Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. März 2006
 

13.1. Migration als Faktor sozio-kultureller Innovationen
Herausgeberin | Editor | Éditeur: Tamara Fesenko (Tambov, Rußland)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Junge Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland:
Motor oder Hemmnis des sozialen Wandels

Ursula Boos-Nünning (Universität Duisburg-Essen, Deutschland)
[BIO]

 

Abstract

Im Alltagsverständnis werden junge Frauen mit Migrationshintergrund nicht selten als rückständig dargestellt. Auf der Grundlage einer Untersuchung bei 950 Frauen mit griechischem, italienischem, jugoslawischem, türkischem und Aussiedler (GUS) Hintergrund soll empirisch belegt werden, in welchen Bereichen traditionelle und in welchen nicht traditionelle Geschlechterrollen und geschlechtsspezifische Normen vertreten werden und von welchen sozialen Rahmenbedingungen (Schicht, Bildung, ethnisches Milieu, Sprachkompetenzen) sie abhängen.

Zusätzlich soll dargestellt werden, mit welchen Orientierungen (Religiosität, Ethnizität, psychische Stärke, Körperkonzept) sich die Geschlechterrollen verbinden. Die Daten werden nach nationalem Migrationshintergrund differenziert. Resümierend soll diskutiert werden, ob und in welchen Bereichen junge Frauen den sozialen Wandel in den Geschlechterrollen vorantreiben und in welchen sie durch traditionelle Ausrichtung retardierend wirken.

 

Heiratsverhalten und Partnerwahl in Migrationsfamilien

Vorstellungen von Partnerschaft, Heiratsoptionen, Geschlechterrollen und der zukünftigen Erziehung der Kinder sind als Eckpunkte der Gestaltung des Familienlebens zwar diejenigen Bereiche, die sich am stärksten im Privaten abspielen, jedoch ist das öffentliche Interesse an Veränderungsprozessen bei Migranten und Migrantinnen in diesen Lebensbereichen besonders groß. Sie gelten als Indikatoren für den Grad der Integration von Zuwanderern und Zuwanderinnen und damit für ihre Bereitschaft, sich an Modellen der Aufnahmegesellschaft zu orientieren, die in der Regel unhinterfragt als dem Leben in der Moderne besser angepasst bewertet werden. Die Mädchen stehen dabei als Repräsentantinnen der Umbrüche in Migrationsfamilien im Mittelpunkt. Sie werden nach ihren diesbezüglichen Orientierungen zwei Kategorien zugeordnet, entweder gelten sie als kollektivistisch und somit an der Elterngeneration oder als individualistisch und somit an den Werten der Mehrheitsgesellschaft orientiert. Wie in anderen Bereichen legt die bisherige wissenschaftliche Diskussion dieses dichotome Modell zugrunde. Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund werden generell als traditionalistischer als ihre deutschen Altersgleichen beschrieben (vgl. Pupeter 2000, S. 178) und dieses wird oft gleichgesetzt mit einer engen Orientierung an der Herkunftskultur und am Herkunftsland. Je nach Skala, mit Hilfe derer die Geschlechterrolleneinstellung gemessen wird, ergibt sich ein deutlich traditionalistischeres Bild bei jungen Türkinnen und Türken im Vergleich zu anderen Nationalitäten (Pupeter 2000, S. 184) oder es wird festgestellt, dass sich bei der Gruppe mit dieser nationalen Herkunft eine deutliche Abkehr von traditionellen Geschlechterrollen abzeichnet. Herwartz-Emden und Westphal (2000, S. 246) ermitteln, dass die Selbstkonzepte von Männern und Frauen mit Migrationshintergrund anhand einer Gegenüberstellung von deutschen, türkischen und Befragten mit Aussiedlerhintergrund aus der ehemaligen Sowjetunion weniger dichotom sind als bei westdeutschen Männern und Frauen. Das geschlechtsspezifische Selbstkonzept bei Migrantinnen - so wird empirisch belegt - umfasst ausgeprägte Anteile von Androgynität für beide Geschlechter (ebenda, S. 247).

Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass bisher angewandte Messinstrumente oder die Interpretation von Daten aus Untersuchungen die Lebensrealität der Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund nicht adäquat abbilden.(1) Jedenfalls wird deutlich, dass für Mädchen, die in Deutschland mit differenten geschlechtsbezogenen Selbstkonzepten konfrontiert sind, die Adoleszenzphase besondere Herausforderungen bereithält, einen für sie annehmbaren Weg zu finden (vgl. Rohr 2001).

