Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 6. Nr. September 1998

Die Rolle der Literatur- und Sprachwissenschaft bei der Affirmation der slowenischen nationalen Identität

Katja Sturm-Schnabl (Wien)
[BIO]

Samo miljon nas je, ... en sam miljon,(1)... (Wir zählen nur eine Million ... nur eine einzige Million), schrieb der junge hochbegabte slowenische Dichter Karel Destovnik - Kajuh(2) in seinem Gedicht "Slovenska pesem", das er in seine erste Sammlung "Pesmi" aufnahm, die in einer der in den Wäldern Sloweniens während des 2. Weltkrieges im Widerstandskampf von den Partisanen betriebenen geheimen Druckereien(3), gedruckt wurde. Er selbst hat die Drucklegung nicht mehr erlebt. Der Dichter spricht vom Widerstandswillen und vom Leiden des slowenischen Volkes, des slowenischen Menschen und stellt dem eine ins transzendentale überhöhte Hoffnung und Liebe gegenüber, zu denen die Menschen angesichts der unaussprechlichen Unmenschlichkeit finden.(4)

Die Dichtersprache soll hier die Botschaft vom Überlebenswillen, vom Stolz, von der Liebe und Hoffnung einer kleinen europäischen Nation als Kollektiv und in ihren Individuen verkünden, einer Nation, der der Nazifaschismus, dieses Konglomerat aus Masse und Gewalt, die Austilgung zugedacht hatte.(5) Diese kleine europäische Nation hatte über Jahrhunderte keinen eigenen Staat, keinen Adel, keine politische Macht gehabt, hatte ihre politische Nationwerdung kaum erst im 19. Jahrhundert abgeschlossen und die nationale Identität über die Sprache bewahrt, die zum wichtigsten Medium der Gruppenidentifikation geworden war. Auf der Sprache basierend konnte sie schließlich eine komplette und komplexe Kultur entwickeln mit der sie in die Reihe der europäischen Kulturnationen eintreten, bzw. ihren kulturellen Beitrag zur europäischen Pluralität einbringen konnte.

Europäischer Diskurs

Ein wesentlicher Aspekt der europäischen Kultur als Gesamtheit ist das schöpferische Innovationsvermögen der sogenannten "kleineren Völker", die im bewußten Kulturschaffen zur Verteidigung der eigenen Identität gegen die quantitativ stärkeren Nationen kulturell produktiv, kreativ und innovativ werden müssen. Denken wir z.B. an die Provençalen, deren Literatur während des 5. Kreuzzuges gegen die Albingenser zusammen mit den Menschen auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrannte.(6) Mit Frédéric Mistral (1830 - 1914) erstand sie wieder; mit seiner Poesie erweckt er die provençalische Folklore und den provençalischen Geist zum Leben und wurde zum Schöpfer einer neuen provençalischen Literatursprache.(7) Als Vertreter kleiner Völker möchte ich z.B. den norwegischen Schriftsteller Knut Hamsun (1859 - 1952), den schwedischen Dramatiker August Strindberg (1849 - 1912) erwähnen; sie alle wirkten innovativ auf die moderne europäische Literatur und Kultur.

Dasselbe gilt auch für Künstler aus dem serbokroatischen Sprachbereich, wie z. B. der Dichter, Romancier und Dramatiker Miroslav Krleza (1895 - 1981), Danilo Kiš (1935 - 1981)(8), oder Miloš Crnjanski (1893 - 1977)(9), Mihailo Lalic (1914 )(10), Meša Selimovic (1910 - 1982)(11) und Derviš Sušic (1925)(12). Die beiden letzteren sind auch dem Medium Film verpflichtet. Aus ihrer Tradition kommt auch ein Emir Kusturica, der heute zu den schöpferischen Innovatoren der Filmkunst zählt, wie es vor ihm etwa der Schwede Ingmar Bergmann war.

Von den slowenischen Autoren möchte ich an dieser Stelle Ivan Cankar (1876 - 1918) nennen, der sich dem Symbolismus verschrieb und in diese Stilrichtung eine zusätzliche Dimension einbrachte. Als Mitglied eines kleinen unterdrückten Volkes konnte er auf das soziale Engagement in der Literatur, wie es die französischen Symbolisten forderten, nicht verzichten und sublimierte es zum Stilmittel.(13)

Alle diese Vertreter kleinerer Nationen bringen ihre spezifische Gefühlswelt, ihr spezifisches Erleben des Seins und der Welt in die gesamteuropäische bzw. in die Weltliteratur ein; dabei müssen sie oft eine übernommene Stilrichtung, wie eben den französischen Symbolismus bei Cankar, an dieses ihr eigenes Erleben anpassen, modifizieren, innovieren. Mit Cankar erreichte die slowenische Dichtersprache das Vermögen, über die ästhetischen, formalen und inhaltlichen Komponenten synchron die dichterische Botschaft zu übermitteln. D.h. die Sprache war komplett ausgestattet und konnte Kunst und Wissenschaft und damit die Nation tragen. Das Ziel war erreicht, dazu waren eine lange Zeitspanne und mehrere Anläufe im Rahmen jeweils unterschiedlicher historischer Bedingungen nötig gewesen.

Die Anfänge

Die Slowenen hatten sich im Verlaufe des 7. – 8. Jahrhundert einen eigenen Staat, das Karantanische Reich, aufgebaut, in welchem ihre Sprache Staatssprache war. Reste davon blieben in ritualisierter Form noch bis ins 15. Jahrhundert bei der Herzogseinsetzung in Kärnten in Funktion.(14) Im Bereich der Salzburger Kirchenprovinz wurde das slowenische als liturgische Sprache und in der Pastorale verwendet. Die ersten slowenischen Schriftdenkmäler, die auch die ältesten slawischen Schriftdenkmäler in lateinischer Schrift sind, die Freisinger Denkmäler, sind Reste einer weit umfassenderen Schriftlichkeit.(15) Daß die slowenische Sprache als sogenannte Verkehrssprache auch vom deutschstämmigen Adel benutzt wurde, davon zeugen Zitate in den Werken mittelalterlicher Liedermacher und Minnesänger, wie Ulrich von Lichtenstein oder Oswald von Wolkenstein.(16) Von Kaiser Maximilian I. wird berichtet, er wäre des Slowenischen mächtig gewesen; der in seinem Gefolge tätig gewesene slowenische Humanist Paul von Oberstain schreibt in seiner "De Maximiliano laudibus epistola" u.a. auch, daß ihn der Kaiser beauftragt habe, ein slawisches Wörterbuch für ihn zu erstellen.(17) Den kreativ schöpferischen Impuls, den eine Sprache zu ihrer Weiterentwicklung braucht, erhielt die slowenische Sprache durch die mündlich tradierte Sprachkunst. Durch die Analyse der überlieferten Volkslieder, Märchen, Legenden, Volkserzählungen, die erst im 19. Jahrhundert systematisch schriftlich aufgezeichnet wurden, läßt sich nachweisen, daß die mündlich tradierte Sprachkunst keineswegs statisch war, sondern daß sowohl sprachlich als auch thematisch schöpferischer Wandel darin integriert sind. Ereignisse und Lebensumstände regten ständig zu schöpferischer Kreativität an, und gaben dadurch der Sprache die nötigen Impulse zur Entfaltung und Entwicklung, wodurch sie für die Sprachgemeinschaft ihre Relevanz behielt. Angefangen von kosmogonischen und anderen Mythen(18) bis zu Ereignissen aus historischer Zeit(19) reflektiert die mündlich überlieferte Sprachkunst das Erleben und Leben des slowenischen Volkes.

Protestantismus

Zur Wende kommt es dann im 16. Jahrhundert durch die Protagonisten der slowenischen Reformbewegung.(20) Primoz Trubar war Theologe und Träger der slowenischen protestantischen Bewegung, er übersetzte Bibeltexte ins Slowenische, verfaßte eine Slowenische Kirchenordnung, mit der er dem slowenischen Volk eine kirchliche Autonomie zubilligte, die damals an die staatliche Souverenität gebunden war, die die Slowenen gar nicht hatten, und schließlich organisierte er den Druck protestantischer Bücher.(21) Adam Bohoric verfaßte die erste wissenschaftliche Grammatik der slowenischen Sprache.(22) Sie war zunächst für das Konsortium bestimmt, das den slowenischen Bibeltext auf seine Richtigkeit zu überprüfen hatte. Sebastijan Krelj gab eine Kinderbibel heraus, eine Postille und einen Kathechismus, Jurij Dalmatin übersetzte die gesamte Bibel ins Slowenische (Biblia tu je vse svetu pismu ...MDLXXXIIII). Der aus Linz stammende Megiser war Lexikograph und nahm die slowenische Sprache gleichberechtigt mit dem Deutschen, Französischen etc. in seine lexikographischen Arbeiten auf.(23) Auf Grund der Ansprüche an die Texte und auf Grund der begleitenden sprachkodifizierenden Maßnahmen, die die slowenischen Reformatoren setzten, kam es dazu, daß die Geburt der slowenischen Schriftsprache zwar einen reformatorischen Anlaß hatte, und ursprünglich ein theologisches Anliegen war, im Grunde aber durch ein philologisches bzw. sprachwissenschaftliches Unterfangen realisiert wurde. Damit wurde die Voraussetzung für Affirmation der slowenischen nationalen Identität geschaffen, die schließlich zur Herausbildung einer modernen slowenischen Nation führte.

