TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 1.2. Der Kaukasus und Europa / Caucasus and Europe
SektionsleiterInnen | Section Chairs: Mzia Galdavadze (Tbilissi), Tornike Potskhishvili (Wien), Vilayet Hajiyev (Universität Baku) und Azat Yeghiazaryan (Jerewan)

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Italienische Missionare im Georgien des 17. Jahrhunderts

Nargizi Tsintsadze-DeBiasi (Ilia Tschavtschavadze-Universität Tbilisi) [BIO]

Email: zinzadze_debiasi@yahoo.com

 

Georgien lebt aus seiner langen Geschichte heraus. Es lebt von seinem vitalen, sinnenfreudigen Menschen. Georgien hat nichts von seiner urwüchsigen Kraft, von seiner Poesie und seiner Anziehungskraft verloren. Georgien ist das Land, aus dem einst das goldene Vlies geraubt wurde.

Nach der ionischen  Kolonisation der Schwarzmeerküsten im 7. Jh. vor u. Z. wurde Kolchis mit dem sagenhaften Land  Aia identifiziert und dem Handelsverkehr erschlossen, so dass nun die 70 oder gar 300 Sprachen sprechenden Kaukasusstämme  in den Güterumschlag der Antike direkt einbezogen waren. Noch in der römischen Zeit brauchte man 130 Dolmetscher, um den Handelsverkehr abwickeln zu können.

Die Kolchis, ein reiches Land am Phasis (heute Rioni) in der Südostecke des Schwarzen Meeres war das Ziel der Argonautenfahrt. Georgien ist das Land der zauberkundigen Tochter des Königs Ayetes von Kolchis. Der Medeastoff ist von der Antike an ein beliebter Gegenstand der Malerei, gelegentlich der bildenden Kunst und der Literatur. Besondere  Bedeutung gewann  die Sage im Drama  (bei Euripides, Seneca, Corneille, Grillparzer, Anoulh). In Europa kennt man das Land als das am Schwarzen Meer, in dem einst Stalin und Schewardnadze geboren wurden. Doch es gibt viel zu entdecken: seine Geschichte, Kunst, Literatur, Tradition, Sprache, Schrift, Landschaft....

Die georgische Geschichte beginnt 3.000 v. u. Z. mit der Mtkvari-Araxes-Kultur. Georgien ist  ein christliches Land. Seine Bekehrung zum Christentum erfolgte im Westen  durch griechische Missionare, die auf dem Seeweg nach Georgien kamen. Nach Ostgeorgien gelangte  die christliche Botschaft auf dem Landweg über Syrien und Armenien. Der armenische König Trdat III. hat um 301 die armenische Staatskirche begründet. Auf Armenien folgte Georgien, als König Mirian um 337, noch vor Rom, das Christentum ebenfalls zur Staatsreligion erklärte. So sind Armenien und Georgien die beiden ältesten Länder mit dem Christentum als Staatsreligion.

Der christliche Glaube entwickelte sich zum Fundament der georgischen Nation. Die georgische Kirche wurde zur unbezwingbaren Feste im Kampf für die politische Unabhängigkeit gegen Perser und Araber. Der gemeinsame Glaube an Gott, dessen Wort in allen georgischen Kirchen in georgischer Sprache gehört wurde, schuf das einigende Band zwischen dem westlichen und östlichen Georgien .

387 teilten Römer und Perser das südliche Kaukasien in Einflusssphären auf. Mitte des 5. Jh. festigten die 13 syrischen Väter den christlichen Glauben in Georgien. Der georgische König Wachtang Gorgassali,  ein hervorragender Staatsmann, kämpfte mit Byzanz gegen die Perser. Die georgische Kirche bekam damals ihre Autokephalie.  An der Spitze der Kirche stand von nun an ein Katholikos. In den 5.-6. Jahrhunderten gab es Auseinandersetzungen zwischen Byzanz und Persien um die Vorherrschaft in Georgien und Kaukasien.

