Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2. Nr. November 1997


Zur Modernitätskritik und universalistischen Aspekten der "Jüdische Renaissance" in der deutschsprachigen Literatur zwischen Jahrhundertwende und 1918

Andreas Herzog (Leipzig)

In einem Aufsatz, der im Jahre 1912 in der deutsch-nationalen Kulturzeitschrift "Kunstwart" erschien, machte der Publizist Moritz Goldstein eine Feststellung, die ihn bedrückte: "Wir Juden verwalten den geistigen Besitz eines Volkes, das uns die Berechtigung und die Fähigkeit dazu abspricht."(1) Goldstein forderte von den deutschen Juden deshalb, "auf die Ehre, ein deutscher Dichter zu heißen, und deutsche Kultur zu machen, zu verzichten", sich für das jüdische Volk und den Zionismus zu entscheiden und die hebräische Sprache und Poesie wiederzubeleben.(2) In einer im gleichen Jahr veröffentlichten Schrift mit dem ambitionierten Titel "Begriff und Programm einer jüdischen Nationalliteratur" plädierte er für eine "nationale Tendenz" und für die "Aufrichtung eines neuen Lebensideals", "an dem der Geist des jüdischen Volkes lebendig und wirklich wird".(3) Er verlangte, "ein jüdisches Heldenideal" aufzurichten, indem den Juden ihre Geschichte wieder "heroisch" gemacht werde.(4)

Goldsteins Bestrebungen waren Teil einer umfassenden Auseinandersetzung unter deutschen bzw. österreichischen Schriftstellern und Intellektuellen jüdischer Herkunft, in der sie sich mit der Frage eines neuen, dezidiert jüdischen Selbstverständnises beschäftigte. In einer Phase fortschreitender Modernisierung und des gewachsenen Antisemitismus verschob sich der Schwerpunkt innerjüdischer Auseinandersetzungen von konfessionell-religiösen auf politische und kulturelle Fragen. Vereinfacht gesprochen standen sich eine für die Assimilation plädierende "deutschjüdische" und eine nationaljüdische bzw. zionistische Partei gegenüber, die in bezug auf die sogenannte Judenfrage unterschiedliche Lösungsansätze verfolgten. Die vom "Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" vertretene Mehrheit wollte die Verbindung der deutschen Juden mit ihrem Vaterland nicht zerstören lassen und bestand darauf, die entstandenen Probleme "Im deutschen Reich" - so auch der Name ihrer Zeitschrift - zu lösen. Die sich in der Minderheit befindenden Zionisten strebten mit Hilfe ihres Zentralorgans "Die Welt" nach der Schaffung einer eigenen, völkerrechtlich gesicherten jüdischen Heimstätte.

Mit dieser Auseinandersetzung beginnt eine neue Phase "deutsch-jüdischer Literatur", deren diffizile Problematik in einschlägigen Literaturgeschichten bisher keine Berücksichtigung gefunden hat. Die Voraussetzungen, dies zu ändern, wurden in mehreren literaturwissenschaftlichen Einzelstudien geschaffen, die mittlerweile vor mehr als zehn Jahren veröffentlicht wurden. Hans Otto Horch beschäftigt sich in seiner Habilitationsschrift über "Juden und Judentum im Spiegel der liberalen Erzählliteratur und jüdischen Literaturkritik" der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" (l837-1922) auch mit der "vergeblichen Suche nach dem modernen jüdischen Roman" in den 1890er Jahren. Daß sie "vergeblich" bleiben mußte, führt er auf die Unmöglichkeit einer einheitlichen "Selbstdefinition jüdischer Existenz - als Religion, Volk, Nation, Rasse -" zurück.(5) In einer Dissertation über die Literaturdiskussionen und Belletristik jüdischer Zeitschriften in Deutschland betrachtet Itta Shedletzky die deutsch-jüdische Literatur seit den neunziger Jahren zunächst ebenfalls als Zeichen einer "Suche nach dem jüdischen Roman über die Judenfrage". Für die Zeit von 1912-1917 stellt sie die Debatten "über den Dichter als Juden und den Juden als Dichter" unter den Begriff einer "jüdischen Nationalliteratur".(6) Eine andere israelische Germanistin, Hanni Mittelmann, hat die Auseinandersetzungen um "das Jüdische" in der deutschsprachigen Literatur als "Assimilationskontroverse" dargestellt. Sie vertritt die These, daß sich zu Beginn des Jahrhunderts zwischen dem "Nationaljudentum" und dem "Assimilationsjudentum" immer deutlichere Fronten abzeichneten. Goldsteins Aufsatz "Deutsch-jüdischer Parnaß" sei ein Dokument für die "radikal Trennungsparole" der Zionisten, dem die "Deutschjuden" eine "ebenso radikale Assimilationsparole entgegengesetzt" hätten.(7)

Nimmt man das jüdische Selbstverständnis, das insbesondere in den beiden israelischen Arbeiten Aufmerksamkeit gefunden hat, ernst, dann stellen sich dem Literaturhistoriker insbesondere drei Fragen:

1. Gab es eine spezifisch jüdische Literatur innerhalb der deutschen Literatur - insofern die besonderen Probleme der Juden ein Selbstverständnis hervorgebracht haben, das sich wie bei Goldstein in ihrer literarischen Programmatik niedergeschlagen hat?
2. Muß die Geschichtsschreibung deutschsprachiger Literatur in Zukunft nicht nur mit Blick auf "das Österreichische", sondern auch auf "das Jüdische" differenzieren?
3. Inwiefern müssen die besonderen sozialen Probleme und kulturell-ästhetischen Besonderheiten des literarischen Schaffens von Autoren jüdischer Herkunft berücksichtigt werden?

