Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 0. Nr. August 1997

Aspekte der Grenzziehung; Postkolonial*

Anil Bhatti (New Delhi)
[BIO]

 

In Fontanes politischem Roman, Der Stechlin, erfährt der alte Stechlin durch seinen Sohn Woldemar, daß "jetzt alles englisch sei".(1) Preußische Offiziere würden französische Redefloskeln kaum mehr ins Gespräch einfließen lassen. Stechlin sieht ein: "Natürlich. Die Franzosen sind abgesetzt. Und ist auch recht gut so, wiewohl unsre Vettern drüben erst recht nichts taugen. Selbst ist der Mann. Aber ich glaube, das Frühstück wartet".(2)

Die tolerante Beiläufigkeit mit der Dubslav von Stechlin den sprachpolitischen Vorgang zu Kenntnis nimmt, wird während des Frühstücks gewissermaßen an der Materie bestätigt. Während er die "Mittelschüssel" reicht, bemerkt Dubslav: " >toujours perdrix<. Das heißt, es sind eigentlich Krammetsvögel, wie schon gestern abend. Aber wer weiß, wie Krammetsvögel auf französisch heißen? Ich wenigstens weiß es nicht". Stechlins "Vermutung über französische Vokabelkenntnis" wird durch ein "allgemeines verlegenes Schweigen" bestätigt.(3)

Eine ausgesprochene Abneigung gegen Fremdsprachen und das Fremde hat aber Stechlins konservative Schwester, die alte Domina, die es nicht gern hat, wenn Woldemar ein saloppes "je ne sais quoi" in seinem Gespräch verwendet, und sie sagt es deutlich: "Sage nichts Französisches. Das verdrießt mich immer. Manche sagen jetzt auch Englisches, was mir noch weniger gefällt".(4)

Große offene Welt, kleine verschlossene Welt? Im Verlauf des Romans wird Woldemar von Stechlin ein wenig von der großen Welt sehen und auch ein bißchen Englisch lernen, schließlich jedoch in die Sicherheit "daheim" zurückkehren, dort, wo der rätselhafte, geheimnisvolle See gleichen Namens, der Stechlin, liegt. Im Gegensatz zur geschlossenen, konservativen Welt ist der See Stechlin, so klein und unbedeutend wie er erscheinen mag, ein weltoffener See mit "vornehme(n) Beziehungen", der sich regt und mitrumort, wenn es " weit draußen in der Welt," zwischen Island und Java "zu rollen und zu grollen beginnt".(5) Ein Wasserstrahl springt dann im See auf, und "einige behaupten sogar, in ganz schweren Fällen erscheine zwischen den Strudeln ein roter Hahn und krähe hell und weckend in die Ruppiner Grafschaft hinein".(6) Ein revolutionärer See also, dessen vulkanische, geologische Verbindungen historische Umbrüche plastisch registrieren.

In der verstockten Provinz der Domina wird Identität, diesmal sprachlicher Art, durch Grenzziehung gestiftet. Als subversives Element bildet der See, der die große Weltbewegung mitmacht, den Gegenpol. Beide Möglichkeiten bzw. Haltungen wurden zu Themen, die im Laufe des Kolonialismus, Dekolonialismus und deren postkolonialer Reflexion internationale Literatur und Kritik intensiv beschäftigen sollten. Die Diskussionen und Polemiken zu diesem Thema sind schier unübersichtlich geworden.(7) Anstatt von einer systematischen Theoriebildung in diesem Bereich zu spechen, scheint es mir produktiver zu sein, Postkolonialismus als eine kritische Haltung in den gegenwärtigen Diskussionen über Internationalisierungen von literarischen Prozessen einzusetzen, als ihn begrifflich zu strapazieren. Der Sättigungsgrad der Diskussion über Postkolonialismus hängt zum guten Teil damit zusammen, daß sowohl seine theoretischen Vertreter als auch Kritiker als Repräsentanten sprechen, ohne daß hinreichend klar wäre, wen oder was sie repräsentieren. Aber als situationsbedingte Haltung, als schriftstellerische Praxis vermag er Essentialismen, Orientalismen, Okzidentalismen, sprachliche Exklusivitätsrechte mit Authentizitätsansprüchen, kulturelle Verankerung, Seßhaftigkeit in Frage zu stellen. Es ist ein politisches Denken, das seine polemische Spitze verlieren kann, wenn es allzu stark durch theoretische Überlastung und Systematisierung domestiziert wird, anstatt es auf gut postkoloniale Art mit theoretischen Perspektiven durchaus eklektisch in Verbindung zu bringen.

Ich wähle im folgenden einige Aspekte aus, die als Momentaufnahmen zu verstehen sind. Ich greife zunächst auf das Problem der Essentialisierung in Verbindung mit einigen Anregungen von Ernst Bloch und der gegenwärtigen Geographiediskussion zurück. Die zweite Momentaufnahme gilt Fragen der Grenzziehung und Authentizität, die im dritten und vierten Abschnitt auf Mehrsprachigkeit, Migration und Nation erweitert werden. Ein Hinweis auf die Perspektive der "shared histories" in der Diskussion um Europa und den Kolonialismus bildet dann den als tentativ beabsichtigten Schluß.

I

Zu den deutschen Schriftstellern der Gegenwart, die mit großer Energie an Abgrenzungen gearbeitet haben, gehörte Ernst Jünger, der in seinen "weltpolitischen" Betrachtungen, Der Gordische Knoten, ein Schema des grundsätzlichen Unterschieds zwischen Ost und West aufbaut. Der Gegensatz zwischen Osten (Rußland, Asien) und Westen (Europa) ist für ihn "die geschichtliche Hauptrichtung, die Achse, die sich nach der Sonnenbahn bestimmt".(8) Der Osten: das ist Schicksalszwang, Despotie, Willkür, Maßlosigkeit, Permanenz der Diktatur. Der Westen dagegen ist Freiheit, Herrschaft auf Zeit, Sinn für Maß, Willensfreiheit. Dschingis Khan und Alexander sind die jeweils paradigmatischen Repräsentanten. Bewegt sich der westliche Fürst nach Osten, so wird er korrumpiert. Die Ostzüge verändern den Monarchen, der sie führt. Auch Alexander unterlag dieser Gefahr und "wunderbarer als daß er nach Babylon brach, bleibt, daß er aus Indien zurückkehrte".(9)

Es hätte genügt, Jüngers Spielart des heroischen Orientalismus als einen weiteren Beleg zu sehen für den bekannten essentialisierenden Versuch, sich die Welt als einen Billiardtisch vorzustellen, auf dem, wie Erich Wolf meinte, "die einzelnen Kulturkreise wie harte, runde Billardkugeln aneinanderklacken und sich gegenseitig in Bewegung setzen. Nur wenn sich die Vielfalt unserer Welt so leicht auseinandersortieren läßt (…) läßt sich umstandslos verkünden: >Osten ist Osten und Westen ist Westen – und niemals werden beide zusammenkommen<".(10)

Aber das Tückische an Jünger ist, daß diese Essentialisierung einen Legitimationsrahmen abgibt für die Brutalität westlicher Kriegsführung. Schuld daran sei, daß man sich Richtung Osten bewege, denn der Zug nach Osten korrumpiert. Hitler sei ein "östlicher Mensch" gewesen. Die politischen Konsequenzen von Essentialisierungen werden durch Argumente wie dieses evident.