 

Ergebnisse einer Untersuchung bei Mädchen mit Migrationshintergrund

Methodischer Ansatz der Untersuchung

Die Untersuchung "Viele Welten leben" - Lebensorientierungen von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund" (Boos-Nünning und Karakaşoğlu 2005), die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als Mehrthemenuntersuchung durchgeführt wurde, greift in zweifacher Hinsicht ein Forschungsdesiderat auf. Zum einen fokussiert sie sich auf die Gruppe der Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund und bietet für diese eine vertiefte Analyse der von ihnen wahrgenommenen Familienstrukturen und Erziehungsformen in der Familie. Zum anderen kann aufgrund der Anlage der Untersuchung auf herkunftsdifferenzierte Daten zu einem breiten Themenspektrum zurückgegriffen werden.(2) Befragt wurden von November 2001 bis März 2002 insgesamt 950 Mädchen und unverheiratete junge Frauen im Alter von 15 bis 21 Jahren türkischer, italienischer, griechischer, ehemals jugoslawischer (überwiegend serbischer und bosnischer) Herkunft sowie Aussiedlerinnen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion.(3) Die Stichprobe der vier Migrantinnengruppen nicht-deutscher Herkunft wurde zu 75 Prozent mittels Zufallsauswahl aus Einwohnermeldeamtregistern und zu 25 Prozent über das Schneeballsystem zusammengestellt. Mit dieser Kombination konnte gewährleistet werden, dass auch Personen deutscher Staatsangehörigkeit der genannten Herkünfte in der Stichprobe vertreten sind. Die Aussiedlerinnen wurden ausschließlich über das Schneeballverfahren ermittelt. Die Erhebung erfolgte durch persönliche Interviews mittels eines standardisierten Fragebogens und in Form einer freien Sprachwahl der Mädchen, die nach Wunsch in den jeweiligen Herkunftssprachen von speziell geschulten, zweisprachigen Interviewerinnen befragt wurden. Unsere Untersuchung erlaubt es also, einige der eingangs vorgestellten Thesen aus der Perspektive der Mädchen und jungen Frauen mit verschiedenen nationalen Hintergründen vergleichend zu prüfen.

Partnerschaftsmodelle

Knapp über 40 Prozent der befragten Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund haben zur Zeit der Befragung einen festen Freund. Dies kommt seltener (33%) bei Mädchen mit türkischem, häufiger (52%) bei Mädchen mit Aussiedlerhintergrund vor. Mädchen und junge Frauen mit jugoslawischem (38%), italienischem (43%) und griechischem (41%) Hintergrund platzieren sich in diesem Punkt zwischen diesen beiden Polen. Bezogen auf die ethnische Herkunft des festen Freundes lässt sich festhalten, dass drei Viertel von ihnen einen festen Freund derselben Herkunft, 14 Prozent einen Deutschen und 12 Prozent einen Freund mit einer anderen nationalen Herkunft als die Befragte selbst haben. Es ist ein Zusammenhang zwischen der Altersgruppe und dem Anteil derjenigen festzustellen, die einen festen Freund haben. Während 52 Prozent der 19 bis 21-Jährigen einen festen Freund haben, trifft dies lediglich auf 32 Prozent der 15 bis 16-Jährigen unter unseren Befragten zu. Im herkunftsspezifischen Vergleich zeigt sich, dass besonders Aussiedlerinnen (91%) und Mädchen und junge Frauen mit türkischem Migrationshintergrund (87%) einen festen Freund haben, der ausschließlich bzw. überwiegend aus der eigenen Herkunftsgruppe kommt. Der Anteil derjenigen, die einen deutschen Freund haben, liegt in der Gruppe der Befragten mit italienischem Migrationshintergrund am höchsten (32%). Dieses Ergebnis korrespondiert mit den Befunden über die ethnische Zusammensetzung des Freundeskreises. Bei diesen Fragen gaben Mädchen und junge Frauen italienischer Herkunft an, überwiegend mit (einheimischen) Deutschen zusammen zu sein.

Was die Partnerschaftsmodelle anbetrifft, geben rund 60 Prozent der Befragten an, "zuerst heiraten und dann mit dem Ehepartner zusammenleben" zu wollen. 41 Prozent stellt sich eine "voreheliche Lebensgemeinschaft" vor, jede Dritte zieht das "alleine Leben" vor, jede Vierte möchte "weiter bei den Eltern wohnen" und jede Fünfte kann sich vorstellen, "in einer Wohngemeinschaft leben" zu können. Das Modell "mit dem Ehepartner und anderen Familienmitgliedern zusammenleben" ist nur für zehn Prozent der Befragten attraktiv. Der herkunftsspezifische Vergleich zeigt, dass die Mädchen und jungen Frauen mit türkischem (68%), jugoslawischem (65%) und italienischem (62%) Hintergrund mehrheitlich zu dem Partnerschaftsmodell "heiraten und von da an mit dem Lebenspartner zusammenleben" tendieren. Anders in der Gruppe der Aussiedlerinnen und Befragten mit griechischem Hintergrund, die eher das Modell einer Partnerschaftsbeziehung ohne Trauschein bevorzugen. Dieses kommt jedoch nur für 13 Prozent der Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Hintergrund in Frage. Interessanterweise sind es die Befragten mit türkischem Hintergrund, die nach der Option "heiraten und dann mit dem Ehemann zusammenleben" das Modell "einige Zeit alleine leben" bzw. "weiter bei den Eltern wohnen" bevorzugen.