Um gleich eingangs möglichen Mißverständnissen vorzubeugen, bezeichne ich meine Position. Bei der Untersuchung der jüdischen Spezifik sehe ich eine kritisch-reflexive Literaturgeschichtsschreibung ganz besonders herausgefordert. Die Gefahr, die mit den aufgeworfenen Fragen verbunden ist, besteht in der Konstruktion literarischer Differenzen, welche etwa auch Thesen von Adolf Bartels stützen würden: Wie andere Antisemiten aus dem völkischen und nationalkonservativen Lager postulierte er in "Judentum und Literatur" (1912), daß die Juden eine andere, mit der deutschen Literatur unvereinbare Kultur repräsentieren. Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde diese stereotype Sicht in eine politische Gewalt verwandelte, die über die Verbrennung ihrer Bücher bis zur Vertreibung und Ermordung der Juden führte.

Heutige Literaturwissenschaft kann es jedoch auch aus wissenschaftlichen Gründen nicht bei der Re-konstruktion eines spezifisch jüdischen Selbstverständnisses belassen. Die bloße Rekapitulierung zionistischer Positionen unterliegt der Gefahr, in den begrenzten Perspektiven der Zeit zwischen Jahrhundertwende und Erstem Weltkrieg zu verbleiben. Die Auseinandersetzung zwischen den für die Assimilation plädierenden "Deutschjuden" und den nationaljüdisch gesinnten Zionisten wird damit gleichsam fortgeschrieben. Zur Erhellung der historischen Hintergründe und Zusammenhänge wird damit jedoch nicht beigetragen. Begriffe wie "jüdischer Roman" oder "jüdische Nationalliteratur" bleiben politisch determiniert. Von einer kritischen Wissenschaft, welche literarische Programme und Texte im Rahmen allgemeiner sozialer und kultureller Entwicklungsprozesse betrachtet, können aus dem 19. Jahrhundert stammende Ordnungsmodelle ebenso wenig unreflektiert übernommen werden wie Sinnstiftungsbegriffe(8), die eine eigene jüdische Nation zu konstituieren versuchen.

Die Literaturgeschichtsschreibung sollte sich vielmehr der Frage stellen, welche sozialgeschichtlichen oder kulturellen Hintergründe die "jüdische Renaissance" hatte, die im nunmehr gehäuften Auftreten jüdischer "Thematik, Motivik, Denkformen oder Modelle" in der deutsch-jüdischen Literatur der Jahrhundertwende zu konstatieren ist.(9) Was verbirgt sich hinter der "jüdischen" Problematik und den Auseinandersetzungen um eine neue "jüdische" Identität? Inwiefern waren sie mit den allgemeinen Problemen der Zeit verbunden? In welcher Beziehung steht sie zur allgemeinen Geistesgeschichte zwischen Jahrhundertwende und Erstem Weltkrieg?

Im folgenden soll der Versuch gemacht werden, auf die Antinomien jüdischer Programmatik und Problematik zu verweisen und ein differenziertes Bild von dem zu zeichnen, was Hanni Mittelmann "Fronten" genannt hat. Indem sie durchlässig sind, lösen sich diese einerseits immer wieder auf. Andererseits liegen sich gegenseitig ausschließenden Positionen oft ähnliche Ziele zugrunde, die lediglich mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden sollen. Die verstärkte Hinwendung zum "Jüdischen" bzw. dem "Judentum" ist weniger als national-politisches "Trennungsprogramm" im Sinne eines mehr oder weniger freiwilligen "Auszugs" aus der deutschen Literatur zu begreifen, als dies behauptet wurde. Die sozialen, kulturellen und ethischen Fragen, die im Zusammenhang mit der Suche nach einem neuen Judentum aufgeworfen wurden, sind weit mehr im Rahmen von modernekritischen Gegenentwürfen zu sehen, die der mitteleuropäischen Kultur und Gesellschaft gelten und universell ausgerichtet sind. Kern der Auseinandersetzung war nicht das nationalpolitische Bekenntnis als Deutscher oder Jude, sondern das Streben nach der Erneuerung der modernen Kultur und Gesellschaft, der einen Teil jüdischer Autoren auf spezifisch jüdische Traditionen und Inhalte zurückgreifen ließ.

