Christoph Ransmayrs Geopoetik und Heterotopien, eine Gegen-Genealogie zur Macht in “Die letzte Welt”

BEGHOUL Rafika
Université d’Alger 2

Abstract: Grenzüberschreitungen heterogener, überlagerter Räume und Zeiten einer Achronie, bzw. einer Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, auch von realen und irrealen Geschichten, bilden das Fundament von Ransmayrs Geopoetik und Heterotopien. Sie inszenieren im Roman Die Letzte Welt das Schauspiel und die Kulissen des Unsichtbaren, der ungeschriebenen Geschichte von Gefühlen, Schreien und Angst, einer Körpersprachlichkeit, und gründen bei dieser Unzeit und einem Nicht-Ort, eine Gegen-Ordnung und Gegen-Geschichte, eine Gegen- Genealogie zur herrschenden Ordnung und Genealogie von Gewalt. Periphere Orte legen den Fokus auf den erzählenden Körper auch eines verrückten Pythagoras, und gründen an karnevalesken Juxtapositionen und Verschränkungen neue Räume für eine Anamnese und Geschichte gegen das Vergessen offen.

Ich muß so formulieren, daß jeder Satz hält und schon der erste die ganze Geschichte tragen kann. (Christoph Ransmayr, in: Uwe Wittstock, S. 217)

1. Unzeit und Zeitumbrüche; prinzipielle Verschiebungen von Utopischem und Historie

Ransmayrs Roman Die letzte Welt ist ein intertextuell konstruiertes Textgewebe, ein Palimpsest, das Bezug auf Ovids “Metamorphoses”, bzw. auf die Literatur als Meta- und Intertextualität nimmt, und damit für eine Offenheit, sinntragende Fantasie und Selbstreflexivität plädiert. Seine starke Konstruktion führt reale wie künstlich fantasierte Welten, die die Selbstreflexivität als erste vertikale geopoetische Beziehung untermauern, und sie mit weiteren konzeptuellen Fragen und Problematiken, anderen Brüchen vernetzen. Der Diskurs modelliert sich an seinen rhythmisch poetischen Klängen und den Gleichzeitigkeiten seiner Achronie in ein onirisches “Schauspiel” (DLW, S. 148), das Nasos Verbannung aber auch dessen selbstverschuldeten Opportunismus und die Problematik wiederholtem Exil, der Unterdrückung von Kunst, von “Wörtern”, “Wünschen” und “Ideen”, die Verwandlung von Menschen zu dominanten Paradigmen steigert. Die Verwandlungen von Menschen und von Natur erheben die Zufälligkeit historischer Ereignisse und Bedingungen, ihre zeitlichen Brüche zum Schwerpunkt kultur- und zivilisationskritischer Ansätze einer fiktionalisierten Wirklichkeit.

Ransmayr ersucht mehr die wirkliche Historie und den historischen Sinn kleiner Geschichten“, “unscheinbarer Wahrheiten” über “Gefühle”, “Instinkte“, die “unser Leib vervielfältigen”, an dieser brüchigen Diskontinuität, den “zerbrochenen” untersagten Wandel dramatisch zu rekonstruieren. Ihn interessierten diese Unterbrechungen und Verdrängung kleiner Geschichten eines Körpers und von schwachen Menschen.1

Der Eklektizismus und die Unwahrscheinlichkeit aus der Mischung der Zeiten – erfundener und historischer Zeiten, von Ereignissen aus der Antike und neu erfundener Repräsentation von Welt, von postindustrieller wie mythischer Zeit, zielen in DLW2 auf eine Aufhebung der Zeit- und Raumgrenzen, auf eine Dramatisierung” zeitlicher wie topographischer Grenzüberschreitung, die im Werk Ransmayrs programmatische und existentielle Fragen eines “ängstlichen Mannes” und Konturen einer Zeitkrise und -diagnose einnehmen.3 Räumlichkeit und Topographien aber auch Strukturen seines Diskurses, werden zu sinntragenden Narrativen und Ideologemen; sie treten auf verschiedene Arten grenzüberschreitend und vor allem umgewertet, neu semantisiert vor; remythisiert werden vor allem topographische Peripherien, aber auch Mythen über eine von ihm umgekehrte weibliche Absenz in Präsenz.