Heiratsoptionen

Im Einwanderungskontext stehen den Nachkommen von Zuwanderern mehrere Heiratsoptionen offen. Sie können innerethnisch oder interethnisch heiraten, wobei beide Optionen differenziert betrachtet werden müssen. Eine innerethnische Ehe kann entweder mit einem im Einwanderungsland oder mit einem/einer im Herkunftsland lebenden Partner/Partnerin geschlossen werden. Im Fall der zuletzt angesprochenen Variante wird von einer transnationalen Eheschließung gesprochen, die für den Fall, dass die Partner oder Partnerinnen dauerhaft in verschiedenen Ländern leben, zu einer transnationalen Ehe werden kann. Eine interethnische Ehe kann mit einem deutschen Partner oder mit einem Partner anderen Migrationshintergrunds geschlossen werden.

In der Untersuchung werden die jungen Frauen nach ihrer Einstellung zu der Heirat eines (ethnisch) deutschen Mannes und der Heirat eines Mannes aus dem Herkunftsland gefragt.

Die Gruppe der Mädchen und jungen Frauen mit italienischem Hintergrund weist die größte Bereitschaft auf, einen einheimischen Deutschen zu heiraten, gefolgt von den Aussiedlerinnen und Befragten mit jugoslawischem Migrationshintergrund. Die Mädchen und jungen Frauen mit türkischem (47%) und griechischem (40%) Hintergrund dagegen, lehnen diese Option im herkunftsspezifischen Vergleich am häufigsten in konsequenter Form ab.(4)

Die Ergebnisse der vorgestellten Studie bilden damit die gleichen Tendenzen und herkunftsspezifischen Unterschiede ab, die sich auch in Ergebnissen anderer Untersuchungen zeigen, weisen aber höhere Anteile von Mädchen und jungen Frauen auf, die sich auf keinen Fall oder wahrscheinlich nicht eine Heirat mit einem deutschen Mann vorstellen können. Dies sind etwa drei Viertel der Mädchen und jungen Frauen mit türkischem, zwei Drittel mit griechischem und etwa die Hälfte mit jugoslawischem und Aussiedlerhintergrund.

Dabei wurde als mögliche Barriere die Einstellungen der Eltern zu einer interethnischen Ehe getrennt nach Vater und Mutter erfasst; wobei es sich um die Antizipation der Mädchen und jungen Frauen handelt. Deutlich positiv gegenüber einer Heirat mit einem Deutschen eingestellt, wenn auch nur knapp die Hälfte, sind aus Sicht der Mädchen und jungen Frauen sowohl Väter als auch Mütter der Aussiedlerinnen und der Mädchen mit italienischem Hintergrund. In beiden Gruppen werden die Eltern zu je einem Drittel als diesbezüglich unentschlossen in ihrer Haltung eingeschätzt. Als zu drei Viertel gegen eine solche Ehe eingestellt, schätzen Mädchen mit türkischem Hintergrund, aber zu recht hohen Anteilen (40% bis 59%) auch diejenigen mit griechischem und jugoslawischem Hintergrund ihre Eltern ein.

Die zweite interessante Option besteht in der Wahl eines Ehepartners aus dem Herkunftsland. Während für weit über 50 Prozent der Aussiedlerinnen sowie Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Hintergrund eine Heirat mit jemandem, der noch in den Herkunftsländern ihrer Familien lebt, nicht in Frage käme, ist dies für jeweils 82 Prozent der Befragten mit griechischem und italienischem Hintergrund durchaus vorstellbar. Von den Mädchen mit türkischem Hintergrund sind nur 46 Prozent dazu bereit. Was die Gruppe der Mädchen und jungen Frauen mit italienischem und griechischem Hintergrund anbelangt, so bestätigt das Ergebnis deren stärkere Tendenz, eine enge Verbindung zum Herkunftsland der Eltern - über die Bereitschaft zur Mobilität aber auch über die Partnerwahl - aufrecht zu erhalten.

In der Auseinandersetzung mit der Frage nach der Selbstbestimmung und/oder der Familienorientierung der Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund wird in jüngster Zeit immer häufiger auch das Thema der so genannten "arrangierten Ehen" aufgeworfen. Die Vorstellungen und Meinungen der einheimischen Majorität über das Zustandekommen solcher Ehe werden dabei überwiegend aufgrund der spektakulären Presseberichte über "Zwangsehen" gebildet.

