Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. Mai 2006
 

14.6. Die Rolle von Wissenschaft und Forschung bei der Herausbildung eines neuen Selbstbewußtseins in den jungen Demokratien in Europa
Herausgeberin | Editor | Éditeur: Penka Angelova (Rousse/Rustschuk)

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Die Eingliederung der Elite der Demokratischen Union der Ungaren in die rumänische politische Gesellschaft

Bíró Béla

 

Die ethnischen, sprachlichen und konfessionellen (im osteuropäischer Wortgebrauch meistens nationalen) Minderheiten, die sich traditionell als Gemeinschaften organisieren, haben zwei ganz verschiede Möglichkeiten in die Gesellschaften der Mehrheit sich zu eingliedern. Die erste ist die klassische Alternative der Assimilation französischer Art, welche die gesellschaftliche Integration als streng individuelles Ereignis konzipiert. Die zweite ist eine relativ neue, auf internationaler Ebene noch nicht genügend kodifizierte Lösung des harmonischen Zusammenlebens der Mehrheit und der Minderheit oder genauer: der verschiedenen Minderheiten einer Gesellschaft, welche die Individuen als Mitglieder verschiedener Gesellschaftsgruppen betrachtet und sich die Integration als Vereinigung verschiedener autonomer Kollektivitäten vorstellt. Diese Betrachtungsweise wird auch von der Tatsache bestätigt, dass im Vergleich mit der Totalität der Staatsbürger im Grunde genommen alle Gemeinschaften einer Gesellschaft Minderheiten sind. Die Mehrheit ist eine große, gelegentlich überwiegende, die Minderheiten sind kleinere, gelegentlich sehr kleine Minderheiten. Die Quantität der Gemeinschaften in eine rechtmäßige Qualität der zugehörigen Individuen zu verwandeln, ist sicherlich kein echt demokratisches Verfahren. (Dieses Verfahren gilt heute jedoch auch in den zwischenstaatlichen Beziehungen - siehe das Vetorecht der Grossen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - was in den zwischenindividuellen Beziehungen als recht empörend angesehen werden würde.)

Diese zwei Alternativen sind jedoch vereinbar, die eine schließt die andere nicht aus.

Die Identifikationsformen, weil hier letzten Endes darüber die Rede ist: es verändern sich sowohl die Kollektivitäten als auch die Individuen selbst in der Zeit stetig. Claude Dubar fixiert in seinem Buch Die Krise der Identitäten - auf Grund einer Typisierung von Max Weber - zwei geschichtliche Grundformen der Identifizierung: die gemeinschaftliche und die gesellschaftliche Identifikation (französisch: communitaire und societaire).

Die Vertreter des ersten Typs setzen den Glauben an die Existenz einiger Gruppen, "Gemeinschaften" (communauté) genannt, voraus, die als Systeme von Plätzen und von Namen betrachtet werden, die den Individuen vorgeschrieben und von Generation zu Generation unverändert weitergegebenen werden. Die Identitäten sind also zeitlose Grundeigenschaften des menschlichen Geistes.

Die Vertreter des zweiten Typs(1) begründen ihre Definitionen anhand der Existenz einiger vielfacher, sich verändernder, vergänglicher Kommunitäten, denen die Individuen sich nur für begrenzte Dauer anschließen; diese liefern den Mitgliedern eine Reihe von Identifikationsquellen, die von ihnen auf verschiedene Weise und provisorisch gebraucht wird. Dementsprechend ist die Identität ein wechselseitiges Spiel ständiger Differenzierung und Identifizierung. Die erste Komponente grenzt die Individualität von anderen Individualitäten (d. h. Alteritäten) ab. Die zweite stellt die gemeinsamen physischen, psychischen und geistlichen Eigenschaften der Individuen eines Kollektivs fest. Die Identitäten sind also verschiedene und mehr oder minder angemessene Antworten auf die geschichtlichen Herausforderungen des sich stets verändernden gesellschaftlichen Seins, und als solche entwickeln sie sich in der Zeit.

