Quantentechnologie und Europa

Zu wissenschaftlichen Fragestellungen und ökonomisch-gesellschaftlichen Strategien

Herbert Arlt (Bio)

English

 

Dieser Essay steht unter anderem im Kontext  meiner Studien zu sprachmaschinellen Übersetzungen seit den 1970er Jahren, dem Entwurf einer offenen Suchmaschine (1992), meinem Entwurf eines Quantencomputers (1995), meinen Erfindungen von Quantenprozessoren und deren Software.

 

Dieser Essay steht aber auch im Kontext der 8 Weltkonferenzen, die ich für das INST seit 1999 koordinierte (beginnend mit der Konferenz in der UNESCO Zentrale 1999 im Paris). Es nahmen bis zu 7.000 TeilnehmerInnen aus über 100 Ländern an diesen Weltkonferenzen teil. Im Zentrum der transdisziplinären Konferenzen, an denen WissenschafterInnen, KünstlerInnen von über fünf Dutzend Disziplinen sich beteiligten, standen Sprachen, Literaturen, Künste, Wissenschaften, Forschungen in einer sich verändernden Welt – mit neuen Erkenntnissen zu Natur und Kultur und möglichen gesellschaftlichen Konsequenzen.

 

In diesem Kontext koordinierte ich Projekte für die UNESCO, das Europäische Parlament, die EU, aber auch für Gemeinden und Staaten. Ich wurde vom seinerzeitigen EU Kommissionspräsidenten Juncker als strategischer Partner der EU anerkannt.

 

Weiters steht der Essay im Kontext zum Quantum Flagship, zur Konstituierung von QuIC (Quantum Industry Consortium), zur EU (darunter: Horizon).

 

In diesem Kontext (Erfindungen, Foren, Forschungspolitik) erlaubte ich mir, im Vorfeld der 2. Quantenkonferenz Thesen vorzutragen, ebenso im Rahmen der Konferenz THE RISE OF ASIA 2022 / LA MONTEE DE L’ASIE 2022 (virtuelle Konferenz organisiert von Kollegen der Universitäten Le Havre und Paris) sowie zur Konferenz  Quantum Ambitions (Konferenz zur Quantentechnologie im Rahmen der französischen Präsidentschaft). 

 

1.Quantenphysik – eine anerkannte Wissenschaft
Der Quantenphysik wurde lange große Skepsis entgegengebracht, weil sich physikalische Erkenntnisse mit fragwürdigen Interpretationen verbanden. Schrödingers Katze ist ein Beispiel von einer Unfähigkeit physikalischer Darstellung in diesem Kontext.(1)

Aufgrund von Experimenten von vielen, dem Nobelpreis für Physik des Jahres 1918 (1919 an Max Planck für seine Quantenforschung verliehen), der Anwendung von Erkenntnissen der Quantentheorien in gegenwärtigen Produktionen hat sich die Quantenwissenschaft weltweit als ein Teil der International Science Community etabliert.

 

2. Grundlagenforschung
Es hat sich als richtig erwiesen, dass durch die Grundlagenforschung revolutionäre Fortschritte zu erzielen sind. Es kommt nicht darauf an, der Forschung mitzuteilen, welche Ergebnisse erwünscht werden, sondern aus den Erkenntnissen zu Natur und Kultur müssen Konsequenzen für Produktionen, für gesellschaftliche Entwicklungen gezogen werden. Diese Phase ist nun erreicht. Dessen ungeachtet verbleibt die Bedeutung der Grundlagenforschung für jetzt und in der Zukunft, denn nur auf der Basis von Grundlagenforschung entstanden die neuen Möglichkeiten der Erkenntnisse.

 

3. Quantum Flagship
Die Konstituierung des Falgship war ein wichtiger Schritt. Das Budget für das Flagship wurde mittlerweile auf 2 Milliarden Euro verdoppelt. Nochmals 2 Milliarden werden von Deutschland investiert (die erste Arbeitsstelle der Bundeskanzlerin Angela Merkel war 1978 Quantenchemie). Weitere private und staatliche Mittel dürften im Vergleich mit dem Flagship Budget seit 2021 insgesamt ein 10faches an Investitionsmitteln in der EU ergeben. Aber es verbleibt die Fragmentierung.