Auffällig ist, dass die Diskussion nicht zwischen einer mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Eltern der beiden Heiratskandidaten geschlossenen Ehe (familiär erwünschte Ehe), der arrangierten Ehe, die mit Einverständnis der beiden Ehekandidaten durch Verwandte oder Bekannte gestiftet wird (arrangierte Ehe) und der aufgrund von psychischem oder physischem Druck durch die Familie bzw. einzelner Familienangehöriger gegen den ausdrücklichen Willen des Mädchens erzwungenen Eheschließung (Zwangsheirat) trennt. Die fehlende Differenzierung wird der Lebensrealität und den Orientierungen von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund nicht gerecht. Der enge Einbezug der Eltern bzw. anderer Familienangehöriger in den Prozess der Partnerwahl ist in der deutschen Mehrheitsgesellschaft gar nicht bzw. nicht in diesem Umfang wie bei den Zuwanderern und Zuwanderinnen vorzufinden und stößt daher auf besonderes Unverständnis: "Man betrachtet die arrangierte Ehe als einen Modus der Partnerwahl, bei dem individuelle Wünsche unberücksichtigt bleiben und familiäre Interessen den Ausschlag geben" (Straßburger 2003, S. 176). Daher verschwimmt in der öffentlichen Diskussion um das Heiratsverhalten der Migranten und Migrantinnen, die Grenzen dieser Eheschließungsformen und es finden unzulässige Verallgemeinerungen statt.

Ihnen zufolge werden die meisten transnational geschlossenen Ehen zwischen muslimischen Migranten und Migrantinnen und einem Partner/einer Partnerin aus dem Herkunftsland der Familie als durch familiären Zwang herbeigeführte Ehen betrachtet.

Weit verbreitet ist die Ansicht, wenn jemand eine arrangierte Ehe eingeht, sei er oder sie traditionell, rückständig und nicht emanzipiert. Nach Straßburger (2003, S. 208) wird "bei arrangierten Ehen (...) nicht der intensive Austausch vor der Heirat als Garant für das Gelingen der Ehe betrachtet. Vielmehr wird die Qualität der Ehe dadurch gesichert, dass man vor der Ehe im Familienverband abwägt, ob die Rahmenbedingungen so positiv sind, dass sich nach Abklingen des vergänglichen Verliebtseins eine beständige Liebesbeziehung entwickeln kann".

In der Befragung wurde auch der Aspekt der arrangierten Ehe aufgenommen. Um die Befragten mit unterschiedlichem nationalen bzw. kulturellen Hintergrund zu diesem Thema zu Wort kommen zu lassen, wurden zwei Fragen gestellt, und zwar (1) was sie davon halten, wenn Eltern mit ihrer Tochter gemeinsam einen Ehemann aussuchen sowie (2) ob ein solches Arrangement für sie selbst akzeptabel sei.

Trotz der vorsichtigen Formulierung ist die abwehrende Haltung der jungen Frauen auf die erste Frage herkunftsgruppenübergreifend eindeutig. 87 Prozent lehnt eine solche Form der Partnersuche bzw. Partnerwahl ab. Lediglich ein kleiner Teil von vier Prozent findet es "sehr gut" oder "gut", wenn Eltern mit ihrer Tochter gemeinsam einen Ehemann aussuchen.

Allerdings gibt es bedeutsame Unterschiede nach Herkunftsgruppen, die darauf schließen lassen, dass es sich bei dieser Form der Partnerfindung tatsächlich um eine nur auf bestimmte Gruppen begrenzte Praxis handelt. Am ehesten Zustimmung, wenn auch nur bei einer Minderheit von zehn Prozent, erhält die Mitwirkung der Eltern bei der Partnersuche von Mädchen mit türkischem Hintergrund. Sie äußern sich auch - im Vergleich zu den anderen Gruppen - am wenigsten ablehnend.

Wir haben ferner gefragt, ob sich die Mädchen und jungen Frauen eine solche Form der Eheschließung für sich selbst vorstellen können. Das Antwortverhalten ist ähnlich, wie bei der allgemein gehaltenen Frage. Für sich selbst können sich eine solche Mitsprache der Eltern wiederum deutlich mehr Mädchen mit türkischem Hintergrund als aus den übrigen Gruppen vorstellen. Elf Prozent stimmen prinzipiell zu, weitere 12 Prozent machen dies von der Situation (oder dem Kandidaten?) abhängig und antworten mit "je nachdem". Aber auch in dieser Gruppe ist die überwiegende Mehrheit von 77 Prozent einer solchen Form der Ehestiftung abgeneigt. Eine teils vorsichtige Zustimmung zu einer solchen Form der Partnersuche erfolgt bei zehn Prozent der Aussiedlerinnen und acht Prozent der Befragten mit jugoslawischem Hintergrund ("auf jeden Fall", "ja, vielleicht", "je nachdem" zusammengenommen).

