EINE ART VERGLEICH ZWISCHEN DEN SAUDI-ARABISCHEN UND DEUTSCHEN SITTEN UND GEBRÄUCHEN

MALEK MOHAMMED ABAD AL WADIE (Assistenzprofessor der Modern Sprachen und Übersetzungswissenschaft, Abteilung an der Fakultät für Sprachen und Übersetzung der König-SaudUniversität, Riad, Saudi-Arabien)
Email: malwadie@ksu.edu.sa

 0 EINLEITUNG:

Es ist nicht selten, dass die Übersetzungslerner (Saudi-araber) ein Scheitern der Kommunikation mit Muttersprachler (Deutsche) erfahren. Der Grund dafür liegt dafür vor allem in den unterschiedlichen Sozialisationsstrukturen sowie den wischenmenschlichen Beziehungen, mit denen man in seinem Herkunftsland aufwächst. Das Verhalten jedes Menschen bzw. sein Sprachverhalten entspricht seiner sozial-kulturellen Umgebungen. Kennzeichnend dafür sind vor allem die starken Beziehungen des Lerners zu seiner zugehörigen Gesellschaft und deren Übertrag auf andere gesellschaftliche Gruppen und die Verwendung dieser verwurzelten kulturellen Normen auf diese anderen Gesellschaften. Bezüglich dieser kulturellen Grundlagenkonstellation können im Zielland zahlreiche Konflikte zustande kommen. Es ist also nicht auszuschließen, dass Deutschlernende in Saudi-Arabien, denen die deutschen Verhaltenstrukturen und kulturellen Normen völlig fremd sind, sich im Zielland (Deutschland) Konflikten ausgesetzt fühlen. Freilich kann diese Untersuchung aufgrund der Themenvielfalt und des beschränkten Rahmens nicht alle Themenbereiche des Deutschunterrichts behandeln und beschränkt sich deshalb lediglich auf die Betrachtung des Zusammenhangs von Sitten und Gebräuchen zwischen Deutschsprechern und Saudiarabischsprechern im Bezug auf die Landeskunde und die Übersetzung.

Um dieses Themen näher darstellen zu können, sollen folgende Kapitel folgendermaßen bearbeitet werden: erste Kapitel eröffnet eine allgemeine Begriffsdefinition über Landeskunde, Kultur und Kommunikation, mit deren Erklärung im Unterricht man über eine gewisse Übersicht und Erfahrung im Zielland verfügen kann. Im zweiten Kapitel halte ich für sinnvoll, literarisches Übersetzen als interkulturelle Kommunikation darzustellen. Im dritten Kapitel handelt es sich um den kontrastiven Vergleich der deutschen und arabischen Sitten. Dazu gehören der Besuch in der arabischen Welt und seine Funktion in der Gesellschaft. Es soll festgestellt werden, welche Unterschiede sich für einen Deutschlernenden Araber deutlich machen. Im zweiten Punkt vom zweiten Kapitel geht es hauptsächlich um das Essen und seine Stellung im arabischen als auch im deutschen Kulturraum. Anschliessend sollen Begrüßungsrituale in der arabischen Gesellschaft mit dern Begrüßungsritualen in Deutschland verglichen werden. Zum Schluss des Kapitels soll versucht werden, den Stellungswert der Geburtsfeier in Saudi-Arabien und in Deutschland zu erläuteren. Im vierten Kapitel schließe ich diese Untersuchung mit den möglichen Konsequenzen für den Deutschunterricht in Saudi-Arabien ab. Die vorliegende Arbeit ist der Fakultät für Sprachen und Übersetzung der König-Saud-Universität in tiefster und innigster Dankbarkeit sowie in großer Hochachtung gewidmet. Sie hat mich stets finanziell und mit ihrem Verständnis unterstützt.

