Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 7. Nr. September 1999

Philosophischer Kontext, österreichische literarische Tradition und Geschlechterproblematik in Ingeborg Bachmanns Prosa

Helgard Mahrdt (Oslo)
[BIO]

Philosophie wie Kunst zielen darauf,
Staunen lebendig zu halten
Th. W Adorno

Wie kann man die Interpretation von Texten in eine Literaturgeschichte einbringen? Wie lassen sich Genauigkeit und Quantität verbinden? Ist es möglich, eine Literaturgeschichte zu schreiben, die keine "Summierung der Erkenntnisse von Spezialisten ist und die trotzdem nicht auf einem engen Selektionsmechanismus (Kanonisierung, Strukturierung nach Ableitung von einer Idee usw.) basiert?"

Insofern Literaturgeschichte mit Fragen der Historizität zu tun hat, geht es auch um einen kritischen Zugang zur literarischen Tradition. Besonders bei einer Literaturgeschichte, die der Literatur von SchriftstellerInnen gerecht werden möchte, sollte berücksichtigt werden, daß die Literatur von Frauen nicht als eine Geschichte zu lesen ist, die sich gar vollendet oder entwickelt, sondern in ihr geht es um die Anpassung und Aufnahme bzw. Unterwanderung oder Erweiterung und Überschreitung zeitgenössischer Normen, Konventionen und Diskurse. Wenn es im folgenden um die Interpretation von Prosatexten Ingeborg Bachmanns gehen soll, so kann zunächst einmal festgehalten werden, daß sich diese Prosa sowohl in einen philosophischen als auch in einen literarischen Diskurs einschreibt. Diesen differenziert sie um die Geschlechterproblematik.

Zunächst möchte ich einen kurzen Überblick über neuere Literaturgeschichten geben. Danach werde ich entlang zweier Probleme der Moderne, der Moral- und der Geschlechterproblematik, versuchen, die Prosa Ingeborg Bachmanns in ihren Historizität deutlich zu machen. Ihr literarisches Werk macht zugleich die "Blutspur der Geschichte" kenntlich, und das Insistieren dieser Prosa auf dem Evidenzcharakter des individuellen Lebens macht den Zusammenhang von gender, Geschichte und Kultur sichtbar. Nicht nur läßt sich, wie Hans Höller bemerkt hat, ihr Werk "als Hadeswanderung unserer Epoche"(1) lesen, sondern, indem es "eine Frau, die ‘Tochter’, (ist), die den Weg durchs Inferno antritt"(2), "geht es nicht mehr um die geschichtliche Epoche allein, sondern um die patriarchalischen Züge dieser Zeit und der vergangenen Zeiten."(3)

I Neuere Literaturgeschichten

Neuere Literaturgeschichten stellen den programmatischen Anspruch, eine "Sozialgeschichte der deutschen Literatur" bereitzustellen und sind als Dokumentation konkurrierender Strömungen in Forschung und Lehre zu verstehen, die die Unabgeschlossenheit des literarischen Wertungsprozesses deutlich werden lassen.

Dabei zeigt sich, daß in der theoretischen Diskussion zur deutschen Literaturgeschichtsschreibung und Literaturkritik bis zur Mitte der 80er Jahre die Kategorie "Geschlecht" keine Beachtung gefunden hat. Seitdem aber sind wichtige neue Konzepte vorgelegt worden. So ist zu erinnern an Renate Möhrmanns vergleichende, auf die westliche Weltliteratur mit eingehende, Frauen Literatur Geschichte (1985), die von Barbara Becker-Cantarino vorgelegte Sozialgeschichte der Frau unter dem Titel Der lange Weg zur Mündigkeit. Frau und Literatur (1500-1800) (1987) und nicht zuletzt die 1988 von Gisela Brinker-Gabler herausgegebene zweibändige Deutsche Literatur von Frauen. Es fällt auf, daß diese Literaturgeschichten nur schreibende Frauen ausgewählt haben. Es zeigt sich darin eine Parallele zur neuesten Tendenz in der skandinavischen Literaturgeschichte: dort erschienen 1988 Norsk kvinnelitteratur Historie und 1993 die ersten beiden Bände der Nordisk kvinde Litteratur Historie. Begründet wird die ausschließliche Blickrichtung auf Literatur von Frauen mit der Notwendigkeit, Frauen und deren Texte sichtbar zu machen. Dem liegt die Erfahrung zugrunde, daß bisherige Generalisierungen auf Kosten der AutorInnen geschehen sind. Ziel und Absicht dieser Literaturgeschichten ist es, mehr Platz für "Frauenliteratur"(4) zu schaffen und eine ausgiebigere Beschreibung zu ermöglichen.(5) Wie notwendig dies ist, belegen die sogenannten Standard-Literaturgeschichtsschreibungen, in denen ‘die’ Frau als schreibendes Subjekt entweder kaum wahrgenommen wurde oder kompensatorisch einzelne Frauen erwähnt wurden.