 

Vorstellungen über Kindererziehung

Bewertung der elterlichen Erziehung

Verglichen mit den Erziehungsmethoden ihrer Eltern - eine Frage, die aus der Shell-Jugendstudie übernommen wurde - wollen die meisten Mädchen unserer Untersuchung unabhängig von dem nationalen Hintergrund ihre Kinder zu zwei Drittel bis drei Viertel "teilweise anders" erziehen; deutlich weniger würden sie erziehen, wie sie selbst von ihren Eltern erzogen wurden, nämlich nur ein Fünftel bis ein Viertel, und noch weniger würden sie ganz anders erziehen. Ähnliche Verteilungen fanden sich in der Shell-Jugendstudie, in der 13 Prozent der Befragten, also auch der deutschen mit "genauso", 59 Prozent "ungefähr so", 21 Prozent mit "anders" und acht Prozent mit "ganz anders" antworteten (Fuchs-Heinritz 2000a, S. 58).

Mädchen und junge Frauen mit türkischem Hintergrund wollen ihre Kinder zu 19 Prozent deutlich öfter "ganz anders" erziehen als andere Herkunftsgruppen. Bei den Mädchen und jungen Frauen der anderen Gruppen ist ein Prozentsatz von acht bis 12 Prozent dieser Meinung.

Mit einem Blick auf die Bewertung der Erziehungspraxis der Eltern durch die Befragten lässt sich ermitteln, ob es sich bei dem Wunsch, "teilweise anders" oder "ganz anders" erziehen zu wollen um die Ablehnung autoritärer Erziehungsmuster im Elternhaus handelt. Es zeigt sich, dass die Erziehungspraxis der Eltern selten als "streng" oder "zu streng" (8%), häufig als "streng, aber liebevoll" (58%), nicht selten "als locker" (31%), kaum aber als "zu locker" (3%) beurteilt wird.

Nur ein geringer Teil der Mädchen aller Migrationshintergründe bewertet die erfahrene elterliche Erziehung als "streng" und dies sind nicht zum größten Teil die Mädchen mit türkischem, sondern diejenigen mit jugoslawischem Hintergrund (13%) und junge Aussiedlerinnen (9%). Stattdessen geben im Herkunftsgruppenvergleich Mädchen mit türkischem (40%) gefolgt von denjenigen mit griechischem Hintergrund (37%) am häufigsten an, "locker" bzw. "zu locker" erzogen worden zu sein.

Fuchs-Heinritz (2000a, S. 59) meint, dass die Absicht, die eigenen Kinder anders zu erziehen als man selbst erzogen worden ist, als Distanzierung von den Eltern als Erziehungspersonen verstanden werden kann. In unserer Untersuchung will - wie auch in der Shell-Studie - ein Fünftel der Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund ihre Kinder (ganz) anders erziehen. Bei den Mädchen der übrigen nationalen Herkünfte sind es mit acht bis 12 Prozent deutlich weniger. Anders erziehen zu wollen, wird voreilig als Distanzierung von einer (zu) strengen Erziehung interpretiert.In unserer Untersuchung wollen zwar Mädchen und junge Frauen, die sich als "streng" erzogen einschätzen, ihre Kinder "teilweise" oder "überwiegend" anders erziehen, aber ein erheblicher Teil derjenigen Mädchen, die sich als "streng, aber liebevoll" oder "locker" erzogen sehen, hat ebenfalls andere Erziehungsvorstellungen. Hier stellt sich die Frage des Wandels der Erziehungsvorstellungen im Generationenverlauf, der sich in anderen Dimensionen bewegen kann als die Entscheidung zwischen "streng" und "locker".

In diesem Zusammenhang soll erwähnt werden, dass Forschungsergebnisse verschiedener Untersuchungen belegen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht nur bereit sind, auf die elterlichen Sorge- und Schutzbedürfnisse Rücksicht zu nehmen, dass sich in einem strengen Erziehungsverhalten äußern kann (so Herwartz-Emden/Westphal 2000, S. 249; Gümen 2000, S. 370; siehe auch Boos-Nünning 1986, S. 100), das Sorgekonzept der Eltern, so führt Straßburger (2003, S. 195) aus, wird "sogar im Vergleich zu deutschen Familien als besonders positiv bewertet und als exklusives Erziehungskonzept thematisiert. Die Freiheiten deutscher Jugendlicher werden hingegen auf eine negativ empfundene Gleichgültigkeit der Eltern zurückgeführt. Das Bild der Gleichgültigkeit und Unverbindlichkeit bildet den negativen Bezugspunkt des intellektuellen Vergleichs."

Anknüpfen an elterliche Erziehungstraditionen

Aus den Items zu den eigenen Erziehungsvorstellungen, die auch die Frage der Sprache, in der erzogen werden soll und den Stellenwert der Religion in der Erziehung einschließt, konnte ein Index der "Bewahrung von Erziehungstraditionen" gebildet werden.

Tabelle: Bewahrung von Erziehungstraditionen (Index) (in Prozent)

Migrationshintergrund

 

Aussiedl.

griech.

ital.

jugosl.

türk.