 

1.ALLGEMEINE BEGRIFFSDEFINITION

Damit ich entsprechend in das Thema “Eine Art Vergleich zwischen den saudi-arabischen und deutschen Sitten und Gebräuchen” einsteigen kann, halte ich es für angbracht, folgende Begriffe (Landeskunde, Kultur und Kommunikation) näher zu definieren. Bevor ich aber darauf eingehe, den Begriff Landeskunde darzulegen, muss ich zunächst darlegen, dass ein Fremdsprachler (in Saudi-Arabien) nur durch den Erwerb einer Fremdsprache als Kommunikationsmittel die Landeskunde des Ziellandes (Deutschland) kennenlernen kann. Die Sprachkenntnisse können nicht im vollen Umfang erlernt werden, ohne dass man einen Bezug zu der Gesellschaft herstellt, das heißt, dass sich ein Fremdsprachenlerner vor allem folgende Eigenschaften im Zielland bewusst erwerben muss: Die gesellschaftlichen Gewohnheiten eines Landes, das politische System, die wirtschaftliche Lage, Die Normen und die Sitten und Gebräuche sowie die Art und Weise, wie die Menschen miteinander leben, denn:

 „Daraus ergibt sich für den Fremdsprachenunterricht die Schlussfolgerung, dass die Sprache als Kommunikationsmittel nicht ohne Bezug zu der Gesellschaft, in der die Sprecher dieser Sprache leben, vermittelt und erlernt werden kann, dass der Lerner Informationen über die natürlichen Bedingungen und das Leben der Bewohner eines Landes, seine politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Gegebenheiten und Entwicklungen benötigt. Man bezeichnet die Vermittlung dieses Wissens oft mit ‘Landeskunde’.“             (vgl. Heyd, 1990:47)

Ausgehend von Heyds Aussage, kann man feststellen, dass die Landeskunde ein wichtiger Bestandteil des Fremdsprachen- bzw. Übersetzungsunterrichts ist. Im Folgenden möchte ich davon ausgehend den Einfluss der Landeskunde auf die fremdsprachliche Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit erläutern. Zunächst stellt man fest, dass Texte, die landeskundlichen Inhalt beinhalten, eine große Menge von Wörtern enthalten, die einen gesellschaftlichen Bezug haben. Auch Texte zum stillen lesen entwickeln einen allgemeinen Überblick über das Leben des Volkes im Zielland. Man kann weiterhin betrachtet auch von einer Weiterentwicklung des Hörverständnisses durch den landeskundlichen Unterricht sprechen. Hierfür sind vor allem Hörtexte, Radio und Fernsehsendungen (Tagesnachrichten, Kommentare, Interviews), Reden und Hörspiele sehr gut geeignet. Es gibt auch eine konkrete Beziehung zwischen Landeskunde und der Entwicklung der Sprechkompetenz. Wenn der Fremdsprachenlerner dazu befähig ist, die erworbene Sprache frei zu sprechen, wird er auch dazu in der Lage sein, sich mehr Informationen über die landeskundlichen Sachverhalte anzueignen. Weiterhin kann man feststellen, dass die Entwicklung des schriftlichen Ausdrucks auch sehr stark mit der Landeskunde verbunden ist. Der Lerner erfährt vor allem verschiedene Formen, wie z.B. beim Brief: Die Gestaltung der Anschrift und des Absenders, die Anrede im Brief sowie Grußformel, die bestimmte Formen haben und dem Lerner wird vermittelt, wann er mit Du oder Sie anschreiben muss (vgl. Heyd, 1990:47-53). Weitere Vorteile des landeskundlichen Wissens sind unter anderem:

– Begrüßungsrituale, wie soll dies zustande kommen zwischen Menschen verschiedener Kulturen,

– Wie soll man sich benehmen, wenn man eingeladen wird,

– Das Gleiche gilt, wenn man nicht zu Hause ist, sondern im Restaurant essen will und

-Welche Regeln muss man dabei berücksichtigen „Kulturspezifische Handlungen (einschließlich Ritualen) und Handlungssequenzen.

