Nr. 18 Juni 2011 TRANS: Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften
Section | Sektion: Semantik, Diskurs und interkulturelle Kommunikation aus interdisziplinärer Perspektive
Zum Problem rhetorischer Mittel der Werbesprache
Lyubov Vetyugova (Staatliche Linguistische Universität Pjatigorsk, Russland) [BIO]
Email: velual@mail.ru
Konferenzdokumentation | Conference publication
Die Werbesprache ist seit Jahrzehnten ein Untersuchungsobjekt unterschiedlicher Disziplinen mit ebenso unterschiedlichen Interessen und Perspektiven. Innerhalb der Sprachwissenschaft hat man lexikalische, syntaktische und grammatische Strukturen der Werbesprache untersucht, um zu beschreiben, wie die Werbesprache funktioniert und wie sie sich von der Alltagssprache unterscheidet. Die Werbesprache bedient sich alltagssprachlicher Mittel. Sie bedient sich jedoch anderer Varietäten, wie z.B. Fachsprache, Jugendsprache oder anderer Gruppensprachen, um eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen.
Werbung hat in gewisser Weise etwas mit Überreden und Überzeugen zu tun. Deshalb liegt es nahe, dass die Rhetorik eine große Rolle in den Werbeslogans spielt.
Die Rhetorik ist die schon in der Antike entwickelte Lehre von der Redekunst. Die Regeln dieser vor allem bei den „alten Römern“ bis zur Perfektion entwickelten Technik formulierte vor allem Cicero, einer der bekanntesten „Oratoren“. Seiner Meinung nach hat der Redner vor allem drei Funktionen zu erfüllen: docere – belehren, movere — bewegen und delectare — erfreuen.
Ziel der Rede ist laut Cicero die persuasio, die Überredung bzw. Überzeugung der Zuhörer von der eigenen Sache. Um dieses Ziel zu erreichen, stehen dem Redner zahlreiche stilistische (rhetorische) Mittel zur Verfügung [3].
Die Aufteilung einer Anzeige ähnelt häufig der Dreiteilung der klassischen Rede: Sie beginnt mit einem Satz, der die Aufmerksamkeit des Empfängers auf sich ziehen und ihn zum Weiterlesen, -hören oder -sehen animieren soll, fährt fort mit der Produktreferenz oder -information und endet mit der wichtigsten Information – dem Namen des Produktes. Die Nennung des Namens geschieht meistens in Verbindung mit einem Slogan, der wiederum ein wichtiges Merkmal des Produktes rekapituliert und betont, oder sich affektiv an den potentiellen Käufer wendet. Auch die drei grundsätzlichen Funktionen der Rede finden sich in der Werbung – wie in der klassischen Rhetorik – wieder: Die Anzeige soll belehren, indem sie den Empfänger über das Produkt informiert, sie soll bewegen, indem sie an die Gefühle des Empfängers appelliert und ihn zum Erwerb anregt, und sie soll ergötzen, indem sie seine Sinne erfreut. Letzteres wird besonders deutlich, beachtet man die häufige Verwendung von Humor, Musik oder Bildern. Hier wie dort wird der Text gern mit rhetorischen Figuren und Tropen ausgeschmückt – das spricht an, weckt Interesse, bringt eventuell gar zum Lachen [2].
Da es sich ein Werber selten leisten kann, sein eigentliches Kernmotiv »Kauf mich!« direkt und offen auszusprechen, muss er Wege finden, mit Hilfe zeichenhafter Ausdrucks- und Darstellungsfunktionen die eigentlich intendierte Appellfunktion des Kommunikationsakts zu vermeiden. Anstatt des Kaufappells tritt dementsprechend die Darstellung eines Produktnutzens, die im weitesten Sinn auch das Versprechen einer Lebenswelt bergen kann, um den Rezipienten letztlich ohne direkte Aufforderung zur gewünschten Handlung zu bewegen – mit weitreichenden und interessanten Folgen für die verwendete Sprache.
Werbung kann also als eine Form der rhetorischen Kommunikation verstanden werden, die versucht, das Handeln oder die Meinung des Rezipienten zu beeinflussen.
Wie bereits bei den rezeptionsorientierten Stilmitteln wird im Bereich der Rhetorik versucht, durch die (sprachliche) Darstellung von attraktiven Lebenswelten und Lösungsversprechen Bedürfnisse beim Rezipienten zu wecken, indem ihm die Werbung seine eigene Lebenswelt defizitär erscheinen lässt. Die Textgestaltung in der Werbung muss allerdings die Vorgaben der Kürze und der schnellen Einprägsamkeit beachten, kann also die (meist erst zu weckende) Aufmerksamkeit des potentiellen Käufers nicht etwa mit Redemonologen strapazieren. Ihre Kennzeichen sind deshalb im besten Falle: Wirksamkeit, Sparsamkeit, Unmittelbarkeit, Originalität und Kreativität. Es gilt, in aller Kürze Situationen sprachlich (und bildlich) zu inszenieren, packende (emotionale, witzige) Geschichten zu erzählen. Hilfreich sind dabei vor allem Wort- oder Sprachspiele, die beim Rezipienten an bekanntes Wissen anknüpfen, ohne sich aber auf eine Bedeutung festzulegen. Scheinbare Widersprüche, Doppeldeutigkeiten, Lautmalereien erhöhen dabei den „Rezeptionsgenuss“. Ob sich damit allerdings auch Waren besser verkaufen lassen, ist die andere Frage.
