Dr. BOUCHENAKI Wafaa Sihem Nina
Université de Sidi Bel Abbés
Kurzfassung: In diesem Beitrag geht es vor allem darum, einerseits die Bedeutung der Mehrsprachigkeit für die Kommunikation in allen Sektoren in Algerien zu betonen, andererseits den spezifischen Umgang der Einheimischen mit der Sprachvielfalt festzustellen. Die Sichtbarkeit der Mehrsprachigkeit (Algerisch, Hocharabisch, Berberisch, Französisch, …) in den Pressemedien wird erläutert. Darüber hinaus wird der Einfluss von Mehrsprachigkeit auf die Fremdsprachenerlernung untersucht. Der Beitrag von Forschungsarbeiten algerischer GermanistInnen, die sich mit der Mehrsprachigkeit befasst haben, wird analysiert.
Schlüsselwörter: Mehrsprachigkeit, Kommunikation, Sprachvielfalt, Fremdsprachenerlernung, Sprachpluralismus, Sprachmischung, Sprachvielfalt, Medienstrategie, Medienlandschaft
Short version: The main purpose of this paper is to emphasize the importance of multilingualism for communication in all sectors in Algeria and to identify the specific way in which locals deal with linguistic diversity. The visibility of multilingualism (Algerian, High Arabic, Berber, French, …) in the press media is explained. In addition, the influence of multilingualism on foreign language learning is examined. The contribution of research from Algerian Germanists dealing with multilingualism is analyzed.
Keywords:Multilingualism, communication, linguistic diversity, language learning, linguistic pluralism, language mixing, linguistic diversity, media strategy, media landscape
Einleitung
Die vorliegende Analyse setzt sich als Hauptziel, einen Beitrag zum Aspekt der der Mehrsprachigkeit in Algerien zu leisten. Somit wird das Ziel verfolgt, die Diskussion über die Sprachenvielfalt zu vertiefen. In der algerischen Gesellschaft kommt es nicht von ungefähr, dass die Algerier mit der Mehrsprachigkeit gut vertraut sind. Sprachpluralismus ist in Algerien Realität. Die ausländischen Gäste, die Algerien besuchen, wundern sich, dass die algerischen Bürger unabhängig von ihrem sozialen Statut in ihrer täglichen Kommunikation problemlos mit dem Sprachwechsel umgehen. Bei dieser Sprachkommunikation geht es vor allem um folgende Sprachen: Algerisch, Hocharabisch, Berberisch, Französisch, Spanisch, Englisch. Der Beobachter kommt bei dieser Sprachmischung zur Feststellung, dass der Gebrauch von Dialekt und Hochsprache dauernd auffallend ist. Dieses Phänomen betrifft sowohl die Printmedien als auch die Radio- und Fernsehsendungen.
In meinem vorliegenden Beitrag unternehme ich den Versuch, der Frage der Sichtbarkeit der Sprachvielfalt im algerischen Alltag nachzugehen.
1. Zur Definition von Mehrsprachigkeit
Ich halte es für sehr wichtig und sinnvoll, zunächst auf die Definition von Mehrsprachigkeit einzugehen. Die Erklärung dieses Begriffs ist eigentlich gar nicht so einfach, wie man sich vorstellt, obwohl es, wie Schöne betont, auf den ersten Blick simpel erscheinen mag: „Mehrsprachigkeit heißt, mehrere Sprachen zu beherrschen. Doch schon eine solche sehr einfach formulierte Erklärung ist problematisch, denn Mehrsprachigkeit, so machen viele Forschungsbeiträge deutlich, ist fürwahr kein klares Konzept. „1 Laut des Lexikons der Sprachwissenschaft bezeichnet Mehrsprachigkeit, sowohl „die Fähigkeit eines Individuums, sich in mehreren Sprachen auszudrücken, als auch die Geltung mehrerer Sprachen in einer Gesellschaft oder in einem Staat.“2 Mehrsprachigkeit ist in diesem Fall qualitativ und qualitativ nicht mit Zweisprachigkeit gleichzusetzen. Mit Bezugnahme auf die oben erwähnte Definition gilt Algerien tatsächlich als mehrsprachiges Land.