Diese Unzeit einer Achronie ist die andere Seite für ein Nirgendwo, eine Utopie, die nur in der Literatur und Kunst Bestand haben; sie weisen aber zugleich auf eine Dauer und Wiederholung, erneuerte „Herkunft“, auf Wenden und Ereignisse 4, auf die Geschichte in der Zufälligkeit einer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Gewalt eines Exils, von Ausgrenzungsformen auch durch Objektation von Menschen hin, die gleichzeitig ein machtbedingtes Verbindungsgeflecht, Prädiskurse voraussetzen und implizieren.5 Diese Konstruktion fällt bei ihrer Andersheit – brüchigen Zeit und Anspielung auf Zirkularität – mit der für Ransmayr wichtigen zweidimensionalen, ggfs. dreidimensionaler Achronie zusammen6, die mit Nietzsches Geschichtsdenken, der „Zufälligkeit von Ereignissen, auch den Mythos selbst, die neue Verschiebung von Gewaltformen, Macht- und Herrschaftsverhältnissen in Ransmayrs polyphoner Inszenierung aktualisieren und für eine Kritik als gemeinsamen Nenner abspielen lassen.7

Die Repräsentation Ransmayrs realer, wahrscheinlicher wie erfundener Verhältnisse, von Zeiten wie Räumen lassen sich als Grundparadigmen einer Geopoetik fokussieren.8 Seine Poetik gründet auf einer Erfindung von Welten, Zeiten und dominant peripheren geographischen Räumen, die wir als dritte Räume einer nicht neutralen Konstruktion, als Geopoetik eines engagierten Schreibens, semantisierter Strukturen, von Symbolen und Motiven, als Pendant zur Kartographie seiner Wertungen, Wahrnehmungen, Einstellungen und Ethik zu erlebten konkreten Orten funktionierend annehmen.9 Diese Geopoetik und Raumkonstruktionen – ob als konkrete oder imaginäre – durchziehen in einem rätselhaften Geflecht sein Gesamtwerk.

Diese „Unzeit“ für die sich Ransmayr, ob als Journalist oder Schriftsteller literarischer Texte generell interessiert, ist in DLW grundlegend und allgemein für seine Auffassung vom Raum-Text als Spiel mit „Narrativen“ stellvertretend – die nach ihm „überall“ auch im Körper sind – für diejenigen, deren „Schmerz-Erfahrung“, „Trauer“ (LW. S.138 f.) durch eine überzeitliche Gedächtnisaufgabe aufgehoben werden sollten. Diese Unzeit gilt der Beständigkeit für ethische Paradigmen in seinem Werk.

Es gibt Leute für die gibt es nur diese Unzeit, in der alle Zeiten, ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart (…) die Schmerzen in ihren Gelenken (..) je mehr Zeit vergeht…“ (Herv. v. uns)10

Ransmayrs mnemotechnische Geopoetik ist zugleich eine geopolitische, die sich in anderen Werken explizit realen wie irrealen Randgebieten zuwendet, weil unglaublichen Verwandlungsprozessen denen Menschen ausgesetzt sind und im Namen der Wissenschaft instrumentalisiert – wie mit dem Nordpol oder der Wüste Algeriens – und unserer/meiner Repräsentation und Bildwelt über alle Grenzen hinaus näher oder vertrauter vorkommt11, und die die Erinnerung an Entdeckungs-, Eroberungs- und Kolonialgeschichten, auch einer nicht überwundenen Alltäglichkeit von Missverhältnissen aktualisieren, die von Foucault als “Kämpfe, Entführungen, Überlistungen” und Kehrseiten einer Geschichte umschrieben werden (s. NGG, S. 69).12

Ransmayr führt in DLW mehrere Orte und Räume zusammen, die in einem Jenseits zur gewöhnlichen Zeichenhaftigkeit ihre Resistenz und neue Bedeutungen erfinden und finden, und eine wirkliche Geschichte ersuchen.13 Sein Schreiben, das vom Nahen über Fremdes erzählt, bewegt sich in Zwischenräumen, zwischen Realem und Nicht-Orten, in Unzeiten eines Phantasma und einer Utopie.

Orte, Räumlichkeiten treten in Zeiten – Entwicklungen und Verwandlungen aufweisenden – vor; sie übernehmen den Wert von Umbruchzeiten, die für Ransmayr von prinzipiellem Charakter und für sein Werk, Geschichtsverständnis und Interesse für periphere und subversive Gegen-Räume bedeutend sind und sich mit M. Foucaults Verständnis und Konzept von Heterotopien überschneiden. Zu diesen Gegenräumen gehören Zwischen- und Transiträume, die auf wahre, anders abweichende und mystische Entsprechungen im Inneren des Menschen in DLW hinweisen.

