Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. März 2006
 

13.1. Migration als Faktor sozio-kultureller Innovationen
Herausgeberin | Editor | Éditeur: Tamara Fesenko (Tambov, Rußland)

Dokumentation | Documentation | Documentation


MIGRATION ALS SOZIALE INNOVATION (*)

Ekaterina Ryabykh (Tambov, Russland)

 

Abstract

Die Bevölkerungsmigration ist eine der wichtigsten Indikatoren der ethnopolitischen und sozialökonomischen Prozesse, die in der Gesellschaft und im Staat stattfinden. Dem Wesen der Migrationsströme nach kann man über Effektivität der Wirtschaft, Regionaldisproportionen der Entwicklung, über ethnische Konflikte, die akut sind, usw. urteilen.

Zum Ziel dieses Beitrags gehört die Behandlung der Fragen:

  1. Innovationseinflüsse der Migration
  2. Migrationspolitik und Migrationstypologie in Litauen.

 

Die Bevölkerungsmigration ist eine der wichtigsten Indikatoren der ethnopolitischen und sozialökonomischen Prozesse, die in der Gesellschaft und in einem Staat stattfinden. Dem Wesen der Migrationsströme nach kann man über die Effektivität der Wirtschaft, über Regionaldisproportionen der Entwicklung, sowie über ethnische Konflikte, die akut sind, usw. urteilen.

Zum Ziel dieses Beitrags gehört die Behandlung der Fragen:

  1. Innovationseinflüsse der Migration
  2. Migrationspolitik und Migrationstypologie in Litauen.

Grundlegende politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen in Ländern des Baltikums haben wesentlich das Migrationsbild der Bevölkerung umgestaltet und neue Mobilitätsarten hervorgerufen. Von diesen heben sich folgende ab: illegale Migration und Brain-Drain, die einen großen Einfluss auf alle Seiten des menschlichen Lebens (der Gesellschaft) ausüben.

Eine Reihe von Entwürfen sind dem Studium dieser Migrationsprobleme in Ländern des Baltikums gewidmet, z.B.: "Migration - Integration von Europa und Brain-Drain der Arbeitskräfte", "Transit der illegalen Migranten durch Litauen", "Illegale Migranten in Litauen: Trends, gegenwärtige Situation und Probleme", "Ursachen und Folgen der Migration aus Litauen" usw.

Die so genannte Gelehrtenmigration erlebte ihren Höhepunkt früher, als die Migration der gesamten Bevölkerung. Sowohl die Migration der Bevölkerung aus Litauen in den Osten, als auch die Migration von Gelehrten in diese Richtung ging schnell zurück. Heutzutage fixiert man nur noch Einzelfälle dieser Migrationsart. Gleichzeitig verringerte sich die Migration der Gelehrten aus Litauen in Richtung Westen auf Grund der Erschöpfung des Migrationspotentials der Juden. Diese Migrationsart, die zunächst "ethnisch und beruflich privilegiert" war, ersetzte allmählich die Migration der litauischen Bürger.

Außerdem muß man auch annehmen, daß die erste Welle von Brain-Drain-Migration aus Litauen vorwiegend legal war. Sie begann Anfang der 90er Jahre. Die zweite Welle war im Großen und ganzen illegal. Die Hauptquelle dieser Art der Migration bestand aus Gelehrten oder Studenten, die nach einer kurzfristigen Dienst- bzw. Studienreise im Ausland nicht mehr heimkehrten. Deshalb spricht man schon in solchen Fällen vom Zusammenfluss der illegalen und der Brain-Drain-Migration.

Nach Russland sind hauptsächlich russischsprachige Spezialisten auf dem Gebiet der Elektronik und Geisteswissenschaften migriert. In den Westen sind vor allem Vertreter der Kunst, Kultur und Mathematik übersiedelt, die zur Elite der Kunst und Wissenschaft gehörten und zumeist aus Juden bestanden.

Die illegale Migration der letzten Jahre in Litauen und in anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion ist sehr verschiedenartig. Man kann drei Typen der illegalen Migration absondern, die zurzeit für Litauen besonders problematisch und akut sind:

Nach Angaben der Massenmedien ziehen etwa 70% aller Migranten aus Litauen in EU-Länder um; 25% der verreisenden litauischen Bürger werden in den USA, dem traditionell größten Weltzentrum der litauischen Migration, sesshaft; Russland nimmt ca. 5% der gesamten Anzahl der litauischen Migranten auf; lediglich 1% der litauischen Bürger wandert in arabische Länder aus.

Was die Europäische Union betrifft, verteilte sich hier die Migrantenanzahl aus Litauen auf folgende Weise:

Genaue Zahlenangaben der Migration aus Litauen sind bis heute auf Grund der dominierenden illegalen Form der Abreise offiziell nicht bekannt. Sachverständige behaupten, dass jährlich etwa 50000 Menschen ihre Heimat Litauen verlassen.