2. Förderung des Sprachpluralismus
Dem Sprachpluralismus wird aufgrund des soziokulturellen und soziökonomischen Ausbaus des Austausches weltweit besonderes Augenmerk gewidmet. Im Globalisierungszeitalter ist Mehrsprachigkeit ein zentrales Thema. In diesem Kontext unterstreicht Elena Grieper die EU-Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit : « Die EU empfiehlt beispielsweise, dass zukünftig Europäische BürgerInnen drei Gemeinschaftsprachen gut sprechen können sollten, um Potenzial und Chancen sowie Zugangsmöglichkeiten und Solidarität auf europäischer Ebene weiterzuentwickeln.“3 Für die Autorin Grieper gilt die sprachliche Verständigung als zuverlässiger Schlüssel für Bildung und gleichberechtigte Teilhabe.
In Algerien gelten Arabisch und Berberisch verfassungsmäßig als offizielle Sprachen. Französisch spielt nach wie vor eine wichtige Kommunikationsrolle in allen soziokulturellen und ökonomischen Sektoren. Die Sichtbarkeit des Französischen in der interpersonalen alltäglichen Kommunikation in Algerien ist auffallend. Sie wird als ‚Kriegsbeute‘ bezeichnet. Es scheint mir auch wichtig zu betonen, dass etwa fünf Millionen Algerier in Frankreich leben. Für einen großen Teil von dieser Gemeinschaft gilt Französisch als Muttersprache, weil sie weder Algerisch noch Arabisch können.
3. Sprachpluralismus in den Pressemedien
Der Sprachpluralismus in Algerien spiegelt sich deutlich sowohl in den Printmedien als auch in den audiovisuellen Medien wider. Diese Spezifik ist selbstverständlich eine logische Folge der Mehrsprachigkeit in der algerischen Gesellschaft. Bezüglich der Sprachverteilung in Algerien bestätigt Seddiki, dass „Arabisch dominant ist, sowohl in den Printmedien als auch in den verschiedenen Fernsehkanälen und im Rundfunk. Französisch steht nach wie vor an zweiter Position, während Berberisch an dritter Stelle steht.“4
Im weltweiten Kontext kommt Seddiki im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit den sprachpluralistischen Medien zu folgender Konstatierung:“ Bei der thematischen Gestaltung der jeweiligen audiovisuellen Programme (Kultur, Wirtschaft, Politik, Religion, Sport, Liebe, Tourismus, Alltag usw.) versuchen die Medienproduzenten im Sinne einer höchstmöglichen Massenwirkung, die bekannten Weltsprachen (Englisch, Französisch, Arabisch, Spanisch, Deutsch, Chinesisch usw.) zu benutzen.“5
Im Hinblick auf die algerische Medienlandschaft findet das sprachpluralistische Prinzip starke Berücksichtigung. Neben den Sprachen Arabisch, Berberisch und Französisch wird von den regionalen Radiosendern aber auch von den stattlichen und privaten Fernsehprogrammen den vielen lokalen Dialekten aber auch dem Französischen und Englischen große Bedeutung beigemessen. Diese Mehrsprachigkeitsstrategie gilt auch für die nationalen Tageszeitungen, die zum Teil mehrsprachig erscheinen.
