Selbstgesteuertes Lernen im Fremdsprachenunterricht

Dr. CHAFI Sihem
Université d’Alger 2
Laboratoire de Traduction et Méthodologie (TRADTEC)
Université d’Oran 2

Zusammenfassung: Die Beschäftigung mit dem Thema Selbstgesteuertes Lernen hat sich in den letzten Jahren in fast allen Bereichen stark ausgeweitet. Selbstgesteuertes Lernen eröffnet die Möglichkeit, individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten den Lernprozess zu organisieren. Die Lernenden müssen sich ihrer verfügbaren Strategien und Techniken bewusst sein und in Anlehnung an das Lernziel den Erfolg der jeweiligen Methode antizipieren können.

Schlüsselwörter: Selbstgesteuerteslernen, Lernerautonomie, Autonomeslernen, Lerntechniken, Lernstrategien, Fremdsprachenunterricht.

Abstract: The issue of self-directed learning has greatly expanded in almost all areas in recent years. Self-directed learning opens up the possibility of organizing individual needs and abilities of the learning process. The learning must be able to anticipate the success of each method.

Keywords: Self-directed learning, learner autonomy, autonomous learning, learning technique, learning strategy, foreign language teaching

Einführung

Bei dem Begriff Selbstgesteuertes Lernen wird an Lehr- und Lernmethoden unter Einbeziehung neuer Medien gedacht. „Es zeigt sich jedoch bald, dass es mit neuen Methoden allein nicht getan ist, dass SGL eine Haltung der Beteiligung beinhaltet und sich letztlich als ein neues Organisationsprinzip erweist. Dies hat Konsequenzen für die organisationale Steuerung. Im Grunde muss auf allen Ebenen klar sein, wer was entscheidet und in welchem Maße und in welchem Rahmen Organisationseinheiten sich selbst steuern dürfen. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass das Phänomen der Untersteuerung insbesondere in der allgemeinen Erwachsenenbildung und das Phänomen der Übersteuerung eher in Einrichtungen der beruflichen Bildung anzutreffen ist.“1 Beim Selbstlernen ist die Selbstbestimmung sehr Gross, weil die Lernenden selbst entscheiden, dass Sie lernen wollen, was Sie lernen wollen, wie Sie vorgehen wollen d.h. Sie alleine oder mit anderen lernen wollen und auch wie Sie die Zeit einteilen.

  1. Lernerautonomie

Holec2 hatte schon die Idee des autonomen Fremdsprachenlerners propagiert.

Er hat Lernerautonomie als die Fähigkeit des Lernenden, das eigene Lernen selbstständig zu gestalten definiert; d. h. der Lernende sollte in die Lage versetzt werden, Lernziele, Lerninhalte und Progressionen zu definieren, seine Lerntechniken selbstständig auszuwählen und die eigenen Lernprozesse und Lernergebnisse zu bewerten.

Das humanistische Verständnis von Lernerautonomie, welches sich langsam durchzusetzen beginnt, versteht unter Autonomie hingegen ein allgemeines Erziehungsziel.“3

Nach Klafki kategoriale und formale Bildung einschließt und lebenslang anzustreben ist. Lernen wird als ein konstruktiver Prozess verstanden, der zunächst unter Hilfestellung des Lehrers, dann aber immer selbstständiger vonstatten geht. Der Gedanke, die instruktive Vermittlung von Lerninhalten durch einen Lehrer durch das selbstständige Erarbeiten (Konstruieren) von Lerninhalten durch den Lerner selbst unter Hilfestellung des Lehrers zu ersetzen, ist der Kerngedanke der Lernerautonomie und der konstruktivistischen Fremdsprachendidaktik.

2.Selbslernprinzipien im Fremdsprachenunterricht

Ein Fremdsprachenunterricht, der Lernerautonomie zum Unterrichtsprinzip erhebt, sieht sich vor die Aufgabe gestellt, zentrale Kategorien fremdsprachendidaktischen Handelns . Zu diesen Kategorien gehören Lerninhalte, Lernziele, Lern- und Arbeitstechniken (Lernstrategien), Sozialformen des Lernens und Evaluation.

Im lernerautonomen Klassenzimmer spielt das Lehrwerk keine zentrale Rolle mehr. Lehrer und Lerner arbeiten mit Materialien, die von ihnen im Hinblick auf die zu erreichenden Lernziele gemeinsam ausgewählt werden.