Diese zwei - im Grunde genommen essentialistischen und nominalistischen - Definitionen rivalisieren von Anfang des theoretischen Denkens an. Die Verwandlungen der Identität treten auf Grund eines stabilen kulturellen Unterbaus ein. In Bezug auf die Individuen ist auch dieser Unterbau veränderbar, aber der Versuch kann sich nur selten unmittelbar erfolgreich zeigen. In der ersten Generation erscheint der Versuch regelrecht erfolglos, oftmals sogar traumatisierend. Man braucht solide und möglichst im Kindesalter angeeignete Kultur- und Sprachkenntnisse, um diesen Identitätswechsel mit Erfolg durchzumachen. Natürlich gibt es auch bedeutende Ausnahmen. Aber nur sehr selten.

Im Allgemeinen sind diese Grundkategorien - als Webersche Idealtypen betrachtet - gut verwendbar.

Die Identität ist also eine sich verändernde gemeinsame Zugehörigkeit. Daher das wohl bekannte Paradoxon der Identität: das Unteilbare ist das Teilbare. Dieses Paradoxon ist nur im Fall lösbar, wenn wir die gemeinsamen Elemente der beiden Operationen, die Identifikation der Anderen und die Selbstidentifikation durch den Anderen, in Betracht ziehen. Es gibt keine Identität ohne Non-Identität, anders gesagt ohne Differenz. Und umgekehrt. Das gilt auch für den historischen Bereich. So wie die Alteritäten, ändern sich auch die Identitäten unter verschiedenen geschichtlichen Kontexten und Bedingungen.

Die Identifikationen sind also von zwei grundlegenden Typen: die Identitäten für sich (oder Identifikationen, die uns von anderen spontaner Weise auferlegt werden) und die Identitäten für die Anderen (oder Identifikationen, die wir den anderen vermitteln und von den anderen für uns - oft mittels verschiedener Formen des gesellschaftlichen Zwanges - auch beanspruchen). Diese zwei Grundtypen der Identifikation beeinflussen sich wechselseitig. In jeder Gemeinschaft, Gesellschaft, jedem Verein u.s.w. gibt es eine permanente, aber meist latente Debatte über diese Identifizierungen. Die Individuen und die Kollektive lassen sich immer auf scharfe Verhandlungen ein, bis die Identifikation für sich und die Identifikation für die anderen sich überlappen. Wenn diese Überlappung - aus unterschiedlichen Gründen - unmöglich ist, entstehen die so genannten Anomalien oder Krisen des Identitätsbewusstseins, die gewohnheitsgemäß durch kognitiven Dissonanzen (in der betroffenen Gesellschaft allgemein akzeptierte und als Wahrheit betrachtete Fantasieprodukte) aufgehoben werden.

Diese theoretischen Erwägungen haben auch in der Praxis des gesellschaftlichen Seins ernstzunehmende Konsequenzen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion und von Jugoslawien und in heutigen unerwarteten Spannungen zwischen einzelnen Minderheiten und Mehrheiten im Westen (von Zeit zu Zeit auch in den USA) ans Tageslicht kommen. Es sind alle Anzeichen dafür vorhanden, dass die französisch-amerikanische Variante, die nach der Französischen Revolution als die einzige Möglichkeit gesellschaftlicher Integration erschien(2), sich in den letzten Jahrzehnten (und in den letzten Ereignissen in Grosstädten Frankreichs) als falsch erwiesen hat. Für die Assimilation einer Person oder einer Gemeinschaft ist nämlich nicht nur das Aneignen der Sprache und der Sitten der Mehrheit nötig (was theoretisch in der zweiten oder dritten Generation wirklich eintritt), sondern auch die - sich auf die Minderheiten beziehenden - Werturteile (meistens krasse negative Vorurteile(3)). Das zeigt sich aber nur dann erfolgreich, wenn die Mitglieder der betreffenden Minderheiten in der Menge der Mehrheit praktisch spurlos verschwinden können. Wenn das unmöglich ist, wegen der Hautfarbe, der Religion, starker kulturellen Identitätsmerkmale (geschichtliche Erinnerungen, gemeinschaftliche Verfolgung u.s.w.), erweist sich die Assimilation als scheinbar, weil die Mitglieder der Mehrheit, die Mitglieder der Minderheit irgendwann und irgendwo sich identifizieren und sich auf Grund - tatsächlicher oder nur gewähnter - kollektiver Meinungen ächten können. Die innerlich in Mitglieder der Mehrheit verwandelten Individuen, die mit ihren Mitbürgern theoretisch gleichberechtigt sein müssten, nehmen das natürlich als äußerst empörend wahr.