Dieser Bereich betrifft kulturspezifisches soziales Verhalten, das jemand kennen bzw. lernen muss, der sich in einer fremdkulturellen Umgebung bewegt, z.B: Begrüßungsrituale (mit oder ohne Händeschütteln, Wangenkuss… u.ä.), Verhalten bei Einladungen (Geschenke, Pünktlichkeit… u.ä.), Verhalten im Restaurant (wer bezahlt, Trinkgeld, sich zu Fremden an den Tisch setzen oder nicht… u.ä.) und sich am Telefon mit dem Namen melden oder nicht“. (vgl. Storch, 1999: 285-289). Der Begriff Kultur hat seine Wurzeln aus dem Lateinischen, nämlich cultura. Kultur heißt so viel, wie pflegen und hegen. Eine allgemein gültige Definition zu dem Begriff Kultur kann man kaum finden. Denn die Erklärung des Begriffs kann je nach Benutzer und Kontext sehr unterschiedlich ausfallen. Kultur ist aber letztendlich ein System, dass einer Gruppe, einer Gesellschaft und/oder einer Organisation Regeln und Vorschriften vorschreibt. Anders ausgedrückt: Mitglieder einer Gruppe, einer Gesellschaft und einer Organisation sind bestimmten Regeln und Lebensäußerungen unterworfen, „Die Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft, eines Volkes“ (vgl. DUDEN, 2001:557). Kultur wird auch definiert als all die „Dinge und Werte der menschlichen Gesellschaft, die den Menschen vom Tier unterscheiden, wie Kunst, Wissenschaft, Religion, Sprache usw.“ (Langenscheidts, 1998:596). Man kann außerdem Kultur auch als eine Quelle bezeichnen, von dem die Individuen einer Gesellschaft überzeugend ihr Verhaltensmuster und ihre Lebenseinstellungen gebraucht machen, wie es Bouchara folgendermassen definiert;

„Hier wird Kultur im Wesentlichen als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen usw. angesehen, die sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten zu erkennen sind.“ (vgl. Bouchara, 2002:11)

 

Kultur erzeugt nicht nur ein Kollektivsystem, sie beeinflusst auch das Wahrnehmen von Werten, Normen und Gebräuche aller Mitglieder in einer Gesellschaft. Davon ausgehend wächst das Gefühl der Zusammengehörigkeit aller Individuen in der Gesellschaft „Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung“ (vgl. Thomas, 1993:180). Kommunikation ist der Austausch von Informationen, die zwischen zwei oder mehreren Personen stattfindet. Durch Äußerungen der Beteiligten wird der Bewusstseinszustand aller Teilnehmer beeinflusst und ein Ziel vorgestellt, nämlich die Herstellung eines gemeinsamen Wissens „Der Begriff Kommunikation ist das Sprechen mit anderen od. die Verständigung durch Zeichen <die K. mit j-m aufnehmen, abbrechen>: die K. (= die Vermittlung) der Gedanken; während des Sturmes war keine K. zwischen Festland u. Insel möglich“ (Langenscheidts, 1998:570). Es ist durchaus auch möglich, dass Kommunikation innerhalb des Gehirns stattfindet, wie zum Beispiel Erinnerung an einem Sachverhalt oder an einem Erlebnis (Intrapersonal). Kommunikation kann zwischen einem Menschen und einem Gegenstand bzw. einer Maschine stattfinden, wie zum Beispiel beim Lesen eines Buches oder Arbeiten am Computer (Interpersonal). Demzufolge ist Kommunikation eine Sammelbezeichnung, die sehr vielfältig interpretiert werden kann. Durch Kommunikation sendet man bestimmte Information ab. Die gesandten Informationen können von nonverbaler aber auch verbaler Gestalt sein. Abgesehen davon, ob diese Informationen nonverbal oder verbal sind, werden von einer anderen Person empfangen, bearbeitet und landen im Gehirn des Kommunikationspartners. Dadurch wird das Wissen eines Menschen beeinflusst und erreicht. John Dittami (1993, S. 380) hat hierfür folgende Definition gewählt:

„In der Biologie versteht man unter Kommunikation bestimmte Formen der Übertragung von Informationen zwischen lebenden Einheiten. Ein solcher Informationsaustausch ist Grundlage aller Lebensgemeinschaften, angefangen von Zellverbänden bis hin zu sozialen Systemen im Tierreich. Wir sprechen immer dann von Kommunikation, wenn der Informationsübertragung ein Abkommen zwischen zwei biologischen Einheiten zugrunde liegt: Botschaften in Form von Signalen gehen von einem Sender aus und werden von einem Empfänger wahrgenommen. Bei der Übermittlung ist jedoch der bloße Empfang der Botschaft nicht das Wichtigste. Wesentlich ist vielmehr, dass im Empfänger nach Erhalt der Nachricht eine Veränderung stattfindet, die sich auf physiologischer Ebene oder im Verhalten ausdrückt, und mit oder ohne Rückmeldung des Empfängers zum Sender ablaufen kann“.

