Lucia Perrone Capano
(Universität Foggia)
lucia.perronecapano@unifg.it
Abstract
Der Beitrag analysiert das Verhältnis Ernst Tollers zur Revolution 1918/19, wie es der Autor selbst in seinem autobiographischen Bericht: „Eine Jugend in Deutschland“ offenbart. Toller, dessen politische und revolutionäre Tätigkeit eng mit seiner künstlerischen verbunden ist und den Zusammenhang zwischen Schreiben, Politik und Leben stark zum Ausdruck bringt, wird hier zu einer Figur in Aktion, die an den Ereignissen der Revolution teilnimmt, zu einem der Hauptvertreter der Bayerischen Republik und infolgedessen verfolgt und inhaftiert wird. Gleichzeitig will das Buch den autobiographischen Bereich transzendieren, indem es einen größeren Erinnerungsraum eröffnet, der die Bewegungen der Geschichte einbezieht; es lässt die Ängste, Misserfolge, Fehler bei der Teilnahme an der Revolution lebendig werden, schont den Protagonisten und seine Weggefährten nicht, sondern hält immer die ideale Spannung hoch.
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Revolution und Freiheit
Mit den Revolutionen beschäftigen sich eingehend die Historiker, die ihre Ursachen, Verläufe und Auswirkungen, Kontexte und Bedeutungen analysieren. So hat die historische Forschung zur Revolution 1918/19, von der in diesem Beitrag die Rede ist, mit einem Streitthema zu tun1, wobei die widersprüchliche Signatur der Epoche auch zum Ausgangspunkt eines regen historischen Fragens geworden ist. Die Literaturwissenschaft beschränkt sich hingegen meistens auf die Beziehung einzelner Autoren zur Revolution oder auf die Resonanz und Behandlung des Themas in literarischen Texten. Es gibt aber Schriftsteller wie Ernst Toller (1893-1939), dessen politische und revolutionäre Tätigkeit eng mit seiner künstlerischen verbunden ist und den Zusammenhang zwischen Schreiben, Politik und Leben stark zum Ausdruck bringt. »Was ich tue, tue ich nicht aus Not allein, nicht aus Leid am häßlichen Alltagsgeschehen allein, nicht aus Empörung über politische und wirtschaftliche Ordnung allein; das alles sind Gründe, aber nicht die einzigen. Aus meiner – ich kann es heute sagen, denn ich empfinde sie als beglückend – lebendigen Fülle heraus kämpfe ich […] Ich will das Lebendige durchdringen, in welcher Gestalt es sich auch immer zeigt« 2, schrieb er 1917 an Gustav Landauer, den Grenzintellektuellen, der immer darauf bedacht war, Politik und Kultur zu verbinden und dessen Idee vom freien Zusammenleben in Bünden Toller stark beeinflusst hatte.
Um das Verhältnis Tollers zur Revolution 1918/19 – wie es der Autor selbst in seinem autobiographischen Buch Eine Jugend in Deutschland3 offenbart, in dem übrigens auch der obengenannte Brief an Landauer erwähnt wird (JD, 89) – besser zu beleuchten, werde ich zuerst auf Hannah Arendts Studie zum politischen Phänomen der Revolution4, die 1963 auf Englisch mit dem Titel On Revolution erschien5, Bezug nehmen, um einige Begriffe und Problemfelder jenseits der historischen Kontingenzen zu durchdringen. Wie man im Text der berühmten politischen Theoretikerin und scharfen Beobachterin ihrer Epoche lesen kann, ist die Revolution ein Versuch der Errichtung eines politischen Raumes öffentlicher Freiheit, in dem die Menschen als gleiche und freie Bürger ihre gemeinsamen Angelegenheiten in die eigene Hand nehmen. Die Revolution wird hier als die »Errichtung der Freiheit bzw. die Konstituierung eines öffentlichen Raumes, in dem sie in Erscheinung treten kann«6, erläutert. Für Arendt ist die Revolution legitim und gehört zur Politik, oder besser gesagt, sie kann so genannt werden, weil ihr Handeln auf die Gründung der Freiheit7 abzielt, d.h. auf die Produktion politischer Organe, die den Raum garantieren, in dem sich Freiheit manifestieren kann, und sie scheitert, wenn sie dazu gebracht wird, von diesem Weg abzuweichen. Daraus ergibt sich das Scheitern sowohl der französischen als auch der russischen Revolution: Beide wurden gezwungen, ihren Kurs zu unterbrechen und in Richtung Absolutismus abzuweichen, was einen Prozess der Selbstzerstörung in Gang setzte, der unkontrollierbar war. Die öffentliche Freiheit zu erlangen, den politischen Raum zu gewinnen, in dem sie nur stattfinden kann, wäre daher das eigentliche Ziel der Revolution. Deshalb wird das Handeln der Revolutionsräte für Arendt wichtig. Es zählt nicht so sehr das politische Programm der Räte, die für sie eine grundlegende Funktion erfüllen, sondern gerade die Tatsache, dass es die Räte gibt, d.h. „in populo“, wo sich alle „potestas“ befindet, das eindeutige Bedürfnis entsteht, an der Regierung teilzunehmen, und zwar völlig spontan. Diese Verbindung zwischen Revolution und Freiheit und der Öffnung eines Raums der öffentlichen Freiheit scheint mir aufschlussreich für das Verständnis des Handelns und Schreibens des revolutionären Dichters Ernst Toller zu sein, der seine Autobiographie zu einer Form des politischen Diskurses und die Literatur zum revolutionärem Akt macht, aber sie gleichzeitig mit existenziellem Ernst bewusst inszeniert, und aus der Ferne neu reflektiert.