Jünger setzt nun lediglich ein Denkschema, das Ernst Bloch bereits 1935 in seiner Spengler-Schelte, in Erbschaft dieser Zeit kritisiert hatte, fort. Dort mokiert sich Bloch über "die Kulturgärten quer durch die bebaute und durchformte Erde", die der "Antiquar" Spengler anlegt.(11) Bloch geht es jedoch nicht primär um Raum versus Zeit, sondern um Geschichtsdialektik. Auch Karl Mannheims soziologische Strukturen würden in der Zeit das leisten, was Spenglers Kulturkreise, seine kulturellen "isolierten Landschaftsgärten", im Raum leisten:

"nämlich die Zersprengung der Geschichte, die Aufhebung dialektisch durchgehender Glieder. Überhaupt ist der Primat des Raums über die Zeit ein untrügliches Kennzeichen reaktionärer Sprache; von den illustrierten Beilagen angefangen, welche sich >Volk und Raum< nennen (Beilagen der Linksblätter hießen >Volk und Zeit<) bis zu Nadlers >raumhistorischer Methode< und Keyserlings geographischen Meditationen."(12)

Es geht bei Bloch nun explizit nicht um einen Zeitbegriff, der als ein "Fetisch eines Nacheinander an sich"(13) erscheinen würde. Sein Denken polemisiert gegen den "Geographismus" des Kulturraum- und Kulturkreisdenkens, um eine auf der Grundlage moderner physikalisch-mathematischer Theorie basierte "Raum-Zeit-Union" zu etablieren, die gegen eine Dichotomisierung von Raum und Zeit hinausliefe. "Zeit", so heißt es, "ist nur dadurch, daß etwas geschieht, und nur dort, wo etwas geschieht."(14) Damit geht es um einen "elastischen" Raum- und Zeitbegriff, der von Starre befreit wäre.

Der Geographismus verhält sich zum linearen "geradlinigen Historismus"(15) komplementär. Die Aporie des Historismus besteht in der "Verlegenheit, das riesige außereuropäische historische Material darstellend unterzubringen." Die weltgeschichtliche Achse behandelt vergangene Kulturen wie Babylon und Altägypten und zielt auf Europa. Unvergangene Kulturen wie China und Indien scheinen "keinen richtigen Ort" darin finden zu können. Der Geographismus nimmt diese außereuropäische Welt als einzelne Kulturräume auf, verleiht ihnen eine interne Logik, und läßt sie kommunikationslos nebeneinander existieren. Diese Grenziehung domestiziert gewissermaßen die Komplexität der Weltzusammenhänge. Das Problem der "Unterkunft oder Einlagerung des historischen, besonders außereuropäischen Materials", das für den linearen Historismus bestand, wurde durch die geographische Grenzziehung vermieden. Allerdings, so Bloch, "durch eine Eisenbartkur, nämlich durch den Tod des zusammenhängenden, Länder, Völker und Zeiten verbindenden Geschichtsablaufs selber."(16) Um den Preis der Ausblendung des fließenden permeablen Charakters weltweiter Zusammenhänge also.

Dialektisches Raum-Zeit Denken kann jedoch, nach Bloch, mit einem "Raumzuschuß in der historischen Zeitlinie" operieren, sodaß innerhalb des Geschichtsprozesses "mehrere gleichzeitige oder zeitlich benachbarte Schauplätze" dargestellt werden könnten. Es wird eine vielstimmige Topisierung im "Multiversum der Kulturen" entworfen.(17) Spenglers "Kulturgärten" und "Kulturseelen" sind untereinander unvermittelt. Das heißt, sie sind "Kultur-Monaden... Kulturseelen ohne Fenster, ohne Verbindung miteinander und mit der Natur, aber voller Wandspiegel innen." Erst die Vermittlung zum "Menschen und seiner Arbeit (als der durchgehenden Materie der Geschichte) wie mit der Natur (als dem anders Durchgehenden oder Übergreifenden, worein diese Geschichte gestellt ist)" würde den Geschichtsprozeß erfassen.(18)

Ohne daß Bloch direkt gewirkt hätte, geht es in der radikalen Geographie und Geopolitik, die heute den Begriff des Raums in einer differenzierten Form dynamisch und politisch progressiv, d.h. produktiver, machen will, um dieses Vermittlungsproblem. Dieser Versuch richtet sich gegen eine Haltung, die Politik und Raum als Antinomien betrachtet und der Politik ein Existenzrecht außerhalb des Räumlichen gewährt, also nur insofern als das Räumliche nicht zu finden sei. Dagegen wird Raum als soziales Konstrukt aufgefaßt. Räumliche Verhältnisse und räumliche Prozesse werden als Gesellschaftsverhältnisse, die eine bestimmte geographische Form annehmen, aufgefaßt. Die komplementäre Seite der These, daß der Raum gesellschaftlich konstruiert wird, bildet die These, daß auch das Gesellschaftliche räumlich konstruiert wird. Das Räumliche entsteht aus einer komplexen Vernetzung von lokalen und globalen Verhältnissen, die durch Simultanität (Blochs "Gleichzeitigkeit") charakterisiert sind. Wie bei Bloch, greift die Geographie hier Erkenntnisse der modernen Physik auf und errichtet keine konzeptuelle Barriere zwischen der Zeit (Fluß) und der Fläche (Stasis). Raum ist nicht absolut, sondern relationell zu sehen.

"It is not the ‘slice through time’ which should be the dominant thought but the simultaneous coexistence of social relations that cannot be conceptualised as other than dynamic. Moreover, and again as a result of the fact that it is conceptualized as created out of social relations, space is by its very nature full of power and symbolism, a complex web of relations of domination and subordination, of solidarity and cooperation."(19)

Massey nennt dies eine "power geometry". Da eine solche radikale Geographie, Machtverhältnisse im raum-zeitlichen Zusammenhang situiert, vermag sie Perspektiven über Migrationen und Mobilität, die über gängige binäre Schemata (Eigen-Fremd, Zentrum-Peripherie, Nord-Süd, Ost-West usw.) hinausweisen, kritisch vorzulegen und zu analysieren als eine "geopolitics of mobility".(20) Perspektivisch will die Geopolitik der Mobilität den nationalstaatlichen Rahmen auflösen, die globale Migration als Kontextualisierung von inegalen Machtverhältnissen analysieren und unsere Aufmerksamkeit auf den transnationalen Zusammenhang von Identitätsformationen lenken. In einem Gedicht mit dem Titel "Ethnic Monitoring or a Geography Lesson" schreibt Kamila Zahno Verse, die diese Haltung sinnfällig artikulieren:

" Is there a line between middle east and far east?
And where’s nearly east?
And can’t someone be black, asian, and far eastern?
In my colonial style geography books
With whole areas coloured empire pink
There was a line…"(21)

Gleichzeitig findet damit eine notwendige Korrektur bzw. Ergänzung zu einem rein kulturell formierten Begriff von Migration statt. Die "travelling cultures", "ethnoscapes" und "translocalaties", die von Anthropologen/Ethnologen wie Appadurai(22) konstatiert werden, entstehen auf Grund von unterschiedlichen Möglichkeiten der Grenzüberquerung. Exilierte, Migranten, Gastarbeiter, Touristen, Professionelle sind Bewohner dieser ethnoscapes. Freie Handelszonen, Touristendörfer, >world cities<, politische Grenzbereiche, Asylheime und Ghettos bilden transnationale Kontexte, die uns erlauben außerhalb nationalstaatlicher Kategorien zu denken. Aber das Problem ist, und darauf hat bereits Aijaz Ahmed hingewiesen, daß diese kulturell heterogene Welt von Menschen konstituert wird, die unter unterschiedlichen Verhältnissen von Macht- und Geldressourcen sich bewegen und unterschiedliche Formen der Grenzüberquerung erleben. Die "Polysemie der Grenze" wird, wie Balibar sagt, von Geschäftsleuten, Akademikern, Asylsuchenden und Arbeitssuchenden jeweils anders erfahren und erlebt. Ihre raum-zeitliche Bestimmung bleibt zutiefst politisch.(23)