Gesamt

Gesamt

200

182

183

172

213

950

sehr ausgeprägt

1

14

7

3

2

5
(50)

eher ausgeprägt

10

33

21

21

20

21
(196)

wenig ausgeprägt

36

37

43

46

55

44
(414)

nicht ausgeprägt

53

16

29

30

23

30
(290)

C = .35 p = .00

An einer Bewahrung der elterlichen Erziehungstraditionen sind Mädchen und jungen Frauen der verschiedenen Migrationshintergründe nicht ausgerichtet. Mit Ausnahme der Mädchen mit griechischem Hintergrund, von denen immerhin 14 Prozent den Traditionen sehr und 33 Prozent stark folgen, reagieren sie eher distanziert oder sogar abwehrend. Besonders fern stehen mit 53 Prozent der Nennungen für "nicht ausgeprägt" junge Aussiedlerinnen den Erziehungstraditionen der Eltern.

Geschlechterrollen

Mädchen mit Migrationshintergrund und hier wiederum solche mit muslimischer Religion gelten in allen Bereichen ihrer Lebens- und Verhaltensweisen als Symbol für das "Anderssein", für die fehlende Integrationsfähigkeit der Zuwandererfamilien insgesamt. Es wird unterstellt, dass die Mädchen über geringere Freiräume als die Jungen derselben nationalen Herkunft und über deutlich geringere Spielräume als deutsche Mädchen verfügen. Die Orientierungen der Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund seien auf ein traditionelles Rollenbild ausgerichtet, das ihnen vom Elternhaus vorgelebt werde.

Auch Untersuchungen, die die Bedeutung einer Berufsbildung und einer Berufstätigkeit bei den Mädchen selbst und ihren Familien hervorheben und darstellen, dass Familie und Kinder von diesen als vereinbar mit einem Beruf angesehen werden, betonen, dass von ihnen frauenspezifische Anforderungen an die Berufstätigkeit gestellt werden. So heißt es dort wiederholt, die Berufstätigkeit sollte sich mit den häuslichen Pflichten einer Ehefrau vereinbaren lassen, d.h. sie müsse eine geregelte Arbeitszeit, möglichst begrenzt auf einige Stunden am Tag, erlauben und sie dürfe keine Wochenend- und Feiertagsarbeit verlangen. Eine klar abgegrenzte und relativ kurze Arbeitszeit wird als wichtiges Argument für die Wahl eines Berufes betrachtet. Vor allem solche Tätigkeiten seien für die jungen Frauen attraktiv, da sie es erlaubten, den Beruf auszuüben, aber dennoch den Haushalt, den Ehemann und eventuelle Kinder zu versorgen. Inwiefern diese Befunde für die von uns befragten Mädchen (noch immer) gelten, oder ob sich veränderte Tendenzen abzeichnen, soll im Folgenden untersucht werden. Schließlich geben die Rolle der Frau in der Balance zwischen Anforderungen der zu gründenden Familie und dem Berufsleben und die darin enthaltenen Wertorientierungen über das Verhältnis zwischen Mann und Frau Auskunft und nicht zuletzt über das Verständnis der gesellschaftlichen Platzierung der Frau.

Traditionelle oder moderne Geschlechterrollen

Neun Items richten sich auf die möglichen Arrangements von Frau und Mann in der Partnerschaft und Ehe. Sie werden nach den Dimensionen, die durch eine Faktorenanalyse ermittelt wurden, geordnet.

Den Statements, die auf eine traditionelle oder konventionelle Rollenverteilung zwischen Frau und Mann verweisen, stimmt - wenn sie positiv formuliert sind - nur ein kleiner Teil der Mädchen, nämlich ca. ein Viertel, zu. Am meisten abgelehnt wird das Ansinnen, dass dem Mann der Beruf und der Frau der Haushalt vorbehalten sei. Nach Meinung der weitaus meisten Mädchen sollen Mann und Frau gemeinsam zum Haushaltseinkommen beitragen. Der Beruf stellt für beinahe ebenso viele das beste Mittel zur Unabhängigkeit dar und führt nicht dazu, dass das Vertrauensverhältnis zu den Kindern beeinträchtigt wird. Ausdifferenzierter werden andere Statements beantwortet. Mehr Befragte wählen die Kategorie "stimme teilweise zu" wenn Haushalt und Kinder in der Gewichtung zu einem Beruf bewertet werden müssen, wenn die Hausfrauenarbeit mit einem bezahlten Beruf abgewogen werden muss oder das (mögliche) Leiden des Vorschulkindes unter der Berufstätigkeit der Mutter bewertet wird.

Mit Ausnahme der Statements sieben und neun bestehen Unterschiede nach nationaler Herkunft. Es antworten in einer Orientierung an einem Frauenbild, das Familie bzw. Mutterschaft mit dem Beruf als vereinbar ansieht (egalitäre Geschlechterrolle) oder in einer Orientierung an einem Frauenbild, das die konventionelle Rolle bewahrt (konventionelle Geschlechterrolle):

Geschlechterrollen (in Prozent)

Migrationshintergrund

 

 

Aussiedl.

griech.

ital.

jugosl.

türk.