2. Eine Jugend in Deutschland
2.1.Die Revolution nach dem Krieg
Der Autor Ernst Toller tritt mit dem mächtigen Auf- und Umbruch des deutschen Expressionismus hervor, »eines noch nicht ganz gelösten Knoten, eines Gebiets, das mit Aufmerksamkeit neu erforscht werden muss [….]«8, mit den Worten von Paolo Chiarini. Das Pathos, das seine revolutionäre und expressionistische Aktion belebt, kennzeichnet auch die kurze aber intensive Karriere des Dichters als aktiver Politiker bis an die Spitze der bayerischen Räterepublik. Geboren 1893 als jüngster Sohn einer jüdisch-deutschen Kaufmannsfamilie in Samotschin, dem damaligen preußischen Gebiet, wurde er als Student in Grenoble 1914 vom Krieg überrascht, kehrte abenteuerlich nach Deutschland zurück und eilte, wie zahlreiche Schriftsteller und Intellektuelle, im August 1914 zum Einwohnermeldeamt für Kriegsfreiwillige. Aber aus dem tödlichen Feuer der Westfront kommt er, wie viele andere, die sich mit Begeisterung eingesetzt hatten, als überzeugter Pazifist heraus, der die Kriegs- und Revolutionserlebnisse in eine politisch-ethische Sendungsabsicht transformiert.
Trotz seiner Skrupel gegen den Einsatz von Gewalt wird er 1918 eine der führenden Persönlichkeiten der kurzlebigen Bayerischen Räterepublik und im Jahre 1919 zu fünf Jahren Haft (von Juli 1919 bis Juli 1924) verurteilt. Mit seinen Dramen Die Wandlung, Masse Mensch, Die Maschinenstürmer, Hinkelmann und Hoppla wir leben avancierte er zu einem der erfolgreichsten Dramatiker deutscher Sprache, wurde aber 1933 einer der ersten Exilanten, der über die Schweiz, Frankreich und England nach Amerika floh. Am Ende konnte er selbst im Exil keine Zuflucht finden. Lange von Depressionen geplagt, nahm er sich im Mai 1939 in einem Hotel in New York das Leben.
Von allen literarischen Werken Tollers soll seine Autobiographie, so Walter Hinck, der seinen Autor Der Utopist an den Fronten der Wirklichkeit nennt, »die größte Aussicht zu überdauern«9 haben. Keines seiner Werke sei ehrlicher und poetisch kraftvoller als dieses 1933 beim Amsterdamer QueridoVerlag veröffentlichte Buch, das damals eine Auflage von sechstausend verkauften Exemplaren erreichte. Hier, im ersten Kapitel, Kindheit, gesteht der Autor: »Wir Jungen wünschen den Krieg herbei, der Friede ist eine faule und der Krieg eine große Zeit, sagen die Professoren, wir sehnen uns nach Abenteuern […]« (JD, 37). Wie gesagt, meldet sich Toller freiwillig, aber bei seiner Rekonstruktion dieser mitreißenden Atmosphäre betont er bereits am Anfang ironisch, wie plötzlich und aufgebaut jener Gemeinschaftssinn war, der allen das Gefühl der Zusammengehörigkeit gab: »Der Kaiser kennt keine Parteien mehr, hier steht es schwarz auf weiß, das Land hat keine Rassen mehr, alle sprechen eine Sprache, alle verteidigen eine Mutter, Deutschland« (JD, 53).
Eine Jugend in Deutschland ist die im Rückblick hellsichtige Rekonstruktion, untermalt z. T. von einer subtilen und verfremdenden Ironie, all dieser Ereignisse, der Aufregung um den Krieg, die sich bald in Ablehnung verwandelt, des Abenteuers eines jungen Mannes, der zum Revolutionär wird und seine Militanz mit dem Gefängnis bezahlt. Vom Kriegsrausch wird Toller zu einem radikalen Pazifismus übergehen, der aus den Schrecken und der Absurdität des Krieges selbst entsteht. Er kämpfte in Frankreich, im Priesterwald und bei Verdun, erhielt Anerkennung für seine Kriegsanstrengungen, wurde verwundet und aus der Armee entlassen. Seine Militanz wird sich an einer anderen Front fortsetzen, nämlich an der der Politik und der Revolution durch Gefangenschaft bis ins Exil, wo er 1933 – »Am Tag der Verbrennung meiner Bücher in Deutschland« (JD, 12), wie wir am Ende der Einführung lesen – beim Verlag Querido in Amsterdam seine Geschichte veröffentlicht10.