Ich träume nun von einer Wissenschaft- und ich sage ausdrücklich Wissenschaft – deren Gegenstand diese verschiedenen Räume wären, diese anderen Orte, diese mystischen oder realen Negationen des Raumes, in dem wir leben….. (S. 11)

(…) Unter all diesen verschiedenen Orten gibt es nun solche, die vollkommen anders sind als die übrigen. Orte die sich allen anderen widersetzen, neutralisieren oder reinigen sollen. Es sind gleichsam Gegenräume. (S. 10)

Abweichungsheterotopien …Orte, welche die Gesellschaft an ihren Rändern unterhält, an den leeren Stränden….” 14 (S.12)

2. Grenzüberschreitungen eines Außen, eine Wiederentdeckung des Unsichtbaren

Grenzüberschreitungen begründen in DLW an der Wahl überlagerter Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft –, realer und irrealer Geschichten und Bilder einer fragmentierten Struktur, Ransmayrs ästhetisches Engagement. Sie führen ein auf Unsichtbarem15 (DLW 155,161, 167…)16, menschlichem Leiden und endloser Suche beruhendes “Schauspiel”, dessen “Kulissen” (DlW, 135, 167) Gefühle – denen oft keine Geschichte gegönnt und eingeräumt ist– uns vom Drang des Autors nach einer Gegenordnung – die Macht neutralisierende – Gegen-Genealogie erzählen. Ransmayrs Kunst legt mit diesem “Blick gegen den Strom” (W. Benjamin) den Fokus auf Gefühlsgeschichten und deren Kehrseiten, auf den Körper als absolute Heterotopie und wirklichen Sinn.

Grau ist die Genealogie; ängstlich und geduldig ist sie mit Dokumenten beschäftigt, mit verwischten, zerkratzten, mehrmals überschriebenen Pergamenten. (M. Foucault, S. NGG, 69)

Diese Offenheit auf reale wie erfundene Räume und Zeiten und ihre Variation in DLW, legt den für Ransmayr wichtigen geopoetischen und historischen „Komplementärwinkel“ zutage, dieses Jenseits, ohne den nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit, gesehen werden könnte; sie verschaffen seiner Zentrierung auf die “Welt”, im Sinne “aller Welten”, geographischen, erfundenen, aber vor allen dem physischen Körper Legitimation.17 Der Körper wird zur “ganzen Welt” gegen “Irrtümer” der Macht erhoben.

“(…) all das ist eine Geschichte, die Geschichte eines Irrtums, der Wahrheit heißt. Die Wahrheit und ihre ursprüngliche Herrschaft hatten in der Geschichte ihre Geschichte.

( Foucault, NGG, S.72)

Die Genealogie der Werte, der Moral, der Askese, der Erkenntnis hat also nicht von der Suche nach ihrem Ursprung auszugehen und die vielfältigen Episoden der Geschichte wegen ihrer Unzugänglichkeit auszuklammern. Sie muß sich vielmehr bei den Einzelheiten und Zufällen der Anfänge aufhalten; sie muß darauf gefaßt sein, sie nach Ablegung der Masken mit anderen Gesichtern auftreten zu sehen,< sie darf sich nicht scheuen, sie dort zu suchen, wo sie sind, und “in Niederungen zu wühlen; sie muß ihnen Zeit lassen, aus dem Labyrinth hervorzukommen...(M. Foucault, NGG, S. 69, Hervorh. v.u.).

2.1. Heterotopien, eine Genealogie des Anderen, lebendiger dialektischer Dynamik

Die Perspektivierung einer Erzähltechnizität in DLW, suggeriert verspielt über das Prisma eines Außen und äußeren Raums das Innere und die Innenwelt der Figuren, die eine neue Tiefe erhalten. Die geschichtlich sekundär gesetzte Welt des Begehrens und der Gefühle, rückt in DLW jedoch umgekehrt in die Priorität und verklärt sich zum Kern eines Motivnetzes.18 Die ersten dominanten Topographien und Heterotopien, betreffen das Meer, die Brandung und das Schiff, auch die realen Randorten, Grenz- und Transitorten für den Reisenden Cotta und seinen Leuten. Heterotopien gehören auch dem Anderen Raum, den erfundenen Welten der Utopie.