 

  1. DIE DEUTSCHEN UND SAUDI-ARABISCHEN SITTEN IM VERGLEICH

Tatsache ist, dass jede Gesellschaft bzw. jedes Volk seine eigenen Sitten, Normen und kulturellen Gegebenheiten besitzt, die von einer Gesellschaft zur anderen sehr variierend sein können. Der Besuch ist z.B. in der arabischen Welt ein wichtiger Bestandteil der Kultur. Er ist ein Mittel, mit dessen Hilfe man die Bedürfnisse und Interessen zweier bzw. mehreren Parteien pflegt. Es ist selbstverständlich und Pflicht, dass die Besucher im arabischen Kulturraum gut angenommen werden, ganz davon abgesehen welchen sozialen Status sie haben. Freilich unterliegen sie somit bestimmten Normen und Werten. Diese Normen und Werten können von Gesellschaft zu Gesellschaft sehr unterschiedlich ausfallen. Im arabischen Kulturraum ist der Besuch ein Zeichen für ein gutes Verhältnis und für eine positive gegenseitige Verständigung und Respektbezeugung. Beziehungen, Kontakte und Kooperation zu anderen wie zum Beispiel Verwandten, Nachbarn, Freunden und dem Bekanntenkreis zu pflegen, heißt Verstärkung und Rückhalt gegen Naturkatastrophen, Armut, Not und alle anderen Bedrohungen. Die bestehenden Lebensbedingungen verbinden die Menschen noch stärker innerhalb ihres sozialen Kreises und erzeugen gleichzeitig das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Deswegen weiß jeder Menschen, welche Aufgaben ihn erwarten und auf welche Art und Weise er diese soziokulturellen Aktivitäten fördern sollte, wie es Hassad trefflich formuliert:

Der Besuch ist eine soziokulturelle Aktivität von Personen, die Bedürfnisse und Interessen zweier Parteien ausdrückt und normalerweise in allgemein bekannten und vertrauten Situationen auf der Basis selbstverständlicher Erwartungen stattfindet. Dieser Akt des menschlichen Handelns unterliegt bestimmter Form, Bedeutungen und Funktionen, die sich von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren können.“ (Vgl. Haddad, 1983:34)

Die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Arbeitsbedingungen und die kulturellen Gegebenheiten sind im arabischen Kulturraum Grundvoraussetzungen dafür, warum die Besuchsform locker verläuft. Wenn man die Besuchsform in Deutschland vor der Industrialisierung bzw. während der Industrialisierung betrachtet, so kann man feststellen, dass aufgrund der damals existierenden Lebensbedingungen und Arbeitsbedingungen, die weniger organisiert waren, die Besuchsformen ebenfalls recht locker gewesen ist. Im Gegenteil zu der damaligen Zeit hat sich dieses gesellschaftliche Phänomen in Deutschland heutzutage grundlegend ändert. Stattdessen ist das Leben individueller geworden. Der Besuch ist zwar nach wie vor vorhanden, aber er unterliegt ganz anderen Bedingungen, die damals kaum vorstellbar waren. Diese enormen Veränderungen sind Produkte der technisch-industriellen Entwicklung, die die Lebensbedingungen und gesellschaftliche Verhältnisse neu gestaltet haben, wie es auch Lüger darstellt:

„Während etwa im vorindustriellen in folge der geringeren Organisation von Tagesablauf und Arbeitsrhythmus lockere, wenig formulierte Besuchsformen vorherrschen, änderte sich dies im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Eine stärke durchrationalisierte Lebensweise verlange auch für die sozialen Kontakt mehr zeitliche Planung; zudem würden sich die Menschen in Deutschland heute seltner und kürzer als früher besuchen.“  (vgl. Lüger, 1993:31)