In diesem Buch, also einige Jahre nach dem Ende des Konflikts und auch der revolutionären und republikanischen Erfahrung geschrieben, stellt der Autor zunächst die Ereignisse vor, in denen er sich plötzlich als Feind auf der anderen Seite die Franzosen wiederfindet, die kurz zuvor seine Gefährten in Frankreich, in Grenoble, gewesen waren. Der Krieg entpuppt sich bald als nichts anderes als eine Verleugnung der Propaganda und der bombastischen offiziellen Rhetorik. Wie Antonella Gargano treffend feststellt, verwandelt sich der Schrei der Begeisterung sehr schnell in Schweigen11. Gerade durch die Entmenschlichung der Kriegserfahrung entsteht die plötzliche Wahrnehmung eines neuen Bedürfnisses nach Menschheitsverbrüderung. Für die Zivilbevölkerung, die infolge des Kriegs ihr Zuhause verliert, wird sich ein Gefühl der Empathie entwickeln, für den Soldaten, der die schrecklichsten Schmerzen erleidet, unabhängig von seiner Nationalität. Die Front, der Graben, wird zum Prüfstand für viele, die sich wie Toller den Krieg als regenerative Kraft gewünscht hatten. Sein Menschheitspathos findet hier einen intensiven Ausdruck mit einer biblisch gefärbten Bildsprache12, die man auch an anderen Stellen finden wird, wobei die Nähe des Todes das Lebensgefühl intensiviert: »Und plötzlich, als teile sich die Finsternis vom Licht, das Wort vom Sinn, erfasse ich die einfache Wahrheit Mensch, die ich vergessen hatte, die vergraben und verschüttet lag, die Gemeinsamkeit, das Eine und Einende. Ein toter Mensch. Nicht: ein toter Franzose. Nicht: ein toter Deutscher. Ein toter Mensch. Alle diese Toten sind Menschen […]« (JD, 74).
Dieser Kraftstrom, der Zustand der kollektiven Besessenheit, die die jungen Menschen in die Ekstase des Kriegsabenteuers gezogen hatte, wird nun zur Bruderschaft der von Zerstückelung, Sinnlosigkeit und endlosem Schmerz bedrohten Menschen, zum revolutionären Prinzip der verbrüdernden Einfühlung. In den unterschiedlichen Situationen scheint hier auch ein lebenswichtiger Handlungsimpuls des Autors, der sich als »Gefäß« fühlt, in dem »schöpferische Lebenskräfte wirken«13 (wie in dem eingangs zitierten Brief an Landauer), im Spiel zu sein, geladen mit einer starken emotionalen Spannung14. Antiepisch und leidend, präsentiert sich das Buch als authentische und unmittelbare Chronik der Erfahrungen einer Generation, die durch den Krieg irreparabel geschädigt wurde, und als einer der interessantesten literarischen Berichte über das Leben eines jungen deutschen Juden, der an der Schwelle des 20. Jahrhunderts geboren wurde15 und bereits in der Kindheit Spannungen und Ausgrenzungen erlebt, von Deutschen und Polen abgelehnt.
Was 1933 geschah, lässt sich jedoch nach Toller verstehen, wenn man über das, was unmittelbar nach dem Krieg geschah, nachdenkt, wie er im letzten Kapitel mit dem Titel Blick heute betont: »Wer den Zusammenbruch von 1933 begreifen will, muss die Ereignisse der Jahre 1918 und 1919 in Deutschland kennen, von denen ich hier erzähle« (JD, 252). Von hier aus, aus den Jahren der Revolution 1918/19, lädt der Autor ein, seine Autobiografie als Darstellung der Erfahrung und des Lebens in einigen entscheidenden Momenten der deutschen Geschichte zu lesen. Natürlich werden hier individuelle Erfahrungen (re)konstruiert, in einen spezifischen historischen Kontext eingebunden, ohne jedoch völlig nachweisbar zu sein. Ein solches Schreiben ist aber in der Lage, frei von der Verpflichtung zu empirischer Beweisbarkeit16, die von der Geschichtsforschung offengelassenen Sachverhalte zu erörtern und zur Diskussion zu stellen. In der Einleitung erklärt Toller dabei, dass das Buch den exemplarischen und gültigen Charakter für eine Generation und ein Stück Geschichte dieser Zeit ausdrücken will. Und das Motiv Jugend ist, wie schon im Titel erkennbar, der rote Faden im Text eines Autors, der sich sehr für dieses Thema interessierte17, das nicht neu ist, das in gewisser Weise auch mit den Motiven verbunden ist, die die Jugendbewegungen des ausgehenden Jahrhunderts belebt haben, aber das Toller auf sehr subjektive Weise entwickelt und ihm, ausgehend von seiner Erfahrung, eine starke ethisch-politische Dimension verleiht.