4. Mehrsprachigkeit im DaF-Unterricht in Algerien
Sowohl im Forschungsbereich als auch im Fremdsprachenunterricht bzw. im DaF-Unterricht wird in Algerien dem Mehrsprachigkeitsphänomen große Aufmerksamkeit geschenkt. Bisher wurden unzählige Veröffentlichungen und Forschungsprojekte zum Thema Sprachpluralismus durchgeführt. Dabei wird der Übersetzung und der Translatologie wichtiges Augenmerk gewidmet. Im Rahmen ihrer Bachelor- und Masterausbildung sind die algerischen GermanistInnen z.B. daran gewöhnt, ihnen unklare Termini und Sätze in andere Fremdsprachen zu übersetzen. Die von ihnen beherrschten Sprachen wie Arabisch, Französisch, Berberisch, Englisch, Spanisch gelten für sie als echte Krücke, die es ihnen erleichtert, die entsprechenden Verständnisprobleme zu überbrücken. Das Mehrsprachigkeitsthema wird oft im Rahmen von zahlreichen akademischen Forschungen bzw. Masterarbeiten und Dissertationen und wissenschaftlichen Beiträgen im DaF- und Germanistikbereich ausführlich behandelt. In diesen Forschungsarbeiten wird die Mehrsprachigkeit unter verschiedenen Aspekten untersucht. Als Beispiel sind hier der Beitrag von Hamida Y. zum Thema „Germanistik und DaF in einer globalisierten Welt.
Der Fall Algerien“6 sowie das Promotionsthema von K. Bouhalouan zu den phonetischen Interferenzen unter dem Aspekt der Mehrsprachigkeit in Algerien7 zu nennen. Auch in drei wissenschaftlichen Beiträgen setzt sich F. Mokadem mit der Frage der Mehrsprachigkeit in Algerien8 in ihrer soziolinguistischen9 sowie in ihrer didaktischen Dimension auseinander10.
Weitere Forschungsarbeiten zum Thema Mehrsprachigkeit in Algerien, die in Deutsch und anderen Sprachen verfasst worden sind, gibt es in Hülle und Fülle. Aus Raumgründen ist es uns in diesem Beitrag nicht möglich, auf sie alle ausführlich einzugehen.
Fazit
Geleitet von den in diesem Beitrag erwähnten Beobachtungen zum Sprachpluralismus in Algerien kann davon ausgegangen werden, dass die Mehrsprachigkeit als zuverlässige Brücke betrachtet werden kann, die dazu beiträgt, viele Kommunikationshindernisse im soziokulturellen und ökonomischen Sektor abzumildern. Darüber hinaus hilft die in Algerien verfolgte sprachpluralistische Medienstrategie mit der technologischen, kulturellen, sozialen, ökonomischen und politischen Entwicklung in der ganzen Welt Schritt zu halten. Dank der in Algerien existierenden Mehrsprachigkeit ist es möglich, die jeweiligen Bereiche mit den weltweiten Netzwerken schneller zu vernetzen. Im Bildungsbereich wird das autonome Lernen vom Sprachpluralismus gefordert.
Literaturquellen
-BOUHALOUAN Karima (2013): Phonetische Interferenzen unter dem Aspekt der Mehrsprachigkeit in Algerien. Didaktische Maßnahmen zur Optimierung der phonetischen Kompetenz algerischer Deutschstudierenden im neuen Studiengang. Dissertation, Université d’Oran
-CHLOSTA, C. u.a. 2001 : Zum Erhalt und zur Förderung von Mehrsprachigkeit. In: E-Papiere zu Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik, Elise Heft 1: 7-10.
-GRIEPER Elena: Mehrsprachigkeit -Eine Einführung– In: Fachbeiträge, Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung. URL: https://www.nifbe.de/fachbeitraege
/beitraege-von-a-z?view=item&id=420:umgang-mit-mehrsprachigkeit&catid=292)
– HAMIDA, Yamina (2010): Germanistik und DaF. in einer globalisierten Welt. Der Fall Algerien. In: Middeke, Annegret (Hrsg.): Entwicklungstendenzen germanistischer Studiengänge im Ausland. Sprache – Philologie – Berufsbezug, Band 84, Universitätsverlag Göttingen.