Wie wenig die kulturelle Selbstbesinnung einflußreicher Zionisten mit dem Errichten nationalistischer Fronten verbunden war, ist an Martin Bubers Programmessay "Jüdische Renaissance" abzulesen, der die seit 1901 erscheinende Monatsschrift für modernes Judentum "Ost und West" einleitete. Die Zeitschrift suchte ein "selbstbewusstes, innerlich gefestigtes [...] fruchtbares jüdisches Leben" zu fördern, das - so das Editorial - "die gute Eigenart" der jüdischen Rasse entfalten und dem allgemeinen Kulturfortschritt zur Verfügung gestellt werden könne.(10)

Buber betonte, daß es nicht um die Abgrenzung oder Sicherung partikularer nationaler Interessen, sondern um die Ausprägung "kultureller Nuancen" gehe, welche die europäische Kulturbewegung bereichern sollen. Er verstand die Wiedergeburt des jüdischen Volkes als Teil einer allgemeinen kulturellen Rückbesinnung Europas:

"Wir sehen die nationalen Gruppen sich um neue Fahnen scharen. Es ist nicht mehr der elementare Selbsterhaltungstrieb, der sie bewegt; nicht die äußere Abwehr feindlichen Völkeransturms ist der Grundzug dieser Erscheinung. Nicht der Besitzdrang und die territoriale Expansionskraft der Nationen will sich nun ausleben, sondern ihre individuelle Nuance. Es ist eine Selbstbesinnung der Völkerseelen."(11)

Das geistig-kulturell geprägte Judentumsverständnis Martin Bubers versuchte dabei sowohl die "entleerte" und "tote" Tradition des alten "Ghettojudentums" als auch die seiner Meinung "armselige Episode der Assimilation" und den "Golus der Moderne" zu überwinden. Nationale Selbstbesinnung und Akkulturation widersprachen sich hier nicht. Die Hinwendung zu einem modernen Judentum war für den Studenten der Universitäten Wien, Berlin und Zürich nur in der "Vermählung" mit der abendländischen Zivilisation und nicht als freiwilliger Rückzug in ein neues Ghetto vorstellbar.

Über seine drei "Reden über das Judentum" wirkte Buber vor dem Ersten Weltkrieg insbesondere auf die Kulturzionisten des Vereins jüdischer Hochschüler "Bar Kochba" in Prag, zu dem auch Hugo Bergmann gehörte. Über diesen bekam auch Max Brod ein geistig und ethisch geprägtes Verständnis vom Judentum vermittelt. Das dichterische Programm, das er im Jahre 1913 entwarf, ging davon aus, daß man durch die Rückkehr zum eigenen Volkstum einen Zugang auch zu dem anderer Völker finden könne. Im Essay "Der jüdische Dichter deutscher Zunge", der mit Unterstützung Bubers in einem Sammelband des Vereins erschien(12), beschwor Brod die Fähigkeit des nationalempfindenden Schriftstellers zu schöpferischer Dichtung.(13) Brod hob die Notwendigkeit der dichterischen Gestaltung eines "ganzen Juden" hervor und unterschied sie von der "Darstellung jüdischer Zustände" und der Behandlung von aktuellen Problemen wie der Taufe, des Zionismus oder der Assimilation: "Nicht nur das Judenproblem: der ganze Jude ist mir dichterisches Problem".(14) Als Voraussetzung betrachtete er die Vertrautheit mit dem biblischen und nachbiblischen hebräischen Schrifttum und die Bekanntschaft mit der neuen jiddischen Volksliteratur, welche erst zu großer Dichtung befähigen würde.

Über die deutsche Sprache, die Brod dabei nicht aufgeben wollte, fühlte er sich mit dem deutschen Volk verbunden. Das Volk, an dessen Sprache er weiterwebe, könne ihm nicht fremd sein. Die Hinwendung zu einem spezifisch jüdischen Volkstum war nicht mit einer Abwehr des deutschen verbunden, beide konnten sich wechselseitig ergänzen. Auf dem Weg "in die Tiefen des Judentums" glaubte Brod den gewünschten Zutritt auch zum deutschen Volksgeist zu finden: "Die Freude am eigenen Volkstum ist der Freude an fremdem Volkstum verwandter als die versuchte Erschleichung fremden Volkstums".(15)

Betrachtet man die eingangs zitierten Aufsätze genauer, dann waren die Positionen Moritz Goldsteins letztlich nicht allzu weit von denen Bubers und Brods entfernt.(16) Obwohl er ein dezidiert nationales Programm vertrat, wandte er sich gegen eine Tendenzdichtung, die nationale Stoffe chauvinistisch verblendet darstelle oder bloß jüdische Stoffe an die Stelle künstlerisch wertvoller Werke treten lasse. Goldstein forderte gerade nicht, sich um jeden Preis "radikal auf jüdische Stoff- und Problemkreise zu beschränken":(17)

Es ist nicht gemeint, dass man in chauvinistischer Verblendung den nationalen Stoff an Stelle der Kunst treten lasse. [...] Fehlt die talentvolle Behandlung jüdischer Stoffe, so begnüge man sich mit anderen Stoffen aus jüdischer Feder, an denen es nicht fehlt.(18)