Die Autobiographie richtet sich nicht nur an das „Ich“, das schreibt, sondern stellt das Schicksal einer Generation junger Menschen dar. In Anlehnung an die Worte von Karoline von Günderode argumentiert der Autor, dass »alle Momente […] immer den einen bestimmen und begreiflich machen [müssen], insbesondere in einem Buch, das wie dieses den öffentlich wirkenden Menschen zeichnet« (JD, 9). Es ist die Beschreibung einer Jugend, die nicht resigniert, in einem Text, der den autobiographischen Bereich transzendieren will, indem er einen größeren Erinnerungsraum eröffnet, der die Bewegungen der Geschichte einbezieht und die Phasen genau umreißt, die dann zum Aufstieg des Nationalsozialismus führen werden. Aber selbst wenn der Autor auf der historischen Wahrheit dessen besteht, was er erzählt, verwendet er narrative Strategien, Konstruktionsweisen, die sich zwischen Authentizität und Erzählung bewegen, Tatsachenbezogenheit und fiktiver Ausarbeitung, macht sich zu einer Figur in Aktion, die an der deutschen Revolution von 1918 und an ihren Kämpfen teilnimmt. In einer literarischen Form werden so Kristallisationspunkte der Geschichte dokumentarisch-fiktional beschrieben und aus einer präzisen Perspektive ausgeleuchtet.
2.2.Politisches Engagement
In seinen Memoiren fasst Toller die Vorgänge mit Klarheit zusammen, hellt sie mit einer scharfen Kritik an den Ereignissen, an den Beteiligten und an sich selbst auf. Der schnelle Rhythmus dieser Prosa wird gleichzeitig von der langatmigen Vision desjenigen begleitet, der die Geschichte im Rückblick und aus der Ferne erzählt, also nicht direkt unter der emotionalen Welle des revolutionären Pathos, das trotzdem einige Momente konnotiert. Tollers Pathos gegenüber der Menschheit, weit über das Ende des Ersten Weltkriegs hinaus, zeugt von der Erfahrung eines elementaren Schreckens, in dem sich Menschen als Menschen treffen, nicht als Angehörige von Rassen und Nationen.
Die schnelle politische Karriere beginnt unerwartet mit der Ernennung am 7. November 1918 zum zweiten Vorsitzenden vom Zentralrat der Bayerischen Arbeiter, Bauern und Soldaten (JD, 121-122) und nach Eisners Ermordung (JD, 125) zum Vorsitzenden des Zentralrats (JD, 135) selbst. Wie Georg Köglmeier anmerkt, handelt es sich um die Politikerkarriere von einem sehr jungen Mann, der diese Posten nicht gesucht hatte: »Toller war kein Arbeiter, stand aber mit an der Spitze des Arbeiterrats, er war erst seit dem Januarstreit Sozialist, wurde aber zum Vorsitzenden der USP gewählt, er hatte keine politische Erfahrung, stieg dennoch zum Zentralratsvorsitzenden der 1. Räterepublik und damit zum ‚Staatsoberhaupt‘«18auf. Eine Erklärung dafür liefert nach Köglmeier Ernst Niekischs spätere Charakterisierung des politischen Dichters Ernst Toller, die gerade die Eigenschaften hervorhebt, die Tollers einfühlende politische Handlungen kennzeichnen: »Er war ein Mann des Gefühls, nicht der kalten Berechnung, der Phantasie, nicht des nüchternen Tatsachensinns«19. Sehr skeptisch aber klingen die diesbezüglichen Bemerkungen in der Autobiographie: »[…] die Generäle herrschen wie früher, die Minister entstammen der alten Machtkaste, die Rechtssozialisten Scheidemann und Bauer Staatssekretäre, Exzellenzen […]. Nur an den Frieden denkt das Volk, es hat allzu lange an den Krieg gedacht […] Wollte es denn eine Revolution? … Es wollte Frieden. Kampflos ist ihm die Macht zugefallen. Wird es lernen, die Macht zu bewahren?« (JD, 116-117, 118). Wie konnte man unter diesen Umständen den revolutionären Willen aufrechterhalten, der, wie Toller richtig anmerkt, an die „Macht” eng gebunden ist? Stattdessen verzichtet der Kongress der Reichsräte, der vom 16. bis 21. Dezember in Berlin stattfand, freiwillig auf die Macht. Aufschlussreich wird es auch hier, den Begriff Macht in der von Arendt vorgeschlagenen Interpretation näher zu betrachten, da die Philosophin zwischen Macht und Gewalt unterscheidet und die Notwendigkeit der Macht unterstreicht, damit sich die Sphäre der Politik durchsetzen kann. Im Sinne von Miteinander-Handeln stellt Macht das zentrale Konzept Arendts politischer Theorie dar, während Gewalt als ein im Grunde apolitisches Phänomen betrachtet wird: »Wo die Gewalt in die Politik selbst eindringt, ist es um die Politik geschehen«20, schreibt sie. Politik wird in der Tat im Wesentlichen als die Tätigkeit gesehen, die den Raum für die konkrete Ausübung der Freiheit in all ihren Formen der Umsetzung bewahrt, pflegt und garantiert, ohne zu Gewalt zu greifen. Macht steht also nicht im Gegensatz zur Freiheit, da sie nicht das Vorrecht einer Person oder einer Institution ist, sondern etwas, was zwischen Menschen entsteht, wenn sie zusammen handeln. Macht ist hier kein Befehl von oben, sondern eine von unten erzeugte Aktivität, etwas, das Menschen durch gemeinsames Handeln hervorbringen. Im Gegensatz zu Macht zeichne sich Gewalt durch einen instrumentellen Charakter aus. Jeder Machtverlust kann zu Gewalt führen, »[…] und sei es nur, weil Machthaber […] der Versuchung sie durch Gewalt zu ersetzen nur sehr selten in der Geschichte haben widerstehen können«21. Wir stehen vor einem Gedanken, der die Politik auf Elementen gründet, die sich stark von jeder früheren Tradition unterscheiden, und bekräftigt, dass die Natur der Politik nur verstanden werden kann, wenn man sie in Beziehung zur konkreten Pluralität der Menschen setzt, mit ihrer Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen, mit den Worten und Handlungen, die etwas Neues in der Welt erscheinen lassen. Es ist eben das, womit Toller dramatisch und schmerzhaft konfrontiert wird, indem er diesen Konflikt und diesen vielleicht nicht wieder gutzumachenden Widerspruch auf den Punkt bringt und ikastisch ausdrückt: »Der deutsche Rätekongress verzichtet freiwillig auf die Macht, das unverhoffte Geschenk der Revolution, die Räte danken ab, sie überlassen das Schicksal der Republik dem Zufallsergebnis fragwürdiger Wahlen des unaufgeklärten Volks. […] Die Republik hat sich selbst das Todesurteil gesprochen« (JD, 122).