Dabei sind durchaus für Frauenliteraturgeschichten verschiedene Methoden(6) nicht nur möglich, sondern im Hinblick auf Probleme der Analyse der literarischen Texte und der darin enthaltenen Werturteilsprobleme geradezu wünschenswert.(7)

Heute besteht wohl Einigkeit über die folgenden zwei Punkte: die ästhetische Wertung selbst ist einer soziokulturellen Dynamik unterworfen, und die Literatur von Frauen war lange Zeit aus dem literarischen ‘Kanon’ ausgeschlossen. Erst der "andere Blick" auf die Geschichte, der auf das Sichtbarmachen von Frauen abzielte, hat statt der von männlichen Autoren imaginierten Weiblichkeit(8) die von Frauen selbst artikulierten Texte in die Öffentlichkeit gebracht. LiteraturwissenschaftlerInnen wie Helga Gallas und Magdalene Heuser gehen dann noch einen Schritt weiter, wenn sie aus der geschlechtsspezifischen Rezeption des bürgerlichen Romans im 18. Jahrhundert gattungstheoretische Konsequenzen ziehen.(9)

Wenn man über Literaturgeschichte und gender spricht, so kommt auch der Aspekt der "ästhetische(n) Differenzqualität" der Literatur zur Sprache. Gerade die bisherige Literaturgeschichte hat oftmals mit dem Argument der mangelhaften ästhetischen Qualität Frauenliteratur ausgeschlossen. Ungerechtfertigter Weise ist es oftmals in der Geschichte der ästhetischen Wertung aufgrund der Dominanz einer weitgehend männlichen Literaturkritik zu unbrauchbaren Kriterien und zur negativen Bestimmung literarischer Texte von AutorInnen gekommen. Nicht zuletzt betraf dies auch Prosa der österreichischen Autorin Ingeborg Bachmann.(10)

Im folgenden ist nicht eine einseitige Determination von Literatur durch das Geschlecht beabsichtigt, wohl aber eine ‘Horizonterweiterung’, vor der die literarische Praxis neu auslegbar wird.

Ich möchte zunächst daran anschließen, daß Ingeborg Bachmanns Literatur in Verbindung mit anderen Disziplinen wie der Musik, der Psychologie, der Geschichtswissenschaft und der Philosophie steht. Gerade der neueste Stand der Forschung zu Ingeborg Bachmann zeigt, daß zweifelsohne Ingeborg Bachmann als philosophisch gebildete Autorin gesehen werden muß. Deswegen ist es auch für eine Literaturgeschichte angemessen, Ingeborg Bachmanns Werk aus einem philosophischen Blickwinkel zu sehen. Ich möchte hierzu nicht auf den bereits in der Bachmann-Forschung bekannten Einfluß von Ludwig Wittgenstein und Martin Heidegger eingehen, sondern eine neue Verbindungslinie ziehen, die zwischen Ingeborg Bachmann und dem Philosophen Immanuel Kant. Ich werde dazu ausgehend von ihrer Dissertation einen Zusammenhang zwischen Philosophie und Dichtung herausarbeiten. Insofern diese Verbindung in der bisherigen Bachmann-Forschung kaum vertreten ist, wird eine gewisse Detaildarstellung meiner Gedanken unvermeidlich sein. Danach werde ich am Beispiel ihrer späten Erzählung Drei Wege zum See auf ihren, nicht nur für diese Erzählung, wesentlichen österreichischen Traditionsbezug eingehen. Zumal Ingeborg Bachmann selbst immer betont hat, wie wichtig, ja, unumgänglich für die Arbeit des Schriftstellers Geschichte ist.(11) Dabei wird sich zeigen, daß Tradition und Geschichte weder von meinem eigenen Zeithorizont noch von der gender-Problematik zu trennen sind.