II

Die programmatischen Aussagen von Rushdie und die Praxis der postkolonialen Literatur richten sich gegen eine ideologischen Position, die Authentizität, Kulturwurzeln, Monolingualität, den Nationalstaat essentialisiert, und diese nicht als raum-zeitlich bedingt auffaßt. Die theoretischen Formulierungen in neueren Beiträgen zur Ethnologie und Geographie, die Betonung des Multiplen, des Bruchs, der Dezentrierung und der Heterogenität, der Hybridität, der Deterritorialisierung, des Nomadentums, der Mehrsprachigkeit, der Gleichzeitigkeit zielt darauf, die Suche nach identitätssiftenden Wurzeln als Wert in Frage zu stellen. Sie richten sich gegen den Authentizitätsdiskurs.
Das heißt nun nicht, daß man der Vergangenheit als verlorenes oder verlassenes Haus gegenüber völlig indifferent ist. Die Vergangenheit wird als Erinnerung, mit der man arbeiten kann, mit der man wie ein Konstrukteur basteln kann und neue Arrangements machen kann, in die Migration, ins Exil mitgetragen. Und wenn man zurückblickt, so doch im Bewußtsein der Tatsache, daß das Verlorene, wie Rushdie betont, außer in Fiktionen, als "imaginary homelands" nicht mehr zu reklamieren ist.(24)
Das ist etwas anderes als die Suche nach authentischen Wurzeln und wahrscheinlich ist die Tatsache, daß postkoloniales Denken sich gegen die Ideologie der Reinheit und gegen den Authentizitätsdiskurs richtet, einer der wichtigsten Gründe für den Angriff, das es erfährt. Denn, damit wird auch eine eminent politische Aussage verbunden. Wenn Edouardo Glissant, Schriftsteller aus Martinique, der in Paris lebt, eine grenzüberwindende Poetik der Weltenbeziehungen fordert und Menschheiten in ihrer Pluralität auffassen will, und zwar "als Rhizome und nicht als einzige Wurzel...", so doch um darauf hinzuweisen, daß es Situationen wie in Bosnien, Ruanda, Burundi geben wird, solange "wir mit dem Gedanken der Identität aus einer Wurzel leben...".(25)

Wir werden auf das Bild des Rhizomes zurückkommen. Vorerst möchte ich auf den Palimpsest-Gedanken hinweisen, der den Authentizitätsdiskurs negiert. In The Discovery of India hat Jawaharlal Nehru versucht, seine Gedanken über die sprachliche und kulturelle Komplexität Indiens, seine Diversität und die Einheit in der Diversität mit dem Bild des Palimpsests zu erfassen. Allerdings, ein Palimpsest, dessen Gültigkeit in seiner Ganzheit liegt und nicht in irgendeiner Schicht, zu der man durch einen Akt der Reinigung oder Wegradierung stößt. Indien war für Nehru wie irgendein

"ancient palimpsest on which layer upon layer of thought and reverie had been inscribed, and yet no succeeding layer had completely hidden or erased what had been written previously. All of these exist together in our conscious or subconscious selves, though we may not be aware of them, and they had gone to build up the complex and mysterious personality of India."(26)

In diesem Bild des Palimpsests wird idealistisch das betont, was Bloch in anderem Zusammenhang und unter anderen Vorzeichen die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen genannt hat. Bei der Schichtung kommt es auf das Multiple an. Dieses bedeutet Fülle und Reichtum im historischen Prozeß. Dies kehrt sich ins Gegenteilige, wenn die Schichtung als zunehmender Verlust an Authentizität aufgefaßt wird. Anstatt die "mehrschichtige Ganzheit"(27) zu sehen, gründet die Suche nach Wurzeln in der Parallelisierung der vertikalen Richtung der Schichtung mit Fragen des Wahren oder Authentischen, mit der Suche nach den Quellen oder nach dem Urtext, der allein Wirklichkeit wäre. Im Gegenteil, das sogenannte wirkliche Indien, wenn man es wirklich will, wäre nicht in der Urschicht, sondern in der Ganzheit und Gleichzeitigkeit des mehrschichtigen Prozesses.

Wenn Nehrus idealistische Perspektive einfach affirmativ weiter traditiert wird, ohne auf die Erosionen des indischen Pluralismus durch u.a. auch den Fundamentalismus zu achten, geht der utopische Gehalt des Ideals verloren. Rushdies Roman The Moor’s last Sigh, der auch eine Allegorie Indiens ist, nimmt deshalb die liberale Vision Nehrus zurück und variiert die aporetischen Möglichkeiten des Bilds vom Palimpsest, indem es auf eine negative Bestimmung zurückgeführt wird. Moor kann die korrupte Seele seines Vaters Abraham Zogoiby nur durch eine negative Deutung des Palimpsests erfassen. Nicht Reichtum und Fülle, sondern der trügerische Widerspruch zwischen fiktivem Schein und einer phantomhaften Realität kennzeichnet das Bombay der Gegenwart, vielleicht auch von ganz Indien.

"The City itself, perhaps the whole country, was a palimpsest, Under World beneath Overworld, black market beneath white; when the whole of life was like this, when an invisible reality moved phantomwise beneath a visible fiction, subverting all its meanings, how then could Abraham’s career have been any different? How could any of us have escaped that deadly layering? How, trapped as we were in the hundred per cent fakery of the real, in the fancy-dress, weeping-Arab kitsch of the superficial, could we have penetrated to the full, sensual truth of the lost mother below? How could we have lived authentic lives? How could we have failed to be grotesque?".(28)

Daß das Weltbild Jawaharlal Nehrus in dieser neuen indischen Welt buchstäblich auf den Hund gekommen ist, ist eine der bitteren Pointen des Romans. Jawaharlal heißt der Köter im Roman.

Als Gegenbild im Roman haben wir Aurora Zogoibys utopisches Malprojekt, ihre Moor-Bilder, die auch einer Poetik des Palimsest verpflichtet sind. In diesen Bildern wird das plurale, hybride Indien durch ein arabisches Spanien neu entworfen, 1492 und 1947 treffen sich. "One universe, one dimension, one country, one dream, bumpo’ing into another, or being under, or on top of."(29) Man kann es Mooristan nennen, man kann es Palimpstine nennen. Dieses Traumland, das gleichzeitig auch eine alternative Weltgeschichte konstruiert, signalisiert Grenzüberwindung als Utopie und ist insofern nur visionär zu sehen. Seinem Ende nah, in einem Friedhof in Granada, kann Moor das Meisterstück der maurischen Kunst, das seine Mutter ins Indische hineingemalt hat >sehen<.

"The Alhambra, Europe’s red fort, sister to Delhi’s and Agra’s ... that monument to a lost possiblity that nevertheless has gone on standing, long after its conquerers have fallen; like a testament to lost but sweetest love, to the love that endures beyond defeat, beyond defeat, beyond annihilation, beyond despair; to the defeated love that is greater than what defeats it, to that most profound of our needs, to our need for flowing together, for putting an end to frontiers, for dropping of the boundaries of the self".(30)

Um die Problematik der Grenziehung auf ihren tragisch-absurden Grund zurückzuführen und die Problematik der Grenzüberwindung und Grenzüberquerung als Transgression zu begreifen, hat Rushdie den glücklichen Einfall, Saadat Hasan Mantos geniale Urdu-Erzählung Toba Tek Singh als Sujet eines Gemäldes von Aurora in den Roman einzuführen. In Mantos bitterer Parabel fällt es den jeweiligen Regierungen Indiens und Pakistans ein paar Jahre nach der Partition, nach der Teilung des Landes, ein, daß auch die Insassen von Irrenanstalten wie Gefangene ausgetauscht werden sollten. In der Irrenanstalt von Lahore (Pakistan) grübelt Bishan Singh, ein Sikh, über die neue Lage seiner Heimatstadt Toba Tek Singh im Punjab. Ist dieser Teil Punjabs in Indien oder Pakistan? Bishan Singh hat sein Sprachrepertoire auf einen Satz Kauderwelsch aus Urdu bzw. Hindustani, Punjabi, Englisch, also die drei Sprachen, die zwischen Indien und Westpakistan verteilt sind, reduziert bzw. konzentriert. In Mantos Erzählung führen Tod und der Zusammenbruch der Sprache in Wahnsinnssätzen die religiöse und territoriale Logik von der Partition ins Absurde. Bishan Singh verweigert sich dem Austausch und bricht im Niemandsland zwischen Indien und Pakistan zusammen:

"There, behind barbed wire, on one side, lay India and behind more barbed wire, on the other side, lay Pakistan. In between, on a bit of earth which had no name, lay Toba Tek Singh".(31)

Die historische Bitterkeit der Erzählung rührt auch daher, daß die Teilung des indischen Subkontinents von den englischen Kolonialisten lediglich als bürokratischer Akt betrachtet wurde. Der beauftragte Beamte, Cyrill Radcliffe, kannte Indien kaum. Und für diesen englischen Bürokraten war "Partition" nur ein kartographischer Riß in einer Fläche. Ein Akt der eindimensionaler Geographie, der die "Pornographie der Grenzen" (Khilnani) in die südasiatische Imagination eingeführt hat. W. H. Audens Gedicht über Radcliffe, "Partition", hält dies lakonisch fest:

Shut up in a lonely mansion, with police night and day
Patrolling the Gardens to keep assassins away,
He got down to work, to the task of settling the fate
Of millions. The maps at his disposal were out of date
And the Census Returns almost certainly incorrect,
But there was no time to check them, no time to inspect
Contested areas. The wheather was frightfully hot,
And a bout of dysentry kept him constantly on the trot,
But in seven weeks it was done, the frontiers decided,
A continent for better or worse divided.