In München gibt es zwei Versuche, die Räterepublik zu behaupten, dann die militärische Niederlage22. Das gibt Toller zu: »Wir sind gescheitert, alle. Alle begingen Fehler, alle trifft Schuld, alle waren unzulänglich. Die Kommunisten ebenso wie die Unabhängigen. Unser Einsatz war vergebens, die Opfer nutzlos, die Arbeiter vertrauten uns, wie können wir uns jetzt vor ihnen verantworten?« (JD, 167). Im Rückblick, auch in den Briefen, versucht er zu analysieren, was passiert ist und was allen Revolutionen gemeinsam ist: »Immer wurde der aktive Flügel isoliert und niedergeworfen von jenen, die ihre revolutionären Talente am Sonntag in Festartikeln manifestieren, die sich aber am Alltag verbünden mit der Klasse, die sie zu bekämpfen vorgeben«23.
Die Fragen, die sich selbst und allen seinen Gesprächspartnern und Lesern gestellt werden, die häufige Verwendung des Präsens, die kurzen Sätze, die einen „effet de réel“ erzeugen24, haben den Ton des Appells, der auch für zukünftige Epochen wie eine deutliche Warnung klingen muss. Der Autor bringt den erlebten Moment immer auf den neuesten Stand, lässt die Ängste, Misserfolge, persönliche Fehler bei der Teilnahme an der Revolution lebendig werden, schont seine Weggefährten nicht, sondern hält immer die ideale Spannung hoch.
Dabei versucht der Text, die Formen des Pathos, die mit den dramatischen Ereignissen verbunden sind, unter Kontrolle zu halten, ist in unterbrochene Momente, Miniaturgeschichten strukturiert. Als Beispiel für die Stilisierung und Dramatisierung revolutionärer Ereignisse genannt, die Tollers Opferrolle eine messianische Perspektive geben will25, ist eine Passage aus dem zwölften Kapitel Flucht und Verhaftung, wo man Anklänge an die biblische Szene der Gefangennahme Jesu erkennen kann. Der Gefangene versucht hier in Anlehnung an Johannes, der Jesus zitiert (»Ich habe euch doch gesagt, dass ich es bin. Wenn ich der bin, den ihr sucht, dann lasst die anderen hier gehen«, Joh. 18, 8)26, seine Gefährten bis zum Ende zu schützen:
Ich stoße die Tür auf, ich sehe Kriminalkommissare und Soldaten. – Sie suchen Toller, ich bin’s. – Hände hoch! schreit ein Soldat. Die Kriminalkommissare schauen mich scharf an, sie erkennen mich nicht. Ein Soldat fällt auf die Knie, richtet mit quellenden Augäpfeln das Gewehr auf mich, entsichert und hält die zitternden Finger am Abzug. – Sie sind …? – Ja, ich bin Toller. Ich werde nicht fliehen. Wenn ich jetzt erschossen werde, wurde ich nicht auf der Flucht erschossen. Sie alle sind meine Zeugen. Die Kriminalbeamten stürzen sich auf mich und fesseln meine Hände mit Handschellen. – Meine Herren, soll ich im Hemd mit Ihnen zur Polizei gehen? Man löst meine Fesseln, ich darf mich anziehen. Wie ich an meinen Gastfreunden vorbeigeführt werde, sage ich, um sie vor Verhaftung zu schützen: – Diese Menschen wussten nicht, wer ich bin (JD, 183).
Auch andere biblisch vorgefertigte Figuren sind erkennbar: in den Spitzeln, die versuchen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, in der Gestalt des Verräters, der Jesus verkauft hat, in den ungerechten und partiellen Richtern und in einer Frau, die in die Kirche geht: »In der Luitpoldstraße schlägt die Uhr fünf, eine alte Frau trippelt zur Morgenmesse, an der Kirchentür wendet sie sich um und erblickt mich. – Habt Ihr ihn? schreit sie, sie senkt den Blick zu Boden, lässt betend den Rosenkranz durch die Finger gleiten, dann, an der geöffneten Kirchentür, kreischt der zerknitterte Mund: – Totschlagen!« (JD, 184).
