Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 12. Nr. | Januar 2002 |
Kaum ein Tal in Österreich hat eine geologisch so bewegte Vergangenheit wie das Gschnitztal.
Hier in den Stubaier Alpen trifft man auf Gesteine, die zum Teil mehr als 450 Millionen Jahre all sind. Auf diesen alten Gesteinen, die vom Eis in der Eiszeit in charakteristischer Weise geformt wurden, lagerten die sich gegen Ende der Eiszeit zurückziehende Gletscher vor ca. 13.500 Jahren bei Trins eine markante Endmoräne ab. Dieses Rückzugstadium der eiszeitlichen Gletscher kann auch in anderen Alpentälern beobachtet werden, aber nirgends hinterließen die Gletscher eine so beeindruckende Endmoräne wie bei Trins. Daher wurde dieses Rückzugsstadium als "Gschnitzstadium" bezeichnet und die Trinser Moräne von den Geologen zur Typuslokalität erklärt.
Während der alpinen Gebirgsbildung, die vor ca. 150 Millionen Jahren begann und vor ungefähr zehn Millionen Jahren endete, wurden die verschiedensten Teile der Erdkruste übereinander gestapelt. Die am tiefsten liegenden Gesteine sind die Glimmerschiefer, Gneise und Granite der Stubaier Alpen. Diesen kristallinen Gesteinen liegen die vor ca. 280 bis 150 Millionen Jahren abgelagerten Meeressedimente (Riffkalke, Dolomite und Tone), auf. Sie wurden während der alpinen Gebirgsbildung 15 bis 20 km lief in die Erdkruste versenkt und dabei auf bis über 500° C erwärmt. Aus den Kalken und Dolomiten wurden kristalline Marmore und aus den Tonen kristallisierten Glimmer. Diese Gesteine bauen den Großteil der mächtigen Felswände direkt bei Trins auf.
Diese Gesteine enthalten oft Erze (z.B. Eisen, Blei, Zink, Kupfer), die schon seit Jahrhunderten abgebaut wurden.
Über diesen metamorphen Marmoren und Dolomiten liegen die Ammoniten führenden Kalke vom Kesselspitz, Riffkalke und Tiefseesedimente (240 bis 130 Millionen Jahre alt), welche die Gipfel-Regionen nördlich von Trins aufbauen. Es sind dies die im Süden liegengebliebenen Reste der Nördlichen Kalkalpen, die im Zuge der alpinen Gebirgsbildung über die Stubaier Alpen überschoben wurden und heute viel weiter im Norden liegen.
Die Berge südlich von Trins werden von sehr alten paläozoischen Gesteinen aufgebaut. Sie wurden ebenfalls von Süden her überschoben und sind etwa zwischen 450 und 300 Millionen Jahre alt. Ein Teil dieser Gesteine entstammt der Karbonzeit: Sandsteine und Konglomerate, in denen man viele versteinerte Farne, Schachtelhalme und Bärlappgewächse finden kann. Diese Pflanzen wuchsen vor 300 Millionen Jahren in ausgedehnten Sumpfgebieten. Im Laufe der Jahrmillionen wurden diese Pflanzen versteinert und in hochwertige Kohle verwandelt, die in der Vergangenheit immer wieder abgebaut wurde.
Aber auch die jüngste geologische Vergangenheit, die Eiszeit, hat hier viele Spuren hinterlassen. Blickt man von Trins gegen Westen, so fällt ein mächtiger, das Tal absperrender Wall ins Auge, der noch einige Kilometer Tal einwärts verfolgbar ist. Aufgebaut wird dieser von bis zu hausgroßen Blöcken, die einen bis 15 km weiten Transport durch das Gletschereis hinter sich haben. Dieser markante Endmoränenwall beeindruckte die Naturforscher wegen seiner perfekten Erhaltung so, dass er als späteiszeitliche Typuslokalität, als "Gschnitzstadium", in die internationale Fachliteratur einging. Stattgefunden hat dieser Gletschervorstoß in der zu Ende gehenden letzten Eiszeit ("Würm") vor ca. 13.500 Jahren als, verursacht durch eine Kälteperiode, die Gletscher noch einmal weit in die alpinen Täler vorstießen, bevor sie sich endgültig in die hochalpinen Regionen zurückzogen. Die mittleren Jahrestemperaturen lagen ungefähr 5 Grad unter den heutigen.
Beim Rückzug des Gschnitzgletschers blieben Reste des Eises im Moränenmaterial liegen und schmolzen langsam ab. Zurück blieben trichterförmige Löcher, die sogenannten Toteislöcher. Das bekannteste Toteisloch in der Trinser Moräne ist der sogenannte "Krotenweiher", der von einem fast 8 Meter mächtigen Moor erfüllt ist. Die ältesten Ablagerungen in diesem Moor (Reste von Pflanzen und Pollen) ergaben ein 14C-Alter von ca. 9.600 Jahren. Im nahen Umkreis von Trins können eindrucksvolle Zeugnisse der Erdgeschichte, vom frühen Paläozoikum bis zur letzten Eiszeit in nahezu idealer Weise studiert werden.
© Paul Hörtnagl (Innsbruck)
Zitierempfehlung:
Paul Hörtnagl: Die geologische Geschichte von Trins. In:
TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Nr.12/2002.
WWW: http://www.inst.at/trans/12Nr/hoertnagl12.htm