Gesamt

Gesamt

 

200

182

183

172

213

950 1)

(1) Vorschulkind leidet unter berufs-tätiger Mutter *

E
K

20

46

28

49

16

47

32

36

16

49

22 (207)
46 (433)

(2) Nicht gut, wenn der Mann zu Hause bleibt und die Frau arbeitet *

E
K

38

35

51

26

46

26

54

19

43

28

46 (436)
27 (257)

(3) Berufstätige Mutter kann gutes Verhältnis zu ihren Kindern haben *

E
K

80

10

80

8

74

11

83

5

68

9

77 (728)
9 (83)

(4) Haushalt und Kinder sind für Frauen wichtiger als Beruf *

E
K

30

31

36

29

27

32

44

23

43

24

36 (341)
28 (164)

(5) Aufgabe des Mannes, Geld zu verdienen; der Frau, sich um Haushalt und Familie zu kümmern *

E
K

61

18

88

3

75

9

80

9

73

11

75 (712)
11 (97)

(6) Beruf ist bestes Mittel für Unabhängigkeit einer Frau *

E
K

69

9

87

2

71

7

83

6

84

5

79 (746)
6 (54)

(7) Mann und Frau sollten beide zum Einkommen beitragen *

E
K

83

3

88

1

79

5

87

4

80

6

83 (790)
4 (34)

E = egalitäre Rollenverteilung, K = konventionelle Rollenverteilung
* Signifikante Unterschiede nach nationaler Herkunft p £ .05.
1) Die Antwortkategorie "teilweise" wurde nicht berücksichtigt, so dass sich die Prozentangaben nicht auf 100 Prozent aufaddieren.

 

Die Tendenz, mit der die Statements beantwortet werden, ist bei allen Mädchen mit unterschiedlicher nationaler Herkunft ähnlich: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Frau werden bejaht. Grenzen werden gesehen, wenn eine Rangordnung verlangt wird (Item: Haushalt und Kinder sind für Frauen wichtiger als Beruf) oder wenn Kinder im Vorschulalter betroffen sind (Item: Vorschulkind leidet unter berufstätiger Mutter). Unter dieser allgemeinen Tendenz kommen Unterschiede nach nationaler Herkunft zum Tragen. Mädchen mit jugoslawischem Hintergrund sind deutlich mehr als die anderen auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgerichtet, bis dahin, dass sie der Vorstellung einer Rollenänderung (einem Rollenwechsel) von Mann und Frau folgen. Die Mädchen aus Aussiedlerfamilien sind tendenziell bewahrender im Hinblick auf die traditionelle Frauenrolle. Mädchen und junge Frauen mit türkischem oder italienischem Hintergrund sehen in der Berufstätigkeit stärker als andere Gruppen einen Nachteil für das Vorschulkind. Auch fällt bei ihnen die Zustimmung zu einem Rollenwechsel zwischen Mann und Frau weniger stark aus als bei den anderen Herkunftsgruppen. Mädchen mit türkischem Hintergrund reihen sich zwar in das Gesamtbild einer eher egalitären Geschlechterrolle ein, stimmen aber dem Item, dass eine berufstätige Mutter ein ebenso gutes Verhältnis zu ihren Kindern haben kann, wie eine nicht-berufstätige weniger deutlich zu als die anderen Gruppen.

Aus fünf Items, bei denen die Zustimmung oder Ablehnung ein Bild von einer konventionellen Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter nahe legt, in welchem die Frau auf Hausfrauentätigkeit und die Erziehung der Kinder und der Mann auf eine aushäusige Berufstätigkeit festgelegt ist, konnte eine Skala "Geschlechterrolle im Hinblick auf Beruf und Familie" (siehe Instrumentenkonstruktion im Anhang) entwickelt werden. Die folgende Tabelle verdeutlicht, wie stark die Mädchen und jungen Frauen an einem solchen Bild orientiert sind:

 

Tabelle: Geschlechterrolle im Hinblick auf Beruf und Familie (Index) (in Prozent)

Migrationshintergrund

Aussiedl.

griech.

ital.

jugosl.

türk.

Gesamt

Gesamt

200

182

183

172

213

950

stark konventionelle Rolle

18

10

17

8

14

13
(128)

konventionelle Rolle

26

23

27

18

29

25
(236)

sowohl als auch

26

24

21

23

21

23
(218)

egalitäre Rolle

20

20

17

22

16

19
(181)

stark egalitäre Rolle

10

23

18

29

20

20
(187)

C = .20 p = .00

Es bestätigt sich die in den vorherigen Ausführungen angedeutete Tendenz, dass junge Aussiedlerinnen stärker als alle anderen Gruppen an einem eher konventionellen Rollenbild der Frau orientiert sind, ihnen folgen darin mit geringem Abstand die Mädchen und jungen Frauen mit türkischem und italienischem Hintergrund. Am seltensten wird dieses Rollenbild von den Mädchen und jungen Frauen mit jugoslawischem Hintergrund vertreten.