Von einer heterogenen Perspektive, dem Voyeurismus, einer Multiperspektivität neigendem Blick der Erzählstimme ausgehend, weichen die Szenen einer dargestellten Welt und Beschreibungen, einem Repertoire, den obsessionell dominanten freien Räumen, Situationen und ersten Heterotopien aus, – zuerst dem leitmotivisch an jedem Kapitelanfang drohenden Meer, der “Brandung“, auch der Filmvorführung Nachts im Freien auf der Mauer des Schlachthauses als Leinwand19, vor allen aber dem peripheren Ort und Berg Trachila, auch als Ort der Stille eines “Broselns”, den “Selbstgesprächen” des verrückten Pythagoras’, wie auch dem subversiven populären Karnevalplatz (Kap. V).20 Weiter mutieren die Felsen und “Balkonen” zur “Oper”, zur Bühne von Verwandlungen (Kap.VII), einer neuen Herkunft und Lebendigkeit oder auch dialektischer Rückkehr – dem Antagonismus eines Urmythos als Gleichzeitigkeit von Leben und Zerstörung eines Chaos‘ – 21; anders verklären sie sich durch diese Dynamik von Verwandlungen, von Menschen in Steine und umgekehrt, kontrastiv zu Gegen-Räumen zu den machtzentrierten Orten Rom und Tomi. Diesen Räumen und ihrer ungeschriebenen, weil flüchtigen und zugleich dem Rand oder den Schwachen gehörenden Geschichte von Gefühlen und Instinkten, widmen sich die “Heterotopien”.

Das Leben und die Lebendigkeit in geschlossenen Räumen der Häuser in Tomi, werden am herausragenden Rauch aus den Schornsteinen und den Düften, auch an einer Äußerlichkeit und am entfremdeten Außen eines Alltags ablesbar, das über das Leben, genau die Leblosigkeit und Armut der Bewohner, die Trauer der schwarz angezogenen Frauen in einer postindustriellen urbanen Welt suggestiv erzählt.22 Dieser soziale Raum verfällt umschreibend einer Anonymität, Anonymisierung, und wird in dessen Lebendigkeit auf eine starke Zeichenhaftigkeit, Allegorisierung und Symbolik leidender Körper (der Armut, Einsamkeit), auf eine Ambivalenz und Mehrfachkodifizierung verschoben. Die Nacht funktioniert als Schutz, Glücksmoment einer intermedialen Kunsterfahrung, aber auch als angesagtes Weltende wie auch als Entmenschlichung, Indifferenz und Gleichgültigkeit (s. Kap. VIII). Lebendigkeit wird auch auf Naturelemente, eine “Renaturalisierung” der zerstörten urbanen Welt, dem postindustriellen Tomi übertragen, und in Zeichen einer Zivilisationskritik, eines Scheiterns kontrastiv hyperbolisch umkodiert.23

Heterotopien betreffen die ungeschriebene Genealogie des unterdrückten Anderen, von Gefühlen der Wut, von Schmerzen über den einsamen Tod “im Verborgenen” in der Fremde oder den ausgenutzten anfälligen kranken Körper der verletzten Haut Echos, wie die Umkehrung männlicher Liebessehnsucht eines Marsyas in Wut – eigentlich als Wut über eine Leere und Trauer über die Absenz eines Menschen – von Echo – wie nachträglich von Cotta erkannt. Pythagoras Wahnsinn gehört dem transgressiven und subversiven Kode marginaler Kultur des Widerstandes sowohl durch seine Anamnese, Gedächtniskultur und Rettung der Schrift, als auch durch die Eigengesetzlichkeit seiner Verrücktheit.

Diese Perspektivierung zentriert sich grundsätzlich um ein doppeltes oder dialektisches Spiel, um Bedingungen und das Außen, auch als das Andere, zuerst vom anderen Ungesagten, von Prädiskursen, der Welt von Macht und Kräfteverhältnissen berichtet, dann von Ereignissen, die dem Inneren vorausgehen und Menschen von ihrer Subjektivität, Identität enteignen und entfremden.24 Räumlichkeiten mutieren in DLW zu karnevalesken Heterotopien, deren Prinzipien einer Akzentverschiebung der Flüchtigkeit von historischem Bruch auf gesetzbrechende Zeichen einer Andersheit und Differenz, nicht wahrgenommener oder verschwiegener Geschichtsspalten über Ungerechtigkeiten, deklassierte Körpersprach-lichkeiten und Ausklammerungen verschoben werden. Räumlichkeiten konkretisieren eine Denunziation und Umkehrungsprozesse, Gegen-Regelungen und eine Gegensprache als Negation zu zentralistischen Machtverhältnissen.