The next day he sailed for England, where he quickly forgot
The case, as a good lawyer must. Return he would not,
Afraid, as he told his club, that he might get shot.(32)

Das Thema "Partition" wird sowohl von indischen als auch von pakistanischen Schriftstellern der Gegenwart variert. In einem Text, des pakistanischen Schriftsteller Ibn-e Insha wird die Arbitrität von solchen Grenzziehungen wiederholt. Daß hier der Dictus von Schulbuchtexten parodiert wird, ist bezeichnend. In den Schulen werden Essentialisierungen von Kultur dogmatisiert.

Our Land

Who lives in Iran?
In Iran lives the Iranian nation.
Who lives in England?
In England lives the English nation.
Who lives in France?
In France lives the French nation.

Which country is this?
This is Pakistan.

Surely in this land lives the Pakistani nation.

No. The Pakistani nation does not live here.
Here lives the Sindhi nation.
Here lives the Punjabi nation.
Here lives the Bengali nation.
Here lives this nation.
Here lives that nation.

But surely the Punjabis also live in India.
The Sindhis also live in India.
The Bengalis also live in India.
So why was this country divided?

That was a mistake. Sorry. It won’t happen again.(33)

III

Postkoloniales Denken und seine Metaphorik steht, wie oben angedeutet, der Idee des Rhizomes von Deleuze und Guattari sehr nah. Bäume "ermüden" diese Denker. Man sollte aufhören, an Bäume und an Wurzeln zu denken, sie hätten zu viel Leid verursacht, schreiben sie.(34) Das nomadische Denken würde zustimmen. Das Rhizom wird charakterisiert durch Heterogenität und durch seine Fähigkeit, beliebige Verbindungen zwischen sehr diversen Bereichen herzustellen. Bäume und Wurzeln peilen einen Punkt an. Das Rhizom dagegen stellt "unaufhörlich" heterogene Verbindungen her. Semiotische Ketten, Machtverhältnisse, Wissenschaft und Kunst und der Bereich des sozialen Kampfs, zum Beispiel, können zu einer Agglomeration werden. Nicht umsonst greifen Deleuze und Guattari Chomskys linguistisches Baummodell an, das von einem Punkt S beginnt und durch Dichotomisierung im linguistischen Feld fortschreitet. Mit Absicht wählen Deleuze und Guattari das Beispiel der Linguistik. Für das rhizomatische Denken fehlt der Ideale Sprecher-Hörer, und es fehlt die homogene Sprachgemeinschaft. Das hat zur Konsequenz, daß der emotionsgeladene Begriff der Muttersprache sein Privileg verliert. Das ist durchaus auch politisch intendiert. Denn, wenn wir statt einer Muttersprache "nur" mit einer Machtübernahme durch eine dominante Sprache innerhalb einer politischen Vielfalt zu tun haben, steht der Weg offen für eine positive Konnotierung von Mehrsprachigkeit und Sprachwechsel. Dichten in der Muttersprache bildet nicht mehr den einzigen authentischen Weg zum kreativen Schreiben, zur Wahrheit oder zum letzten Grund.(35)

Wenn man einmal das ideologische Primat der Muttersprache fallen läßt, wird der Blick frei für ein literarisches Feld, das, rein individuell gesehen, unterschiedliche Biographien, unterschiedliche Zugänge zum Schreiben und unterschiedliche politische Programme versammelt. Dieses Feld wird jedoch gekennzeichnet durch die Frage, daß es in allen Gesellschaften eine beträchtliche Anzahl von Menschen gibt, die im Umfeld von großen Sprachen leben, die sie noch nicht genügend beherrschen. Es ist ein Problem vieler Minderheiten, die sich ihr sprachliches Umfeld noch aneignen müssen.

Ausgehend von einem Tagebucheintrag Kafkas haben Deuleuze und Guattari den etwas mißverständlichen Ausdruck literature mineure (nicht petite!) gewählt, um die Literatur von "einer Minderheit, die sich einer großen Sprache bedient", die gewissermaßen gegen die etablierte literature majeure anschreibt, zu charakterisieren.(36) Kafka hatte im Zusammenhang der deutsch-jüdischen Literatur in Prag geschrieben:

"Diese ganze Literatur ist Ansturm gegen die Grenze, und sie hätte sich, wenn nicht der Zionismus dazwischen gekommen wäre, leicht zu einer neuen Geheimlehre, einer Kabbala, entwickeln können. Ansätze dazu bestehen. Allerdings ein wie unbegreifliches Genie wird hier verlangt, das neu seine Wurzeln in die alten Jahrhunderte treibt oder die alten Jahrhunderte neu erschafft und mit all dem sich nicht ausgibt, sondern jetzt erst sich auszugeben beginnt".(37)

Es geht bei Kafka nicht darum, Wurzeln zu finden, sondern neue in die Vergangenheit zu treiben, um dadurch Altes und Neues neu zu schaffen.(38) Dies ist aber auch ein Problem, daß Deleuze und Guattari radikalisieren durch die Frage,

"wie man der eigenen Sprache eine Literatur abzwingen (kann), die fähig ist, die Sprache auszugraben und sie freizusetzen auf eine nüchtern-revolutionäre Linie? Wie wird man in der eigenen Sprache Nomade, Fremder, Zigeuner?"(39)

Kafkas Deutsch in Prag, das Englische bei Joyce, das Englische und Französische bei Beckett, das sind Beispiele, die heute durch die Schreibpraxis von postkolonialen Schriftstellern erweitert werden können. Sie betreiben auf ihre Weise eine ähnliche Deterritorialisierung und Reterritorialisierung des Englischen, Französischen, Spanischen heute und schaffen eine im Kafka’schen Sinne ‘minoritäre’ Literatur, die durch Sprachspiel, Sprachinnovation, Überkodierung, Intensität für das Englische bei Rushdie, Amitav Ghosh, Arundhati Roy in dem Sinne revolutionär ist, wie Kafkas Werk für das Deutsche. Diese Beispiele könnten durch Hinweise auf frankophone und lateinamerikanische Autoren leicht ergänzt werden.

Perspektivisch zielt diese Frage auf die Vorbedingungen einer Poetik der Solidarität, die auf der Grundlage der Spracharbeit und der Aneignung einer neuen Sprache im Exil oder in der Migration oder der Neuaneignung der Sprache der Herkunft entsteht. Eine solche Arbeitssolidarität kann die Emphase erklären, mit der Juan Goytisolo als spanischer Schriftsteller den Kreativitätsschub, der von den großen Migrationswellen ausgeht, betont. Nichts sei bereichender für einen Schriftsteller als der Blick auf seine Kultur und Sprache im Lichte anderer Kulturen und anderer Sprachen, schreibt er. Es überrascht nicht, daß Goytisolo, der sich so intensiv mit dem maurischen Erbe Spaniens und Europas auseinandergesetzt hat, die Vorstellung entwickelt, daß die Zukunft der französischen und englischen Literatur bei den Schriftstellern liege, die aus dem Maghreb und der Karibik, aus Pakistan und Indien kommen.(40) Und die Zukunft der deutschen Literatur bei den Schriftstellern türkischer Herkunft.(41) Bedenkt man, wieviel allein die englische Literatur von Schriftstellern wie Conrad oder Nabokov bekommen hat, so verliert diese Meinung jene Provokation, die wohl intendiert war. Es geht schließlich doch darum, Migration und Exil als neue Formen der kulturellen gewinnbringenden Einbürgerung aufzufassen. Aus einer Perspektive, die Vernetzungen und Prozesse, die sich zunehmend internationalisieren, betont, wird es plausibel, die Hybridität als "Normalzustand" von Kulturen aufzufassen.