Im Jahre 654 eroberten die Araber die georgische Hauptstadt Tbilisi. Die arabische Herrschaft im Emirat Tbilisi  währte bis 975. Ende des 8. Jh. wurden die georgischen Fürstentümer gebildet und gefestigt. Die Einigungsbestrebungen begannen. Die adlige und geistige Elite leistete  starken Widerstand gegen die arabische Herrschaft.

975-1080 regierte Bagrat III. Er war Begründer der georgischen Bagratidendynastie aus Taokradshetien und vereinigte erstmals die georgischen Fürstentümer. Das Land nannte sich Sakartwelo. Seitdem sprechen wir von Georgien.

Im 11. Jh. zogen die Seldschuken  raubend und plündernd durch Georgien.

David Agmaschenebeli (1089-1125) befreite Georgien vom Joch der Seldschuken. Es begann die Blütezeit des mittelalterlichen Georgien. - Festungen und Kirchen wurden gebaut, Akademien und Klöster  gegründet, die Goldschmiedekunst erreichte ihren  Höhepunkt. Georgien bildete ein christliches Großreich. Die Blüte des "Goldenen Zeitalters" spielte im Bewusstsein Georgiens, das im Laufe seiner Geschichte meistens anderen Mächten unterworfen war, eine besondere Rolle.

Unter der Regentschaft der Königin Tamar (1184-1213) erlebte die georgische Kultur ihren Höhepunkt. Schota Rustaveli schrieb das Hauptwerk der georgischen Literatur "Der Recke im Tigerfell", das in viele Sprachen der Welt übersetzt worden ist. Es gibt mehrere deutsche Übersetzungen.

1386-1403 begannen die Vernichtungsfeldzüge der Mongolen unter Timur Leng in Georgien. Davon konnte sich Georgien bis zur Neuzeit nicht erholen. Georgien zersplitterte in eigenständige Königreiche und Fürstentümer.

Im Jahre 1453 schnitt die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen Georgien von der Mittelmeerwelt und dem westlichen Europa ab. Mit der Entdeckung des Seeweges nach Asien im 15.-16. Jahrhunderten verlor Georgien seine Bedeutung als Transitland.

Im Jahre 1555 wurden Armenien und Georgien  zwischen Persern und  Osmanen aufgeteilt. Die Rivalität  zwischen Persern und Osmanen bestand bis Ende des 18. Jahrhunderts.

1588-1629 unternahm Schah Abbas nach 1600 wiederholt Feldzüge gegen die ostgeorgischen Königreiche Kachetien und Kartli. Danach folgte das ,,Silberne Zeitalter"  und begann eine neue Wiedergeburt unter den Königen Rostom und Wachtang VI.

In dieser Periode wurde  Russland im Kaukasus  aktiv. Der georgische König Erekle II. war der König der vereinigten Königreiche Kartli und Kachetien. Am 24. Juli 1783 wurde der Vertrag von Georgiewsk unterzeichnet. Erekle II. unterstellte Georgien der russischen Oberherrschaft. Am 12. September  annektierte Russland Georgien.

Der kurze Überblick über die georgische Geschichte hat gezeigt, wie schwer das Land unter vielen fremdländischen Eroberungen gelitten hat. Die georgische Sprache und die georgische Schrift (eine der 14 Schriften ) standen oft  vor Vernichtungsgefahren.

Das erste gedruckte Buch in georgischer Sprache ist das georgisch-italienische Wörterbuch ("Dittionarion giorgiano e italiano" Composto da Stefano Paolini con  l'aiuto del M.R.P.D. Niceforo Irbachi, Giorgiano, Monaco di S. Bafilio). Das Wörterbuch wurde im Jahre 1629 in Rom von der heiligen Kongregation für die Verbreitung des Glaubens  ("Sacra Congregatio de Propafanda Fide") gedruckt. Das Wörterbuch umfasst 212 Seiten. Es wurde vom Italiener Stefano Paolini und dem georgischen Mönch Niceforo Irbachi zusammengestellt.  Der letztere wurde 3 Jahre früher – 1626 vom georgischen König Teimuraz I. als Botschafter zum Römischen Papst Urban  VIII.  und zu den europäischen Höfen gesandt. Zusammen mit dem genannten Wörterbuch wurde auch das georgische Alphabet mit einigen Gebeten gedruckt ("Alphabetum Ibericum, Siue Georgianum, cum Oratione Dominicali").