2.1. Mythos als Ideologem und rekonstruiertes Labyrinth von Verwandlungen

Die Assoziation heterogener Zeiten und Räume mit einem Inneren, aktualisieren auch den Mythos in seiner Variante als Bild-Wort -Einheit, dessen Ellipse und Verlust in DLW von der markanten Poetizität kompensiert wird25. Diese Rückkehr zu einem Ursprung auch als “Fraglosigkeit” und “Sicherheit” einer ersten unbestreitbaren ersten und inneren Wahrheit, ist aber auch einem ironischen Abstand und Bruch aussetzt. Die Wahrheit einer Originität, eines Mythos, wird durch die Dynamik und Fraglichkeit einer Werdung, auch durch Ereignisse und Machtverhältnisse und deren “Wissen” “ausgehölt”.26

Zu diesen Auslegungen repräsentiert der Mythos bei der vorliegenden offenen und multiplen Historizität wie Referentialität die ganze Zeit und Geschichte, die “ganze Welt27, ihr Grund und ihre Verwandlung, die zukünftige Zerstörung – eine Chaosstimmung reproduzierend – , die die Gegenwart einer Zerstörung mit der Vergangenheit und umgekehrt verbindet. Diese Definition des Mythos verschränkt sich mit Heterotopien, nach der mit der Achronie.

Jetzt wurde die Zeit langsamer, stand still, fiel zurück in die Vergangenheit. Eine verschimmelte Orange kollerte über die Mole der eisernen Stadt. Die Trivia stampfte durch ein gewalttätiges Meer. Aschenflocken stoben aus einem Fenster an der Piazza del Moro (…) erst aus diesem brausenden Oval schnellte die Zeit wieder zurück in den Schutt von Trachila.

In dieser Stille kehrte er aus der Höhe der Felsen wieder zurück in sein Herz, in seinen Atem, seine Augen. Der quälende Widerspruch zwischen der Vernunft Roms und den unbegreiflichen Tatsachen des schwarzen Meeres verfiel. Die Zeiten streiften ihre Namen ab, gingen ineinander über, durchdrangen einander…

(DLW, 210, 212 …)

Die Wichtigkeit der Kreuzung und Verschränkung der historischen Dimension mit phantastisch mythischen Szenarien stellt ein entscheidendes konzeptuelles Prinzip von Mythischem als Ideologem bei Ransmayr dar, vom Mythos Literatur als Kartographie seiner Implikation und korrigierten Amnesie einer Hyper-Geschichte.28

Der Autor überzieht seine Aussagen zu „Morbus Kitahara“ (1995)29 auf alle Arten des Erzählens, wobei von ihm der Literatur eine wesentliche Sinn- und historische Ergänzungsfunktion zukommt, die er verspielt im Kern seines Romans DLW setzt; diese letzte könnte nur in der Ganzheit ihrer zeitlich historischen – auch die Textkanten überschreitende – Sinnexpansion analysiert, und am roten Faden wiederkehrender Gewaltsituationen, verschwiegener Geschichte, dem dominanten “grauen Archiv”, “Archiv der Zensur”, von Ritualen (Kap. I,) wie der grauen Zukunft eines Verfalls, nachvollzogen werden.

Ransmayr rekonstruiert wiederkehrende Gewaltsituationen, das “graue Archiv” vergessener Geschichten über das menschliche Leiden, und “dokumentiert” damit über “Einzelheiten” eines verwirrenden Labyrinths, die Kehrseiten zu Mechanismen von Unterdrückung und Ausgrenzung. Er wendet diese in eine neue Geschichte menschlicher Gefühle um.

In diesem Bühnen-Text DLW beabsichtigt Ransmayr, die mythisch gewordene Frage der Gedächtnisarbeit, Gerechtigkeit, Verantwortung durch eine neue “nicht neutrale” Genealogie des Schmerzes, der Verbannung, ausgeübter Gewalt auf einsame Existenzen auch auf Fremden (Naso, Pythagoras, Cotta, Echo) ins Gedächtnis zu rufen und gegen die autoritäre Genealogie des Wissens auszutauschen. Er modelliert die Aufarbeitung einer Heterotopologie zur neuen “Wissenschaft“, deren mythische oder reale Räume30, ihre Negation, Gegen-Macht, Dringlichkeit und Notwendigkeit Konturen vor einem Vergessen erlangen. Wir sehen in Bachtins Chronotopos, karnevalesker Kultur und Struktur des Dialogismus die Vorform zu dieser topologischen Kartographie des Rands und Poetik der Transgression und Subversion.

Die erzählende einsame Echo oder stumme Arachne, lassen Umkehrungsprozesse von Sprachlichkeiten der Absenz sich in die einer Präsenz durchs Erzählen, Malen und Weben einer Arachne zu, die der Unvergänglichkeit dieser Körperleiden und Gegengeschichte den Ton einer Denunziation verleihen.