IV

In seinem Essay mit dem vielsagenden Titel Versprechen auf Deutsch. Rede über das eigene Land, und gerade im Zusammenhang der deutschen Einigung, steigert Sloterdijk die Perspektive gar ins Utopisch-Weltgeschichtliche. Hier wird ein "Jahrtausend der Migrationen", das vor uns liege, anvisiert.

"Die ungeheuer anwachsenden Wanderungspotentiale auf dem Planeten lassen sich mit einer alten nationalstaatlichen Logik nicht mehr denken, geschweige denn steuern und integrieren. [...]
Soll ich eine Prophezeiung über die Zukunft der Nationalitäten wagen, so sage ich voraus, daß wir die psychologischen Krisen vor uns haben, die zum Übergang ins erdbürgerliche Zeitalter gehören. Die aktuellen nationalen Renaissancen sind nur ein Aufbäumen der alten psychopolitischen Lokalverfassungen gegen einen Weltlauf, der intelligentere Selbstbezeichnungen und großzügigere Identifikationen der Menschen wünschenswert macht. Auf der Spitze der Modernität kündigt sich längst ein neuer Modus des menschlichen Zurweltkommens an. Das erdbürgerliche Zeitalter ist die Ära der allgemeinen Immigration".
(42)

Sloterdijks Worte richten sich gegen die Kongruenz von ethnischer und politischer nationalstaatlicher Ordnung zu einem Zeitpunkt als Globalisierungstendenzen an der Legitimität der politischen nationalstaatlichen Ordnung rütteln, und gleichzeitig ethnische Säuberungswellen erneut Nation und Ethnie zusammenführen wollen.(43)

Allerdings wäre es wichtig, eine Differenzierung vorzunehmen, um den utopischen Gehalt dieser Perspektive zu betonen und den europäischen Kontext zu erweitern. Denn erstens mag der nüchterne polit-ökonomische Blick mit Recht auf retardierende Momente in dem planetarischen Prozeß der Migration hinweisen. Was die Arbeitsmigration anbelangt, dürfte nur eine geringe Prozentzahl der "ökonomisch aktiven "Weltbevölkerung im jeweiligen Ausland leben.(44) Dies wiederum dürfte kaum überraschen, denn das Kapital will uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für Waren und Geld, aber nicht unbedingt für Menschen und 'Arbeitskräfte'. In diesem Zusammenhang kann man so etwas wie eine Tendenz zur "counter-globalization", die von Regierungen kräftig unterstützt wird, feststellen.

Insofern gewinnt die globale Migrationsperspektive ihre utopische Emphase als Forderung nach der Einhaltung von fundamentalen Menschenrechten. Das Recht auf Bewegungsfreiheit, das national gilt, kann im planetarischen Zusammenhang nicht verweigert werden. Sutcliffe verbindet damit eine Friedensperspektive, die, wie er sagt, völlig unbeweisbar ist und deshalb bewußt nur als eine utopische Hypothese formuliert werden kann, wonach eine mestizo Welt mehr Hoffnung für Frieden und Fortschritt bietet.(45)

Dies ist zugleich ein Votum gegen die Mystifizierung von organischen Gemeinschaften und die Konstruktion von essentialistischen Traditonen mit ihrem Apell an Rasse, Blut, Geschichte, Monosemie und Authentizitätsverlangen. Dagegen ist es hilfreich, sich gelegentlich an einen alten Spruch zu erinnern: Bäume haben Wurzeln, Menschen haben Beine.

Zweitens, darf man die antiimperialistische Stoßrichtung von manchen "national Agendas" nicht unterbelichten. Wo Globalisierung effektiv zur Abhängigkeit vom Imperialismus führt, kann es zu einer "crystallisation of local political identities" kommen.(46) Das Überleben von lokalen Bevölkerungen oder Nationalitäten, die vom Globalisierungsprojekt benachteiligt sind, wird dann effektiv nur durch irgend ein "revival of nationalist aspirations and agendas" garantiert.(47) Freilich impliziert die anti-imperialistische Perspektive, daß solche Widerstände nicht durch kulturellen Essentialismus um ihr kritisches Potential gebracht werden. Im Zusammenhang etwa von Indien hebt Patnaik hervor, daß

"the resuscitation of an agenda of development that entails conscious intervention by the nation-State in the interests of the people, as opposed to leaving economic development to be determined as a mere fall-out of the caprices of international speculators, is absolutely essential. This requires however an alternative class-alliance underlying the State, one that would both enforce accountability on the State, as well as provide it with sufficient sinews to face up to the challenge of international finance which is out to undermine its capacity for intervention."(48)

Drittens, gibt es den Aspekt internationaler Diversität, den Hountondji im afrikanischen Zusammenhang betont:

"Not without reason, former Senegalese president Leopold Sedar Senghor was accused of wanting to lock us up in an imaginary negritude. But what we must fear today is that we as Africans will give up striving for our own identity, and simply cease to exist in order to give the rest of the world priority.
If we do not want to end up so, we must assert a different form of globalisation than the one that now dominates. A globalisation that is not based on one centre, dictating its laws to diverse peripheries, but one which embodies numerous decision centres. Centres that negotiate with each other as equals on what must be done to build a more human world."
(49)

Um die Perspektive eines humanen Weltzusammenhangs zu bewahren und den Aspekt der Diversität nicht zu nivellieren, muß also eine kritische utopische Perspektive ernst genommen werden."Vernetzung" sollte sich nicht als eine Einbahnstraße realisieren. Es ist dann sinnvoll, die übliche ökonomische Bestimmung von Globalisierung zu erweitern und darin eher das Verdichtungsmoment zu sehen, das die "gegenseitige Einwirkung lokaler und weit entfernter Ereignisse" zur Folge hat.(50) Dann sehen wir auch, daß weltweite Beziehungen auf komplexe Art gestiftet werden. Und um diese "complex connectivity" geht es, wenn wir den "mehrdimensionalen Prozeß sozialer Transformation, der in der modernen Welt durch die 'Verdichtung' von Zeit und Raum in Gang gesetzt wird", zu erfassen versuchen.(51)

In diesem Zusammenhang könnte ein historischer Rückgriff hilfreich sein. Bekanntlich setzte Herder eine Völkermischung gewissermaßen als Vorbedingung für die Nationalisierung in Europa voraus. Um 1784 schreibt er:

"In keinem Welttheil haben sich die Völker so vermischt, wie in Europa: in keinem haben sie so stark und oft ihre Wohnplätze, und mit denselben ihre Lebensart und Sitten verändert. [...] Durch hundert Ursachen hat sich im Verfolg der Jahrhunderte die alte Stammesbildung mehrerer Europäischen Nationen gemildert und verändert; ohne welche Verschmelzung der Allgemeingeist Europa's schwerlich hätte erweckt werden mögen".(52)

Assimilation ist für Herder die notwendige natürliche Vorgeschichte eines historischen Prozesses, der zur Komplexität führt und organisatorische Lösungen verlangt. Nur jene Organisationsform, die die Natürlichste ist, kann dem Naturplan entspechen. Da die Natur Familien erziehe, wäre der natürlichste Staat "also auch Ein Volk mit einem Nationalcharakter". Aus dieser Perspektive lehnt Herder die "unnatürliche Vergrößerung der Staaten , die wilde Vermischung der Menschen-Gattungen und Nationen unter Einen Szepter" ab, eben weil sie bewußter Akt gegen das Natürliche gerichtet ist.(53) Herders Opposition zum Kolonialismus läßt sich darauf zurückführen.