II. Dichtung und Philosophie

Die Differenzqualität der Literatur gegenüber der Wissenschaft hebt Ingeborg Bachmann durchgängig in ihrem Werk hervor, angefangen mit ihrer Dissertation Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers, über Jugend in einer österreichischen Stadt, bis hin zum Romanfragment Der Fall Franza wird der Literatur die Qualität zugesprochen, über die Erkenntnis von Tatsachen hinaus Sinnzusammenhänge erfahrbar zu machen. Der gesamte Todesarten-Zyklus bemüht sich darum, die Position des Wittgensteinschen Tractatus, worüber man nicht sprechen könne, darüber müsse man schweigen, zu überwinden.

Auch auf der Rezeptionsebene kommt dieser neue Gesichtspunkt zum Ausdruck. So zeigen die Phasen der Bachmann-Forschung eine ‘Verschiebung’ des Interesses: galt zunächst das Forschungsinteresse der ‘Problemkonstante’ Sprache, so zeigt sich in den letzten Jahren ein zunehmendes Interesse an der Verbindung ihres literarischen Werks zur Philosophie. Zum Beispiel liegen eine Reihe von Aufsätzen zum Einfluß Ludwig Wittgensteins(12) vor.

Ingeborg Bachmanns Dichtungsverständnis ist nicht zu trennen von einer ethischen Verpflichtung. Hier läßt sich eine Verbindung ziehen bis zu ihrer frühen Dissertation und den darin auszumachenden Bezügen zum Gedankengut des Aufklärers Immanuel Kant. Dachte Immanuel Kant am Ausgang des 18. Jahrhunderts Moral noch als eine objektive verbindliche, was nicht zuletzt im Begriff der ‘Würde’ des Menschen zum Ausdruck kam, so weiß Ingeborg Bachmann um die historische Differenz. Ihre Prosa ist zweifelsohne eine des 20. Jahrhunderts, genauer, der Zeit nach dem historischen "Ereignis" des Faschismus. Spätestens seitdem läßt sich keine Instanz ausmachen, die die Verbindlichkeit von Wertsystemen garantiert. Dies hat auch Folgen für die weiblichen Figuren ihres Todesarten-Zyklus. Vergeblich sucht der Leser eine Institution, an die sich die weiblichen ‘Opfer’ wenden könnten.

Werkgeschichtlich ist die Heterogenität von Wertsystemen bereits Thema in der Erzählung Unter Mördern und Irren. Es zieht sich durch den gesamten Todesarten-Zyklus, bis in die allerletzte Erzählung Drei Wege zum See und den sich im Nachlaß befindenden unpublizierten Aga-Rottwitz-Entwurf.(13)

Bereits in ihrer Dissertation läßt sich dieses Interesse an Ethik und somit an Fragen der praktischen Philosophie aufzeigen. Darauf möchte ich jetzt näher eingehen.