 

Der Besuch kann in der arabischen Welt auch selbstverständlich stattfinden, wenn es um reine Unterhaltung geht oder um Zeit zu vertreiben (spontaner Besuch), während dies in Deutschland doch nur sehr selten der Fall ist. Das heißt, dass der Besuch in Deutschland überwiegend nur dann stattfindet, wenn er vorher geplant wird. Ein weiterer Punkt, der einen deutlichen Unterschied darstellt ist, dass der Besuch im arabischen Kulturraum häufiger stattfindet als der in Deutschland. Haddad formuliert es wie folgt:

 

„Will man einen Mitmenschen besuchen, so geht es dabei prinzipiell um Erkundigung nach dem Wohlergehen des sozialen Partners. Die hinter dem Besuchsakt stehende Bedeutung ist an den extensiven Leistungen dieses gesellschaftlichen Gebots wahrzunehmen, d.h., dass der Gast als ein besonders Familienmitglied anzusehen ist und dementsprechend zu bewirten ist. Hiervon ausgehend ist die Besuchsfunktion gemeinschaftlich akzentuiert, d.h. sie reflektiert Identifikation mit der Gruppe, Kontinuität und pflege die sozialen Beziehungen. Diese Lebensbetrachtung drückt sich dort in den herrschenden extensiven und lockeren Besuchsformen aus, die frei von jeglichen Formalitäten von sich geht.“ (vgl. Haddad, 1987:32-42)

 

Das Essen ist ein grundlegendes Phänomen in der arabischen Gesellschaft bzw. im Alltagsleben der Araber. Es ist eine soziale Handlung, die Tagtäglich stattfindet und die die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt. Es gehört zu den Lebensgewohnheiten, die wichtiger als andere Gewohnheiten sind, wie zum Beispiel die Geburt oder der Tod. Anders gesagt: Das Essen vermittelt einen Eindruck über die gesellschaftliche Struktur eines Volkes. Die Art der angebotenen Speisen ist ein besonderes Kennzeichen dafür, dass man die zwischenmenschlichen Beziehungen bzw. Verhältnisse noch stärker fördern möchte. Die Einladung zum Essen stellt ein deutliches Beispiel dar. Das gemeinsame Essen erzeugt aus Sicht der Araber ein Gefühl der Brüderlichkeit und Gastfreundschaft. Es ist sehr wichtig zu erwähnen, dass die Gastfreundschaft zu den am höchst geschätzten Tugenden in der arabischen Welt gehört, wie es auch Haddad darstellt:

 „Gastfreundschaft gilt als eine positive Tugend unter den Arabern. Hier sei nur der legendäre Hatim Taji erwähnt. Man erzählt, er hatte einmal einen unerwarteten Gast und schlachtete aus Not sein einziges Pferd für ihn. Nach dem Essen informierte der Gast Hatim Taji über den Anlass seines Besuchs; dieser war kein anderer, als das bereits erwähnte Pferd zu erwerben.“ (vgl. Bouchara, 2002:106)

 