Das ehrgeizige Ziel, eine international friedliche Welt zu schaffen, verschwindet daher während des Bürgerkriegs; die Utopie des Friedens wird in eine Gewaltpolitik hineingezogen, die sich in dem politischen ‚machtlosen‘ Vakuum durchsetzt. Ernst Toller, der in Bayern »Kommandeur der Roten Armee«27 wurde (im Weltkrieg wurde er zum Unteroffizier befördert), hatte wie andere die Schaffung einer radikalen Demokratie, eines Rechtsstaates, der dem Frieden gewidmet war, im Sinn. Aber die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Eliten hatten nicht die gleichen Interessen und man konnte vor allem ihren Widerstand nicht brechen, ohne Gewalt anzuwenden. Also, Gewalt für einen radikalen Pazifisten? Der Bürgerkrieg? Dafür war die überwiegende Mehrheit des Landes nicht verfügbar, ebenso wie die Soldaten und Intellektuellen, die mit der Revolution sympathisierten. In den Vereinigten Staaten hielt Toller 1936/37 während einer Reisekonferenz einen Vortrag über The Failure of Pacifism in Germany. Hier, zurückblickend auf einige Widersprüche der revolutionären Tätigkeit, sagt er: »Pazifismus ist möglich: eine revolutionäre Notwendigkeit. Es reicht nicht aus, sagt der revolutionäre Pazifist, um Frieden zu wollen, wir müssen wissen, wie und mit welchen Mitteln wir ihn erreichen können«28. Auch im Gefängnis überprüft Toller die Gegensätze und Dilemmata der Entscheidungen, die seine Entscheidung, nicht zu entfliehen, motivieren, weil dies den Einsatz von Gewalt erfordert hätte (JD, 238).
Die Teile der Autobiographie, die sich auf die Bayerische Republik beziehen, sprechen von Kampf und Gewalt, unterstreichen ein z. T. erdichtetes „Wir“, beschreiben die Schritte, die Phasen der Aktion und ihrer Niederlage, als ob der Autor im Kollektivverfahren nach Selbstbestätigung suchen würde, um die Einsamkeit der Gefängniszelle zu überwinden, in der er darüber nachdenkt: »Wir ziehen weiter. Der Marienplatz ist menschenleer. Durch die Kaufingerstraße marschieren wir zum Bahnhof.[…] An einem Pfeiler steht ein verlassenes Maschinengewehr, wir nehmen es und schleichen zur Paulskirche. Fünfzig Schritt vor der Kirche stellen wir das Maschinengewehr auf. Vor Aufregung schießt der Mann am Maschinengewehr auf den Turm, schwer rollt das Echo zurück« (JD, 151-152). Er spricht das an, was ihm geholfen hat, im Gefängnis und im Krieg zu überleben, ein Wir- und Mitgefühl, ein Gemeinschaftssinn, der sehr oft abhanden kommt. Aber die politischen Entwicklungen enttäuschten ihn bald: Die sozialistische Gemeinschaft sollte nicht aus dem Staat hervorgehen, nicht aus einer parlamentarischen Demokratie, in der das Volk zur Wahl gehen kann. Von unten sollte sich die Gesellschaft verändern, durch eine Rätedemokratie ohne Klassen- und Rassenunterschiede, als Ergebnis der freien Entscheidung des rationalen und moralischen Menschen. Das hatten die Arbeiter in Russland und die Kommunisten in Berlin versucht, und das wollte die Unabhängige Sozialdemokratische Partei in Bayern. Nachdem der Gründer des Freistaates Bayern, Kurt Eisner, im Februar 1919 ermordet wurde, entfachten sich Konflikte zwischen Anhängern des Parlamentarismus und der kommunalen Demokratie. Der Zentralrat der Arbeiter und Soldaten proklamierte die Republik der Räte. Toller stellte sich der zweiten Räteregierung zur Verfügung und als die Regierungstruppen sie im Mai 1919 besiegten, wurde er zu fünf Jahren Gefängnis für sein Engagement gegen die parlamentarische Demokratie verurteilt. In Eine Jugend in Deutschland heißt es:
Um zwei Uhr nachts tost von draußen Lärm, alle Türen knallen auf, Soldaten der republikanischen Schutztruppe stürmen mit erhobenen Revolvern in den Saal. Der Führer der Truppe bahnt sich durch die Menge einen Weg und springt auf mich zu, ich weiche zurück, er schreit mich an: – Wir kommen dich befreien! Die Menge weiß nicht, ob der Überfall ihr gilt oder mir. Da dreht sich der Truppführer mit schußbereitem Revolver zur Menge: Hände hoch! Verlaßt sofort den Saal! Nach dreimaligem Trommelwirbel wird geschossen! Schon dröhnt der erste dumpfe Trommelwirbel, die Menge ist von Soldaten zerniert, hundert Gewehrläufe richten sich drohend auf den Saal, einige Arbeiter eilen zu den Fenstern, öffnen sie und springen hinaus, die meisten aber bleiben (JD, 141).