Diese Behauptungen haben sich in letzter Zeit aus unsicheren theoretischen Vermutungen in feste wissenschaftliche Tatsachen verwandelt.

Die berühmte amerikanische Zeitschrift New Scientist hat im Sommer 2005 über ein wissenschaftliches Experiment berichtet(4). Die Wissenschaftler wollten mit hirnmedizinischen Methoden erkunden, welche Meinung die farbigen Minderheiten und die weiße Mehrheit voneinander haben. Beim jetzigen Stand der Medizin sei das nämlich realisierbar. Sympathien und Antipathien erscheinen in Form klarer Reize an bestimmten Plätzen des Gehirns, Amigdala genannt. Es genügt, den Versuchspersonen (Schwarzen und Weißen) Photografien von weißen- und schwarzen Personen zu zeigen, um die gegenseitigen Gefühle und Gesinnungen (in einer sehr überzeugender Form: von ihrem Selbstbewusstsein, theoretischen Überzeugungen, Schamgefühlen und von auf diesen begründeten Willensakten ganz unabhängig) zu testen.

Die Versuchspersonen produzierten überraschende Reaktionen. Es gibt nicht nur Weiße (die bewusst sehr gute Meinungen über die Schwarzen hatten), die bei Betrachtung eines schwarzen Gesichtes allergisch reagierten, sondern auch die Schwarzen reagierten selbst auf solche Gesichter heftig negativ.

Der Versuch lässt uns drei grundlegende Schlussfolgerungen ermitteln. Erstens: die Minderheiten eignen sich im Verlauf der sogenannten Assimilation tatsächlich die Werturteile und damit die Gefühlsdispositionen der Mehrheit an. Zweitens: Im Verlauf der Assimilation können die Werturteile nicht verschwinden, weil die Prozesse der Assimilation gar auf diese (meistens stark negativen) Werturteile begründet sind. Drittens: die sogenannte Assimilation möchte nur dann "funktional" sein, wenn die assimilierten Individuen in der Mehrheit ganz "spurlos" verschwinden können.

Es gibt auch eine vierte, etwa kompliziertere Schlussfolgerung: wie eben dargestellt, ist es nicht möglich die sogenannten Vorurteile abzuschaffen, wenn die Assimilation in Gang ist, weil die negativen Werturteile grundlegende Voraussetzungen der Assimilation als solche sind. Niemand wird seine Sprache, Kultur, Sitten, Gemeinschaft u.s.w. aufgeben, wenn diese von ihm nicht als minderwertiger als die der assimilierenden Mehrheit angesehen wird. Die negativen Werturteile (die sogenannten "Vorurteile") sind aufhebbar nur im Fall, wenn einerseits die Minderheiten als rechtmäßige und vollberechtigte Kollektive der Gesellschaften im Inneren eines Staates anerkannt werden, oder andererseits wenn die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gesellschaftsgruppen (inbegriffen auch die nationalen Minderheiten) rechtmäßig geregelt worden sind.