-MOKADEM, Fatima (2016): Die Mehrsprachigkeit im DaF-Unterricht. Am Beispiel von multilingualer Sprach- und Textarbeit in den sprachwissenschaftlichen Modulen im Master 1 und 2 an der Univ. Oran, Revue Traduction et Langues TRADTEC, N° 15, ISSN : 1112-3974 / URL: https://www.asjp.cerist.dz/en/article/6536
–MOKADEM, Fatima (2010): Welche Sprache für das heutige Algerien ? Eine soziolinguistische Studie der algerischen Sprachsitution. Geschichte und aktueller Stand, wissenschaftlicher Beitrag, International GANAA-Workshop: «Mehrsprachigkeit und Sprachenpolitik im frankophonen und anglophonen Westafrika», Universität Cheikh Anta Diop, Dakar, Sénégal, 26. Nov.- 01. Dez. 2010/ URL: http://home.uni-leipzig.de/ganaa/ hi.site,postext, ganaa-downloads.html?PHPSESSID=o7jqi3rau3fd4e9dnfjp8632u9ah0f9h
–MOKADEM, Fatima (2008): Der Sprachpluralismus und die Sprachpflege in Algerien. Das Kohabitieren des algerischen Dialekts mit der hocharabischen Sprache im Theater. Der Fall des Theaterstückes „El Ajouad“ von Abdelkader Alloula, Revue Traduction et langues, N° 7 du Laboratoire de Traduction et Méthodologie « TRADTEC », ISSN : 1112-3974
-SCHÖNE Antje (2013): Bedeutung und Grenzen von Sprachvielfalt in deutschen Literaturmuseen und literarischen Gedenkstätten, Hamburg.
-SEDDIKI Aoussine (2009): Die Sprachenvielfalt und die Medienstrategien in Algerien- In: Stellenbosch Papers in Linguistics PLUS, Vol. 38, 2009, 87-93doi: 10.5842/38-0-65 88.
1 Schöne, Antje: Bedeutung und Grenzen von Sprachvielfalt in deutschen Literaturmuseen und literarischen Gedenkstätten. – Hamburg 2013, 15.
2 Bussmann, Hadumod (hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Auflage. Stuttgart: Kröner, 1990, 459. Zitiert nach Schoene ebenda.
3 Grieper, Elena: Mehrsprachigkeit – Eine Einführung – In : Fachbeiträge, Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (https://www.nifbe.de/fachbeitraege/beitraege-von-a-z?view=item&id=420:umgang-mit-mehrsprachigkeit&catid=292)
4 Seddiki, Aoussine : Die Sprachenvielfalt und die Medienstrategien in Algerien– In: Stellenbosch Papers in Linguistics PLUS, Vol. 38, 2009, 88
5 Ebenda, S. 92.
6 Hamida, Yamina: Germanistik und DaF. in einer globalisierten Welt. Der Fall Algerien. In: Middeke, Annegret (Hrsg.): Entwicklungstendenzen germanistischer Studiengänge im Ausland. Sprache – Philologie – Berufsbezug, Band 84, Universitätsverlag Göttingen, 2010, S. 91-102.
7 Bouhalouan, Karima : Phonetische Interferenzen unter dem Aspekt der Mehrsprachigkeit in Algerien. Didaktische Maßnahmen zur Optimierung der phonetischen Kompetenz algerischer Deutschstudierenden im neuen Studiengang. Dissertation, Université d’Oran 2013.
8 Mokadem, Fatima: Welche Sprache für das heutige Algerien ? Eine soziolinguistische Studie der algerischen Sprachsitution. Geschichte und aktueller Stand, wissenschaftlicher Beitrag,. 2010/ URL: http://home.uni-leipzig.de/ganaa/ hi.site,postext, ganaa-downloads.html?PHPSESSID=o7jqi3rau3fd
4e9dnfjp8632u9ah0f9h
9 Mokadem, Fatima: Der Sprachpluralismus und die Sprachpflege in Algerien, Revue Traduction et langues, N° 7 du Laboratoire de Traduction et Méthodologie « TRADTEC », 2008, S. 85-91
10 Mokadem, Fatima : Die Mehrsprachigkeit im DaF-Unterricht am Beispiel von multilingualer Sprach- und Textarbeit in den Sprachwissenschaftlichen Modulen im Master 1 Und 2 an der Universität Oran. In: Revue Traduction et Langues, Volume 15, S. 76-84.