Ransmayrs Literatur vertritt die ganze Zeit, alle Zeiten, Perspektiven, auch Überzeugungen und Zeugenschaften über die Historie der Unterdrückung, auch von Kunst und Künstlern. Diese denunziert das systematische Vergessen einer Gefühlsgeschichte von Menschen, die Verkennung von Leiden, Trauer und Angst, damit auch vom Subjekt und seinen Schwächen.31 Er bringt die Fiktion in ihrem utopischen Funktionieren, vor allem der Menschheitsgeschichte in undifferenzierter Weise wie differenzierter Zufälligkeit des Orts, der Kultur und Zeit, der Alterität nahe. Rom wie die postindustrielle urbane Welt in Tomi stehen der karnevalesken Wildnis und Gegenordnung in Trachila gegenüber; auch der Wüste in “Strahlender Untergang”, wird die verwandte und doch differente, nahe Ferne eines Nordpols entgegen gesetzt. In diesen reproduzierten Menschengeschichten, werden Wahrheiten über Opfer, über nicht hörbaren Verletzungen, sagbaren Stimmen, – hier auch weibliche (Echo, Arachne, Procne) in eine Wissens- und Zivilisationskritik umfunktioniert.

Literatur, eine Erzählung kann diesen Blick (…) wiederherstellen, wenn man zu erzählen beginnt, dann kann man nur die ganze Geschichte erzählen. (Chr. Ransmayr, In: Uwe Wittstock)

Die Literatur fördert sich zum Unabdingbaren des Lebens, Lebendigen, der Spurensuche und -sicherung, gegen den Tod, die Endlichkeit einer Überhistorie der Historiker.32 Der Mythos hat den Wert unbestreitbarer Wahrheit und “Fraglosigkeit”, da aller ersten Ganzheit, aber auch absoluten Offenheit gehörend.33 Die Literatur wird zur absolut buchstäblichen Mnemotechnik, zur zeugenden “letzten Welt” gegen die Ausgrenzung und ein systematisch allgemein gewordenes Vergessen fokussiert.34

Literatur

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1 Michel Foucault (1993): Nietzsche, die Genealogie, die Historie, In: Ders. Von der Subversion des Wissens, Hrsg. und Übers. Von Walter Seitter, Frankfurt/M: Fischer Taschenbuchverlag, S. 69-90.München. S. 79

2 Weiter als „DLW“ abgekürzt.

3 Christoph Ransmayr: Strahlender Untergang. Ein Entwässerungsprojekt oder Die Entdeckung des Wesentlichen” (2000), (1982 Originalausgabe), Frankfurt/M: Fischer Verlag.

4 Michel Foucault: Nietzsche, die Genealogie, die Historie. S. 69-90. “Ereignisse” werden in diesem Aufsatz von Foucault über die Genealogie, die Historie” als Bruch und historische Diskontinuität, als “Zufall” und “Einzigkeit” in einer Zeit definiert, die Nietzsches Verständnis von “Herkunft” identifizieren. s. S. 81. Als Abkürzung NGG

5 Vgl. Emil Angern (1996): Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos, Frankfurt/M: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, S. 66, 69, 58, 80, 105, 146

6 Die Aufhebung der Zeitgrenzen und Austauschbarkeit von Vergangenheit und Gegenwart, von Orten werden textintern im Diskurs als “Palindrom” semiotisch kommentiert (DLW, S. …). Diese Kommentare bestehen auf die neu gegründete Historizität, Sinngebung und Semiotik, v. a. spezifischer Heterotopologie, die die Antike mit der Gegenwart einer nachindustriellen Zeit auf dem Bühnen- Text – dem nicht neutralen Text-Raum – linear verbinden, was auf die Definition des Mythos zurückgreift. Tomi ist geographisch nicht festlegbar, bzw. auf Constanza in Rumänien festgelegt. Rom ist geographisch real fixiert, aber zeitlich nicht den Fakten entsprechend. Geographie und Historie werden dadurch remythisiert. Siehe M. Foucault (2014 Aufl.2): Die Heterotopien. Der utopische Körper, Frankfurt /M: Suhrkamp Taschenbuch Wissenshaft, S. 15.

7 Uwe Wittstock (Hrsg.) (2004 Aufl.3): Die Erfindung der Welt. Zum Werk von Christoph Ransmayr, Fischer Taschenbuch Verlag, , S. 215. Siehe a. M. Foucault: Nietzsche, die Genealogie, die Historie, S. 69: “Grau ist die Genealogie; ängstlich und geduldig ist sie mit Dokumenten beschäftigt, mit verwischten, zerkratzten, mehrmals überschriebenen Pergamenten.”