Die slowenischen Protestanten konzipierten ihre Bücher für das gesamte slowenische Volk, ohne Unterschied von Geschlecht und Alter, das über die eigene Sprache selbst Zugang zu den Heiligen Schriften bekommen sollte. Dabei erkannte und bestimmte Trubar trotz der dialektalen Vielfalt des Slowenischen präzise die strukturelle Einheit der Sprache und definierte alle slowenischen Regionen exakt.(24) Auch spricht Trubar seine Landsleute immer als Slowenen im Sinne eines nationalen Kollektivs an.(25) An die 50 slowenische protestantische Druckwerke sind zwischen 1550 und 1595 entstanden; mit ihnen wurde, über die Dialekte hinweg, die moderne slowenische Schriftsprache begründet und kodifiziert. Dabei sind die Protestanten mit großer philologischer Sorgfalt mit der Sprache umgegangen und haben alle erforderlichen Hilfsmittel geschaffen, die für so ein anspruchsvolles Unternehmen notwendig waren. Die Überlegungen zur Orthographie, die Trubar anstellte, seine Kirchenordnung, die Grammatik und die Lexikographie, sie alle liegen auf der Ebene der Willensbekundung, mit der die Slowenen auch ohne Eigenstaatlichkeit und ohne politische Strukturen, allein aufgrund ihrer Sprache ein eigenständiges nationales Subjekt sein wollten.

Die Sprachwissenschaft wurde von den Protestanten sozusagen in den Dienst der Affirmation der slowenischen nationalen Identität gestellt. Hinzu kam aber auch bereits der erste Ansatz einer Literaturwissenschaft: Trubar schrieb für seinen Mäzen, Hans Ungnad Freiherr von Sonnegg einen Bericht über die bisher erschienen protestantischen Bücher.(26) Er tat es einerseits, um weitere Gelder für den Druck der slowenischen und kroatischen Bücher zu bekommen, andererseits aber auch, um die bisherigen Bücher hinsichtlich ihrer Glaubensreinheit zu verteidigen. Dadurch ist es keine reine bibliographische Aufzählung, sondern bereits eine erste kritische Auseinandersetzung mit den literarisch-religiösen Inhalt. Ich erlaube mir, dieses Register als ersten Ansatz einer slowenischen Literaturgeschichte zu betrachten. Denn sobald Geschriebenes - Literatur - entsteht, kommt das Bedürfnis auf, sich damit auseinanderzusetzen.

Gegenreformation

Mit der einsetzenden Gegenreformation, die den Protestantismus auch mit landesweiten Bücherverbrennungen ausmerzen wollte, wurden nicht nur die protestantischen Bücher durch fliegende Kommissionen verbrannt, es kam auch jegliche Buchproduktion zum Stillstand und so wurde das 17. Jahrhundert für die slowenische kulturelle und literarische Entwicklung zum "temnoe vremja", zum dunklen Jahrhundert.

Es gab aber einen Fortschritt auf dem Gebiet der Literaturwissenschaft: Der Polyhistor Janez Vajkard Valvasor (1641 - 1693) verfaßte sein bekanntes historisches Werk: Die Ehre des Hertzogthums Crain ... (27), wo er auf S. 343 - 370 alle auf slowenischem ethnischem Territorium erschienen Bücher beschreibt, sowohl deutsche, lateinische als auch slowenische. Die Annotationen sind schon ziemlich ausführlich, so daß wir bereits eine ansehnliche Literaturgeschichte vor uns haben, die das Bewußtsein der slowenischen Identität stärken mußte; wir erfahren darin sowohl Biographisches über die Autoren, als auch über die Umstände der Drucklegung, des Transportes u.v.m. z. B.

" ... Am Neuen Jahres Tage eingehenden 1584. Jahrs/ kam der völlige Druck Altes und Neues Testaments/ von der Preß ans Licht/ auf grossem Median Papier/ und mit schönen/ Holtz geschnittenen/ Figuren geziert. Der Titel lautet also: Biblia tu je use suetu pismu, stariga inu nouiga Testamenta Slouenskj, tolmazhena Skusi Juria Dalmatina. Welches/ Auf Teutsch/ soviel heisst/ als: BIBEL/ das ist/ Die gantze Heilige Schrifft Altes und Neues Testament/ Windisch gedolmetscht durch Georgium Dalmatinum. Gedruckt/ In der Chur-Sächsischen Stadt/ Wittenberg/ durch Hanns Kraffts Erben. Anno M.D.LXXXIIII. Der Ubersetzer/ nemlich der Magister Dalmatin/ hat solches Werck allen dreyen Ländern/ als Steyer/ Kärndten/ und Crain gededicirt. Die gebundenen Exemplarien seynd in Fässer eingeschlagen/ auf deß Buchhändlers eigenen Kosten/ bis nach Leipzig von dannen aber/ auf der Löbl. Landschafft in Crain Unkosten/ nach Laybach/ geliefert. Offtgenannter M. Georg Dalmatin/ und sein Gehülff/ Adam Bohoritsch/ welche/ als Diorectoresm Aufseher/ und Correctores solcher Bibel/ biß zu völliger Verfertigung derselben/ zu Wittenberg sich aufgehalten/ haben hiernechst/ auf der Herren Verordneten in Crain Befehl/ ihren Weg auf Dresden genommen: allda Sie / bey dem Churfürsten/ für gnädigste Beforderung dieses Wercks/ im Namen der Crainerischen Landschafft/ nebst Verehrung sechs köstlich eingebundene Exemplarien/ eine unterthänigste Danksagung abgelegt .....".

In diesem Werk Valvasors finden wir nicht nur das "Vater unser" in allen slawischen Sprachen abgedruckt, sondern auch das kyrillische und glagolitische Alphabet.

Die ersten Lexikographen

Die ersten lexikographischen Arbeiten bei den Slowenen verfaßten die Protestanten.(28) Als während der Gegenreformation der gesamte slowenische Buchdruck zum Stillstand gekommen war, entwickelten sich die lexikographischen Arbeiten weiter und sicherten so den Fortgang der slowenischen Lexikographie bis weit ins 18. Jahrhundert, allerdings wurde nichts gedruckt. Die Autoren dieser Wörterbücher wirkten in ihren jeweiligen Klöstern: Matija Kastelec (1620 - 1688) mit seinem 20 000 Wörter umfassenden Dictionarium latino-carnilium, Gregorij Vorenc (um 1660 - 1730) mit dem Dictionarium latino-carnilicum, der Kapuziner P. Hippolytus (Janez Adam Gaiger 1667 - 1722) mit seinem deutsch-slowenisch-lateinischen Dictionarium trilingue und Anton Apostel (1711 - 1784) mit einem Dictionarium germanico-slavicum, bewahrten und erfaßten einen großen Wortschatz.(29)

Die Aufklärung

Einen Neuanfang und einen qualitativen Sprung brachte das Jahrhundert der Aufklärung. Erstmals wirkten geistige Strömungen aus Frankreich direkt auf die slowenische Kultur und auf das slowenische nationale Bewußtsein ein. Die philosophischen Errungenschaften führten die slowenischen Vertreter von den Betrachtungen der eigenen individuellen Freiheit und des eigenen individuellen Glücks dazu, dieses persönliche Konzept auf das Kollektiv der gesamten Nation zu übertragen. Die Aufklärung führte erstmals zu einer bewußten intellektuellen Auseinandersetzung mit der kollektiven nationalen Individualität und damit auch mit der gesellschaftlichen Bedeutung und Funktion der Sprache für die nationale Identität.