Ähnlich wie Brod sah auch Goldstein die prinzipiell vielsprachige jüdische Nationalliteratur aus der Feder deutscher Juden vorerst weiterhin an die Sprache Deutschlands gebunden. Überdies müsse der Umstand, daß die deutschen Juden ihre kulturellen und gesellschaftlichen Erfahrungen mit ihrer Umwelt teilten, Konsequenzen haben. Jüdische Nationalliteratur in deutscher Sprache könne sich nur in Nuancen von der deutschen Literatur unterscheiden:

"Aber da uns die nationale Sprache fehlt, und da wir ausserdem die Zeit und ihre Probleme mit den Deutschen, ja mit Europa gemein haben, so fehlt unserer noch ungegründeten Literatur das deutliche Unterscheidungszeichen, und was uns kenntlich macht, werden nur Nuancen sein."(19)

Die jüdische Nationalliteratur erscheint selbst bei Goldstein nicht als geschlossene Größe. In vielen Sprachen verfaßt, bleibe sie kulturell und gesellschaftlich mit den Literaturen der Völker verbunden, mit und zwischen denen die Juden leben. Für den jüdischnational empfindenden Publizisten bildet sie damit keinen isolierten "Kulturgarten"(20), sondern war Teil einer internationalen, gemeinsamen Kultur- und Geistesgeschichte. Die Suche nach einer eigenen Nationalliteratur hob den großen kulturellen und politischen Anteil, den die Juden am deutschen Nationalstaat hatten, keinesfalls auf.(21) Die deutschsprachigen Juden konnten somit unterschiedliche, miteinander verbundene oder ineinander verschachtelte Identitäten haben.

Selbst, wo Autoren wie Julius Bab und Ludwig Strauß dezidiert für eine deutsche oder eine jüdische Literatur plädierten, verbargen sich hinter entgegengesetzten nationalen Antworten im Prinzip die gleichen Fragen. Obwohl sie im Jahre 1913 in der alljüdischen Revue "Freistatt" von prinzipiell unterschiedlichen Positionen miteinander stritten, identifizierten beide die Probleme der modernen Kultur mit einem vermeintlich jüdischen Literatentum, dem sie das letztlich gemeinsame Ideal eines neuen "Dichtertums" entgegengehalten hielten. Während Julius Bab dieses jedoch im Anschluß an das Deutschtum zu verwirklichen hoffte, suchte es Ludwig Strauß in einem neuen Judentum. Unter dem Pseudonym Franz Quentin hatte Strauß schon in der Kunstwart-Debatte gemeint, daß es "von innen kommende (jüdische) Kräfte" auch dem in deutscher Sprache dichtenden Juden ermöglichen würden, eine Kultur mit "nationaler Substanz" zu verwirklichen.(22) Mit der bewußten Hinwendung zum Judentum suchte der Weggefährte und Schwiegersohn Bubers die schöpferische und sinnlich-dichterische Begabung auch der modernen deutschen Juden unter Beweis zu stellen, die ihnen nach einem Vorurteil der Zeit, das von Bab und Strauß geteilt wurde, angeblich verloren gegangen war.

Julius Bab erhoffte sich die Verwirklichung jenes idealen Dichtertums nicht aus der jüdischen, sondern aus der deutschen Kultur. Über den "Anteil der Juden an der deutschen Dichtung der Gegenwart" reflektierend hatte er ebenfalls 1912 gemeint, daß die besondere schriftstellerische Funktion und Potenz der Juden im "Literatentum" bestehe, das er als einer Art "Zwischenhandel" literarischer Werte verstand. Wirklich "dichterische Produktivität" sei den jüdischen Schriftstellern dagegen abzusprechen.(23) Autoren wie Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Jakob Wassermann, Richard Beer-Hofmann, Emil Ludwig, Alfred Mombert und Else Lasker-Schüler würden zwar über dichterische Gaben verfügen. Sie seien jedoch leider keine "Enkel der Natur" und hätten nicht "die Unschuld der Sinne [...] sie müssen alles durch die Idee, die Reflexion, den Vergleich treiben".(24)

Julius Bab’s Plädoyer für deutsches Dichtertum wurde von Ludwig Strauß als "Dokument der Assimilation" kritisiert. Er stimmte mit Bab überein, daß den deutschen Juden weitgehend "die produktive dichterische Fähigkeit" fehle, führte dies im Unterschied zu diesem aber darauf zurück, daß sie "schon viel zu viel von ihrem Judentum aufgegeben haben".(25) In einer Replik auf Ludwig Strauß wehrte sich Bab dagegen, ein "Assimilant" zu sein. Er plädierte für ein harmonisches Zusammengehen von Juden und Deutschen, wobei er ein jüdisches Bewußtsein anerkannte, sofern es mit der deutschen Kultur verbunden bzw. in sie eingebunden sei. Bab betonte, daß er die deutsche Kultur nicht als "nationales Ideal", sondern als Bestandteil der allgemeinen europäischen Kulturgemeinschaft betrachte. Ausdrücklich wandte er sich gegen einen national-ideologischen Kunstbegriff und bezog sich auf allgemeine menschliche Werte:

"Aber die entscheidende Differenz ist eben wieder, dass mein Denken nicht einen Nationalkultus, sondern den Glauben an höchst internationale, allgemein menschliche Gesetze des Geistes zum Ausgangspunkt hat. Und dass ich zuerst und zuletzt ein Mensch, wenn auch unterwegs ein jüdischer Mensch - und in ungefähr gleichem Grade ein deutscher Mensch - sein möchte."(26)

Untersucht man die Romane von deutschsprachigen jüdischen Autoren, die sich seit den neunziger Jahren mit der jüdischen Problematik beschäftigten, so enthalten diese zwar Bekenntnisse zum Judentum, Lösungsversuche oder Diskussionen der "Judenfrage";(27) als Ganzes lassen sie sich jedoch schwerlich unter diese Begriffe subsumieren. Das läßt sich an drei der wichtigsten Texte der Jahre 1892- 1908, Ludwig Jacobowskis "Werther der Jude" (1892), Jakob Wassermanns "Die Juden von Zirndorf" (1897) und Arthur Schnitzlers "Der Weg ins Freie" (1908) belegen, die auch von Hans Otto Horch und Itta Shedletzky berücksichtigt wurden. Ich beschränke mich an dieser Stelle auf Jakob Wassermanns Erstling "Die Juden von Zirndorf", der Martin Bubers Verständnis vom Judentum zum Teil vorwegnimmt. Ähnlich wie dem Zionisten ging es dem deutschen Juden Wassermann um die individuelle Besinnung auf ein Judentum, mit dessen Hilfe nicht nur die Entfremdung des modernen Juden von sich selbst überwunden werden konnte. Wassermann glaubte die Vereinzelung des vom "Mythos losgelösten" Literaten - die im Juden als Europäer und Kosmopoliten nur am schärftsten verkörpert sei - durch einen "im mythischen Sinne" Juden "als Orientalen" überwinden zu können.(28) Die kulturkritische Metaphorisierung der Juden, die im 1910 veröffentlichten Essay Wassermanns "Der Literat. Mythos und Persönlichkeit" deutlich wird, bestimmte schon die Perspektive des 1897 veröffentlichen Romans. Wie Wassermann später erklärte, wollte er mit den "Juden von Zirndorf" einen Rückgriff in die "Urbestände, Ahnenbestände, in Mythos und Legende" seines Volkes unternehmen. Das "gegenwärtige" und "werdende Leben" der Juden sollte in einem "mythischen", "zusammenfassenden Sinn" gestaltet werden.(29)

Die Hauptfigur Agathon Geyer, der aus einer unehelichen Verbindung zwischen einer Jüdin und einem Christen hervorgegangen ist, fungiert als Träger einer messianischen Idee, die auf dem häretischen Judentum des Mystikers Sabbatai Zwi fußt. Die Idee verknüpft ein historisches Vorspiel, das dem Roman vorgeschaltet ist, mit dessen moderner Handlungsgegenwart. Der Messianismus, der bis zum sexuellen Exzeß geht, bricht mit dem erstarrten Gesetzesjudentum der Rabbiner und löst die Grenzen zwischen Juden und Christen auf. Ein neues jüdisches Geschlecht soll die Erstarrung der traditionellen Religiosität mittels eines Vitalismus überwinden, der seinerseits religiös geprägt ist. Hans Otto Horch meint hierzu treffend, daß das oft fehlgeleitete "messianisch-futurische Element" aktiviert werden und "vom Jüdisch-Partikularen, Religiös-Transzendenten ins Menschheitlich-Universale, Weltimmanente" ausgeweitet werden solle.(30)

Da "das Jüdische" als Metapher für die seelenlose und von Leben entleerte materialistische und pragmatische Kultur der Moderne fungiert, muß es auch bei nichtjüdischen Figuren diagnostiziert werden. In der Figur Stefan Gudstikkers begegnet uns ein Deutscher, der zwar die Krankheit der modernen Kultur mit dem "dekadenten Judentum" identifiziert, dem jüdischen Protagonisten jedoch selbst als die "jüdischeste Natur" erscheint, die ihm je begegnet sei. Agathon Geyer sagt über Gudstikker:

"Es war die Lüge selbst, die ihm in ihrer ganzen brutalen Unbekümmertheit entgegentrat. Glätte und Spitzfindigkeit, Zähigkeit und scheinheiliger Ernst [...]".(31)

In seiner autobiographischen Bekenntnisschrift "Mein Weg als Deutscher und Jude" postulierte Jakob Wassermann zwischen Deutschen und Juden eine "Verwandtschaft" nicht nur ihres "äußeren Loses". Auch in ihrem "inneren Sein" würden sie übereinstimmen. Der Deutsche, selbst wenn er "von zweifelloser Reinheit der Abstammung" sei, trage "unverkennbare jüdische Eigenschaften [...] jüdische Glut, jüdische Verschlagenheit, jüdische Labilität, jüdische Augenblickshaftigkeit" in sich.(32) Es ist bekannt, daß sich Wassermann gleichermaßen als Deutscher und Jude fühlte und unter beiden Zugehörigkeiten litt. In der jüdischen Problematik konnte er deshalb nicht ein spezifisches, sondern nur ein allgemeines kulturelles Problem sehen.