8 Magdalena Marszalek; Sylvia Sasse (Hrsg.) (2010: Geopoetiken. Geographische Entwürfe in den mittel- und osteuropäischen Literaturen, Berlin: Kulturverlag Wolfram Burckhardt, S. 9. Geopoetik als Begriff erfasst einen konkreten, geographischen Raum, dessen Vorgeschichte mit geographischen Expansionen und Eroberungszügen, auch mit der ewigen Sehnsucht des Menschen nach der Ferne in Verbindung zu setzen ist. Diese erste Beziehung hat auch ihr Pendant in der Abstraktheit als poesis und erste Eigenart, Welten und Regionen, Räume zu erfinden und utopisch zu projizieren. Ransmayr überschreitet schöpferisch mit seinem Spiel im Spiel den realen Raum und dramatisiert diesen – in seiner zeitlichen und räumlichen – Verwandlungen in gekreuzten, oder dialogischen Verhältnissen und Dissonanzen, die von Gewalt- und Machtverhältnissen erzählen und zeugen, aber vor allem diese durch Umkehrungen durch die Literatur in Heterotopien und Räume “wirklicher Geschichte” und “wirklichem Sinn” verwandeln. Heterotopien schreiben die Gegen-Genealogie bisher amputierter, vergessener, weil ausgegrenzter Geschichte von Gefühlen, Schreien, Schmerzen und Instinkten von Opfern und Schwachen Menschen.

9 Vgl. Ebd. S. 9

10 Chr. Ransmayr: “Das Thema hat mich bedroht”. Gespräch mit Sigrid Löffler über Morbus Kitahara (Dublin 1995), In: Wittstock, Uwe (Hrsg.) (2004 Aufl.3): Die Erfindung der Welt. Zum Werk von Christoph Ransmayr, Fischer Taschenbuch Verlag, S. 215, Vgl. auch DLW, 138

11 Gemeint sind spezifisch die Werke “Die Schrecken der Finsternis” (1983 Originalausg.) und “Strahlender Untergang. Ein Entwässerungsprojekt oder Die Entdeckung des Wesentlichen” (1982, Originalausg )

12 Abkürzung für Foucaults Aufsatz: NGG. Siehe die angedeutete Sinnlosigkeit eines Bewässerungsprojekts, dessen ersten Prämissen von Ransmayr absurd und in halben Aussagen in “Strahlender Untergang” gewertet und angedeutet werden.

13 Der Raum wird von Michel de Certeau als dynamisch und sich verwandelnd, als “Geflecht von beweglichen Elementen definiert. Er wird von der “Gesamtheit von Bewegungen erfüllt, und ist als Resultat von Aktivitäten, die ihm die Richtung geben” und ihn verwandeln. Anders ist der Ort eine “Ordnung” in dem Elemente nach ” Koexistenzbeziehungen aufgeteilt werden. Damit wird “die Möglichkeit ausgeschlossen, dass sich zwei Dinge an derselben Stelle befinden.” Im Ort gilt das Gesetz des Eigenen”. M. de Certeau: Praktiken im Raum, in: Jörg Dünne; Stephan Günzel (Hrsg.) (2012 Aufl.7) : Raumtheorie. Grundlagetexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt/M: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. S. 346

14 Michel Foucault (2014, Aufl.2): Die Heterotopien. Der utopische Körper. S. 11, 10, 12

15 Diese Begriffe werden mehrmals, vor allem in der zweiten Hälfte des Romans wiederholt; sie funktionieren als Kommentar und Orientierung für die Genre -Problematik, neben der existentiellen.

16 “Die Unsichtbare. Tirade an drei Stränden” (2001), ein originales Werk, das die Form eines Kommentars zu einem Drama hat, das von einem Namenregister angesagt wird.

17 Christoph Ransmayr : In Uwe Wittstock, S. 216. Die von M. Foucault aufgezählten Merkmale von Heterotopien, überschneiden sich mit Bachtins komisch-karnevalesken Topographien und dialogischen Beziehungen. s. u.

18 Das Innere durchschaut heterogen in Beschreibungen im Raum-Text und in jedem Kapitelanfang und seiner Rhetorik der Tiefe, die auch einem Vor-Raum, der Produktivität nacheifern und nachsprechen.