Im ganzen Buch kreuzen einige Aporien die Denkbewegungen des revolutionären Dichters Toller: Frieden ist möglich, Gerechtigkeit ist möglich – auf neuen Grundlagen, die gelegt werden müssen. Aber wie kann es dem Revolutionär, dem Friedenskämpfer, gelingen, ohne Gewalt neue Grundlagen zu schaffen, solange die alten Kräfte weiter agieren, solange die alten Mächte das Land regieren? Und wenn die Spannung zwischen einem vehement geäußerten Wort und einem bestimmten politischen und sozialen Zustand,visionären Zielen und pragmatischem Alltagshandeln das Herzstück seines Schreibens ist, könnte man mit der Feststellung schließen, dass die Stärke seines Denkens, seines Wortes auch in der Fähigkeit liegt, über seine eigenen Aporien zu verfügen, über die Grenzen der Politik hinauszugehen. Und man könnte vielleicht hinzufügen, dass das literarische Feld, in dem sich der Dichter bewegt und gleichzeitig handelt, in gewisser Weise wie in den revolutionären Kämpfen, mit eigenen Mitteln die hierarchische und polizeiliche Teilung des existentiellen und öffentlichen Raums auflöst. Ohne Beseitigung der Konflikte anbieten zu können, lädt uns das von politischem Engagement durchdrungene literarische Werk ein, Fragen, Stationen und Fragmente eines gequälten und unterbrochenen Lebens, oder besser gesagt des Teils des Lebens, den der Autor als „Jugend“ in einer für die deutsche und Weltgeschichte fatalen Zeit definiert, neu zu lesen, zu überdenken und zu diskutieren.
1 Die Literatur dazu ist sehr umfangreich. Vgl. u.a. Alexander Gallus (Hg.), Die vergessene Revolution von 1918/19, Göttingen 2010; Robert Gerwarth, Die größte aller Revolutionen. November 1918 und der Aufbruch in eine neue Zeit, München 2018; Wolfgang Niess, Die Revolution von 1918/19 in der deutschen Geschichtsschreibung. Deutungen von der Weimarer Republik bis ins 21. Jahrhundert, Berlin 2013.
2 Ernst Toller, An Gustav Landauer, in Briefe 1915-1939: Kritische Ausgabe, Bd 1, hrsg. von Stefan Neuhaus, Gerhard Scholz, Irene Zanol, Martin Gerstenbräun, Veronika Schuchter und Kirsten Reimers. Wallstein, 2018, S. 31. Gustav Landauer nahm um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts einen bedeutenden Platz im internationalen Sozialismus ein. Als hartnäckiger Gegner aller Formen von Unterdrückung und Ausbeutung, war er auch ein überzeugter Verfechter der Notwendigkeit, die Konzepte von Anarchismus und Sozialismus zu integrieren. Er wurde während der Bayerischen Räterepublik ermordet. Toller ist fasziniert von Landauers Reden über eine Gesellschaft der Freiheit und Gleichheit, ohne Hierarchie, Gewalt und Staat. Für Landauer war Revolution kein gewaltsamer Akt, sondern ein kontinuierlicher Lern- und Bildungsprozess: »Sorge jede Generation tapfer und radikal für das, was ihrem Geist entspricht, es muss auch später noch Grund zu Revolutionen geben; und sie werden dann nötig, wenn neuer Geist sich gegen starr gewordene Residuen verflogenen Geistes wenden muss […]. Das brauchen wir wieder: eine Neuregelung und Umwälzung durch den Geist, der nicht Dinge und Einrichtungen endgültig festsetzen, sondern der sich selbst als permanent erklären wird. Die Revolution muss ein Zubehör unserer Gesellschaftsordnung, muss die Grundregel unserer Verfassung sein (Gustav Landauer, Aufruf zum Sozialismus, Köln 1925, S. 135-137).
3 Ernst Toller, Eine Jugend in Deutschland, hrsg. und kommentiert von Wolfgang Frühwald, Stuttgart 2013 (im Folgenden im Text als JD mit Seitenzahl zitiert).
4 Den Hinweis auf Arendts Studie in diesem Kontext verdanke ich dem Buch von Bozena Choluj, Deutsche Schriftsteller im Banne der Novemberrevolution 1918: Bernhard Kellermann, Lion Feuchtwanger, Ernst Toller, Erich Mühsam, Franz Jung, Wiesbaden 1991, S. 6-7.
5 Hannah Arendt, Über die Revolution, München 1974. Hier äußert Arendt negative Urteile sowohl zur französischen als auch zur russischen Revolution. Während die französische Revolution ihr Handeln als historisch notwendig betrachtete und die »Idee der Freiheit […] aus dem revolutionären Denken« (S. 65) verdrängte, findet man nach Arendt den »Wille[n] zur Freiheit als einen positiven Lebensmodus« (S. 39) vor allem in der amerikanischen Revolution. Auch die amerikanische Revolution, trotz der erfolgreichen Gründung, war aber nicht in der Lage, den revolutionären Geist dauerhaft zu bewahren.
6 Ebd., S. 326.
7 »die Sache der Freiheit gegen das Unheil der Zwangsherrschaft jeglicher Art« (ebd., S. 9)
8 »[…] costituisce un nodo ancora da sciogliere per intero, un territorio da riesplorare con attenzione […]« (Paolo Chiarini, L’espressionismo tedesco, Trento 2011, S. 29).
