arbeitern, die der 2., 2½ und der Amsterdamer Internationale angehören, sowie zu den Arbeitern, die anarcho-syndikalistische Organisationen unterstützen (Einstimmig angenommen von der Exekutive der Kommunistischen Internationale am 28. Dezember 1921). In Die proletarische Einheitsfront, Hamburg 1922 (Feltrinelli Reprint, Milano 1967), S. 12-13.