Auch wenn die Mahlzeiten schweigend eingenommen werden, werden die zwischenmenschlichen Beziehungen von sich aus unbewusst verstärkt. Am Familientisch kann man einerseits die Beziehungen der Eltern (Vater und Mutter), andererseits aber auch die Beziehungen die Geschwister zueinander und gleichfalls die Beziehungen der Eltern zu ihren Kinder erkennen. Dadurch wird verdeutlicht, wer welche Rolle einnimmt. Besonders wird die Rolle der Frau in der arabischen Welt und ihr Bildungsniveau veranschaulicht. Es wird außerdem offensichtlich, wie viel Zeit eine Hausfrau in der arabischen Welt für die Essenszubereitung braucht, um alle Familienmitglieder zu versorgen. Alle dieser oben genannten Punkte sind in der deutschen Gesellschaft kaum vorhanden, denn die Industrialisierung hat neue gesellschaftliche Strukturen mit sich gebracht. Ein Beispiel ist der Wandel der Ernährungsgewohnheiten und der dabei herrschende Zeitdruck. Mit anderen Wörtern lässt sich sagen, dass die Menschen darauf angewiesen sind, ihre Mahlzeiten zum Beispiel vom Imbiss zu besorgen. Also, das Essen ist in Deutschland sehr stark von den Arbeitsbedingungen, dem geregelten Lebensrhythmus und der rationalisierten Lebensweise geprägt. Ein weiterer Gesichtspunkt im arabischen Raum ist, dass die Essensgewohnheiten sehr stark von der islamischen Religion, dem Klima und den Lebensbedienungen abhängig sind. So wird zum Beispiel kein Schweinefleisch verzehrt. Auch die zeitlichen Regelungen der Mahlzeiten sind im Vergleich zu denen in Deutschland nicht festgelegt. Das heißt, dass man nicht großen Wert darauflegt, zu welcher Uhrzeit man eine Mahlzeit zu sich nimmt (der Zeitdruck ist meistens nicht vorhanden) (vgl. Haddad, 1987:58-61). Betrachten wir als nächstes Vergleichsbeispiel die Begrüßung. Wie bereits Coulmas feststellte# regeln der Gruß und die Vorstellung:

“den Übergang von Nicht-Interaktion zu Interaktion. Der Gruß als solcher kennzeichnet eine Begegnung als Sozial akzeptabel; die Wahl einer speziellen Grußform indiziert die Soziale und persönliche Beziehung zwischen den involvierten Personen. Grüßen und Vorstellen sind Aktivitäten mit sehr ähnlicher Struktur. Beide werden meist als ein Ritual bestehend aus nicht-verbalen und verbalen Komponenten realisiert […]. Wer von wem zuerst gegrüßt wird, wer wem vorgestellt wird, ist meist durch Konvention geregelt und somit ein soziales bedeutsames Faktum.“ (Coulmas, 1981:140)

Die Begrüßungsrituale sind im arabischen Kulturraum überwiegend inhaltlich religiös geprägt. Sie haben deswegen mehr Eigengewicht als im Deutschen und auch im gesamten anderen europäischen Sprachraum. In der arabischen Welt ist es zum Beispiel üblich, dass man die Anderen mit “essalamu alaikum” (Das Heil sei mit euch) begrüßt. Diese Begrüßung bezieht sich auf die alte islamische Heilstellung, die Osterloh wie folgt darlegt:

„Der in der arabischen Welt übliche Gruß essalamu alaikum (,Das Heil sei mit euch´) bezieht sich nämlich auf alte islamische Heilvorstellung: wer ihn entrichtet, wünscht dem andern das ewige Heil des Paradies. Der Austausch dieser Grußformel ist daher für die Gläubigen verpflichtend und sogar im Koran vorgeschrieben: ,Grüßt einander, wünscht Euch den Segen des Himmels, wenn Ihr ein Haus betretet´, heißt es in der 24. Sure [Vers 62].“  (vgl. Osterloh, 1986:175-177)

 

Die Begrüßungsäußerungen sind außerdem im Arabischen sehr viel umfangreicher als im Deutschen. Das Wort Allah أﻟﻠﺔ wird fast zu jeder Begrüßungsäußerung verwendet. Im Vergleich zu den arabischen Begrüßungsäußerungen, die im Regelfall länger dauern, sind die deutschen Begrüßungsäußerungen dagegen relativ kurz. Das liegt allerdings meines Erachtens darin, dass die Deutschen glauben, sie hätten weniger Zeit als Araber. Einige dieser Begrüßungsäußerungen sind unter anderem:

 

Was macht deine Gesundheit? ( Ki:f sahtak?)