Die Migrationsthese besagt heute, daß die als natürlich empfundene Verschiedenheit der Nationen und Völker Europas jetzt als historische Konstruktion aufzufassen ist. Diese Konstruktion löst sich auf, und zwar im Herderschen Sinne. Denn nichts besagt, daß das neue Migrationszeitalter weniger berechtigt sei, den Schutz des Naturplans einzuklagen als die bisherige nationalstaatliche Ordnung. Wenn Herders Allgemeingeist Europa’s ein kulturelles Gedächtnis besitzt, müßte er sich an seine Anfänge erinnern können, und der Brückenschlag zum neuen Migrationszeitalter müßte möglich sein. Der Nationalismus wäre dann als Stadium aufzufassen, der zu neuen Organisationsformen der Diversität führt. Man hat in Europa sozusagen durch die Geschichte hindurch gehen müssen um das Natürliche in dieser Diversität wieder positiv konnotieren zu können.

Die Stabilisierung von Europa in der Form von verschiedenen Nationen (mit ihren Sprachen und Kulturen) war zunächst bestimmt eine Form der Demokratisierung, richtete sich der Vorgang doch gegen eine durch Eliten kontrollierte gesamteuropäische Kommunikationssituation. Aus postkolonialer Perspektive geht das Zeitalter der Nationen, verstanden als Monaden, seinem Ende zu. Das kann sogar wie ein Befreiungsvorgang empfunden werden. In diesem Sinne betont Manfred Riedel, daß es

"immer schon die europäischen Völker, auch die Deutschen ausgezeichnet [hat], daß sie keine geschlossenen Nationen waren; dazu sind sie erst durch eine bestimmte Politik definiert worden. Die deutsche Nation, die in der Formel des Heiligen Römischen Reiches vorkommt, ist in Wahrheit eine Nation aus Nationen, eine Nation in der Vielfalt. [...] Wir können wieder frei atmen, seit die nationalstaatliche Einengung unserer Lebenswelt durch den europäischen Einigungsprozeß aufgelockert wird."(54)

Die Gefährdung Europas kommt, wie Hagen Schulze betont, von dem "Drang zu Nationalstaaten für alle noch so kleinen Nationalitäten, in denen die unerfüllbare und chimärische Einheit von Nation, Sprache und Staatsgebiet herbeigeführt werden soll." Es ist

"das Erbe der romantischen Nationalidee eines Herder oder Fichte, die sich nicht auf Institutionen und Verfassungen, auf Volkssouveränität und Menschenrechte berief, sondern auf die Geschichte, auf die Sprache, auf die Kultur und das gemeinsame Blut, das in den Adern eines Volkes seit Urzeiten rolle und seine Einheit über die Jahrtausende hinweg verbürge."

Diese Konzeption, so Schulze, mache die nationale Idee zur "zerstörerischen Gefahr für Europa", sodaß es in Europa darum geht, nicht sosehr die Idee der Nation in Europa zu überwinden, als die "Fiktion der schicksalhaften, objektiven und unentrinnbaren Einheit von Volk, Nation, Geschichte, Sprache und Staat" zu verabschieden.(55)

Das bedeutet nicht, daß wir keine Organisationsformen von Kultur und Gesellschaft haben werden, die das republikanische Erbe des Nationalstaats auf europäischer Ebene, besonders im Bereich der sozialen Politik, fortführen müßten.(56) Die Notwendigkeit einer staatlichen Intervention im Interesse der sozialen Gerechtigkeit in der ersten wie auch in dritten Welt läßt sich sogar komplementär auffassen. Die skizzierte Perspektive bedeutet lediglich, daß die europäische national-staatliche Konstruktion entlang der Fluchtlinie von Sprache, Volk, Raum ihre Legitimationsgrundlage verliert. Aus der Perspektive multilingualer, multikultureller Staatsformationen wie zum Beispiel Indien, ist die Entwicklung in Richtung Europa ein Normalisierungsvorgang.

Der unter dieser Perspektive vollzogene Einigungsprozeß würde wiederum die Aufmerksamkeit erneut auf den notwendigen "Vereinbarungscharakter" (Frischmuth) multikultureller, föderativer, supranationaler Organisationsformationen lenken.(57)

Heute kommt die Erinnerung an das multisprachige assimilationsfreudige Europa Herders wieder von unten, sozusagen von der demokratischen Basis der Migration, und wird von Schriftstellen eingeklagt, freilich als Utopie, und freilich mit Pathos.
Als Beispiel mögen Barbara Frischmuth's "Tagträume" angeführt werden:

"Europa als Festung, das wäre nicht das Europa, das ich meine.[…] Heute entstehen Gesellschaften nicht mehr aufgrund von Sippen- und Stammeszugehörigkeiten, sondern mithilfe von interessengebundenen Netzwerken, und die sind oft grenzüberschreitend. Gesellschaft ist, wer einander Gesellschaft sein will und nicht unbedingt, wer denselben Dialekt spricht. Europa schafft dafür Voraussetzungen, darauf aufbauen müssen die, die dieses Europa wollen, so vielfältig, so vielseitig und so vielfach begabt, wie wir es in unseren kühnsten Träumen nur vorstellen können."(58)

V

Implizit im poskolonialen Denken ist der Gedanke vom Kolonialismus als Verflechtungsprozeß. Unterstüzt wird dieser Gedanke durch die Bemühungen einiger Historiker der Kolonialgeschichte, die wie Bayly, Liebermann oder Subhramanyam die Perspektive von gemeinsamer Geschichte, shared histories herausgearbeitet haben, und zwar unter der Perspektive, daß die Struktur unserer heutigen Welt als Resultat der kolonialen Geschichte aufzufassen ist. Der Kolonialismus versuchte, disparate Gesellschaften unter einem einheitlichen Herrschaftssystem zu subsumieren und gleichzeitig die vorkolonialen Domäne von Herrschaft und Autorität zu absorbieren. Zwischen der sehr allgemeinen Analyse des wachsenden kapitalistischen Weltsystems und der Geschichte von spezifischen Kulturen oder Gemeinschaften wird ein analytischer Raum gefunden, der wie ein heuristisches Werkzeug funktioniert.

Im achtzehnten Jahrhundert war die Karibik ein Teil des breiteren europäisch-nordatlantischen Systems; Nordindien richtete sich nach Zentralasien und dem Iran; Südindiens Blickrichtung ging nach Ceylon und Indonesien. Wenn wir diese Perspektive berücksichtigen, erscheint es, wie Bayly meint, anachronistisch, Indonesien, Indien, die Karibik, geschweige denn ‘Europa’ oder ‘Asien’ als separate Entitäten aufzufassen.