Überblickt man das literarische Schaffen nationaljüdisch gesinnter Autoren in Deutschland und Österreich, so blieben sie wie die meisten Zionisten an die Kultur und Gesellschaft des mitteleuropäischen bzw. deutschsprachigen Sprachraumes gebunden.(33) Auch diese Schriftsteller und ihre Werke sind von der Literaturgeschichtsschreibung im Rahmen der Entwicklung der deutschen Literatur zu betrachten. Der Kreis um Martin Buber stand in der Nachfolge von Achad Haams "Geisteszionismus", der die geistig-moralische Besinnung in der Diaspora vor die Kolonisation Palästinas stellte, und teilte die Bestrebungen der radikalen Zionisten(34) nicht. Am 1913 erschienenen Sammelband "Vom Judentum" waren neben Martin Buber und den Schriftstellern Jakob Wassermann, Karl Wolfskehl, Max Brod und Arnold Zweig mit Gustav Landauer und Nathan Birnbaum nicht zufällig zwei dezidierte Antizionisten beteiligt.

Daß sich das Judentumsverständnis junger jüdischer Intellektueller und Schriftsteller auch in den Folgejahren nicht prinzipiell änderte, mag die von Buber herausgegebene Zeitschrift "Der Jude" belegen, die schon am Anfang des Jahrhunderts als "Revue der jüdischen Moderne" konzipiert war, deren Erscheinen sich aber bis zum April 1916 verzögerte.(35) Auch hier zeigt sich, daß es den Juden um Buber weder um die Rückkehr zum religiösen Judentum, noch um ein nationalpolitisches Bekenntnis ging.

"Für diese Generation, die ihr Volk in sich erlebt, ist das Judentum nichts Gewesenes und Abgeschlossenes und nichts in starre Formeln Gebanntes, sondern das lebendige Volkstum in seiner ganzen Weite und Tiefe, in seiner Vielfältigkeit, in allen seinen Formen und Kundgebungen."(36)

Die weitgespannte kulturelle Programmatik der Zeitschrift, die jenseits aller jüdischen Parteiungen stehen wollte, bot namhaften Schriftstellern wie Max Brod, Oskar Baum, Alfred Wolfenstein, Arnold Zweig und Franz Kafka Raum für ihre Mitarbeit. Sie bot die Möglichkeit, jüdische Kultur, Literatur und Kunst aus Ost-und Westeuropa kennenzulernen bzw. sich mit ihr auseinanderzusetzen.(37)

Für Max Brod verkörperte die Zeitschrift den Sammelpunkt der "dritten Phase des Zionismus", in welcher die Forderung nach "rascher sozialer und kultureller Volksarbeit im Galuth" erhoben wurde.(38) In ihr sollte es weniger um Palästina, als um die Besinnung auf eine eigenständige Kultur gehen. Im Umkreis Bubers wurde der Sinn eines neuen Judentums in der "inneren Befreiung und Läuterung" gesehen. Statt auf politische Aktivitäten wurde der Schwerpunkt auf die Herausbildung "sittlich-kultureller Kräfte" im Interesse der Menschheit gelegt.(39) Selbstbesinnung bedeutete hier nicht Abgrenzung, sondern einen Beitrag zur europäischen Kultur. In der Nachfolge Bubers betonte Max Brod den "kosmopolitischen, völkerverbindenden Zug" des Judentums, das der ganzen Menschheit dienen müsse. Der jüdische Nationalismus habe nichts mit dem herrschenden, wütenden Nationalismus gemein, schrieb er 1917.(40) Mit der Rückkehr zum jüdischen Volkstum glaubte er, der "universellen Erlösung" zu dienen.(41)

Die universelle, übernationale Mission, welche eine ganze Reihe von deutsch-jüdischen Schriftsteller auch noch nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Judentum verbanden, läßt sich bei Autoren wie Alfred Wolfenstein, Albert Ehrenstein, Rudolf Kayser, Lion Feuchtwanger und Joseph Roth studieren, die sich deshalb auch vom Zionismus distanzierten. Als deutsche oder österreichische Juden bekannten sie sich politisch und kulturell zu Deutschland und Österreich, darüber hinaus aber auch zu einem Judentum, das der Menschheit dienen müsse. Ihre literarische Programmatik begründeten sie zunehmend mit der universellen Sendung, welche Gott seinem über die ganze Welt verstreuten Volk gegeben habe.(42)