Lob sei Gott, dem Herrn der Welten.  (Al-hamdulila:h rabi al-alami:n)

möge Allah dich segnen. (ba:raka Allahu fi:k)

Es ist auch im Deutschen üblich, dass man nachdem Wohlergehen der Frau eines Freundes bzw. eines Bekannten fragt, wie zum Beispiel; Jemand trifft einen Freund und fragt ihn nach dem Wohlbefinden seiner Frau. In der arabischen Welt wird man das Wort „Frau“ kaum verwenden, weil das wegen Geschlechtsbeziehungen ein Tabu ist. Stattdessen verwendet man das Wort Ahlek (direkte Übersetzung heißt Verwandten, aber indirekt meint man damit, wie geht es deiner Frau und deinen Kindern). Wenn Jemand jemanden direkt nach dem Wohlbefinden der Frau des anderen fragt, ist das religiös unakzeptabel und gilt als unanständig, wie es auch Bouchara folgendermaßen darlegt:

„Die Frau in der arabischen Welt kann man m.E. mit einem ,heiligen´ Raum vergleichen, den ein Fremder (Fremder bezieht sich hier nicht auf „Vater“, „Bruder“, „Onkel“, usw., d.h. auf diejenigen Personen, die die jeweilige Frau nicht heiraten dürfen) nicht betreten darf. Wenn sich nun jemand direkt beim Begrüßen nach der Frau erkundigt, hat er gewissermaßen die Grenze zu diesem ,heiligen´ Raum überschritten und somit das positive wie auch das negative face des Angesprochenen verletzt, da er in dessen Privatsphäre eingedrungen ist.“  (vgl. Bouchara, 2002:68)

 

Hinzu kommt, dass man in der arabischen Welt im Gegenteil zu Deutschland auch nach dem Wohlbefinden der Verwandten fragt. Dies wird auch als Pflicht bzw. als wichtigste Teil Komponente des Begrüßungsrituals angesehen:

Das Fragen nach dem Wohlbefinden der Verwandtschaft stellt einen großen kulturellen Unterschied in den Begrüßungsritualen zwischen Deutschen und Araber dar. Im Deutschen ist der propositionale Inhalt der Grüßens in größerem Maße auf den Angesprochenen orientiert (addressee-specific) als im Arabischen, d.h. während man im Arabischen die Grußrituale mit Fragen nach dem Wohlbefinden der eigenen Frau, Kinder, Verwandte usw. erweitert, scheint dies im deutschen nicht der Fall zu sein.“            (vgl. Bouchara, 2002:70)

Ein nächstes treffliches Beispiel wäre der Vergleich der Geburtstagsbegehung in beiden Kulturen. Der Geburtstag ist ja bekanntlich die jährliche Wiederkehr des Tages der Geburt. In Deutschland wird der Geburtstag im Freundeskreis und unter Verwandten groß gefeiert. Dem Geburtstageskind werden Geschenke und herzliche Glückwünsche ausgedrückt, was Glück bringen soll. Im Vergleich zu den andern Tagen hat dieser Tag eine besondere Bedeutung und wird deswegen mit besonderer Spannung erwartet. Im arabischen Kulturraum werden prinzipiell die Geburtstage weder von Personen, die sich um die Religion verdient gemacht haben, noch persönliche Geburtstages gefeiert. Im Islam wird die Geburtstagsfeier als eine Gewohnheit betrachtet. Außerdem wird der genauen Registrierung der Geburtsdaten nicht so eine große Beachtung und Bedeutung beigemessen. In der arabischen Welt sind die Behörden fast ausschließlich am Geburtsjahr interessiert, als andere ist für sie uninteressant. Auch für die Eltern ist es uninteressant, an welchem Tag und welchem Monat die ihre Kinder geboren sind. Erst seit einiger Zeit haben arabische Länder damit angefangen, genauere Geburtsdaten zu registrieren. Davon ausgehend kann man feststellen, dass es in Deutschland selbstverständlich ist, dass man seinen Geburtstag feiert. Bei den Arabern hingegen braucht man noch einige Zeit, um das neue Phänomen in die arabische Gesellschaft zu integrieren bzw. zu verbreiten. Ein weiterer Punkt, der zu erwähnen ist, sind die Geburtstagskarten, denn in der arabischen Welt und der arabischen Sprache kann man eine Geburtstagskarte nicht kaufen, auf der steht „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“ (vgl. Haddad, 1987:87).