Janez Ziga Popovic

Die slowenischen Aufklärer befaßten sich bewußt mit der Erneuerung der slowenischen Schriftsprache, d.h. bewußt mit Sprachwissenschaft. Der erste Anhänger des neuen revolutionären Denkmodells war Janez Ziga (Johannes Sigismund) Popovic (1705 - 1774) der an der Universität Wien einige Jahre den Lehrstuhl der deutschen Sprache inne hatte und Autor einer deutschen Schulgrammatik ist. Noch im Stile der barocken Eruditen befaßte er sich mit Philologie, Botanik, Geographie, Toponomastik, Lexikographie, Sprachwissenschaft, allerdings bereits im Geiste der Aufklärung mit enzyklopädischem Zutritt, empirischem Modus und exakter wissenschaftlicher Analyse. Als Botaniker und Toponomast erkannte er die Bedeutung der volkssprachlichen Ausdrücke für Pflanzen und Toponyme, als Sprachwissenschaftler erfasste er auch die Funktion und Bedeutung der Dialekte für das Aufdecken von Sprachstrukturen. Er konnte wissenschaftlich nachweisen, daß das Slowenische trotz seiner dialektalen Vielfalt eine geschlossene eigenständige Sprache ist. Popovic hat seine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse in seinen Untersuchungen vom Meere niedergelegt, die 1750 erschienen waren und mit denen er das Erwachen des slowenischen nationalen Bewußtseins zutiefst beeinflußte. Sein "Specimen vocabolarii vindocarniolici", eine etymologisch angelegte Materialsammlung, die ungedruckt blieb, haben über Marko Pohlin, Valentin Vodnik bis Maks Pleteršnik alle slowenischen Lexikographen im 19. Jahrhundert verwendet.

Marko Pohlin

Sein persönlicher Freund Marko Pohlin (1735 - 1801) wurde auch sein direkter Nachfolger und Adept. Er applizierte die Ideen der Aufklärung in erster Linie auf die nationale Wiedergeburt seines Volkes, die er über die Sprache und Literatur fördern wollte. Als Augustinermönch und schrieb er erbauliche Schriften, doch als Aufklärer war er leidenschaftlicher Linguist, Lexikograph, Literaturhistoriker, Dichter weltlicher Poesie. Er ging eigenwillige Wege und ignorierte wenigstens teilweise die schriftsprachliche Tradition, wofür er auch von seinen Landsleuten angefeindet wurde. Doch sind seine Verdienste um die slowenische nationale Identität und Wiedergeburt von außerordentlicher Bedeutung. Er gab eine slowenische Grammatik in deutscher Sprache heraus und gestaltete das Vorwort zu einem leidenschaftlichen Appell, die slowenische Identität hochzuhalten und nicht zu verleugnen.(30) In einem Appendix publiziert Pohlin in seiner Grammatik die erste slowenische Poetik; in Ljubljana unterrichtet er auch einen Kreis junger Leute darin; in der Folge gibt dieser Kreis den ersten slowenischen Almanach mit weltlicher Lyrik heraus.(31) Als Lexikograph verfaßte das erste gedruckte nach slowenischen Stichwörtern geordnete slowenisch-deutsch-lateinische Wörterbuch.(32) Neben eigenen Wortschöpfungen zog er auch verwandte slawische Sprachen zur Wortbildung heran, vor allem das Tschechische und Kroatische. Sein Glossarium enthält so manch eigenwillige Etymologie, hat uns aber das Material Popovic überliefert, das er aus dessen Nachlaß verwerten konnte. Marko Pohl ins Wörterbücher sind in der gesamten vorausgehenden Lexikographie verankert und wirkten auf die nachfolgende ein. Pohlin hat auch eine slowenische Literaturgeschichte herausgegeben, die Bibliotheca Carnioliae Wien 1803, 2. Auflage, Ljubljana 1862.

Ozbald Gutsmann

Zu jenen Aufklärern, die sich ebenfalls noch im Alleingang mit den Problemen der nationalen Individualität, der nationalen Sprache, ihrer Funktion und Stellung in der Gesellschaft auseinandersetzten, gehörte auch der Kärntner Slowene und Jesuit Ozbald Gutsmann (1727 - 1790); er war Lexikograph und Linguist; 1756 trat er in Wien in den Jesuitenorden ein, und kehrte 1760 als Prediger und Missionar (die Jesuiten waren bemüht, den latenten Protestantismus unter dem Volk auszumerzen) nach Klagenfurt zurück. Den lebhaften literarischen und sprachlichen Aktivitäten seiner slowenischen Landsleute(33) schloß er sich zunächst mit Publikationen slowenischer Predigten und erbaulichen Schriften an. Seine Kontakte mit anderen Slawen während seiner Wiener Zeit und insbesondere die Lektüre von Pohlins Grammatik bewogen ihn zu eigenen sprachwissenschaftlichen und lexikographischen Forschungen am Kärntner slowenischen Sprachmaterial. Das Resultat war eine Grammatik(34) und ein Wörterbuch.(35) Mit diesen beiden Werken legte Gutsmann die Grundlage für eine verstärkte Integration der Kärntner Dialekte in die slowenische Schriftsprache. Seine philosophisch linguistischen Arbeiten trugen viel zur Bewußtseinsbildung von der nationalen Einheit aller Slowenen bei, die auf verschiedene politisch administrative Einheiten der Innerösterreichischen Länder aufgeteilt waren.

Zois Baron von Edelstein

Die nächste Generation schloß sich in ihren Bemühungen um die nationale Wiedergeburt und um die Affirmation der slowenischen nationalen Identität bereits zu einem "Team" zusammen, das die notwendigen sprachwissenschaftlichen und philologischen Maßnahmen analysierte und dann die Arbeit unter den Mitgliedern aufteilte. Dies geschah unter dem Mäzenat des Ziga (Sigismund) Zois Baron von Edelstein (1747 - 1819), einem wohlhabenden Bergwerksbesitzer und Gewerken. Dieser Sohn eines aus dem Venezianischen zugewanderten Vaters und einer slowenischen Mutter, ein Aufklärer enzyklopädischer Ausrichtung, ließ sich die Wiedergeburt der slowenischen Sprache, Literatur und Kultur angelegen sein. Er setzte seine finanziellen Mittel, sein Wissen und seine Bildung dafür ein, einen Kreis junger Slowenen gezielt für die Durchführung eines philologischen Programmes einzusetzen. Für dieses Vorhaben baute der Baron gezielt eine slawistische Bibliothek auf. Zu diesem Kreis um den Baron, seine "Tafelrunde"/"omizje" genannt, der sich seit 1780 zu formieren begann, gehörten Blaz Kumerdej (1738 - 1805), Jurij Japelj (1744 - 1807), Anton Tomaz Linhart (1756 - 1795), Martin Kuralt (1757 - 1845), Valentin Vodnik (1758 - 1819), Jernej Kopitar (1780 - 1844), um nur die hervorragendsten zu nennen.

Jernej Kopitar und Valentin Vodnik

Ein Desideratum der Wiedergeburtsbewegung, nämlich eine wissenschaftliche Grammatik der slowenischen Sprache wurde in diesem Kreis konzipiert, Jernej Kopitar wurde ihr Autor.(36) Im Vorwort werden die Ideen der nationalen Wiedergeburt angesprochen, in einer Nachschrift befaßt sich der Autor mit den protestantischen Schriften – auch diese Literaturgeschichte soll die nationale Wiedergeburt stärken. Valentin Vodnik wird das Projekt eines slowenisch – deutschen Wörterbuches anvertraut; er verfaßte ein 20.000 Lemmata umfassendes Manuskript, von dem bereits ein Specimen erschienen war, das dann aber nicht zum Drucke kam.(37) Im Rahmen der Napoleonischen "Illyrischen Provinzen" von 1809 bis 1814, deren Hauptstadt Ljubljana war, wurde die slowenische Sprache erstmals Unterrichtssprache in den Schulen. Valentin Vodnik verfaßte innerhalb dieser kurzen Zeit eine ganze Reihe von Schulbüchern, von denen an dieser Stelle vor allem die Schulgrammatik "Gramatika za perve šole" zu nennen ist. Sie ist sprachwissenschaftlich relevant, weil darin von Valentin Vodnik erstmals die musikalische Natur des slowenischen Akzentes festgestellt und beschrieben wird, sowie relevant für die Affirmation der slowenischen nationalen Identiät, weil die Ode an Napoleon(38), die Vodnik darin veröffentlichte, als erster Ausdruck eines politischen nationalen Bewußtseins gewertet werden kann, wie es dann 1848 im Manifest der "Zedinjena Slovenija" ("Vereintes Slowenien")(39) formuliert wurde.