Eine interessante Umfrage unter litauischen Migranten hat das Institut der bürgerlichen Gesellschaft durchgeführt. Auf die Frage: "Sind die litauischen Migranten im Begriff, heimzukehren?" haben sie folgende Antworten erhalten: "Ja, aber später. Zuerst mache ich Karriere und verdiene den Lebensunterhalt", "Ja, aber zuerst bekomme ich eine Rente". Dabei verheimlicht heute niemand mehr die Tatsache, dass eine große Menge litauischer Bürger von Verwandten unterstützt wird, die das Geld im Ausland (im Westen) verdienen. Kinder unterstützen ihre Eltern, Eltern unterstützen ihre minderjährigen Kindern, die in Pflege der Großeltern sind.

Dabei ist wichtig zu betonen, dass nur ein kleiner Anteil der Migranten jenes Geld, das sie im Westen verdienen, in Europa investiert. Stattdessen bevorzugen sie das in Litauen zu tun.

Als das Institut der bürgerlichen Gesellschaft die Studie "Litauische Migration: Probleme und mögliche Variante der Lösung von diesen Problemen" präsentierte wurden zum ersten Mal auch positive Aspekte des "Massenexports" von Arbeitsressourcen aus Litauen veröffentlicht. Es wurde z.B. festgehalten, dass ausländische litauische Bürger ein wichtiges Kettenglied des Schutzes der litauischen Interessen im Ausland darstellen.

Wahrscheinlich hängt eine solche Änderung der Sichtweise in Bezug auf die Behandlung des Migrationsproblems mit der Möglichkeit der Arbeitsressourcenlegalisierung in vielen Ländern der Europäischen Union zusammen. Schon kurz nach dem Eintritt in die Europäische Union haben litauische Bürger in einzelnen Ländern der Europäischen Union legalen Arbeitsmarkzutritt erhalten: in Irland, Großbritannien und Schweden. Vor kurzem wurden auch die illegalen Arbeitskräfte in Spanien legalisiert. Damit ist auch ein offizieller Status der litauischen Migranten mit allen daraus folgenden Momenten bis hin zum Wahlrecht verknüpft.

Drei Monate nachdem Litauen in die Europäische Union eingetreten war wurde in Litauen selbst ein Mangel an Vertretern ganzer Berufssparten spürbar. Das lag an der der Gewohnheit der litauischen Regierung die Arbeit z.B. der Mediziner nach dem Restprinzip zu bezahlen. Deswegen existiert heutzutage auch ein akuter und massiver Arbeitskräftemangel in speziellen Berufen wie etwa Chirurgen und Kardiologen. Eine weitere Berufsgruppe, die ebenso Litauen verlässt, sind Bauarbeiter.

Litauische Experten vertreten die Meinung, dass die Lösung dieses Problem nur aus zwei Maßnahmen bestehen kann: 1) eine starke Lohnanhebung in Litauen und 2) Übergang zu einer Politik der Arbeitsplatzbeschaffung, die der Politik der großen EU-Teilnahmeländer ä ähnlich ist, und die in der Einladung der Arbeitskräfte aus den Ländern besteht, für die hiesiges Einkommen anziehend ist. Zu diesen Ländern mit hochqualifizierten Arbeitskräften zählen vor allem Weißrussland, die Ukraine, Russland und im besonderen kleine provinzielle Städte. Auf solche Weise muß man unterstreichen, dass bald ein Rückkehrbedürfnis der Migranten, die aus Litauen nach Russland oder in andere postsowjetischen Länder repartiert wurden oder migrierten, eintritt. Darin besteht die Rolle der Migration aus Sicht der sozialen Innovation.

© Ekaterina Ryabykh (Tambov, Russland)


(*) Die Untersuchung wurde mit finanzieller Unterstützung des RGNF im Rahmen des wissenschaftlichen Forschungsprojekts (RGNF) "Migration als soziokulturelle Realität" № 05-06-06232 а durchgeführt.


LITERATURVERZEICHNIS

1. Sh. Zajontskovskaja. Vynyshdennye migranty is stran SNG i Baltii // http://www.xserver.ru/user/vmiss/index.shtml (letzter Zugriff am 23.2.2006)

2. W. Stankunene, A. Sipawitsene, D. Turejkite. Nelegalnaja migratsija i utetska umow w Litwe: rezyltaty issledowanij 90 // http://www.demoscope.ru/center/fmcenter/stankune.html (letzter Zugriff am 23. 2.2006)

3. G. Efremov. Litwa natsinaet polutsat udowolstwee ot emigratsii // http://www.rosbalt.ru/2005/03/30/202221.html (letzter Zugriff am 23.2.2006)

4. A. Bauls, Za. Krischjane. Potentsialnye emigranty is Litwy. http://www.demoscope.ru/center/fmcenter/zaigared.html (letzter Zugriff am 23.2.2006)


13.1. Migration als Faktor sozio-kultureller Innovationen

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Ekaterina Ryabykh (Tambov, Russland): MIGRATION ALS SOZIALE INNOVATION. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: ../../../index.htmtrans/16Nr/13_1/ryabykh16.htm

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