Das ist aber offensichtlich die zweite Alternative, die wir am Anfang dieses Beitrages erwähnt haben, die auf internationaler Ebene noch nicht genügend kodifizierte Lösung des harmonischen Zusammenlebens der Mehrheit und der Minderheiten. In diesem Fall werden die jeweiligen Werte, Interessen, Traditionen als gleichberechtigt (und auf die betreffenden Gemeinschaften beschränkt) betrachtet und die eigenen Interessen werden in rechtmäßig geregelten Form zur Geltung gebracht und d.h., der künstliche Unterschied zwischen den quantitativen und den qualitativen Werten wird aufgehoben(5). Qualität und Quantität hängen auch im gesellschaftlichen Leben eng zusammen, es ist unmöglich, sie als antagonistischen Gegensätze gegeneinander auszuspielen. Verhandlungen über die kulturellen Werte sind nicht unmöglicher als Verhandlungen über die aktuelle Geltung der verschiedenen politischen Werte. Noch mehr sind im politischen Wettkampf mit demokratischen Mitteln auch für alle Parteien befriedigende Entscheidungen möglich. Dazu ist nur die volle rechtliche Gleichheit der verschiedenen Gesellschaftsgruppen (inbegriffen die so genannten nationalen Minderheiten) nötig. Diese Alternative erwies sich in den letzten Jahrzehnten in mehreren europäischen Länder (Schweiz, Finnland, Spanien, Belgien, Italien, teilweise auch in Großbritannien u.s.w.) und auch amerikanischen Ländern (zum Beispiel Kanada) als funktionsfähig.

Das gilt auch für Rumänien. Jahrhunderte lang haben die ungarischen und rumänischen Intellektuellen verschiedene geschichtliche Theorien ausgearbeitet, durch die sie die Zugehörigkeit Transilvaniens (deutsch: Siebenbürgen), und dadurch das Recht auf Assimilierung für sich forderten(6). In diesem Wettkampf haben die Rumänen, dank ihren französischen "Verwandten", dem Weltkriegsausgang und anderen geschichtlichen Begebenheiten - den Sieg davongetragen. Das Land wurde 1918 in Trianon (ohne Plebiszit, nach einer sogenannten nationalen Versammlung) Rumänien angeschlossen. Die Ungarn aber verzichteten auf ihre Territorialansprüche bis zuletzt nicht. Das trug gewaltig zur Entfaltung von Nationalismen auf beiden Seiten bei.

Nach der antikommunistischen Revolution von 1989 wurde aber beiden Seiten klar, dass die internationale Gemeinschaft weder Irredentismus noch unverhohlene antiminoritäre Politik dulden wird.

Nach den blutigen ungarisch-rumänischen Auseinandersetzungen in Tirgu Mures, die von den Mitgliedern der provisorisch abgeschafften politischen Geheimpolizei organisiert waren, kann von keiner Art politischer Zusammenarbeit die Rede sein. Bei den ersten Wahlen nach 1989 haben die nationalistischen Parteien einen überwiegenden Sieg errungen. Im Parlament waren die antiminoritären (antiungarischen, antisemitischen, antizigeunerischen) Festreden an der Tagesordnung.

In der Opposition waren aber die rumänischen und ungarischen Politiker zur unvermeidlichen Zusammenarbeit "verurteilt". Bei den zweiten Wahlen stimmte schon entschieden die überwiegende Mehrheit der ungarischen Minderheit aus Rumänien für die Zusammenarbeit mit den rumänischen politischen Kräften. Auch die letzteren, insbesondere die wirklich demokratischen Kräfte des rumänischen politischen Lebens, fühlten sich bewogen mit der Demokratischen Union der Ungarn mitzuarbeiten. Sie brauchten ihre Wahlstimmen, aber noch mehr die Sympathien des Westens. Diese zwei Faktoren haben sie gezwungen, auch die fürchterlichen Risiken des sogenannten "nationalen Verrates" einzugehen. Diese Zwänge hatten ihre Einflüsse auch im DUU, die nationalistisch gesinnten Vertreter der Minderheit traten schrittweise zurück oder wurden (nicht immer mit demokratischen Mitteln) von ihren Kollegen zum Rücktritt gezwungen.