Vormärz

In der Zeit des Vormärz erscheint keine slowenische Literaturgeschichte, obwohl Matija Cop (1797 – 1835) eine solche für Pavel Jozef Šafariks Geschichte der südslavischen Literaturen geschrieben hatte(40), wohl aber erschienen zwei Grammatiken der slowenischen Sprache, die lebhafte Polemiken unter der slowenischen gebildeten Schicht hervorriefen, die als "slowenischer ABC Streit" in die Geschichte eingingen.(41)

1848

Im Revolutionsjahr 1848, das die Metternich’sche Ära und den Vormärz beendete, erreichten die Völker der Habsburgermonarchie zunächst die Aufhebung der Zensur, Pressefreiheit und die slawischen Völker auch die Anerkennung ihrer sprachlichen Individualität. Das Reichsgesetzblatt wurde in die slavischen Sprachen übersetzt,(42) und dazu erwies es sich als notwendig, die entsprechende juridische Terminologie zu kodifizieren und terminologische Wörterbücher herauszugeben.(43) Die Deutsch-kroatische, serbische und slowenische Ausgabe ist dabei besonders interessant, denn sie beinhaltet den kroatisch-serbischen Sprachvertrag au dem Jahre 1850.(44)

Franz Miklosich

1849 wurde an der Universität Wien ein Lehrstuhl für slawische Philologie eingerichtet, im Gründungsdekret des Kaisers ist zugleich auch die Berufung von Franz Miklosich enthalten., d.h., daß seine Persönlichkeit wesentlich dazu beigetragen hat, daß dieser Lehrstuhl geschaffen wurde.(45) Damit wurde nun auch die slawische Philologie (Sprach- und Literaturwissenschaft) zu einer wissenschaftlichen Disziplin.(46) Dies blieb sie auch als Ende 1851 der Bach’sche Absolutismus die Errungenschaften der Revolution wieder zunichte machte. Miklosich begann an seinem epochalen Werk, der "Vergleichenden Grammatik der slawischen Sprachen" zu arbeiten, das erste wissenschaftliche Unterfangen dieser Art.(47) Diese Grammatik wurde nicht nur zur Grundlage der wissenschaftlichen Slawistik, sie spielte auch eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle. Denn mit ihr erhielten die einzelnen slawischen Sprachen eine wissenschaftliche Begründung ihrer Individualität und ihrer Beziehungen und Stellung zueinander, und sie wurden gleichrangig behandelt, d.h. sie wurden jenen der staatstragenden Völker gleichgestellt. Dies war für die kleinen slawischen Völker, die seit dem Bach’schen Absolutismus wieder um ihre Gleichberechtigung rangen, von größter Bedeutung. Für sie hatte ihre Sprache einen ganz besonderen Stellenwert, war doch ihre Anerkennung als Schul- und Amtssprache politisch relevant.(48) Das traf auch auf die Slowenen zu, deren ethnisches Territorium sich damals innerhalb der Grenzen der Habsburgermonarchie befand. So wurde die Sprachwissenschaft ein wichtiges Kriterium bei der Affirmation der nationalen Identität, denn sie stand außer Streit. Miklosichs wissenschaftliche Schriften wurden von einem sehr breiten slowenischen Publikum sogar gekauft.(49)

Die ersten Autorinnen

Seit 1848 hatte sich auch die slowenische Literatur sowohl qualitativ als auch quantitativ weiterentwickelt, wir treffen auch bereits auf die ersten Autorinnen.(50) Dies bewirkt auch die Entwicklung der Wissenschaft von der Literatur: Literaturgeschichte und Literaturkritik beginnen sich an Renan, Saint Beuve und vor allem H. Taine zu orientieren. Nach dem Revolutionsjahr 1848 beginnen literaturwissenschaftlichen Abhandlungen zur slowenischen Literatur zu erscheinen(51), die gegen Ende des Jahrhunderts bereits von einer vierbändigen Literaturgeschichte abgeschlossen werden.(52) Diese ersten slowenischen Literaturwissenschaftler lebten in einer Zeit, als es noch um die Nationwerdung, Anerkennung der nationalen Identität und um Sprachenfragen ging. In dieser Situation hatten sie einen großen Anteil am Prozeß der Entwicklung des slowenischen Volkes zu einer selbstständigen Kulturnation und großen Verdienst um die Affirmierung der nationalen Identität. Die nächste "Generation" der slowenischen Literaturwissenschaftler(53) war bereits voll in die Strömungen der europäischen Wissenschaft integriert, konnte aber zunächst ihre geistigen Kräfte nicht im Rahmen der eigenen Nation zur Geltung bringen, da es den Slowenen, im Gegensatz zu den Kroaten(54), unter der Habsburgermonarchie nicht gelungen war, grundlegende nationale wissenschaftlichen Institutionen, wie eine Universität und Akademie der Wissenschaften zugestanden zu bekommen.

Universität Ljubljana

So waren sie in Wien oder Graz tätig und als nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie im neuen gemeinsamen Nationalstaat der Serben, Kroaten und Slowenen 1919 in Ljubljana die erste slowenische Universität gegründet wurde, waren sie sofort bereit ihre Positionen in der "Fremde" aufzugeben und ihre geistigen Kräfte der slowenischen Nation zur Verfügung zu stellen.(55) Auf Grund der politischen und gesellschaftspolitischen Situation der Slowenen, die schließlich dazu führte, daß sie sich für den neuen jugoslawischen Staat entschlossen(56), ist es verständlich, daß auch die Literaturwissenschaft ein integrierter Bestandteil der slowenischen politischen Verselbstständigung war, daß ihre Vertreter, die bereits wichtige Posten im Wissenschaftsgefüge Wiens einnahmen, mit nationalem Sendungsbewußtsein an der ersten slowenischen Universität zu lehren begannen und daß sie die slowenische Literaturgeschichte als nationale Wissenschaft par exellence auffaßten. So differenziert ihre Wissenschaftsideologie bereits auch war, sie bilden für die slowenische Kultur- und Wissenschaftsgeschichte eine Einheit in dem Sinne, daß durch die Differenziertheit ihrer Auffassungen die Slowenen sofort eine voll ausgefächerte Literaturwissenschaft erhielten.

Ivan Grafenauer und Francè Kidric

Ivan Grafenauer und Francè Kidric war gemeinsam, daß sie von der Prämisse ausgingen, daß sich der Nationalcharakter eines Volkes in seiner Literatur widerspiegelt (wie bei H. Taine und W. Scherrer ), daß also die slowenische Literatur Ausdruck des slowenischen nationalen Geistes ist. Daraus folgte, daß die Literaturgeschichte zur nationalen Wissenschaft schlechthin wurde. Francè Kidric war konsequenter Positivist und erarbeitete auf der Grundlage von schriftlich belegten Faktenmaterialeien – auch aus Archiven – die Geschichte der slowenischen protestantischen Literatur. Ivan Grafenauer hatte eine klassische Gesamtschau von Literatur und Geschichte, bearbeitete aus diesem Aspekt heraus das Schrifttum und die Volksliteratur, die er mit Zuhilfenahme seiner komparatistischer Methode als einen kontinuierlichen Prozeß nachwies, an dem alle slowenischen Regionen (Kärnten, Krain, Steiermark, Küstenland, Prekmurje) gleichermaßen beteiligt sind und mit ihrem Anteil einen integrierten Bestandteil des gesamtslowenischen Kulturschaffens darstellen.

Seine Motivforschung in der Volksliteratur erwies sich für die Aufdeckung der diachronen und transregionalen Einheit des Kulturschaffens als sehr produktiv. Aus seiner übergreifenden Beschäftigung mit der Volksliteratur und Volkskunde entwickelte er sich schließlich zum Ethnographen.