"The cultural links within these broader human communities and the interconnections of trade, learning and clerical personnel have given their histories common themes and a similar shape. Comparision helps to recover these links and common experiences which have been sundered by the later policies of empire and movement of world trade. It is a valuable heuristic tool which works constantly against the notion that there was an ‘essential’ India or Egypt, Jamaica or Scotland, and helps indicate how these very territorial and cultural entities were created in historical time…Above all, empire must be seen not only as a critical phase in the history of the Americas, Asia or Africa but in the very creation of British nationalism itself."(59)

Auch Liebermann weist darauf hin, daß die historische Sichtweise auf Südostasien immer noch von der kolonialistischen Dichotomie zwischen externer Dynamik und interner Statik geprägt ist.(60) Dagegen kommt es ihm darauf an, die Ost-West Dichotomien zu überwinden. Subhramanyam betont Euro-asiatische Übergänge im materiellen und ideologischen Bereich in der Frühneuzeit. Er kann für die Zeit um 1500 so etwas wie einen pan-kulturellen Austausch von einer Milleniumsideologie, die den verschiedensten imperialen Projekten Auftrieb geben konnte, feststellen. Subrahmanyam spricht in diesem Zusammenhang von connected histories, die wir nicht sehen, weil der Nationalismus uns blind gemacht habe für mögliche Vebindungen zwischen den verschiedensten Ländern, Kontinenten und Gebieten. Auch die historische Ethnographie leistet dieser Verweigerung Vorschub, indem sie die Differenz im Geschichtsverlauf betont.(61)

Während die historische Forschung im achtzehnten jahrhundert noch weltgeschichtliche Perspektiven für die Erklärung der Entwicklung der Menschheit suchte, wurde Weltgeschichte im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend fragmentiert. Es gab dann, schreibt Bayly,

"the history of Europe, the history of colonies and to encompass the social and cultural life of the non-west, Orientalism. The project of future histories will be to fit the fragments together once again".(62)

Postkoloniales Denken argumentiert schließlich gegen den Versuch, Kolonialismus als Deformation, als Störung eines eigenen authentischen historischen Wegs zu begreifen. Nach diesem Schema wird Dekolonisation monokausal und linear als Befreiung vom Außenzwang und von fremder "Superimposition" begriffen. Literaturproduktion und Identitätskonstruktion zielen auf Rückgewinnung der reinen, authentischen, ursprünglichen Wurzeln ("roots") der "eigenen" Tradition. Es geht um vermeintlich unterdrückte, verlorene und wiederzugewinnende Identität. Nationale Identitätsgewinnung wird ausgehandelt zwischen dem postkolonialen, indischen "Selbst" und dem internationalen "Anderen". Es ist bezeichnend, daß selbst eine auf Traditionsreinheit und Authentizität bestehende Wissenschaft wie die Indologie nun solche Perspektiven in Frage zu stellen beginnt. Im Zusammenhang mit einer indischen Literaturgeschichtsschreibung kann der Indologe Sheldon Pollock betonen, daß es nichts "Reines" oder "Unseres" aus der indischen Vergangenheit zu holen gibt: "… there is nothing >authentic<, nothing beyond the process itself to recover from the depredations and degradations of colonialism, Westernization, >late capitalism<…".(63)

Gegen das authentizitätsbezogene Schema versucht eine vielfach auf postkoniale Diskussionen zurückgreifende Argumentationslinie, Kolonialisierung nun als Teil der widerspruchsvollen Gesamtentwicklung eines Weltsystems in einem Prozeß der zunehmenden Vernetzung zu begreifen. Wir haben es hier nicht mit binären Oppositionen zwischen zwei geschlossenen Theorien zu tun, denn die Übergänge zwischen diesen Positionen und Argumentationslinien sind häufig flexibel, sondern mit Tendenzen, die in einem immer noch strittigen Bereich kultureller und gesellschaftlicher Theorie und Praxis unter den allgemeinen Bedingungen der Internationalisierung sich bemerkbar machen.

Aber im Gegensatz zum Authentizitätsdiskurs hat die zweite Tendenz als postkoloniale Haltung zur Konsequenz, daß Fragen von Kultur, Gesellschaft und Geschichte als wechselseitige Entwicklungs- und Konstruktionsmomente im internationalen Zusammenhang begriffen werden. Komplexe Kulturformationen wie Europa oder Indien sind Resultate dieser Gesamtentwicklung und nicht vorgegebene Wesenseinheiten. Europäische und indische Identitätskonstruktionen zum Beispiel bedingen sich wechselseitig, und die ökonomische, politische und kulturelle Neuordung des kolonialen und postkolonialen Zeitalters wird als Prozeß begriffen. Tendenziell führt dies zu einer "offenen", vergleichenden Begrifflichkeit der Kultur. Als Prozeß, und im Plural.

© Anil Bhatti (New Delhi)

home.gif (2030 Byte)buinst.gif (1751 Byte)        Inhalt: Nr. 0


Anmerkungen:

* Erweiterte Fassung meines Beitrags: Aspekte der Grenzziehungen: Postcolonial. In: Kulturelle Grenzziehungen im Spiegel der Literaturen, Nationalismus, Regionalismus und Fundamentalismus. Hrsg. v. Horst Turk, Philip Löser u.a., Göttingen 1998 (Wallstein Verlag).
Die Erweiterungen betreffen die Abschnitte II und IV.

(1) Theodor Fontane , Der Stechlin, München 1969 ( Nymphenburger Tashenbuchausgabe, Bd.13), S.67.

(2) Ebd.

(3) Ebd.

(4)  Ebd., S.103.

(5)  Ebd., S.7.

(6) Ebd., S.139f.

(7)  Vgl. die bekannten Readers: Colonial Discourse and Post-Colonial Theory. A Reader, hg. Patrick Williams and Laura Chrisman, New York u.a. 1993. The Post-Colonial Studies Reader, hg. Bill Ashcroft, Gareth Griffiths, Helen Tifin, London und New York 1995. Für eine scharfsinnige Kritik des Postkolonialismus siehe: Aijaz Ahmed, In Theory, Bombay 1993 (11992). Etwas pauschaler: Interrogating Post-Colonialism. Theorie, Text and Context, hg. v. Harish Trivedi and Meenakshi Mukherji, Indian Institute of Advanced Studies, Shimla 1996. Im Zusammenhang meiner Interessen in diesem Beitrag genügt es, den Terminus deskriptiv zu verwenden.
Für die deutschsprachige Diskussion über diese Fragen siehe: Klaus Börner, Salman Rushdie, The Satanic Verses: Observations on Cultural Hybridity, in: A Decade of Discontent. British Fictions of the Eighties, hg. Hans-Jürgen Diller, Stephan Kohl, Joachim Kornelius, Erwin Otto, Gerd Stratmann, Heidelberg 1992, S.131-141. Doris Bachmann-Medick, Multikultur oder kulturelle Differenzen? Neue Konzepte von Weltliteratur und Übersetzung in postkolonialer Perspektive, in: DVjS, 68 Jg. Heft 4 (1994); Klaus Scherpe, Das Andere Verstehen, in: Neue Rundschau, 107. Jg. Heft 1 (1996), S.36-45. Horst Turk, Kulturkonflikte im Spiegel der Literatur, in arcadia, Bd. 31, Heft 1/2 (1996), S.4-26.

(8) Ernst Jünger, Der gordische Knoten, in: Werke. Essays I. Betrachtungen zur Zeit, Stuttgart 1960 (11953), S.391 ff.

(9) Ebd., S.485.

(10). Eric Wolf, Die Völker ohne Geschichte. Europa und die andere Welt seit 1400. (aus dem Amerikanischen von Niels Kraditzke), Frankfurt a.M., New York 1986 ( 11982), S.21. Vgl.: Frederic Jameson, The Political Unconscious. Narrative as a Socially Symbolic Act, London, New York 1983, S.25.

(11)  Ernst Bloch, Erbschaft dieser Zeit, Frankfurt a.M 1962 (1935), S.320.

(12) Ebd., S.326.

(13) Ernst Bloch, Tübinger Einleitung in der Philosophie I, Frankfurt a.M. 1965 ( 11963), S.163.

(14) Ebd., S.176.

(15) Ebd., S.170.

(16) Ebd., S.173.

(17) Ebd., S.175 ff.

(18) Ebd.

(19) Doreen Massey, Politics and Space/Time, in: Place and the Politics of Identity, hg. v. Michael Keith und Steve Pile, London und New York 1993, S.141-162, hier: 156. Vgl. Michel Foucault, Power/Knowledge. Selected Interviews and Other Writings, hg. v. Colin Gordon, Sussex 1980, S.63-77 (Questions On Geography). Foucault hat die radikale Geographie angeregt.

(20)  Jennifer Hyndman, Border Crossings, in: Antipode, 29:2 (1997), S.149-176, hier: 149. Siehe auch: David Morley, Kevin Robins, Spaces of Identity. Global Media, Electronic Landscapes and Cultural Boundaries, London, New York, 1995.