Die zweiten Wahlen wurden überraschenderweise von der sogenannten Demokratischen Konvention gewonnen, die an den Wahlen in Koalition mit der DUU teilnahmen. Diese erste Regierungszeit der DUU hat unzweideutig bewiesen, dass die ungarischen Politiker zuverlässige Koalitionspartner sind, die die allgemeinen rumänischen Nationalinteressen konsequent und im Innern und Äußern rational, ohne unkontrollierte Gefühlsduseleien vertreten. Die rumänischen Parteien aber hatten nicht den notwendigen Mut, um zumindest die wichtigsten Forderungen der ungarischen Minderheit (freie Verwendung der Muttersprache im öffentlichen Bereich, zweisprachige Aufschriften an Institutionen-, Ortschafts- und Straßenschildern, ungarische Universität u.s.w.) anzuerkennen und zu erfüllen. Die Koalition hat jedoch die nächsten Wahlen nicht wegen der rumänisch-ungarischen Zusammenarbeit, sondern wegen der Streitigkeiten zwischen den drei größeren rumänischen Koalitionspartnern, die zwei sogenannten historischen Parteien, die Nationale Bauerpartei, die National-liberale Partei und die neugegründete Demokratische Partei verloren.

Und dann kommt die größte Überraschung in der postrevolutionären Geschichte Rumäniens. Die nationalistisch gesinnte Partei der Sozialen Demokratie, die im Parlament genügend Plätze für eine selbstständige Regierung hatte, wählte als Koalitionspartner die DUU. Natürlich nur aus taktischen Gründen. Die Sozialen Demokraten, die mittlerweile Sozialdemokraten wurden, erfüllten aber aufgrund ihrer massiver politischer Unterstützung, die wichtigsten Forderungen der ungarischen Minderheit. Die Beziehungen zwischen Rumänien und Ungarn, wo eben eine konservative Partei regierte, sind besser als je zuvor geworden.

Die DUU nahm Teil an den letzten Wahlen (Ende 2004) in Koalition mit den Sozialdemokraten, mit denen viele von den Politikern der DUU in den Regierungsjahren auch enge persönliche ökonomische Beziehungen, gar Verflechtungen gestalteten. Die persönlichen Beziehungen der Letzteren, die von den Maximalisten der ungarischer Minderheit als Verräter gebrandmarkt worden waren, trugen zu den rumänischen Zugeständnissen kräftig bei.

Die parlamentarischen Wahlen wurden von den Sozialdemokraten gewonnen, die Präsidentenwahlen aber brachten eine unerwartete Überraschung. Der Kandidat der Opposition, Traian Băsescu, wurde der neue Präsident Rumäniens (nicht ohne einen wichtigen Beitrag der ungarischen Wähler, die mit den weniger nationalistischen Oppositionsparteien jedoch mehr sympathisierten als mit den Koalitionspartnern). Dieses Resultat veränderte radikal die inneren Kräfteverhältnisse. Die DUU wurde zum Zeiger der Waage. Und die Repräsentanten der ungarischen Minderheit entschieden sich für die demokratische Variante und verhalfen der Opposition an die Macht.

Die neue Koalition und der neue Ministerpräsident, Călin Popescu Tăriceanu, erwiesen sich in nationaler Hinsicht viel mutiger als ihre Vorgänger. In der neuen Regierung sind vier ungarische Minister, ein Vizeregierungssekretär und acht Staatsekretäre. Einer der drei Vizeministerpräsidenten (verantwortlich für die kulturellen Angelegenheiten des Landes) ist der Präsident der DUU, Markó Béla. In den zentralen Institutionen des Staates sind mit verschiedenen Verantwortungen noch dreißig Repräsentanten der DUU tätig.

Rumänien versucht also eine funktionsfähige Alternative für die Assimilation zu erarbeiten. Dieses System enthält noch viele archaische Elemente. Die Integration der Minderheit ist auch durch die Integration der Repräsentanten der DUU in die rumänischen politischen Elite genehmigt. Es gibt aber auch ganz zeitgemäße Modernisierungsversuche. Einer unter ihnen ist das Minderheitengesetz, das die Beziehungen zwischen Mehrheit und Minderheit reguliert. Das Gesetz enthält schon wichtige Komponenten einer kulturellen Autonomie. Seine Annahme stieß auf Hindernisse, es wird aber ohne Zweifel in nächster Zukunft verabschiedet. Seine Durchsetzung wird auch nicht leicht sein, besonders in den siebenbürgischen Gemeinden mit gemischter Bevölkerung, wo die ehemaligen Kommissare von Ceausescu noch mächtig sind, aber die Zukunft unzweideutig die Entspannung der gegenseitigen Beziehungen verspricht. Damit werden auch die Durchsetzungschancen wesentlich vergrößert. Und dann können auch die weiteren Bedingungen für die Anwendung der Rechte gewährleistet werden.