Ivan Prijatelj

Ivan Prijateljs Auffassung und Methode war die, die Literatur im Spiegel der Ideen-, Geistes- und politischen Geschichte darzustellen. Er fühlte sich als Literatur- und Kulturwissenschaftler persönlich für die Entwicklung seiner Nation verantwortlich. In der "Fremde", in der Reichshauptstadt wartete er eigentlich nur darauf, sein Wissen in der Heimat der eigenen Nation zur Verfügung zu stellen. In einem Essay u.d.t. "V zatišju" (In der Windstille), der 1915 in der von ihm mitbegründeten Kulturzeitschrift "Veda" erschien, schrieb er u.a.:

"Eine große, schreckliche und schicksträchtige Zeit hat sich erfüllt: die Geschichte vollzieht sich selbst vor unseren Augen. Sie vollzieht sich und schreibt sich zugleich selbst mit den Bajonetten in die lebendigen Leiber der Völker. Der Historiker ist verstummt, trat in den Hintergrund und ließ mit offenen Augen seine Feder sinken ... und alle ahnen wir, daß etwas Großes, Neues unverhältnismäßig Wichtigeres auf uns zukommt, als alles bisherige… Zugleich mit unserer weiteren Heimat Österreich geht auch unser kleines slowenisches Volk neuen, größeren Zeiten entgegen … Schon siebzehn Jahre lebe ich fern der Heimat. Die Trennung vergrößert die Sehnsucht. Der physisch Getrennte möchte seelisch verbunden sein … In der Fremde ist die Heimatliebe zu Hause … Nach den Lehr- und Wanderjahren erwarten meine Professoren, daß ich mich der Universität zuwende, mich aber dürstet es nach der Heimat … wo liegt sie, was will sie, was macht sie, auf welche Taten ihrer Söhne stützt sie ihre Forderung nach einem kleinen Platz in der Sonne … ich studierte den Protestantismus, um in ihm den ersten Ansatz jenes Fadens zu finden, der die Idee der slowenischen Nation birgt … Hinter diesem Faden, dieser Idee von einer slowenischen Nation gehe ich einher, wie ein platonischer Liebhaber, für nichts anderes zu gebrauchen. Meine Professoren vertröste ich mit meiner Habilitation für die russische und polnische Literatur, die ich ja noch immer verfolge, auf das nächste Jahr, doch immer stärker fühle ich, daß daraus nichts werden wird. Ich werde bei meiner Geliebten bleiben, für die es auf der ganzen Welt keinen Universitätslehrstuhl gibt …und ich sagte oben, daß in den jetzigen großen, schicksalsträchtigen Tagen auch unsere Gegenwart oder sagen wir Halbvergangenheit zu Ende geht. Und noch einmal sage ich Euch: Es kommt die Zeit, da wir als Nation vor die Welt hintreten werden müssen … "

Conclusio

Für die Slowenen bedeutete die Aufklärung die Wiederfindung der eigenen nationalen Identität, für die Sprache und Literatur zum wichtigsten Identifikationsfaktor wurden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts begleiteten die Sprach- und Literaturwissenschaftler jenen Entwicklungsprozeß, der von der Sprachnation zur politischen Nation führte, die ihr Recht auf eine eigene Kultur- und Wirtschaftsentwicklung einforderte, und sie hatten einen großen Anteil daran, daß dieser Prozeß erfolgreich abgeschlossen wurde. Diese Entwicklung ist jenen in allen anderen europäischen Sprachen in der Zeit vergleichbar, entspricht sie doch auch einer inneren Notwendigkeit.

Die schöpferischen Sprachkünstler und die künstlerische Schöpferkraft waren natürlich eine Grundvoraussetzung um in den europäischen Chor einzutreten. Doch zur legalen Anerkennung im Staate, dessen Untertanen sie waren, zum Bewußtwerdungsprozeß im eigenen Volk und unter den europäischen Nationen, war eben die Inventarisierung und wissenschaftliche Analyse das notwendige Instrument, das auch z.B. die Brüder Grimm verwendet hatten. Mangels eigener, historisch starker staatlicher Strukturen waren die Sprach- und Literaturwissenschaftler am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts Träger der Affirmierung und Anerkennung der slowenischen nationalen Identität. Auch die Historiographie trug das ihre dazu bei, jedoch bot sie weniger Anlaß für Diskussionen mit einer breiten Leserschaft.

Die slowenische Kultur erlangte ihre volle Anerkennung und Entfaltung erst im 20. Jahrhundert, nachdem die Slowenen im Rahmen des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen die Möglichkeit erhalten hatten, zu einer vollwertigen Kulturnation aufzublühen. Die Okkupation durch Nazideutschland und das faschistische Italien 1941 unterbrach nicht nur die Entwicklung, die gesamte Nation war vom gewaltsamen Auslöschen bedroht. In dieser Situation wurden unter den lebensbedrohenden, unmenschlichen Umständen des Partisanenkrieges, wiederum das Wort und die Literatur zum Leitfaden für das Überleben.

Die Literatur dieser Epoche ist heute Forschungsobjekt der Literaturwissenschaft mit zeitgenössischen Methoden.(57) Dabei werden neben den historischen, literarischen auch die anthropologischen Aspekte einbezogen, womit am Beispiel der slowenischen Literatur ein Beitrag geleistet wird zum Verständnis der Funktionsabläufe innerhalb der europäischen Vielfalt. Über die Textanalyse werden die causalen Zusammenhänge bei der Entstehung von neuen Mythen aufgezeigt, wodurch das Heldentum demystifiziert wird. Dies ist ein wesentlicher Schritt vom Mythos der Romantik, das von totalitären Regimen instrumentalisiert werden konnte und wurde, zum Verständnis des menschlichen Verhaltens in einer gegebenen Situation.

© Katja Sturm-Schnabl (Wien)

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Anmerkungen:

(1)

Slovenska pesem. Slowenisches Lied.
Samo miljon nas je, Wir zählen nur eine Million
miljon umirajocih med mrlici, eine Million Sterbender unter Toten,
miljon, ki pijejo mu kri birici, eine Million, deren Blut Schergen trinken,
en sam miljon, nur eine einzige Million,
ki ga trpljenje krotovici die Leiden schinden
in vendar ga nikoli ne unici und doch nie überwinden.

(2) Karel Destovnik - Kajuh (19.12.1922 - 22.2.1944) war aus Sostanj, besuchte das Gymnasium in Celje und Maribor. Er schrieb bereits in der Unterstufe gesellschaftskritische Gedichte und publizierte sie in Schülerzeitungen. Beim Überfall Hitlerdeutschlands auf Jugoslawien floh er mit einer Gruppe Freiwilliger ins Gebirge, kehrte dann heim, wurde verhaftet und in ein Lager gesperrt. Schrieb das erste slowenische Lagergedicht, sowie einen Zyklus "Okupacija". 1941 floh er nach Ljubljana und schloß sich der Widerstandsbewegung an, schrieb den Zyklus "Markacije" (ediert Ljubljana 1982) und zusammen mit Bojan Stich das Drama "Mati". Die Grundätze der Befreiungsfront OF (Osvobodilna Fronta) wurden für ihn zur Quelle der Inspiration. Den künstlerischen und emotionalen Höhepunkt in seiner Befreiungslyrik erreichte er mit dem polemischen Gedicht "Slovenska pesem", in welchem er erklärt, daß das slowenische Volk werde trotz allem überleben, denn es bestehe nicht aus Nummern, sondern aus Menschen. Im Zyklus "Ljubezenske" erlebt das poetische ICH in der Antithese zur Zerrissenheit und Brutalität der Welt das intimste und intensivste Liebesvermögen. 1943 ging er zu den Partisanen, wo in der Divisionsdruckerei die einzige von ihm selbst zusammengestellte Band "Pesmi" gedruckt wurde. Am 22.2.1944 fiel er während eines Überraschungsangriffes der deutschen Wehrmacht.

(3) Joze Krall, Partizanske tiskarne na Slovenskem. Ggorenjske in štajerske tiskarne. Ljubljana 1976. (Die Druckereien der Partisanen in Slowenien).

(4) Tone Ferenc, Nacisticna raznarodovalna politika v Sloveniji v letih 1941 – 1945. Maribor 1968. (Die nazistische Entvölkerungspolitik in Slowenien in den Jahren 1941 – 1945).

(5) Deshalb war auch in dieser Zeit der kollektiven Lebensgefahr das dichterische Wort von solcher Bedeutung, wurde gepflegt und gefördert, druckten die Partisanen inmitten der Wälder Gedichte, trugen die Militäreinheiten die Namen der größten slowenischen Dichter und Schriftsteller, wie z. B. Cankarjeva brigada, Prešernova brigada u.a.m.

(6) Dieser Kreuzzug dauerte von 1209 bis 1245 und hat die Provençe entvölkert, denn da der Großteil der Bevölkerung samt dem Adel der catharenischen Religion anhing, wurde sie mit Feuer und Schwert ausgerottet. Vgl. René Nelli, Les Cathares. Paris 1972; Fernand Niel, Albegeois et Cathares Paris 19768 (Que sais-je 689).

(7) "Li Prouvençalo" war Mistrals erste Antologie in provençalischer Sprache. 50 Jahre lang war er Redakteur provençalischer Almanache: "Armaner Provençau", Herausgeber eines provençalisch - französischen Wörterbuches: "Lou tresour dóu Felibrige" 1879 -1887. Nach seinem Poem "Mirèio" schuf Gounod die Oper "Mireille". In seinen Gedichtsammlungen "Lis Isclo d'Or 1876, 18992 und "Lis oulivado 1912 bringt Mistral viel provençalische Folklore Thematik ein. Vgl.: A. Peyré Sully, Essai sur F. Mistral. Paris 1959; I. Soulairol, Introduction à Mistral. Paris 19642. Mario Wandruszka: Die Mehrsprachigkeit des Menschen. München - Zürich 1979, S. 70-74.