Dabei werden „Grammatiken, Wörterbücher und auch Lehrwerke durchaus einbezogen, im Mittelpunkt aber stehen authentische Materialien (Texte unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades, Audioaufzeichnungen, Videos, CDROMs, Materialien aus dem Internet), deren Auswahl von den Schülern begründet werden muss. Die Authentizität der Unterrichtsmaterialien ist also ein Eckstein der Lernerautonomie.“4 Natürlich ist das oberste Lernziel auch im autonomen Klassenzimmer die Herausbildung von kommunikativer Kompetenz. Dabei wird Wert darauf gelegt, den Begriff kommunikative Kompetenz weiter zu fassen, als dies im traditionellen Unterricht der Fall ist.

Die Herausbildung kommunikativer Fähigkeiten bezieht sich nicht nur auf Sprechen und Hörverstehen, sondern auch auf Schreiben und Lesen. Im Rahmen dieses breiten Verständnisses von kommunikativer Kompetenz erfolgt die Lernzielbestimmung durch den Student. Diese erstreckt sich natürlich überwiegend auf inhaltliche Aspekte, also vor allem auf Inhalte der Zielsprachenkultur. Diese verbinden sich sehr bald mit bestimmten sprachlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten.

Der Student soll im Verlauf des Unterrichts erkennen lernen, was er für die Herausbildung bestimmter Fähigkeiten benötigt, und auf der Grundlage dieses Erkenntnisprozesses seine spezifischen Lernziele setzen. Lernzielbestimmungen dieser Art sind nur möglich, wenn der Lernende sich mit den übergeordneten Lernzielen einer Unterrichtsreihe identifizieren kann. Dies ist aber gesichert, wenn er in die Lernzielbestimmung und die Auswahl der Inhalte einbezogen ist. In der Fachdiskussion werden die Lernenden im lernerautonomen Unterricht in den Mittelpunkt gestellt. Sie sollen befähigt werden, selbstständig zu lernen und sich für ihre individuelle Lernform selbst zu entscheiden. Um das zu erreichen, kommt der Lehrperson eine besondere Aufgabe zu. Sie soll versuchen, die Lernenden in den Lernprozess mit ein zu beziehen und ihnen nach und nach mehr Verantwortung übertragen.

Das bedeutet, dass der Lernende lernt in Bezug auf Lernziele, Inhalte und Progression, aber auch die Auswahl der Methoden und Arbeitstechniken, Ort und Zeit des Lernens mitzugestalten sowie abschließend das Gelernte zu bewerten.

Nach Wolff 5 Lernerautonomie auf Lernformen bezieht, es sich bei selbstgesteuertem Lernen jedoch um die Gestaltung des Materials handelt, das ohne Lehrer/in bearbeitet werden kann.

Das didaktische Begriffsfeld der Lernerautonomie umfasst unterschiedliche Interpretationen, was allen Definitionen jedoch gleich ist, ist das vorrangige Ziel von Lernerautonomie, über den Fremdsprachenunterricht hinaus zu gehen und übertragbar auf unzählige Arbeitsbereiche zu sein bzw. das Erlernte über die Lernsituation hinaus anzuwenden.

3.Autonomes Lernen im Unterricht

Bereits Ende der Achtzigerjahre wurde im autonomen Klassenzimmer mit anderen Sozialformen als dem Frontalunterricht experimentiert. Als besonders geeignet erwies sich dabei die Sozialform der Gruppenarbeit, die schon seit geraumer Zeit auch in pädagogischen und lernpsychologischen Schriften in den Vordergrund gerückt wird. Heute ist die Gruppenarbeit in der Lernerautonomie die eigentliche Arbeitsform. Allerdings kommt zwischenzeitlich auch die gesamte Lerngruppe zusammen, z. B. wenn es um die Erstellung von Arbeitsplänen für die einzelnen Gruppen geht bzw. wenn die Arbeitsergebnisse der einzelnen Gruppen gemeinsam bewertet werden. Lernen wird in der Lernerautonomie als ein sozial vermittelter Prozess verstanden; er kann weder in Vereinzelung gelingen, noch können Lerner lernen, wenn sie vom Lehrer und vom Lehrwerk im Klassenverband gesteuert und gegängelt werden.

Aus den Anmerkungen zur Lernerautonomie als Unterrichtsprinzip lassen sich für das konkrete Unterrichtsgeschehen eine Reihe von Grundsätzen zur Gestaltung des Unterrichts ableiten, die im einzelnen Klassenzimmer in unterschiedlichem Maße realisiert werden. Wichtigstes Gestaltungskriterium für das autonome Klassenzimmer ist die Gruppenarbeit, die auf der Grundlage gemeinsam ausgewählter Projekte basiert.