Die georgische Sprache gehört zur iberisch-kaukasischen Sprachfamilie, zur Gruppe der südkaukasischen Sprachen. Sie vereint vier engverwandte Sprachen – die georgische Sprache (Kartuli  ena), die in Georgien Staatssprache ist, sowie Megrelisch, Swanisch und Lasisch. Die Swanen und Megrelen bedienen sich des Georgischen als Schriftsprache. Sie sind in Georgien beheimatet, während die Lasen heute auf türkischem und georgischem Boden leben. Die Lasen in der Türkei schreiben türkisch (mit lateinischer Schrift), die Lasen in Georgien  - georgisch.

Die georgische Sprache ist die einzige alte Schrift- und Kultursprache unter den kaukasischen Sprachen, deren erste erhalten gebliebenen Inschriften  aus der Mitte des 4. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung datiert sind. Der Kaukasus ist der Berg der Sprachen geblieben, wo über 50 Völker mit eigener Sprache leben, die meisten von  ihnen im nördlichen Kaukasus.

Im 17. Jahrhundert lernten dank der Hilfe von Niceforo Irbachi drei Missionare des katholischen Theatiner Ordens, Giacomo Di Stefano, Giovanni Filomia und Pietro Avitabile, die ersten Begriffe der georgischen Sprache.  1626 wurden sie vom Papst Urban VIII nach Georgien in die Mission geschickt. Das war die erste Mission der katholischen Kirche in Georgien. Später, im Jahre 1643 wurde in Rom von der Sacra Congregatio de Propaganda Fide (Heilige Congregation für die Verbreitung des Glaubens) eine Grammatik der georgischen Sprache veröffentlicht. Sie umfasst 152 Seiten. Der Verfasser war der katholische Missionar in Georgien Francesco Maria Maggio, der die nie herausgegebenen Grammatik des Missionars Antonio Giardina benutzte um dann seine eigene Grammatik zu verfassen.

Anfang des 17. Jahrhunderts kamen schlechte Nachrichten aus dem Königreich Georgien zu den Ohren des Papstes in Rom. Der religiöse Einfluss des Islams  wurde stärker. Der Vatikan war besorgt und äußerst interessiert, den christlichen Glauben im Osten zu unterstützen mit dem großen Ziel, jene weit entfernten orthodoxen Völker zum Katholizismus zu bekehren. Auf der anderen Seite  sahen die europäischen Länder die konkrete Möglichkeit, ein starkes politisch-christliches Gegengewicht herzustellen, das das Ottomanische Königreich unter Druck setzten sollte. Im Auftrag vom Papst Uraban VIII. wurden die Theatiner der Congregation der Römisch-Katholischen Kirche im Jahre 1626 nach Georgien geschickt. Sie wirkten in Gori (Provinz Kartli in Ostgeorgien), in Megrelien und Gurien  (Westgeorgien). Die bekanntesten Vertreter des Theatiner-Ordens waren Pietro Avitabile, Cristoforo Casteli, Arcangelo Lamberti, Andrea Boromeo, Clemente Galano, F.M. Magio u.a. Arcangelo Lamberti war italienischer Missionar, Mönch des Theatiner-Ordens, Bürger von Neapel und ein erfahrener Arzt und Maler. Im Auftrag der Congregation lebte und wirkte A. Lamberti in den Jahren 1633-1649 in Westgeorgien in Odischi. Nach seiner Rückkehr nach Italien ließ er 1654 ein Buch veröffentlichen, in dem er eine detaillierte Beschreibung der politischen, sozial-ökonomischen Lage, der Lebensweise und Kultur, der Sitten und Bräuche des Landes wiedergibt.  Das Werk von Lamberti ist das erste seiner Art, das je über Georgien verfasst wurde. Es ist die erste Quelle der georgischen Geschichte und wird von den Gelehrten sehr geschätzt. A. Lamberti schrieb auch das Buch "Die heilige Kolchis", wo die Glaubensfragen in der westgeorgischen Provinz Odischi dargestellt worden sind. Das Buch ist noch nicht ins Georgische übersetzt worden.