 

4. QuIC
Ein wichtiger Schritt, um auf der Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse eine Produktion von strategischer Bedeutung in der EU zu fördern, war QuIC zu gründen. Eigentliche Schritte von strategischer Bedeutung für die Produktion wurden aber noch nicht formuliert. Denn die Propagierung von der Bedeutung der Quantenforschung ist im Kern bereits weitgehend überholt. Das belegen die Budgets von EU, Nationalstaaten, Konzernen etc. Grundsätzlich in Frage gestellt sind aufgrund der “Fehler”(2), die sich durch die Experimente ergeben, Numerik und Mechanik. Hunderte Firmen, Konzerne sind bereit. Es geht um die Organisation der Produktion und deren Ausrichtung auf einer neuen Basis – jenseits von Numerik, Algorithmen.

 

5. Die 2. Quantenkonferenz
Sie hatte des Potential, um die strategische Ausrichtung der EU zu formulieren. Dazu müssten aber die Erkenntnisse aus den bisherigen Forschungen und Investitionen berücksichtigt und daraus Konsequenzen gezogen werden. Diese Erkenntnisse hätten grundlegende Bedeutung für neue Möglichkeiten unter anderem in folgenden Bereichen:
– Sprachen
– Künstliche Intelligenz/ Künste
– Medizin

– strategisch bedeutsame Energieersparnis
– weltweites Finanzsystem
– Verteidigung geistigen Eigentums
– neues Verständnis von Grundlagenforschung
– Etc.
Hier fehlte – wie auch sonst – die Pluralität.

 

6. Numerik, Algorithmen und Quantenphysik
Die bisherigen Erkenntnisse der Quantenwissenschaften und die angestrebten Ziele ihrer Anwendung stehen in einem diametralen Widerspruch zueinander. Es ist allgemein anerkannt, dass Ergebnisse der Experimente der Quantenphysik den Erkenntnissen der klassischen Physik entgegen stehen, aber mit Begriffen wie Quantenmechanik der Anschein erweckt wird, dass der entscheidende Schritt noch nicht getan ist. Numerik, Algorithmen, Mechanik waren Begriffe, die hilfreich waren im Kontext maschineller Produktionen, Verwaltungen, aber sie bilden keineswegs Materie, Energie, Wellen ab. Es sind Annäherungsversuche, deren Ergebnisse die Welt verändert haben.

 

7. Die Dominanz der Maschinen
Die menschliche Kultur hat sich in zehntausenden von Jahren nicht als numerische Kultur konstituiert. Die Bedeutung der Numerik geht vielmehr mit der Schifffahrt, den Maschinen etc. einher. Sie ist aber eine reduktionistische Kultur, die ihre Bedeutung durch Gewalt gegenüber Menschen, gegen die Natur und zwischen Gruppen und Gesellschaften (darunter im Krieg) erlangt.

 

8. Sprachen, Künste, Künstliche Intelligenz
In der Herausbildung der menschlichen Kultur spielten Farben, Töne, Zeichen eine zentrale Rolle. Seit 100 Jahren wird in den Künsten vor der Diktatur der Maschinen gewarnt. Zugleich aber werden Menschen, selbst Künste den Erfordernissen der Maschinen unterworfen.
Freilich zeigen die “Fehler” bei maschinellen Übersetzungen, bei “Quantencomputern”, in der Virenforschung etc., dass die Unterwerfung nicht wirklich funktioniert.
Es bedarf eines neuen Herangehens an die Produktion, das den zehntausende Jahren alten Kulturen der Menschen entspricht, den Ergebnissen heutiger Forschungen.

 

9. Die Verteidigung der Erkenntnisse
Anhand der TAN Zahlen kann gezeigt werden, dass die derzeitigen Schutzmaßnahmen durch Patente nicht ausreichen. Ein Kernproblem sind die horrenden Prozesskosten. Dazu wurden von mir Vorschläge an das QuIC, das Flagship Quantum sowie die EU Kommission geschickt. Es kann nicht sein, dass Innovation, wissenschaftliche Diskurse durch einen Wirtschaftskrieg beeinträchtigt werden.