Die Gruppenarbeit gibt dem autonomen Klassenzimmer den Charakter einer Lernwerkstatt, in der Lehrer und Schüler gemeinsam arbeiten, sich gegenseitig unterstützen (bei der Zusammenstellung von Materialien, bei der Konzipierung von Lernaufgaben, bei der Bewertung des vom Einzelnen Gelernten).

Projektarbeit in Kleingruppen geschieht immer mit der Zielsetzung, die Ergebnisse den anderen Mitgliedern der Klasse bekannt zu machen, d. h. sie schließt immer ab mit einem Produkt einer Broschüre, einer Zeitung, einer Bilderserie, einer Seite im Internet. Viele Ergebnisse der Arbeit der Kleingruppen werden auf Postern zusammengefasst und im Klassenzimmer aufgehängt. Sie stehen so allen Mitgliedern der Klasse beständig zur Verfügung.

Die Authentizität der Materialien ist bereits als Unterrichtsprinzip in der Lernerautonomie herausgestellt worden. Im konkreten Klassenzimmer können Schüler und Lehrer auf Sammlungen von Materialien zurückgreifen, die gemeinsam zusammengestellt wurden.

Breen 6 hat sich eine organisatorische Einteilung solcher Materialien in Inhalts- und Prozessmaterialien (content and process materials) eingebürgert, wobei man unter ersteren alle Text-, Bild und Tonmaterialien versteht, die Inhalte der anderen Kultur und Sprache bereitstellen. Neben authentischen Texten (Bücher, Magazine, Zeitungen) gehören dazu auch Lehrwerke, Grammatiken und Wörterbücher, d. h. so genannte Referenzmaterialien. Zu den Prozessmaterialien werden alle Materialien gerechnet, die das Wie des Sprachenlernens unterstützen, also vor allem Zusammenstellungen von Lern- und Arbeitstechniken, die die Schüler im Hinblick auf ihre Relevanz für den eigenen Lernprozess erproben sollen.

Gruppenarbeit, die Aufgaben und Materialien, Bewertung und Lehrerrolle führt Wolff als maßgebende Punkte für den lernerautonomen Unterricht an. Die einzelnen Konzepte erläutert er folgendermaßen:

a) Gruppenarbeit: Die Lernenden führen gleichzeitig Arbeiten in Gruppen aus, die sie im Anschluss vorstellen. Dadurch wird ihnen Verantwortung übertragen, aus der sie sich als Teil einer Kleingruppe nur schwer entziehen können. Sie sind mit verantwortlich für den Prozess, für das Resultat.

b) Die Aufgaben: Eine Aufgabenvielfalt kennzeichnet den lernerautonomen Unterricht. Die Lernenden übernehmen Aufgaben, für die sie sich selbst entscheiden. Kurze (für eine Unterrichtseinheit) und längerfristige Aufgaben (Projekte) bestimmen das Unterrichtsgeschehen.

c) Die Materialien: Neben dem Lehrwerk sollen den Lernenden sowohl Inhalts- oder Produktmaterialien als auch Prozessmaterialien zur Verfügung stehen. Während erstere Bücher, Kassetten etc. umfassen, schließen die letzteren Anregungen zu Lern- und Arbeitstechniken, Schreibstrategien, Hörverstehens-strategien usw. ein.

d) Die Bewertung: Sie findet regelmäßig statt und soll dazu dienen, dass sich Lernende ihren Lernprozess durch Selbstreflexion noch einmal vor Augen führen.

e) Lehrerrolle: Im lernerautonomen Unterricht ist der Lehrer Teilnehmer, Berater, Stütze.7

3.1.Lernerstrategien und Lerntechniken

Eine Fremdsprache lernen ist es nicht nur wichtig, dass man eine Fremdsprache lernt, sondern wie man eine Fremdsprache lernt. „Lernerstrategien lassen sich als Verfahren bestimmen, mit der der Lerner den Aufbau, die Speicherung, den Abruf und den Einsatz von Information neu steuert und kontrolliert.”8 Sie sollen den Lernenden helfen, ein Instrumentarium kennen zu lernen, dass ihnen auch in anderen Arbeitsbereichen zur Informationsbeschaffung und deren Verarbeitung dienlich sein kann.