(8) Dieser jüdisch serbische Dichter ist der Autor der Romanerzählung "grobnica za Borisa Davidovica" 1976, mit der er metaphorisch mit dem Stalinismus abrechnet. In seiner letzten Lebensphase lebte und publizierte er in Paris.

(9) In seiner Romantrilogie "Seobe" (ab 1929 erschienen) schildert er die Vojvodiner Serben, die für die Habsburger auf den Schlachtfeldern Europas fallen.

(10) Er verbindet in seinen Romanen Geschichte und Gegenwart und fängt sie atmosphärisch ein: "Lelejska gora" 1962; "Hajka" 1960; "Zlo prolece" 1953.

(11) Seine Romane "Derviš i smrt" 1966 und "Tvrðava" 1970 sind in die europäische Literatur eingegangen.

(12) Sein Roman "Ja Danilo" 1960 wurde von Ina Jun Broda ins deutsche übersetzt: "Danilo und die Weltgeschichte".

(13) Katja Sturm-Schnabl, Ivan Cankar's Gospa Judit, eine Frau rebelliert. In: Debatni list Slava 2(1988/89)127 - 145; Cankar hat auch wie keine anderer zu seiner Zeit, die sozialen Verhältnisse der Reichshauptstadt Wien zur Wende des 19./29. Jahrhunderts literarisch verarbeitet. Er bearbeitet die Sprache solange bis sie zum sprachlichen Kunstwerk wird voll sinnlicher Schönheit, auch wenn das Sujet im sozialen Elend liegt.  Sein bevorzugtes Stilmittel ist die Antithese. In seinen Kurzgeschichten mit Wien als literarischen Ort, läßt er die triste Welt der damaligen tschechischen "Fremdarbeiter", oder hungriger, mißhandelter und mißbrauchter Kinder bildlich, akustisch erstehen, wobei die Schönheit der Sprache eine der von ihm subtil eingebrachten Antithesen ist. Im DRAVA Verlag in Klagenfurt erscheint seit 1994 Cankars Werk erstmals in einer adäquaten deutschen Übersetzung von Erwin Köstler; erst jetzt bekommt der des Slowenischen nicht mächtige Leser Cankars Wortkunst angeboten: Bisher erschienen: Ivan Cankar: Vor dem Ziel. Klagenfurt 1994; Pavliceks Krone. Klagnfurt 1995; Das Haus der Barmherzigkeit. Klagenfurt 1996; Aus fremdem Leben. Klagenfurt 1997 und Traumbilder. Klagenfurt 1998.

(14) Dies ist in verschiedenen mittelalterlichen Handschriften, beginnend mit dem Schwabenspiegel, beschrieben. Eine umfassende Analyse der slowenischen Rechtselemmente, die in dem slowenisch ritualisierten Teil sichtbar werden, unternahm der slowenische Mediävist Bogo Grafenauer, der nicht nur alle einschlägigen Handschriften mit einbezog, sonder diese auch kritisch edierte und mit einer slowenischen Übersetzung versah: Bogo Grafenauer; Ustolicevanje koroških knezov. Ljubljana 1952.

(15) Die drei liturgischen Texte wurden nach 972 und vor 1022/23 (oder 1039) von Originalen aus dem 9. Jahrhundert abgeschrieben. Diese altslowenische Sprache verdankt ihre Entwicklung von der gesprochenen Sprache zu einer überdialektalen Koinè zwei Christianisierungswellen, die beide ihren Anfang in der Mitte des 8. Jahrhunderts haben: die iroschottische Mission und die karolingische Mission, die für pastoratheologische Zwecke liturgische Texte bzw. Bibelübersetzungen benötigten. Hinzu kam im 9. Jahrhundert die byzantinische Mission der beiden Brüder Kyrill und Methodius, die die slavische Sprache nicht nur zu pastoralen Zwecken einführte, sondern auch aus politischen, denn der byzantinische Kaiser Michael III. hatte auch politische Ziele, als er auf Bitten des großmährischen Fürsten seine Missionare dorthin entsandte. Wie Otto Kronsteiners Untersuchungen zeigen , integrierten sie die bereits vorhandenen Texte in ihr Übersetzungswerk. Vgl.: Otto Kronsteiner, Die Freisinger Denkmäler. Lesart und Übersetzung. In: die slawischen Sprachen 53(1997)5-17; DERS.: Waren in der Kirchenprovinz Salzburg schon vor Method Teile der Bibel ins Altslowenische übersetzt? Ebd. 19 – 36; DERS.: Übersetzungstätigkeit des HL. Method in der Salzburger Kirchenprovinz. Ebd. 39 – 47; Martina Orozen, Fran Miklošic, raziskovalec slovanske obredne terminologije. (Franz Miklosich, Erforscher der slawischen liturgischen Terminologie) In: Martina Orozen, Poglavja iz zgodovine slovenskega knjznega jezika (Kapitel aus der Geschichte der slowenischen Schriftsprache). Ljubljan 1996, 43 – 69; DIESS. Brizinski spomeniki v razvoju slovenskega (knjiznega) jezika (Die Freisinger Denkmäler in der Entwicklung der slowenischen Schriftsprache). Ebd. 35 – 42.

(16) In seiner Venusfahrt zitiert Ulrich von Lichtenstein den Gruß, den ihm Herzog Bernhard von Sponheim in Thörl Maglern /Vrate entbot: "Buege vas primi Graljeva Venus".(Diesen Gruß habe ich in Kärnten in der Generation meiner Eltern ständig gehört). Oswald von Wolkenstein, der bekannte Südtiroler Liedermacher des Mittelalters, verwendet in seinem siebensprachigen Gedicht, mit dem er seine Sprachkenntnisse dokumentieren will, auch einen slowenischen Vers. Vgl. Ulrich Müller, die Ostkontakte der bedeutenden deutschsprachigen Liedermaher des Mittelalters: Oswald von Wolkenstein.In: die slawischen Sprachen 60(1999) 217-238.

(17) Vgl.Primoz Simoniti, Humanizem na slovenskem in slovenski humanisti do srede XVI stoletja (Der Humanismus auf dem slowenischen Gebiet und die slowenischen Humanisten bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts). Ljubljana 1979, 152, 193.

(18) Die Volkslieder, die im Laufe des 19. Jahrhunderts von Slavisten und Liebhabern gesammelt wurden, fanden schließlich ihren Platz in einer von der Matica slovenska herausgegebenen vierbändigen kritischen Edition: Slovenske narodne pesmi iz tiskanih in pisanih virov zbral in uredil Dr. Karel Štrekelj. Zvezek 1. Ljubljana 1895 - 1898 (Milic) ; Zvezek II Ljubljana (1900 - 1903 (Zadruzna tiskarna); Zvezek III, Ljubljana 1904 - 1907 (Zadruzna tiskarna); Zvezek IV Ljubljana 1908 - 1923 (J. Blaznika naslednik). Eine neue kritische Ausgabe erschien ebenfalls bei der Matica slovenska: Slovenske ljudske pesmi. Pripovedne pesmi I - II Ljubljana 1970 - 1981. Außerdem erscheinen laufend regionale Sammlungen. Alenka Goljevšcek, Mit v slovenski ljudski pesmi. Ljubljana 1986. Die Autorin analysiert die ältesten slowenischen Volkslieder, die ihre Wurzeln noch in mythischer Vergangenheit haben; u.a. kann sie Lieder, die auf den kosmogonischen Mythos zurückgehen nachweisen. Ein solches von der "riba Faraonika" hörte ich im September 1998 in authentischer Melodie und Stimmlage. Die Sängerin, Frau Ljoba Jence aus Cirknica in Slowenien, erzählte, daß sie die authentischen Melodien und die ursprünglich gesungene Stimmlage ("la voix de sternum") und Art des Vortrags bei Gebirgsbauern recherchieren konnte.

(19) Z.B. findet der Kampf zwischen Habsburgern und Katharina Kantakuzena, der Witwe des letzten Grafen von Cilli seinen Niederschlag im epischen Gedicht "Pegam in Lamberger". Vgl. dazu die kritische und annotierte Edition in: Slovenske ljudske pesmi. Prva knjiga. Pripovedne pesmi. Uredili Zmaga Kumer, Milko Maticetov, Boris Merhar, Valens Vodušek. Ljubljana 1970.

(20) Primoz Trubar (1508 - 1586), Adam Bohoric (ca. 1520 - 1598), Sebastijan Krelj (1538 - 1567), Jurij Dalmatin (1547 - 1589), Hieronymus Megiser (1554/55 - 1619) , um nur die wichtigsten zu nennen.