Es ist allgemein zu beobachten, dass die Art und Weise, wie eine Idee oder eine Tatsache sprachlich dargestellt wird, einen Einfluss darauf hat, wie wir diese Idee begreifen. Worte prägen unser Leben. Die Welt der Werbung ist ein sehr gutes Beispiel für die Verwendung der Sprache zum Formen und Gestalten, zum Überreden und dafür, jemanden von etwas abzubringen. Worte können sehr einfache Produkte in solche glorifizieren, die „unerreicht“, „ultimativ“, „erstklassig“ und „die richtige Wahl“ sind.
Ein Ausländer in den USA bemerkte einmal, dass es in den Staaten keine „kleinen“ Eier gäbe, sondern nur „mittelgroße“, „große“, „extragroße“ und „Jumbo“. Euphemismen – oder „es zu sagen, wie es nicht ist“ – sind in der amerikanischen und in anderen Kulturen reichlich vorhanden, wo bestimmte Gedanken tabu sind oder bestimmte Wörter eine nicht wünschenswerte Konnotation haben.
Die persuasive (überredende) Funktion von Sprache spielt eine wesentliche Rolle in der Kommunikation und besonders in der Sprache der Werbung. Werbung benutzt dafür die Alltagssprache, aber mit einer höheren Konzentration rhetorischer Figuren. Deshalb sollten rhetorische Mittel spezielle Aufmerksamkeit bei der Analyse von Werbung erhalten.
Texte, in denen Elemente wie Alliteration, Parallelismus, Anapher, Ellipse oder ein Reim verwendet werden, prägen sich leichter ein als eine nüchterne Beschreibung. Durch einen Superlativ wird das eigene Produkt gegenüber der Konkurrenz hervorgehoben. Eine Personifikation sorgt dafür, dass ein kompliziertes technisches Produkt (z.B. ein Auto) menschlich und sympathisch erscheint. Ähnlich funktionieren Agens-Formen wie der Klarspüler.
Zu den rhetorischen Figuren gehören unter anderem:
- Anastrophe (ungewöhnliche Wortstellung): Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen. Für alles andere gibt es MasterCard.
- Ein weiteres rhetorisches Mittel, das in der Werbung eine zentraleRolle spielt, ist die Wiederholung. Das können Wiederholungen gleicher Elemente (Epipher) sein: (Automobil pur – Emotion pur) oderWiederholungen ähnlicher Elemente (Klimax): (Gut. Besser. Paulaner).
- Antithese, d.h. Kombination von Gegensätzen: So groß kann klein sein. (VW Polo).
- Ellipse, d.h. Auslassung, indem man z.B. Punkte setzt, um Raum für Vermutungen zu geben. Wie unser Kraftstoff: langweilig, aber kaum zu verbessern. (JET)
- Appelfiguren, wie Apostrophe (direkte Anrede eines spezifischen Publikums / Adressaten): Zeigen Sie Ihren Kindern die Gesichter der Welt.
- Litotes. Darunter wird Steigerung des Gemeinten durch die Negation des Gegenteils (verneinter Gegenbegriff); häufig untertreibende Ausdrucksweise (Understatement): statt Superlativ oder Elativ wird Verneinung des Gegenteils benutzt; auch als doppelte Verneinung gemeint. Nichts ist unmöglich (Toyota)
- Alliteration – der Stabreim: wenn Wörter mit gleichen Anfangsbuchstaben innerhalb eines Satzes aneinander gereiht werden: Milch macht müde Männer munter.
- Anapher – ein Wort wird bestimmten, aufeinanderfolgenden Wortgruppen vorangestellt: Viel Platz, viel Sicherheit, viel Spaß im VW Golf.
- Anspielung auf bekannte Redensarten, auf bekannte Werbespots, auf bekannte Filmszenen: Er (der Bart) sprießt nicht nur zur Weihnachtszeit. (Weihnachtsanzeige von Remington für Rasierapparate).
- Paradoxon ist die Aussage, die überspitzt das Gegenteil einer allgemein verbreiteten Meinung beinhaltet: Einer unserer Mechaniker arbeitet so langsam, dass wir ihn wahrscheinlich befördern werden. (Werbung der AVIS Autovermietung)
- Tropen, wie Personifikation: Coke deckt den Tisch. Belinda macht Beine.