Wenn die Nationalisten das nicht verhindern können (in letzten Zeiten lassen sich leider nochmals solche Versuche beobachten), gibt es gute Aussichten, die unzeitgemäße Assimilation durch die zeitgemäßere Integration der ungarischen Minderheit - als Gemeinschaft und als gesellschaftliche Gruppe - in die rumänische politische Gesellschaft zu erreichen.

© Bíró Béla


ANMERKUNGEN

(1) Dubar, Claude: La crise des identités: L’interpretation d’une mutation, Presses Universitaires de France, Paris, 2000, Kymlicka, Will - Straehle: Cosmopolitanism, Nation-states and Minority Nationalism: A critical Rewiew of Recent Literature. European Journal of Philosophy , Vol. &. Number 1, April 1999, 65-88. p. Connor, W.: Nation-Building or Nation Destroying? World Politics, vol. 24, 319-355 p., Held, David: Democracy and the Global Order - From the Modern State to Cosmopolitan Governance. Polity Press, London, 1995.

(2) Das war damals nicht die einzige Möglichkeit. Nur die Jakobiner (die mit den Pariser Periferien spekulierten) strebten nationale Einheit ohne autonome Gesellschaftssegmente an, ihre Gegner die Girondisten haben ein föderalistisches Frankreich angestrebt. Obwohl man in der Vergangenheit nicht in Konjunktivformen Entwürfe machen kann, wäre zu denken, dass wenn die Girondisten die Macht weiter ausüben hätten können (d.h. die terroristische Natur der Jakobinerherrschaft sich zum richtigen Zeitpunkt enthüllt hätte) wäre heute die ganze Welt ganz anders. Siehe: Francoise Furet, Mona Ozouf: Dictinair critique de la Révolution Francaise, Flammarion, Paris, 1988, 87f.

(3) Ich spreche von negativen Vorurteilen, weil es auch positive Vorurteile gibt und diese auch falsch oder richtig sein können. Gadamer hat schon ohne Zweifel angemeldet, dass die Hypothese, alle Vorurteile seien falsch, ein falsches "Vorurteil" der Aufklärung sei. (Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode, Tübingen, 1975, 4. Auflage, S. 299-320.

(4) Die Nachricht wurde auch von den wichtigtsen Tages- und Wochenzeitungen veröffentlicht. (Siehe: Black and white, the reaction is the same. New Scientist, 24 Junie 2005). Meine unmittelbare Quelle: Marosán György: Kényes ügy (Peinliche Sache), Élet és irodalom, 22 Julie 2005, 9. Seite.

(5) Albert O. Hirschmann: Gesellschaft und Konflikt, [ Monatschrift ] 2000, November 1995, 15-21 Seite.

(6) Siebenbürgen ist mit seinem über 102 000 Quadratkilometern viel grösser als Rumänien von gestern und als Ungarn von heute. Die Bevölkerung des Landes bestand noch am Anfang des 20. Jahrhunderts (der Schweiz ähnlich) aus zwei Dritteln Rumänen, fast ein Drittel Ungarn und über fünf Prozent Deutschen, meistens Sachsen und Schwaben, die während Ceauscecus Diktatur nach Deutschland ausgewandert sind. Auch die ungarische Bevölkerung verminderte sich infolge Auswanderung, Assimilation und geringem Bevölkerungszuwachs stark. Die ungarische Gemeinschaft zählt heute ungefähr 1.700.000 Bürger.


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For quotation purposes:
Bíró Béla: Die Eingliederung der Elite der Demokratischen Union der Ungaren in die rumänische politische Gesellschaft. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/14_6/bela16.htm

Webmeister: Peter R. Horn     last change: 31.5.2006     INST