(21) Vgl. Mirko Rupel, Slovenski protestantski pisci. Ljubljana 1966; Oskar Sakrausky, Primus Truber. Deutsche Vorreden zum slowenischen und kroatischen Reformationswerk. Institut für protestantische Kirchengeschichte. Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte 5. Reihe Bd. 1. Wien 1989.

(22) Articae horulae succesivae, de latinocarnoliana literatura, ad latina lingua analogiam accomodata ...Adami Bohorizh ... Witebergae 1584.

(23) Dictionarium quattuor linguarum, videlicet Germanicae, Latinae, Illiricae (quae vulgo Slavonicaa appelatur) et Italicae sive Hetruscae. Auctore Hieronymo Megisero. ..Graecii (...) MDXXXXII; Auszug: Anneliese Lägreid: Hieronymus Megiser , slovenisch-deutsch-lateinisches Wörterbuch. Neugestaltung und Faksimile der ersten Ausgabe aus dem Jahre 1592 (...) Wiesbaden 1967 (Monumenta linguae slavicae dialecti veteris. Fontes et Dissertationes VII); Thessaurus Polyglottus: vel Dictionarium multilingue ex quadrigentis circiter tam veteris quam novi (...) linguis, dialectis, idiomatibus et idiotismis constans (...) ab Hieronymo Megisero (...) Francoforti ad Moenom M.D.C.III. Auszug: Joze Stabèj: slovenski-latinsko-nemski slovar izpisal in uredil Joze.Stabèj, Ljubljana 1977 (SAZU Philologiae et litterae opera 32). In seiner Ausgabe des Thessaurus 1603 erweiterte Megiser den slowenischen Wortanteil.

(24) Vgl. Janez Rotar, Primoz Trubar in juzni Slovani. Ljubljana 1988; DERS. Die Nationwerdung der Slowenen und die Reformation. Trubars Benennungen von Ländern und Völkern. Mšnchen 1991.

(25) An dieser Stelle möchte ich nochmals das Werk des protestantischen Theologen und Kirchenhistorikers Oskar Sakrausky hervorheben, der in seiner Bearbeitung der deutschen Vorreden Primus Trubers nicht nur dessen theologischen Stellenwert auslotet, sondern auch Trubers philologischer Leistung gerecht wird und außerdem sieht, daß Trubers Liebe zu seinem Volk ein Indiz dafür ist, daß er es als Nation betrachtet, was er ja auch durch die Kirchenordnung manifestiert hat, die nach damals von rechtswegen an eine gegebene Staatsordnunggebunden war , die die Slowenen nicht hatten.

(26) "Register und summarischer Innhalt aller der Windischen Bücher, die von Primo Trubero bis auf dis 1561 Jar in Truck geben seind, und jetzundt zum andern, in der Crobathischen Sprach mit zweyerley Crobatischen Geschrifften, nämlich mit Glagolla und Cirulitza, werden getruckt (Dise Sprach unnd Buchstaben, brauchen auch die Türcken) darbey ist ein Vorred, die zeigt an, warumb diser Elenchus oder Register getruckt sey, und was hernach/ in gemelten Sprachen weitter verdolmetscht und getruckt werden soll. Phil. Il. Alle Zungen sollen bekennen/ das Jesus Christus der Herr sey/ zu Ehre Gottes des Vaters. Getruckt zu Tübingen/ bey Ulrich Mocharts Wittib. 1561."

(27) Die Ehre des Hertzogthums Crain. Deß Hochlöblichen Hertzogthums Crain Topographisch-Historische Beschreibung Sechstes Buch: Darin die Crainerisch und Sclavonische Sprache/wie auch/Sitten/ und Gebräuche dieses Landes/ ....Imgleichen die Gewerbe/ Handtierungen/ und Studien daselbst/ samt denen/ in einem absonderlichen Anhange begriffenen/ gelehrten Scribenten und derselben ans Licht gegebenen Werken erzehlet wird. Nürnberg 1689 (Reprint Ljubljana - München 1970 - 1974).

(28) Neben Hieronymus Megiser hat sich auch Jurij Dalmatin lexikographisch betätigt, er fügte seiner Bibelübersetzung ein Register mit 755 Stichwörtern bei, das als eine Art Synonym- oder Differenzialwörterbuch angesehen werden kann.Vgl. Velimir Gjurin, Register 1584 kot slovaropisni dosezek. In: Slavisticna revija. Casopis za jezikoslovje in literarne vede 32/3(1984)183 - 208.

(29) Vgl. Katja Sturm-Schnabl, Slowenische Lexikographie In: Wörterbücher - Dictionaries - Dictionnaires. ein Internationales Handbuch zur Lexikographie - An International Encyclopedia of Lexicography - Encyclopédie internationale de lexicogaphie. Hg. Franz Joseph Hausmann - Oskar Reichmann - Herbert Ernst Wiegand - Ladislav Zgusta. Walter de Gruyter - Berlin - New York 1990, 2296-2302.

(30) Kraynska grammatika. Die crainerische Grammatik, oder die Kunst die crainerische Sprach regelrichtig zu reden, und zu schreiben, welche aus Liebe zum Vaterlande, und zum Nutzen derjenigen, soselbe erlernen, oder in selber sich vervollkommentlicher üben wollen, bey ruhigen Stunden mit besonderem Fleiße verlasset zum Behufe der Reisenden mit etwelchen nützlichen Gesprächen versehen und mit vollkommener Genehmhaltung Hoher Obrigkeiten zum Druck befördert hat P. Marcus A.S. ANTONIO PAD. Des uralten Eremiten Ordens der Augustiner Discalceaten Professor Priester bey St. Joseph auf den Landstrassen. Laybach, gedruckt bei Joh. Friedr. Eger. Landschaftl. Buchdr. Im Verlag von Lorenz Bernbacher, bürgerl. Buchbinder 1768.

(31) Isanice od lepeh umetnost. Von diesem Almanach erscheinen die Jahrgänge 1779, 1780 und 1781 in Druck, die Jahrgänge 1782 und 1783 sind im Manuscript erhalten geblieben. Eine Faksimile Ausgabe aller Jahrgänge erschien in Ljubljana 1977 (Mladinska knjiga).

(32) Marko Pohlin, dictionarium slavicum carniolicum oder deutsch-slavonisch krainerisches und lateinisches Wörterbuch Viennae 1792; unveränd. 2. Aufl. 1792; unverän. 3. Aufl. 1793; Faksimile Ausgabe der 1. Aufl. in: Geschichte Kultur und Geisteswelt der Slowenen Bd. XI München 1973 Re. Joze Stabèj.

(33) 1744 hatten die Klagenfurter Jesuiten Bohoric's Grammatik in deutscher Sprache herausgegeben, sein Mitbruder und Landsmann Markus Hansiz war ein angesehener Kirchehistoriker und Begründer der Germania sacra.

(34) Windische Sprachlehre verfaßt von Oswald Gutsmann, weiland kais. königl. Missionär in Kärnten. Klagenfurt 1777.

(35) Oswald Gutsmann, Deutsch Windisches Wörterbuch mit einer Sammlung der verdeutschten windischen Wörter. Klagenfurt 1789.

(36) Die slavische Sprache in Krain Kärnten und Steyermark. Ljubljana 1808. Da der Verfasser zum Zeitpunkt der Drucklegung bereits in Wien war, besorgte Valentin Vodnik das Lesen der Korrekturen und die Überwachung der Drucklegung.

(37) Das Specimen erschien zur Zeit der Illyrischen Provinzen im französischen Amtsblatt "Le Télégraphe officièlle". Der Zusammenbruch Napoleons und die Rückeingliederung der Illyrischen Provinzen in das Habsburgerreich verhinderten das Erscheinen des Wörterbuches.

(38) "Ilirija ozivljena", ein Preislied auf Napoleon und die Freiheit, die er den Slowenen gebracht hatte, war mit ein Grund, daß der Autor nach der Wiedereingliederung in die Habsburgermonarchie in Ungnade fiel und aus dem Schuldienst entlassen wurde. Als Kuriosum sei vermerkt, daß im Exemplar dieser Schulgrammatik, das sich in der Fachbibliothek für Slawistik an der Universität befindet, die Seiten mit der Ode herausgeschnitten sind, was offensichtlich der Zensur der Vormärzzeit zu verdanken ist.

(39) Miklosich war Präsident der Vereinigung slowenischer Studenten und Intellektueller in Wien "Slovenija" und hat in dieser Funktion das Manifest verfaßt, mit dem erstmals eine administrative Vereinigung aller slowenischen Länder zu einer administrativen Einheit als politische Forderung aufgestellt wurde. Vgl. Stane Granda, Fran Miklošic v revolucionarnem letu 1848/49. In: Miklošicev zbornik. Kulturni forum Maribor 1991, 87 –97.