 

10. Die Bedeutung der Produktion
Wichtig für die Verteidigung der Erkenntnisse ist die Produktion. Gleichzeitig steckt aber auch die Gefahr in ihr, die Ergebnisse zu pervertieren.
Mit der Produktion aber entsteht das Interesse, die Erkenntnisse, die Erfindungen zu verteidigen.
Der größte Raub derzeit findet im Rahmen der Abschöpfung von Erkenntnissen statt, die im akademischen Diskurs öffentlich dargelegt werden.

 

11. Die Notwendigkeit geeigneter Rahmenbedingungen
Der zweite Weltkrieg (Atomforschung), die Pandemie (Impfstoffe) haben gezeigt, dass rasch dort Ergebnisse erzielt werden können, wo Staaten oder Zusammenschlüsse von Staaten Geld für Profit oder die Erreichung staatlicher Ziele garantieren.
Die Digitalisierung aber hat auch gezeigt, dass sich Konzerne ihre Gewinne durch Staaten garantieren lassen, wenn ihre Produkte nicht mehr konkurrenzfähig sind. Aus ihren Produktionsschwächen ergeben sich klassisch zwischenstaatliche Konflikte mit militärischen Implikationen.
Von strategischer Bedeutung ist daher von vornherein, die friedliche Nutzung der Erkenntnisse der Quantentechnologie zu sichern.
Im militärischen Bereich spielten die Erkenntnisse bisher dahingehend eine Rolle, als das Stealth Programm der USA und ihrer Verbündeter durch die Quantentechnologie in Frage gestellt wird. Mit der Verkündung des AUKUS Paktes (USA, Großbritannien, Australien) am 16.9.2021 kommt auch ein offensiver Aspekt dazu. Der Einsatz von Quantentechnologie wird explizit erwähnt. Dass Schiffe im Zentrum stehen, erinnert an fragwürdige Traditionen der Kolonialpolitik.
Die Erfahrungen mit dem Feudalismus haben gezeigt, dass Kriege niemals nachhaltige Erfolge bringen. Die Welt des bürgerlichen Kolonialismus ist ebenso zusammengebrochen. Aber auch die Welt des Imperialismus (Finanzkapital, Rüstungskonzerne) befindet sich auf dem Rückzug.
Gefährlich wird dem Menschen derzeit vor allem, dass Staaten, Produktionsweisen die Natur negieren, auch wenn in den Öffentlichkeiten unzählige Beiträge auf die negativen Folgen verweisen.

Die Natur reagiert mit Erdbeben (siehe Atomwaffenversuche), mit Pandemien (siehe Umgang mit Tieren), mit Hitze, mit Überschwemmungen (siehe industrielle Produktion). Noch immer ist die größte Gefahr nicht gebannt – die Vernichtung der Welt durch einen Atomkrieg. (Das Vernichtungspotential der vorhandenen Waffen würde es ermöglichen, die Welt vielfach zu vernichten.)

Die Erkenntnisse der Quantentechnologie weisen neue Wege. Aber wie Jura Soyfer in seinem Stück “Der Weltuntergang” zeigt, bringt keine Technologie als solche eine Rettung. Vielmehr kommt es auf die Menschen, ihre Gesellschaften an – wie sie Technik, Technologien nutzen, das Zusammenleben gestalten.

(1) Der potentielle Tod der Katze ist nicht notwendig. Er offenbart nicht nur aus meiner Sicht die reaktionäre Geisteshaltung. Mit Physik hat das nicht wirklich etwas zu tun, auch wenn das “Gedankenexperiment” unkritisch in der Welt der Physik übernommen wird.
(2) Zeilinger ist in diesem Kontext immer wieder für Science Fiction gut. Obwohl ihm der Begriff “beamen” schon vor Jahren einigen Spott eingebracht hat, verbleibt die Berichterstattung nun auch bei der “Fehlerkorrektur” bei der Wortwahl. Mittlerweile folgte am 14.9. ein Bericht ebenfalls im Standard, der ein anderes Herangehen an die Lösung präsentiert. In beiden Fällen gibt es keine Evidenz, dass damit das Grundproblem aufgehoben wird. Aber wie im Stück “Broadway Melodie 1492” von Jura Soyfer ist er es, der über das Geld verfügt und damit Entwicklungen verzögert.