Die Bewegung "jüdischer Renaissance", die seit der Jahrhundertwende auch in der deutschen Literatur deutliche Spuren hinterließ, orientierte sich nicht auf die Übersiedlung nach Palästina oder auf die Schaffung eines jüdischen Nationalstaates. Kulturkritisch profiliert, suchte sie mittels des Judentums die mitteleuropäische Gesellschaft und Kultur zu erneuern. Sie wandte sich gegen den Pragmatismus und die Rationalität der modernen Kultur der Industriegesellschaft und wollte die Emanzipation des Menschen in das Reich der zweckfreien Poesie erweitern. Ihre nationalkulturelle, zunächst von der Neoromantik, später vom Expressionismus und Aktivismus geprägte Ästhetik sollte mehr als eine Ästhetik sein. Die in den 1880er und 1890er Jahren geborenen jungen Juden suchten ein verinnerlichtes Judentum in neuen Lebensformen zu verwirklichen. Die Hinwendung zu spezifisch jüdischer Kunst und Dichtung sollte mit der Erneuerung einer praktizierten "jüdischer Moral" verbunden werden. Die "Jüdische Renaissance" war im Grunde keine nationalpolitische, sondern eine romantische Bewegung. Sie richtete sich gegen das "analytische, zergliedernde und zerteilende Denken", welches "die lebendigen Strukturen und ihre Zusammenhänge tötet". Ihr neues Judentum wandte sich gegen "das kalkulierende Denken, die Rechenhaftigkeit, die Seelenlosigkeit, die Leb- und Lieblosigkeit"(43), welche in diesen Jahren nicht nur von dezidierten Antisemiten, sondern eben auch von Juden mit den modernen bürgerlichen Juden identifiziert wurden.

© Andreas Herzog (Leipzig)

home.gif (2030 Byte)buinst.gif (1751 Byte)        Inhalt: Nr. 2


Anmerkungen:

(1) Moritz Goldstein: Deutsch-jüdischer Parnaß. In: Der Kunstwart. 25 (1912), März-Heft, S. 290.

(2) Ebd., S. 289f.

(3) Moritz Goldstein: Begriff und Programm einer jüdischen Nationalliteratur. Berlin 1912, S. 13.

(4) Ebd., S. 18.

(5) Hans Otto Horch: Auf der Suche nach der jüdischen Erzählliteratur. Die Literaturkritik der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" (l837-l922). Frankfurt/M. u. Bern l985, S.201ff.

(6) Itta Shedletzky: Literaturdiskussion und Belletristik in den juedischen Zeitschriften in Deutschland 1837-1918. Jerusalem 1986. Diss.

(7) Hanni Mittelmann: Die Assimilationskontroverse im Spiegel der jüdischen Literaturdebatte am Anfang des 20. Jahrhunderts. In: Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. Internationalen Germanistenkongresses. Göttingen 1985, Bd.5, S.158.

(8) Vgl. Wilhelm Voßkamp: Theorie und Probleme gegenwärtiger Literaturgeschichtsschreibung. In: Literaturgeschichtsschreibung in Italien und Deutschland. Traditionen und aktuelle Probleme. Hrsg. v. F. Baasner. Tübingen 1989, S.172f.

(9) Hans Otto Horch/Itta Shedletzky: Die deutsch-jüdische Literatur und ihre Geschichte. In: Neues Lexikon des Judentums. Hrsg. v. Julius H. Schoeps. Gütersloh/München 1990, S. 291; Hans Otto Horch: Heimat und Fremde. Jüdische Schriftsteller und deutsche Literatur oder Probleme einer deutsch-jüdischen Literaturgeschichte. In: Juden als Träger bürgerlicher Kultur in Deutschland. Hrsg. v. Julius H. Schoeps. Stuttgart/Bonn 1989, S. 41-65

(10) Ost und West 1 (1901), Sp. 1-4.

(11) Martin Buber: Jüdische Renaissance. In: 0st und West l (190l), Sp. 7-l0.

(12) Vgl. Andreas Herzog: Vom Judentum. Anmerkungen zum Sammelband des Vereins "Bar Kochba". In: Kafka und Prag. Hrsg. v. Kurt Krolop und Hans Dieter Zimmermann. Berlin/New York 1994, S. 45-58.

(13) Der jüdische Dichter deutscher Zunge. In: Vom Judentum. Ein Sammelbuch. Hrsg. v. Verein jüdischer Hochschüler Bar Kochba. Leipzig 1913, S. 261-263.

(14) Ebd., S. 263.

(15) Ebd., S. 262.

(16) Vgl. Hanni Mittelmann: Die Assimilationskontroverse (Anm. 7), S. 157, die im Jahre 1912, d.h. mit der Posener Konferenz und der Veröffentlichung von Goldsteins Aufsatz eine "Trennungsparole" ausgegeben sah, während im frühen Zionismus die doppelte Loyalität zu Deutschtum und Judentum noch selbstverständlich gewesen sei.

(17) Vgl. Hanni Mittelmann: Die Assimilationskontroverse (Anm. 7), S. 158.

(18) Moritz Goldstein: Begriff und Programm (Anm. 3), S. 16.

(19) Ebd., S. 10.