Werbung sieht vor, immer nur die gute Seite des Produktes zu beschreiben. Menschen wollen nämlich meistens nur das sehen, was das Produkt verspricht zu können, und nicht, was es wirklich kann. Was die Menschen von der Werbung letztendlich überzeugt, ist Sonnenschein, Jugend, Schönheit, Gesundheit, Glück und Erfolg. Aus diesem Grund ist die Werbebranche sehr bemüht, Negatives mit Hilfe von positiven Umschreibungen darzustellen. Hierzu hilft das rhetorische Mittel Euphemismus, die sogenannte Beschönigung. So wird beispielsweise von lang zu erhaltener Gesundheit anstatt von Krankheit gesprochen; oder statt von Alter von lang währender Jugend.
Oft werden Anzeigenwerbungen durch rhetorische Fragen eingeleitet. Dies sind Fragen, auf die keine genaue Antwort erwartet wird. Sie ist vielmehr ein Anruf an den Zuhörer. Die Frage ist mehrfach eine Art Einleitung, von der aus in weiteren Stufen zur Darstellung der eigentlichen Ware hingeleitet wird. In der Werbung wird dieses Mittel dazu benutzt, um das Interesse des Lesers zu wecken und ihn in der Hinsicht zu manipulieren, als dass er sich persönlich angesprochen fühlt und die Werbung nicht als solches identifiziert und registriert. Campari. Was sonst?
Alle diese Figuren sind in der Werbung nachgewiesen worden; die häufigsten sind jedoch: Wiederholung, Aufforderung, rhetorische Frage, Antithese, Euphemismus, Personifikation, Wortspiele (die humoristische Verwendung eines Wortes in solcher Weise, dass es verschiedene Bedeutungen suggeriert oder von Wörtern, die denselben Klang, aber unterschiedliche Bedeutung haben) und Negation. Wortspiele haben komische, witzige, überall persuasive Wirkung auf den Rezipienten. In den Wortspielen wird bald die sprachliche Form verändert, bald werden überraschende oder normwidrige Elemente kombiniert mit dem Ziel, Aufmerksamkeit des Rezipienten zu erregen. Wortspiele sind im Allgemeinen gekennzeichnet durch die gleichzeitige Aktualisierung mehrerer Bedeutungsvarianten einer Ausdrucksform; diese Wortspiele sind Mehrdeutigkeiten. Solche Mehrdeutigkeiten beruhen auf den sprachlichen Phänomenen von Plurivalenz, Homonymie, Homophonie und dem Nebeneinander von wörtlicher und übertragener (beziehungsweise figurativer/nicht-figurativer) Bedeutung.
Zum Beispiel, Spiel durch Lautverschriftung: “Schnpfn. Huustn. Heisakeit.“ (Ratiofarm); Spiel mit rhetorischen Satzfiguren wie Chiasmus und Parallelismus „Genial einfach. Einfach genial.“ (Bosch); Sonderfälle, die durch die anderen Verfahren nicht abgedeckt sind, z.B. Spiel mit Antithesen/Antonymien „Traditionell innovativ.“ (Slogan für Becker Autoradio).
Die Analyse der Reklamekommunikation setzt grundsätzlich voraus, sich mit den ikonografischen Codes, den Codes des Geschmacks und der Sensibilität, mit den rhetorischen Codes – folglich auch den rhetorisch visuellen Figuren, Prämissen und Argumenten – mit den stilistischen und mit den eventuellen Codes des Unbewussten zu beschäftigen.
Die Technik der Werbung scheint auf der These zu basieren, dass eine Anzeige größere Aufmerksamkeit hervorruft, je mehr sie die erworbenen Kommunikationsnormen verletzt und damit ein System von rhetorischen Erwartungen umstößt. Die entgegengesetzte Entsprechung dazu stellt eine Reklamekommunikation dar, die auf der erwarteten Präsentation von Geschmacksarchetypen basiert, die genau vorhersehbare Erwartungen er- oder besser übererfüllt.
Literatur:
- Die Kunst der Verführung. Vom Reden zum Überreden.– http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sk/SS99/werbung99/rhetorik.html
- Mommert, U. Rhetorik und Werbung. – http://www.angelfire.com/oz/mommert/textdt2.html
- AIDA: die Rhetorik der Werbung: Das Prinzip, Menschen mit passenden Argumenten zu überzeugen http://rhetorik.suite101.de/article.cfm/aida_die_rhetorik_der_werbung#ixzz16IQNqes2


Inhalt | Table of Contents Nr. 18
For quotation purposes:
Lyubov Vetyugova: Zum Problem rhetorischer Mittel der Werbesprache –
In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 18/2011.
WWW: http://www.inst.at/trans/18Nr/II-13/vetyugova.htm
Webmeister: Gerald Mach last change: 2011-07-07