Don Pietro Avitabile war Mönch des katholischen Theatiner-Ordens und im  17. Jahrhundert Missionar in Georgien. Er leitete die Mission des Theatiner-Ordens in Georgien. 1632-32 kehrte er nach Rom zurück, wo er einen ausführlichen Bericht über die innenpolitische und konfessionelle Lage des damaligen Georgien erstattete. Der Bericht wurde viel später, 1650 in Rom veröffentlicht. Darin beschreibt er ausführlich die Tätigkeiten  des georgischen Königs Teimuras I., von Inam Kuli-Khan und Daud-Khan (Undiladze). 1638 fuhr er weiter nach Indien, wo er seine Missionsarbeit zusammen mit einem georgischen katholischen Priester aus Gori Naskida - genannt Andria - ausübte. Andri Boromeo wurde 1633 in Mailand geboren. Er war auch Mönch des Theatiner-Ordens. 1652 fuhr er nach Georgien (Megrelien).  Sechs Jahre später 1658 schickte er einen langen Brief nach Rom, wo er seine Missionsarbeit  ausführlich beschrieb. Der Brief enthält wertvolle Nachrichten über den georgischen Großfürsten Levan III. Dadiani, den König von Imereti Alexandre III. und über Wamek Liparteliani.

Clemente Galano (Galnus) war auch Mönch des katholischen Theatiner-Ordens.  Er war  Missionar im Kaukasus, einige Jahre lebte er auch in Georgien. Zusammen mit F.M. Maggio kam Galano 1637 nach Gori. Gori galt damals als Zitadelle  der katholischen Mission. Danach ging er nach Megrelien, wo der Großfürst Levan Dadiani die katholischen Missionare unterstützte. Clemente Galano schrieb "Consiliatio Ecclesiae Armenae cum Romana", 1-3, Roma 1650-1654, und "Historia Armena Ecclesiasticea et Politica", Colonia 1686. Seine Werke enthalten wichtige Nachrichten und Informationen über Georgien.

1627-54 wirkte  Don Cristoforo de Castelli  als Missionar in Georgien. Er war auch Mitglied des Theatiner-Ordens. Castelli hinterließ einzigartige Aufzeichnungen, die das politische, soziale und wirtschaftliche Leben des Georgiens im 17. Jahrhundert darstellen. Seine Informationen sind höchst interessant und stellen eine wahrheitsgetreue Schilderung als Augenzeuge dar, besonders die über die westgeorgische Region Megrelien. Die Originale seiner Aufzeichnungen werden in Palermo aufbewahrt. Für die georgische Geschichte sind sie sehr wertvoll, denn sie enthalten Bilder der georgischen Könige und von hochgestellten Staatsmännern des damaligen Georgien. Besonders interessant sind die Informationen über das georgische Handwerk, Kunstgewerbe, über die Agrikultur, Nationaltracht, Baukunst, Volkstänze, Liedtexte und über die georgischen Aussprüche. Die von Castelli gemachten Randbemerkungen sind in lateinischer, griechischer, italienischer, syrischer, hebräischer, persischer, türkischer, georgischer Sprache und in sizilianischen Dialekten geschrieben. Das Ziel der italienischen Missionare war das Christentum  unter den nicht christlichen Völkern zu verbreiten.

Der  bekannte Historiker aus Georgein  Micheil Tamaraschwili, der 1858 in Achalziche geboren wurde, und 1911 im Dorf  Santamarinela (Italien) starb, hatte das großen Verdienst, das wertvolle Album mit Zeichnungen und Bemerkungen des Missionars Cristoforo Castelli in Georgien entdeckt zu haben.

 

Literatur:


1.2. Der Kaukasus und Europa / Caucasus and Europe

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For quotation purposes:
Nargizi Tsintsadze-DeBiasi: Italienische Missionare im Georgien des 17. Jahrhunderts - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/1-2/1-2_tsintsadze-debiasi17.htm

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