9 Walter Hinck, Der Utopist an den Fronten der Wirklichkeit, FAZ, 22.06.2011.
10 Die Autobiographie ist Teil jener Emigranten-Literatur, die im Querido Verlag, der in Amsterdam gerade eine deutsche Sektion eröffnet hatte, einen Platz findet, in der das Buch Tollers zusammen mit denen von Döblin, H. Mann, Roth, Seghers einer der ersten Titel ist. Siehe die sorgfältige Rekonstruktion von Wolfgang Frühwald im Nachwort zu Eine Jugend in Deutschland, zit., S. 396-397.
11 Gridi di guerra e gridi di pace nell’espressionismo, in 1914: Guerra e Letteratura!,„Cultura tedesca“, 46, 2014, S. 137-147, hier S. 137.
12 »Denn der Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht leuchten« (2. Korintherbrief, 4, 6).
13 An Tessa, in Briefe 1915-1939: Kritische Ausgabe, zit., S. 93.
14 Vgl. Bozena Choluj, Revolution mit oder ohne Pathos? Tollers politische Ideen in „Die Wandlung“, „Masse-Mensch“ und „Hoppla, wir leben!“, in Ernst Toller und die Weimarer Republik. Ein Autor im Spannungsfeld von Literatur und Politik, hrsg. von Stefan Neuhaus, Rolf Selbmann, Thorsten Unger, Würzburg 1999, S. 233-241, hier S. 235.
15 Vgl. Thorsten Unger, Ernst Tollers autobiographisches Schreiben und Samotschin, in Ernst Tollers Geburtsort Samotschin, hrsg. von Thorsten Unger, MariaWojtczak, Würzburg 2001, S. 9-16, hier S. 9.
16 Nach Hayden White sollen die Grenzen zwischen Historiographie und literarischer Bearbeitung immer wieder erneut auf ihre Gültigkeit hin befragt werden. Vgl. Hayden White, Historical Discourse and Literary Writing, in Tropes for the Past: Hayden White and the History/Literature Debate, hrsg. von Kuisma Korhonen, Amsterdam, 2006, S. 25–33.
17 Vgl. Bernhard Grau, Kurt Eisner und sein Verhältnis zur Jugend im Ersten Weltkrieg und in der Zeit der Revolution (1918/19) aus der Perspektive Ernst Tollers, in Ernst Toller und die Weimarer Republik, zit., S. 47-58, hier S. 47-49. Am Ende der Autobiographie finden wir einen innigsten Appell an die Jugend Europas: »Wo ist die Jugend Europas? […] Wo seid Ihr, meine Kameraden? […] Im Weltkrieg war ein Mann, unter Millionen ein Mann, die Stimme der Wahrheit und des Friedens […] Ihr habt die Furcht überwunden, die den Menschen demütigt und erniedert« (JD, 255-256).
18 Georg Köglmeier, Ernst Toller in der Münchener Revolutions- und Rätezeit, in Ernst Toller und die Weimarer Republik, zit., S. 27- 45, hier S. 44.
19 Zit. in ebd.
20 Arendt, Über die Revolution, zit., S. 20. Die These, dass Macht und Gewalt zwei voneinander zu unterscheidende Phänomene darstellen, entwickelt sie auch in Vita activa und Macht und Gewalt.
21 Hannah Arendt, Macht und Gewalt, München 1990, S. 86.
22 In diesem Beitrag kann natürlich nicht auf die Kontroversen um eine angemessene Bewertung der Räterepublik in der Geschichtsschreibung eingegangen werden.
23 Ernst Toller, Briefe 1915-1939: Kritische Ausgabe, zit., S. 380.
24 In seinen Werken experimentierte Toller mit unterschiedlichen Stilmitteln und Ausdrucksweisen. Nach Stefan Neuhaus zeugen »Tollers Involviertsein in der Politik und die dabei geäußerten Ansichten […] von einem weniger expressionistischen als neusachlichen Bewusstsein« (Ernst Toller und die Neue Sachlichkeit. Versuch über die Anwendbarkeit eines problematischen Epochenbegriffs, in Ernst Toller und die Weimarer Republik, zit., S. 135-154, hier S. 147).
25 Frühwald weist explizit auf die Selbststilisierung des Autors hin, der seiner Rolle als Opfer mit biblischen Motiven eine messianische Perspektive gibt (Nachwort, zit., S. 398-399).
26 Ebd.
27 Köglmeier, Ernst Toller in der Münchener Revolutions- und Rätezeit, zit., S. 44.
28 »Pazifismus kann sein: eine revolutionäre Forderung. Es genügt nicht, sagt der revolutionäre Pazifist, den Frieden zu wollen, man muß wissen, auf welchem Wege und mit welchen Mitteln er erreichbar ist« (zit. nach John M. Spalek, Wolfgang Frühwald, Ernst Tollers amerikanische Vortragsreise 1936/37, in „Literaturwissenschaftliches Jahrbuch“, N. F. 6, 1965, S. 267- 311, hier S. 306).