(21) Zitiert nach: Carole Boyce Davies, Migratory Subjectivities, in: Literary Theory. An Anthology, hg. v. Julie Rivkin und Michael Ryan, Oxford 1998, S.996-1015, hier: 1008. "Pink" war die kartographische Farbe des britischen Empires.

(22) Vgl. Arjun Appadurai, Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization, Delhi 1997.

(23) Ahmed (wie Anm. 7), S.85f. Etienne Balibar, Grenzen und Gewalten, in: Lettre 38 (1997), S. 7-9, hier: 8. Vgl. auch Davies ( wie Anm. 22), S.1005.

(24)  Salman Rushdie, Imaginary Homelands, London 1991, S.10.

(25)  Edouardo Glissant, Chaos Welt, in: Lettre 38 (1997), S.5-7, hier: 7.

(26) Jawaharlal Nehru, The Discovery of India, New Delhi 1997 (11946), S.59.

(27) Bloch (wie Anm. 12), S.121.

(28) Salman Rushdie, The Moor’s last Sigh, London 1966 ( 11995), S.184f.

(29) Ebd., S.226.

(30) Ebd., S.443.

(31) Saadat Hasan Manto, Kingdom’s End and Other Stories (aus dem Urdu von Khalid Hasan), New Delhi 1987, S.18. Zitiert nach The Vintage Book of Indian Writing,1947-1997, hg. Salman Rushdie und Elizabeth West, London 1997, S.31.

(32)  Zit nach: Sunil Khilnani, The Idea of India, London, 1997 (Hamish Hamilton), S.200. Zur Teilung Indiens siehe: Mushirul Hasan, India Partitioned: The Other Face of Freedom, Delhi, 1997.

(33)  Ibn-e Insha. Urdu. The final Book. A Modern Urdu Reader. Trnsl. David Matthews. New Delhi 1997 (HarperCollinsPublishers ), S.20.

(34) Gilles Deleuze, Felix Guattari, A Thousand Plateus. Capitalism and Schizophrenia, ( Translated by Brian Masumi), London 1988, S.15. ( Milles Plateaux, Paris 1980).

(35) Ebd., S.7ff. "Just forget mother-tongue and social class", ist Rushdies Rat. Zitiert nach: Aijaz Ahmed, Reading Arundhati Roy politically, in: Frontline, August 8, 1997 (1997), S.103-108, hier: 108.

(36) Gilles Deleuze, Felix Guattari, Kafka. Für eine kleine Literatur ( aus dem Französischen von Burkhart Kroeber, Frankfurt a.M 1976 (Kafka. Pour une littérature mineure, 1975), S.24.

(37) Franz Kafka, Tagebücher, hg. v. Max Brod, 1967 ( 1948), S.398.

(38)  Irving Wohlfarth, >Männer aus der Fremde<: >Walter Benjamin and the German-Jewish Parnassus<, in: New German Critique, Winter 1997, S.3-85, hier: 10.

(39) Deleuze, Guattari (wie Anm. 34), S.28f.

(40) Vgl. Turk (wie Anm. 7), S.18.

(41) Juan Goytisolo, in: TLS, 2. December 1994, S.12.

(42) Peter Sloterdijk, Versprechen auf Deutsch. Rede über das eigene Land, Frankfurt a. M. 1990, S.65.

(43) Vgl. Zygmunt Baumann, Life in Fragments. Essays in Postmodern Morality, Oxford 1995, S.246f.

(44) Nach Sutcliffe dürfte die Zahl kaum mehr als 1 Prozent sein. Siehe: Bob Sutcliffe, Freedom to move in the age of globalization, in: Globalization and Progressive Economic Policy. ed. Dean Baker, Gerald Epstein, Robert Pollin, Cambridge University Press, 1998, S.325ff.
Sutcliffe verweist auf: Stephen Castles and Mark J. Miller, The Age of Migration: International Population Movements in the Modern World, London: Macmillan, 1993. Aus der wirtschaftswissenschaftliche Perspektive ist die Bezeichnung "Zeitalter der Migration" als Zustandsbeschreibung eine Übertreibung. Als qualitativer Perspektivenwandel gilt sie jedoch.

(45) Sutcliffe (wie Anm. 44), S.333: Die utopische Lösung wäre dann: "1) the reduction to the minimum possible of the obligation to move from one's place of residence in order to survive and prosper, and 2) the right of complete global freedom of movement and residence." S. 329: "In spite of the horrors of recent, particularly European and African, history, I work with the completely unprovable hypothesis that there is more hope for peace and social progress in a mestizo world."

(46) T.V. Satyamurthy, Nationalism in the Era of Globalisation, in: Economic and Political Weekly, Vol. XXXIII, Nos. 33-34, August 1998, S.2252.

(47) Satyamurthy, (wie Anm.46), S.2251.

(48) Prabhat Patnaik, The Nation-State in the Era of Globalisation. VII Zakir Hussain Memorial Lecture. New Delhi, 1995, S.19. Vgl. auch: Prabhat Patnaik, The Antinomies of Transnationalism, in: Social Scientist, Vol.24, Nos.9-10. Sept-Oct. 1996.

(49) Paul J. Hountondji, African Cultures and Globalisation. A Call to Resistance, in: Development and Cooperation, 6/97, S.26.

(50) Jürgen Habermas, Die Normalität einer Berliner Republic. Kleine Politische Schriften VIII, Frankfurt a.M. 1995, S.182. Habermas formuliert im Anschluß an Anthony Giddens.

(51)  John Tomlinson, Kulturelle Globalisierung und Deterritorialisierung. Die Bedrohung der westlichen Hegemonie, in Entwicklung und Zusammenarbeit, Jg.39, 1998:10, S.259. Wirtschaft und Politik, Umwelt, Technologie, Kommunikation werden durch diese 'komplexe Vernetztheit' erfaßt, die Kultur und Identität prägt. So verstanden, bedeutet Globalisierung nicht Homogenisierung, sondern eher den widersprüchlichen " Prozeß der Deterritorialisierung - des allmählichen Ablösens kultureller Erfahrungen von ihrer Verankerung in einzelne Örtlichkeiten (localities), und zwar in dem Maße, wie diese Örtlichkeiten von entfernten globalen Einflüssen durchdrungen werden, definiert" Ebda., S.260.

(52)  Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Frankfurt a.M. 1989, S.287.

(53)  Ebda., S.369f. Das Tückische an diesem Argument ist, daß es lediglich die Perspektive der Aufhebung der Grenzen innerhalb Europas eröffnet. Die anderen Erdteile hätten in der Herderschen Perspektive jeweils andere Allgemeingeister.

(54) Manfred Riedel, Einheit in der Vielfalt. Vom geistigen Weg Europas, in: Europa wohin, hg.v. Hilmar Kopper, Brigitte Seebacher Brandt und Norbert Walter, Stuttgart 1996, S.51f.

(55) Hagen Schulze, Staat und Nation in der Europäischen Geschichte, München, 1995. S.336f.

(56) Habermas (wie Anm. 50), S.187f.

(57) Barabra Frischmuth, Österreich - was denn sonst?, in: Volk - Nation - Europa. Zur Romatisierung und Entromantisierung politischer Begriffe. Hg. v. Alexander von Bormann, Würzburg, 1997, S.293.

(58) Barabra Frischmuth, Europa, das ich meine, in: Literatur und Kritik, Heft 305-306, 1996, S.46.

(59) C.A. Bayly, Imperial Meridian. The British empire and the World, 1780-1830, London und New York 1989, S.15.

(60) Victor Liebermann, Introduction, in: Modern Asian Studies 31, 3 (1997), S.449-461, hier: S.449.

(61) Sanjay Subhramanyam, Connected Histories: Notes towards a Reconfiguration of Early Modern Eurasia, in: Modern Asian Studies (wie Anm. 60), S.735, 761, hier: S.761.

(62) Bayly (wie Anm.59), S.256.

(63) Sheldon Pollock, Literary History, Indian History, World History, in: Social Scientist, S.269-271, New Delhi 1995, S.112-142, hier: S.136.


Webmeisterin: Angelika Czipin
last change 19.11.1999