Moderne Geschlechterrollen und Formen der Partnerwahl

Weitaus mehr Mädchen als aufgrund der in der Literatur beschriebenen Szenarien vermutet werden könnte, haben "moderne" Auffassungen von einer geschlechtsspezifischen Rollenverteilung hinsichtlich der ausserhäuslichen Berufstätigkeit und Kinderbetreuung. Ein erheblicher Teil der Mädchen entspricht dem Bild des modernen Mädchens und der modernen Frau, die einen Beruf und Familie haben will, die Vorstellung vertritt, selbst Geld zu verdienen und die die Möglichkeit sieht, ein solches Frauenbild mit ihrer Religion zu vereinbaren. Mit diesen Ergebnissen steht die Untersuchung in Einklang mit vielen neueren Erhebungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als weibliches Lebenskonzept beschreiben. Dieses gilt vielfach geprüft und bestätigt bereits für die Müttergeneration der von uns befragten Mädchen und jungen Frauen (siehe dazu Gümen/Herwartz-Emden/Westphal 1994; Herwartz-Emden 1995a, 1995b, 2000; Nauck 1985).

In der Partnerwahl ist der überwiegende Teil der Mädchen und jungen Frauen an Selbstbestimmung und nicht an einer arrangierten Ehe orientiert. Ein erheblicher Teil sucht den (künftigen) Ehepartner in der eigenen ethnischen Gruppe in Deutschland.

In den Auffassungen und Einstellungen der jungen Frauen mit Migrationshintergrund zur Partnerwahl und zu der Erziehung ihrer Kinder ist kein Hemmnis für sozialen Wandel zu erkennen, vielmehr besteht in den hier nicht vorgestellten Ergebnissen zur zweisprachigen Erziehung und dem Wunsch nach Bildung, ein Ansatz für Modernisierung auch der deutschen Gesellschaft.

© Ursula Boos-Nünning (Universität Duisburg-Essen, Deutschland)


ANMERKUNGEN

(1) Vgl. die Kritik an der Stereotypisierung weiblicher Lebensentwürfe von Migrantinnen im 6. Familienbericht der Bundesregierung ( BMFSFJ 2000, S. 89).

(2) Erhoben werden teils in umfangreichen Fragebatterien Daten zur Migrationsbiographie, dem sozialen Umfeld, der Einstellung zur Familie, Freizeit und Freundschaften, Bildungslaufbahn, Spracheinschätzung, Geschlechterrolle und Partnerwahl, Körperlichkeit und Sexualität, Ethnizität und psychischer Stabilität, Religiosität und Inanspruchnahme von Hilfen. Mit der Präsentation der Ergebnisse zu Familienbeziehungen bei Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund, bezieht sich der vorliegende Beitrag somit lediglich auf einen kleinen Ausschnitt aus dem Datenpool der Untersuchung. Die Studie wird in diesem Jahr unter dem Titel "Viele Welten leben. Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen mit griechischem, italienischem, jugoslawischem, türkischem und Aussiedlerhintergrund" veröffentlicht werden.

(3) Die Befragungsregionen waren Frankfurt, Mannheim, Berlin, Völklingen, Dresden, Chemnitz sowie der Ballungsraum Ruhrgebiet mit den Städten Duisburg und Essen und den Kreisen Unna und Recklinghausen. Die Städte wurden so ausgewählt, dass sie über das Bundesgebiet streuten und städtische und ländliche Regionen einbezogen wurden.

(4) Die Untersuchung von Straßburger über türkische Zuwanderer und Zuwanderinnen (2003, hier: S. 98f, 122f.) belegt, dass die tatsächlichen Heiratsmuster den Vorstellungen folgen und die meisten jungen Frauen innerethnisch heiraten. Für Bamberg ermittelt sie (1994) acht Frauen, die einen Mann aus der "zweiten Generation türkischer Herkunft" und 57 die jemanden, der in der Türkei aufgewachsen ist, heiraten. Junge Männer mit türkischem Migrationshintergrund wählen deutlich häufiger eine Partnerin, die in der Türkei aufgewachsen ist. Die Ehen mit Partnern und Partnerinnen aus der Türkei werden überwiegend in türkischen Standesämtern geschlossen.


LITERATUR

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13.1. Migration als Faktor sozio-kultureller Innovationen

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For quotation purposes:
Tamara Fesenko (Tambover Staatliche Dershavin-Universität, Russland): MIGRATION ALS SOZIOKULTURELLES PHÄNOMEN. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: ../../../index.htmtrans/16Nr/13_1/boos-nuenning16.htm

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