(40) Sie erschien erst in der zweiten Auflage 1864, die Šafariks Schwiegersohn Josef Jirecek herausgab.

(41) Fran Metelko (1789 – 1860) verfaßte nach dem Muster von Josef Dobrowsky, dem "Vater der Slavistik" ein "Lehrgebäude der slowenischen Sprache" (1825). Darin schlägt Metelko eine neue Schreibweise vor, bei der nach Kopitars Idee die slowenischen Zischlaute mit Graphemen aus dem kyrillischen Alphabeth dargestellt werden. Peter Dajnko (1787 – 1873) schlägt in seiner 1824 erschienen Grammatik "Lehrbuch der windischen Sprache" wiederum andere Grapheme vor, und bleibt sprachlich zudem auf der Basis seines oststeirischen Dialektes.

(42) Zunächst hatte Miklosich an der Übersetzung des Reichsgesetzblattes ins Slowenische gearbeitet, als er 1849 als Professor an die Universität berufen wurde, gab er diese Tätigkeit an Matevz Cigale ab.

(43) Diese erschienen u.d.T. Juridisch-politische Terminologie für die slavischen Sprachen Österreichs. Von der Commission für slavische juridisch-politische Terminologie. Die Deutsch-böhmische Separat-Ausgabe erschien 1850, die Deutsch-kroatische, serbische und slowenische Separatausgabe erschien 1853.

(44) Die Deutsch-kroatische, serbische und slowenische Ausgabe ist dabei besonders interessant, denn sie beinhaltet ein wichtiges Dokument, nämlich das Abkommen zwischen den Kroaten und Serben der Habsburgermonarchie, aus Gründen der Kostenersparniß und wegen der Ähnlichkeit der beiden Sprachen, sich auf einen gemeinsame Terminologie in jeweils lateinschriftiger und kyrillischer Variante zu einigen. Dieser “Wiener Vertrag” – Becki dogovor – ist im Rahmen des Vorwortes des Redakteurs für das Kroatische, Dr. Dimitrija Demeter, publiziert. Er erklärt die Gründe und die Kompromisse, auf die man sich zu Gunsten einer gemeinsamen Schriftsprache geeinigt habe; auch der Redakteur für das Serbische, sein Vorwort ist kyrillisch gedruckt, tut desgleichen. Das dritte Vorwort stammt vom Redakteur für das Slowenische, M. Cigale und ist in slowenischer Sprache abgefaßt. Das Wörterbuch ist nach deutschen Stichworten gegliedert, denen jeweils die kroatischen, serbischen und slowenischen Entsprechungen folgen. Das heißt,daß die Gemeinsamkeit der Schriftsprache des Serbischen und Kroatischen, die bis zum Zerfall Jugoslawiens immer wieder Anlaß für Hegemonievorwürfe an die Serben bildete, war im Rahmen einer österreichischen Institution aus rein praktischen Gründen kodifiziert worden .

(45) Franz Miklosich (1813 – 1891) war Slowene und gehört zu den hervorragendsten Gelehrtenfiguren des 19. Jahrhunderts, seine wissenschaftlichen Interessen und sein wissenschaftliches Werk weisen ihn als visionären Forscher aus. Er hatte diesen Lehrstuhl 35 Jahre inne, und hat die wissenschaftliche Slawistik in Österreich aufgebaut, den wissenschaftlichen Nachwuchs und Generationen von Mittelschullehrern für die slawischen Sprachen der Habsburgermonarchie ausgebildet.

(46) Bis dahin waren die klassische, germanische und romanische Philologie anerkannte Disziplinen gewesen. Miklosich hat selbst in einer programmatischen Ansprache vor der achtzehnten Versammlung deutscher Philologen, Schulmänner und Orientalisten in Wien 1858 sein persönliches demokratisches Verständnis von der Gleichwertigkeit aller Philologien deklariert: " …so gibt es so viele Philologien, als es verschiedene Völker gibt, deren literarische Denkmäler zur Erkenntnis des Lebens in seiner idealen und realen Richtung ausreichen…"

(47) Franz Miklosich, Vergleichende Grammatik der slawischen Sprachen I - IV. Wien 1852 – 1876.

(48) Der jahrzehntelangen Kampf um die Anerkennung der Muttersprache als Schulsprache bei den Tschechen und teils auch bei den Slowenen wurde aufgearbeitet von: Hannah Burger, Sprachenrecht und Sprachgerechtigkeit im österreichischen Unterrichtswesen 1867 – 1918. Wien 1995.

(49) Er verkaufte seine Werke über seine Freunde in der Heimat; dies geht aus seiner Korrespondenz hervor: K. Sturm-Schnabl Franz Miklosich’s Briefwechsel mit den Südslawen – Miklošiceva korespondenca z juznimi slovani. Maribor 1991 (in den Briefen an Muršec).

(50) Mateja Kušej, Prve uciteljice, prve pisateljice – kdo jih še pozna. Celovec 1996 (die ersten Lehrerinnen, die ersten Schriftstellerinnen, wer kennt sie noch); K. Sturm-Schnabl, Zena v slovenski literaturi kot avtorica in kot lik. In: Jezik in slovstvo. letnik 48(1997/98) štev. 3, 97-107.

(51) Die wichtigsten Autoren der Anfänge einer Literaturwissenschaft bei den Slowenen sind: Janez Trdina 1830 – 1905), Anton Janezic (1828 – 1869), Josip Marn (1932 – 1893), Fran Levstik (1831 – 1887), Fran Lvec (1846 – 1916), Jurij pl. Kleinmayr (1847 – 1913), Ivan Macun (1821 – 1913), Karol Glaser (1845 – 1913).

(52) Karol Glaser, Zgodovina slovenskega slovstva I – IV: Ljubljana 1894 - 1900.

(53) z. B.: Ivan Grafenauer (1880 – 1964), Francè Kidric (1880 – 1950), Ivan Prijatelj (1875 – 1937), um nur die wichtigsten zu nennen.

(54) Die Bestrebungen der Kroaten um eine kroatische Universität und eine Akademie der Wissenschaften und Künste zu gründen, waren nach langen Verzögerungen von Erfolg gekrönt. 1866 wurde die Akademiegründung rechtskräftig 1874 konnte die kroatische Universität eröffnet werden. Die größten Verdienste hatte dabei der Bischof Josip Juraj Strossmayr. Wie sehr alle Südslawen, auch die Slowenen daran Anteil nahmen, geht aus dem Briefwechsel Franz Miklosichs mit den Südslawen hervor.

(55) Zwölf Professoren der philosophischen Fakultät in Ljubljana kamen aus Wien und sechs aus Graz. Dasselbe galt auch für die anderen Bereiche, so daß diese neugegründete Universität sofort voll funktionsfähig war. Vgl. Zbornik filozofske fakultete v Ljubljani 1919 – 1989. Ljubljana 1989.

(56) Feliks J. Bister, "Majestät es ist zu spät…" Anton Korošec und die slowenische Politik im Wiener Reichsrat bis 1918. Wien - Köln - Weimar 1995. Der Autor zeigt anschaulich auf Grund von Archivmaterial, wie wenig Verständnis die politische Führung der Habsburgermonarchie für die Anliegen der Slowenen hatte, so daß sie keine Wahl hatten.

(57) Mit diesem anthropologischen Anspruch hat Marija Stanonik die Literatur des Widerstandes einer textkritischen Analyse unterzogen, die entsprechenden Textsorten ediert und ihre Arbeit in drei Bänden herausgegeben: Marija Stanonik, Iz kaosa v kozmos. 1941 – 1945 Kontekstualnost in zanrski sistem slovenskega odponiškega pesnišstva 1941 – 1945. (Aus dem Chaos in den Kosmos. Kontextualität und Genresystem in der slowenische Widerstandslyrik = In: Revija za zgodovino, literaturo in antropologijo. Ljubljana 1995 ( In: Zeitschrift für Geschichte, Literatur Anthropologie 535 – 539 Ljubljana 1995); DIES.: "Pozdravljeno trpljenje…". Poezija konteksta I. In: Revija za zgodovino, literaturo in antropologijo 5/6/7 Ljubljana 1993 (Sei gegrüßt Leiden …" Poesie des Kontextes I.); DIES.: "Na tleh leze slovenstva stebri stari" FRANCE PRESEREN KRST PRI SAVICI. Poezija konteksta II. In: Revija za zgodovino, literaturo in antropologjo 8/9/10 Ljubljana 1993 ("Auf dem Boden liegen des Slowenentums alte Säulen" France Prešeren. Poesie des Kontextes II).


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