Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 8. Nr. Juli 2000

Kulturseminare

Gabriele Pfeiffer (Wien) [BIO]

Idee, Konzept

Ich stelle eine Projektreihe vor, die sich - vom INST und seinen PartnerInnen konzipiert, ausgearbeitet und organisiert - an eine breite Öffentlichkeit richtet: die Kulturseminare.

Die Kulturseminare werden in ein- bis mehrwöchigen Blöcken in unterschiedlichen Regionen abgehalten. Die Arbeitsthemen werden der Region entsprechend ausgewählt, sodaß die Umgebung, in der die Kulturseminare stattfinden, miteinbezogen werden kann. Kultur und kulturwissenschaftliche Erkenntnisse sollen dabei einer breiten Öffentlichkeit von Kulturinteressierten zugänglich gemacht werden.

Dadurch wird Tourismus vom Konsumieren von Urlaub zu Kulturaustausch, und kann so eine Bereicherung von Kultur und Leben von BesucherInnen und Besuchten darstellen.

Die TeilnehmerInnen setzen sich aus WissenschafterInnen, KünstlerInnen, den Menschen, die in diesen Orten und Städten (in denen die Kulturseminare abgehalten werden) leben und jenen, die dort Urlaub machen, zusammen. Es sollen dadurch Möglichkeiten eröffnet werden, Kunst und Kultur auf eine neue, intensivere Weise kennenzulernen: D.h., sich einerseits mit kulturwissenschaftlichen Ergebnissen zu Städten und Ländern und kulturellen Prozessen vertraut zu machen und andererseits durch einen direkten Kontakt vor Ort, Menschen anderer Länder, die Kunst und Kultur eines anderen Landes durch Anschauung und sinnlichen Genuß kennenzulernen. Weiters konstituiert sich in dieser Idee eine Art und Weise wissenschaftliche Ergebnisse durch die Herstellung einer direkten Kommunikation zu vermitteln.

In einer Gesellschaft, die immer mehr durch die Abgrenzung des Einzelnen bestimmt ist, die durch Ignoranz und Arroganz Gewalttätigkeiten provoziert und auf die Unterschiede von Kulturen, Nationen und Individuen baut, erscheint es dringend notwendig, einen Gegenpol anzubieten. Die Kluft, die zwischen Menschen entsteht, wenn die Kommunikation abgebrochen oder nie aufgenommen worden ist, wirkt abschreckend und beängstigend. Und es erhebt sich die Frage, wie die Möglichkeiten aussehen könnten, die, anstelle den Anderen abzulehnen, was in extremis zu einer gewalttätigen Vernichtung des anderen führt, eine Verständigung und ein Verständnis dem anderen gegenüber herbeiführen. Ein nicht unwesentlicher Beitrag dazu kann von der Kulturwissenschaft geleistet werden, wie auch die Ausstellung "Kulturwissenschaften und Europa" zeigt.

Die Intention der Kulturseminare ist nicht nur, Tourismus als Kulturaustausch zu sehen, sondern internationale, intersoziale und interkulturelle Prozesse zu unterstützen und Kunst, Kultur und kulturwissenschaftliche Resultate in den öffentlichen Diskurs einzubringen und zur Diskussion zu stellen. Durch die Beteiligung von Menschen aus unterschiedlichen Bereichen, Lebensumständen und Nationen können Kulturwissenschaft und Kunst nicht nur vermittelt und ausgetauscht werden, sondern es wird der direkte Kontakt, die Kommunikation gefördert.

 

Ein Beispiel: Kulturseminar "Bauern im Film"

1997 wurde vom INST mit den Vorbereitungen zu Kulturseminaren begonnen. Es waren verschiedene Kulturseminare in verschiedenen Ländern geplant. Doch leider kam es mangels materieller Mittel zur Bewerbung 1998 nur zur Realisierung eines Kulturseminars in der Ramsau (in der Steiermark). Dabei wurde das Thema "Berge. Kultur, Politik" anhand von Vorträgen, die zum Teil von Lichtbildern begleitet waren, und Lesungen behandelt und diskutiert. Die Veranstaltungen, die sowohl von TouristInnen als auch von Einheimischen besucht wurden, wurden so gut aufgenommen, daß die Arbeiten vom INST in diese Richtung weitergeführt worden sind.

So wurde 1999 in Trins im Gschnitztal in Tirol ein weiteres Kulturseminar angeboten.

Die Veranstaltungen fanden im Rahmen des 2. Internationalen Hirten- und Sennerforums statt, sodaß als Thema "Bauern im Film" gewählt worden war.

Eröffnet wurde das Kulturseminar mit der Verfilmung des Romans "Abschied von Gülsary" von Tschingis Aitmatow. An den darauffolgenden Tagen wurden "Der Kaiser am Lande", der zweite Teil der Fernsehserie "Alpensaga", "Helden in Tirol", "Die Siebtelbauern", "Schöne Tage", "Erdsegen" und "Black Flamingos" gezeigt. Die Filmvorführungen wurden von WissenschafterInnen und Schriftstellern, wie Wilhelm Pevny und Franz Innerhofer, eingeleitet. Anschließend an die Präsentationen gab es die Möglichkeit zu Publikumsdiskussionen.

Das internationale Publikum (insgesamt 630 TeilnehmerInnen), aus Deutschland, Irland, Korsika, Peru, der Schweiz und Österreich sowie die Trinser und Trinserinnen, nahm die Abendveranstaltungen zum Anlaß, nicht nur über die Filme als Kunstmedium zu diskutieren, sondern auch manche Lebensgeschichte und Erfahrung auszutauschen.

Im Mittelpunkt standen Geschichten von Menschen, die um bessere Lebensbedingungen kämpfen - in den Filmen sowie im Leben. Die äußerst spannenden Diskussionen nach den Filmen, die ihre Fortsetzung in den Gasthäusern fanden, erlaubten nicht nur persönliche Kontakte und Erfahrungsaustausch, sondern förderten auch die Begegnung zwischen Menschen und ein Verständnis für Kunst.

 

Perspektiven

Aufgrund der positiven Rezeption dieser Veranstaltung ist bereits ein weiterer Termin geplant. Im Jahr 2000 findet das Kulturseminar "Bauern im Film" vom 25.9. bis zum 1.10. in Trins / Tirol wieder im Rahmen des internationalen Hirten- und Sennerforums statt. Zu den Filmvorführungen werden RegisseurInnen, AutorInnen, SchriftstellerInnen, SchauspielerInnen eingeladen, die die Filme einleiten und nach der Vorführung mit dem Publikum diskutieren werden.

Ebenso wird wieder in Ramsau am Dachstein ein Kulturseminar veranstaltet. Das Thema lautet "Berge im Film – Eroberung der Landschaft". Neben den Filmvorführungen werden hier unter anderem geführte Wanderungen angeboten.

Für die Zukunft ist geplant, derartige Seminare zur Kultur auch in Ländern wie Bulgarien, Rußland, Ungarn, oder der Türkei anzubieten. Damit soll versucht werden, eine breite, internationale Basis für Kulturvermittlung, Kulturaustausch, eine neue Form des Erlebens von Kultur zu schaffen.

Ein Rückblick auf die Kulturseminare der Jahre 1998 und 1999 kann den Presseinformationen des INST entnommen werden. Auch einige Stimmungsbilder sind via WWW abrufbar. Weiters wird auf der Website des INST unter http://www.inst.at/kuse/ über Programme, Unterkunftsmöglichkeiten und Preise der jeweils aktuellen Kulturseminare informiert.

© Gabriele Pfeiffer (Wien)

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