 

  1. MÖGLICHE KONSEQUENZEN FÜR DEN FREMDSPRACHENUNTERRICHT:

Der Eindruck, dass eine Fremdsprache erlernt werden kann, auch wenn der Fremdsprachenlerner keine Ahnung von der einheimischen Kultur hat, ist nicht wahr. Denn jede Sprache hat ihre eigene Kultur. Beide Faktoren, Sprache und Kultur sind sehr stark ineinander verschachtelt. Ein Faktor kann den anderen folglich sehr negativ beeinflussen, wenn man beide nicht gleichermaßen gut erlernt. Dies kann größere Schwierigkeiten sowohl im Bereich des Spracherwerbs als auch im Bereich der Kommunikation im Zielland mit sich bringen. Dies kann auch erhebliche Missverständnisse zwischen den Muttersprachlern und den Fremdsprachlern hervorrufen „Es wird häufig angenommen, dass die Kommunikation in einer Fremdsprache unabhängig von der zu dieser Sprache gehörenden Kultur funktionieren kann“, wie es auch Bouchara feststellt (vgl. Bouchara, 2002:235). Ein wichtiger Faktor für eine konfliktfreie Kommunikation zwischen Menschen verschiedener Kulturen ist, dass jeder Fremdsprachenerlerner sich nicht nur um den Erwerb der Fremdsprache kümmert, sondern sich auch mit den kulturellen Normen des Ziellandes auseinandersetzt. Diese kulturellen Werte können z.B. Höflichkeitsnormen, Begrüßungen und Art und Weise, wie man in die Diskussion einsteigen kann, sein. Deswegen ist es sehr empfehlenswert, dass die Sprachinstitutionen es zur Pflicht erklären, dass alle Fremdsprachenerlerner und Fremdsprachlernrinnen nicht nur die Fremdsprache, sondern auch die Kultur des Ziellandes erlernen. Dies kann nur dann funktionieren, wenn die zuständigen Institutionen richtige Konzepte in diesem Bereich entwickeln. Einige dieser kulturspezifischen Unterschiede sind: Essgewohnheiten, Besuch, Einladungen, Begrüßung und Geburtstagsfeier. Alle diese oben genannten Punkte sollen ein Teil des Fremdsprachen- bzw. Übersetzungsunterrichts werden, wie es auch Bouchara empfiehlt (vgl. Bouchara, 2002:236-241).

 

  1. ZUSAMMENFASSUNG

Ich möchte abschließend noch einmal die wichtigsten Punkte meiner Untersuchung zusammenfassen. Ziel dieser Arbeit war einen Beitrag zum Thema ,,Schwierigkeiten und Herausforderungen im Deutschunterricht und mögliche Fördermaßnahmen bei Übersetzungslerner in Saudi-Arabien: Eine Art Vergleich zwischen den arabischen und deutschen Sitten und Gebräuchen, zu leisten. Im Mittelpunkt standen die Begriffserklärung von Landeskunde, Kommunikation und Kultur und ihr Einfluss auf die Deutschlernenden Araber im Zielland. Davon ausgehend zeigte ich arabische und deutsche Sitten im kontrastiven Vergleich auf, wie zum Beispiel Besuch, Essen, Begrüßungsrituale und Geburtstagsfeier. Abschließend habe ich darauf hingewiesen, dass es sehr empfehlenswert ist, dass es sich die Sprachinstitutionen zur Pflicht machen sollten, alle Fremdsprachlernern und Fremdsprachlernerrinnen nicht nur die jeweilige Fremdsprache, sondern auch die Kultur des Ziellandes beizubringen.

 

  1. LITERATURANGABEN:

Bouchara, Abdelaziz (2002): Höflichkeitsformen in der Interaktion zwischen Deutschen und   Arabern: Ein Beitrag zur interkulturellen Kommunikation. – Tübingen: Niemeyer (S. 30-220).

Coulmas, Florian (1981): Routine im Gespräch. Zur pragmatischen Funktion der Idiomatik (S. 139-141).

DUDEN (2001): Das Fremdwörterbuch, Mannheim (S. 557).

Ferhan, Shahab Ahmad (1996): Kontrastive Linguistik Deutsch/Arabisch: zur Relevanz der Kontrastiven Untersuchungen für den Fremdsprachenunterricht. – Heidelberg: Gross (S. 5-10).