(20) Vgl. die Ausführungen im Beitrag von Anil Bhatti: Kulturwissenschaften und Diversitäten (folgt in TRANS3)

(21) Vgl. Stuart Hall: Die Frage der kulturellen Identität. In: Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hrsg. und übersetzt von Ulrich Mehlem, Dorothee Bohle, Joachim Gutsche, Matthias Oberg und Dominik Schrage unter Mitarbeit von Britta Brell und Dominique John mit einer Bibliographie der Werke Halls von Juha Koivisto. Hamburg 1994, S. 180-222, hier S. 205.

(22) Kunstwart 25 (1912), 22, 2.Augustheft, S. 238-244, bes. S. 240.

(23) Julius Bab: Der Anteil der Juden an der deutschen Dichtung der Gegenwart. In: Mitteilungen des Verbandes der jüdischen Jugendvereine Deutschlands3 (l9l2), H. l2, S. 3-9, bes. S. 4-5.

(24) Ebd., S. 8.

(25) Ludwig Strauß: Ein Dokument der Assimilation. In: Freistatt l (l913/l4), S. l3-l9, hier S. 14.

(26) Julius Bab: Assimilation. In: Freistatt 1 (1913/l4), Juni-Heft, S. l72.

(27) Itta Shedletzky: Literaturdiskussion (Anm. 6), S. 190, S. 227 f.

(28) Der Literat. Mythos und Persönlichkeit. Leipzig 1910, S. 75 u. 78. - Für den Sammelband der Prager Kulturzionisten erläuterte Wassermann auf Bitten Bubers dies noch einmal genauer; vgl. Jakob Wassermann: Der Jude als Orientale. In: Vom Judentum (Anm. 13), S. 5-8.

(29) Jakob Wassermann: Mein Weg als Deutscher und Jude. München (dtv) 1994, S. 72.

(30) Hans Otto Horch: "Verbrannt wird auf alle Fälle..." Juden und Judentum im Werk Jakob Wassermanns. In: Im Zeichen Hiobs. Jüdische Schriftsteller und deutsche Literatur im 20. Jahrhundert. Hrsg. v. Gunter E. Grimm u. Hans-Peter Bayerdörfer. Königstein/Ts. 1985, S. 138.

(31) Jakob Wassermann: Die Juden von Zirndorf. Cadolzburg 1995, S. 257.

(32) Jakob Wassermann: Mein Weg (Anm. 27), S. 91.

(33) Vgl. Yehuda Reinharz: Achad Haam und der deutsche Zionismus. In: Bulletin des Leo Baeck Institutes 61 (1983), S. 3-27; Yehuda Eloni: Zionismus in Deutschland. Von den Anfängen bis 1914. Gerlingen 1987, S. 273-277.

(34) Innerhalb der zionistischen Bewegung kam es nach 1911 zu verstärkten Nationalisierungstendenzen, die sich in einem gewachsenen politischen Engagement für die praktische Kolonisation Palästinas zeigten und mit einer Abwendung auch vom kulturellen Leben Deutschlands einhergingen. Der Posener Delegiertentag von 1912 erklärt die persönliche Absicht der Übersiedlung nach Palästina zur Pflicht jedes Zionisten. In praxi wanderte vor 1933 jedoch nur eine Minderheit auch der Zionisten dorthin aus. Weil sie nicht an eine schnelle Übersiedelung glaubten, plädierten Prager Kulturzionisten wie Hugo Bergmann für die Entwicklung eines jüdischen Gemeinschaftslebens und einer jüdischen Kultur in der "Galuth". (Vgl. Adolf Gaisbauer: Davidsstern und Doppeladler. Wien, Köln, Graz 1988, S. 338-340 bzw. S. 345-347.)

(35) Vgl. Eleonore Lappin: Der Jude. Monographie einer Zeitschrift 1916-1928. Jerusalem 1995. Diss.

(36) Der Jude 1 (1916), H.1, S. 1.

(37) Vgl. Ost und West. Jüdische Publizistik 1901-1928. Hrsg. v. Andreas Herzog. Leipzig 1996.

(38) Max Brod: Die dritte Phase des Zionismus. In: Die Zukunft 1917, Nr. 16, S. 81 f.

(39) Vgl. Hans Kohn: Der junge Buber und der Herzlsche Zionismus. In: Der Jude. Sonderheft zu Martin Bubers 50. Geburtstag. Berlin 1928, S. 14.

(40) Max Brod: Die dritte Phase (Anm. 36), S. 81 f.

(41) Max Brod: Heidentum, Christentum, Judentum. Ein Bekenntnisbuch. München 1921, Bd. 1, S. 14.

(42) Vgl. Andreas Herzog: Die Mission des Übernationalen. Zur Judentumskonzeption einiger deutschsprachiger Schriftsteller. In: Das jüdische Echo, Vol. 45. (1996), S. 155-161.

(43) Cornelia Klinger: Flucht, Trost, Revolte. Die Moderne und ihre ästhetischen Gegenwelten. München/Wien 1995, S. 84.


Webmeisterin: Angelika Czipin
last change 11.11.1999