Einige Beispiele zu den Vermittlungsschritten der Studenten im Unterricht werden im Folgenden angeführt9

a) Bewusstmachung vorhandener Strategien

– Erfahrungsaustausch in der Gruppe

– Partnerinterviews

– Von den Lehrenden ausgegebene Fragebögen.

b) Präsentation strategischer Verhaltensweisen

– Verbalisieren einzelner Planungs-, Durchführungs- und Kontrollschritte

– Reflexion über Strategien beim Gebrauch der Muttersprache

– Beschreibung und Erläuterung von Strategien durch Mitlerner/innen.

c) Erprobung der thematisierten Strategien

– Einsatz von ganz bestimmten Strategien erfordernde Übungsaktivitäten

– Wiederholtes Üben einzelner Strategien

d) Evaluation der Erprobungserfahrungen

– Selbstbeobachtung der Lernenden und Erfahrungsaustausch

– Evaluationsbögen

– Lerntagebücher

Rampillon 10 hat den progressiven Aufbau von Lernkompetenz gegliedert in:

a) Lerntechniken wahrnehmen und sich deren bewusst werden (z.B. Markieren von sprachlichen oder inhaltlichen Merkmalen; bestimmte Hörziele Techniken zuordnen lassen; Auswahl der für die Lernenden passendsten Formulierungen zu einer Regel etc.)

b) Lerntechniken von den Lernenden sammeln, vergleichen und ordnen und selbstgesteuertes Lernen vorbereiten lassen z.B. Unterschiedliche Lerntechniken von den Lernenden nennen lassen; herausfinden, wie andere vor einem Test wiederholen; Selbstbeobachtung beim Lesen: Wie sind die Lernenden vorgegangen?

c) Lernende mit Lerntechniken experimentieren und deren Nützlichkeit bewerten lassen (z.B. Lernplan erstellen- vor dem Lesen eines Textes und im Anschluss: Waren die Schritte tatsächlich nachvollziehbar?; ein Lerntagebuch führen; neue Lerntechniken erproben etc.)

d) Aufgaben, bei denen die Lernenden selbstständig lernen Hier sollen nur noch Lerntechniken eingesetzt werden und die Lernenden stellen sich selbstständig Fragen wie: Was will ich lernen? Wozu? Wie? Was habe ich gelernt? Wie war mein Erfolg? Wie beurteile ich die Lernverfahren? Was möchte ich noch besser können? Was ist mein nächster Lernschritt? Wie will ich ihn machen?

4. Fazit

Lerntechnik bezieht sich auf Verfahren, die die Lernenden anwenden, um ihr Lernen effizient zu gestalten. Sie tragen zur Entwicklung des selbstständigen Lernens bei, ebenso zur Individualisierung des Lernprozesses. Lerntechniken unterstützen beispielsweise die Verarbeitung neuer Vokabel, den Grammatikerwerb und leisten Hilfe bei Schreib- und Sprechfertigkeit. z.B. ein Wort im Wörterbuch suchen, während eine Lernstrategie eine Verknüpfung mehrerer Einzelverfahren darstellt z.B. Erschließen eines Lesetextes: Markieren unbekannter Wörter, Nachschlagen im Wörterbuch, Notieren dieser Wörter… usw.

Literaturvezeichnis

EHSES, Erich / Rainer Zech, R. (1999): Professionalität als Qualität in der Erwachsenenbildung, Hannover.

GROTJAHN, Rüdiger (2003): Handbuch Fremdsprachenunterricht , A. Francke Verlag , Tübingen.

KLAFKI, Wolfgang (1991): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik, Weinheim u. Beltz.

RAMPILLON, Ute (2000): Aufgabentypologie zum autonomen Lernen Deutsch als Fremdsprache, Ismaning: Hueber.

TÖNSHOFF, Wolfgang (2003): Lernerstrategien, A. Francke Verlag, Tübingen u. Basel.

WOLFF, Dieter (2001): Zum Stellenwert von Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien in einem konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht.

WOLFF, Dieter (2006): Sprachproduktion als Planung: Ein Beitrag zur Psychologie und Didaktik des Sprechens, Bern.


1 Ehses, Ch. /Rainer-Zech, R. (1999, S.37)

2 Holec, H. (1981). In: Klafki, W. (1991, S. 78)

3 Klafki, W. (1991, S. 78)

4 Wolff, D. (2001, S.187)

5 Wolff, D. (2001, S.208)

6 Breen, M. (1983). In: Wolff, D. (2006, S. 119)

7 Wolff, D. (2006, S. 119)

8 Grotjahn, R. (2003, 326)

9 Tönshoff, W. (2003, S.331)

10 Rampillon, U. (2000, S.56)