19 Mit diesem intermedialen Ort im Text, wird die Wirklichkeitsdarstellung in eine verwirrende “Unvereinbarkeit” ästhetisiert und aufgelöst, auch auf mehrdimensionale Räume und Zeiten verweisend neu gegründet. Es werden vor allem Verwandlungen und “Übergänge” damit angedeutet. Das Kapitel VII stellt die absolute Szene für Verwandlungen von Menschen in Steinen und von Steinen in Menschen. Vgl. Foucault: Heterotopien, S. 14.

20 In ihrem Artikel über Bachtin (Bakhtine, Fz.), definiert Kristeva den Karneval als absoluter Ort einer Doppelheit und Dyade, aber auch als Transgression und Negation der offiziellen Kultur und Sprache, weil topographisch peripher und mit der Macht nicht verquickt. Doch vertritt er nicht nur eine Volkskultur und deren offene Bühne auf dem Marktplatz, sondern v.a. die sich nicht ausschließenden Gegensätze, bzw. Förderung der Dyade wie auch von transfiniten Relationen. s. Julia Kristeva: Bachtin , das Wort, der Dialog, der Roman. Kristeva, Julia : Bachtin, Das Wort, Der Dialog und der Roman, in: Jens Ihwe (Hrsg.): Literaturwissenschaft und Linguistik in Ergebnisse und Perspektiven. Bd. 3, Ars Poetica, Frankfurt/M, 1972, S. 344-375

21 Emil Angern: Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos, S. 150 ,151 ff.

22 Zu den Heterotopien zählt Foucault “Friedhöfe, die im Laufe der Zeit und seit dem 17 Jh. immer entfernter vom Lebensbereich außerhalb der Stadt umgesiedelt wurden. … An den Tod möchte man weniger in den nachfolgenden Jh. erinnert werden.

23 Theodor W. Adorno & Max Horkheimer (1980, Aufl7): Die Dialektik der Aufklärung, Frankfurt/M: Fischer Taschenbuch

24 Diese Verhältnisse werden zuerst am Exil Nasos explizit, an dem den Bewohnern Tomis verordneten Verbot mit Fremden zu sprechen fassbar, dann an der in Katakomben verbrecherisch überlebenden Opposition, wie an der Prügelszene und Unterdrückung des Theaterpublikums durch die Polizei fassbar.

25 Emile Angern: Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos, S. 61. In dessen späteren Erscheinung als Ableitung, wird der Mythos auch als lückenhafte Wiederholung und Verarmung rekonstruiert angenommen. Siehe Manfred Frank (1983): „Die Dichtung als >Neue Mythologie<“, In: Karl Heinz Bohrer (Hrsg.), Mythos und Moderne, Frankfurt/M, S. 15-40. An der gewöhnlichen Stelle einer Reflexion über die Unsagbarkeit als Ellipse einer Verschiebung von einer Bild-Wort Polyphonie zum Wort, kommen bei Ransmayr Topoi semiotischer Kommentare und Reflexionen über Zeichen und Zeichenhaftigkeit vor.

26 M. Foucault Nietzsche, NGG, S. 77: Das Herrschaftsverhältnis ist ebenso wenig ein Verhältnis wie ein Ort”.

27 Vgl. auch zu M. Foucault: Heterotopien, S. 15

28 Zum Pendant einer semantischen/tisierten Struktur und Thematik gehören in DLW obsessionell theorisierende Kommentare zur Semiotik des literarischen Diskurses und dessen Verquickung mit der Geschichte und Immanenz. ( S. 38, 44 f., 213…)

29 Christoph Ransmayr: Die Erfindung der Welt. Rede zur Verleihung des Franz-Kafkas-Preises, In: Uwe Wittstock, Wittstock, Uwe (Hrsg.) (2004 Aufl.3): Die Erfindung der Welt. Zum Werk von Christoph Ransmayr, Fischer Taschenbuch Verlag, S. 198 ff.

30 M. Foucault, S. 10, 11.

31 Vgl. Emil Angehrn: Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos, Frankfurt/M, 1996. S. 59 ff.

32 Auf diesen Ansatz wird noch eingegangen und zwar sowohl im Punkt zur semiotischen Besprechung von Diskurs, sowie der damit verbundenen Analyse seiner Kommentare zur Geschichte und ihrer Zirkularität; s. LW, S. 138 ff. s. a. Friedrich Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben. Stuttgart: Reclam Universal-Bibliothek, 2009

33 Emil Angehrn: (1996): Die Überwindung des Chaos S. 61

34 Vgl. S. 176, Der rasche Wechsel der Zeiten und die Gewöhnung auch als Umschreibung für Gleichgültigkeit werden rekurrent.