Zur Signatur der Moderne gehört ein Sprachverfall, dem der Dichter unterliegt und dem er sich gleichzeitig zu entziehen versucht. In die Literaturgeschichte eingegangen als das exemplarische Beispiel der Entfremdung in der Sprache ist die sogenannte ‘Lord Chandos-Krise’. Hugo von Hofmannsthal schien es, daß die Wirklichkeit nur scheinbar objektiv in dem Augenblick sei, in dem sie wahrgenommen wird. Wir wissen, daß die Verabsolutierung des ‘Jetzt’ zum Augenblick ein Kennzeichen der modernen Literatur geworden ist, so auch für Autoren wie Marcel Proust, James Joyce und Robert Musil.(14) Ingeborg Bachmann reibt sich - wie bekannt - in diesen literarischen Traditionszusammenhang ein. Sie sprach selbst von den ‘Affinitäten’ und Gemeinsamkeiten im Denken, die sie mit einigen Philosophen und Schriftstellern teile. Wie Marcel Proust hält sie am Glücksanspruch fest, wie bei Robert Musil und James Joyce gibt es in ihrer Literatur den ‘erfüllten Augenblick’, den Entwurf eines ‘feiertäglichen Zustands’, den Zustand des ‘vivere ardendo e non sentire il male’, aus dem Tod und Leid für kurze Zeit verbannt sind und der von höchster Gefühlsintensität geprägt ist.(15)

Es sollte nicht vergessen werden, daß neben Ludwig Wittgenstein und Robert Musil zu ihren ‘Leitsternen’ eine Reihe anderer ‘Sterne’ gehörten. So kannte sie z.B. nicht nur Theodor W. Adornos Schriften, sondern auch ihn persönlich.(16) Sie war überhaupt eine ‘femme de lettres’. Ingeborg Bachmann referiert im ersten Kapitel ihrer 1950 von Viktor Kraft angenommenen Dissertation Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers Carnaps Versuch, am Beispiel von Zitaten aus Heideggers Antrittsvorlesung "Was ist Metaphysik" zu zeigen, daß "ein metaphysischer Satz auf jeden Fall sinnlos" sei, "weil er der empirischen Wissenschaft und ihren Methoden unzulänglich sei und doch mehr sein wolle, als ein analytisches Urteil (Kant) oder eine Tautologie (Wittgenstein)".(17)

Insofern Martin Heidegger mit seiner Daseinsanalytik und der Frage nach dem Sinn des Seins einen Pol der Philosophie dieses Jahrhunderts repräsentiert, und Ludwig Wittgenstein mit seiner kritischen Aufmerksamkeit auf die sprachlichen Mittel, mit denen in der Philosophie – und nicht nur dort - gearbeitet werden muß, den anderen, dokumentiert Ingeborg Bachmanns Dissertation, daß sie sich schon früh mit den sprachskeptischen Konzepten der Wiener Neopositivisten wie mit der Metaphysik, also mit zentralen Fragestellungen unterschiedlicher philosophischer Richtungen, auseinandergesetzt hat.(18)

Es stellt sich nun die Frage, welche Funktion Ingeborg Bachmann der Philosophie zumißt, welche Vorstellung sie von ihr und deren Verhältnis zur Dichtung entwickelte.

Für Ingeborg Bachmann gibt es Erkenntnisse, die dem postulierten Begriff der Übersetzbarkeit in Wissenschaft widersprechen; diesen Wirklichkeitsbereich, der aus dem Apparat der Wissenschaft herausfällt, kann die Kunst bergen. Sie formuliert dies am Schluß ihrer Dissertation wie bekannt:

Dem Bedürfnis nach Ausdruck dieses anderen Wirklichkeitsbereiches, der sich der Fixierung durch eine systematisierende Existentialphilosophie entzieht, kommt jedoch die Kunst mit ihren vielfältigen Möglichkeiten in ungleich höherem Maß entgegen. Wer dem ‘nichtenden Nichts’ begegnen will, wird erschütternd aus Goyas Bild ‘Kronos verschlingt seine Kinder’ die Gewalt des Grauens und der mythischen Vernichtung erfahren und als sprachliches Zeugnis äußerster Darstellungsmöglichkeit des ‘Unsagbaren’ Baudelaires Sonett ‘Le gouffre’ empfinden können, in dem sich die Auseinandersetzung des modernen Menschen mit der ‘Angst’ und dem ‘Nichts’ verrät. (KA/116.)

Für meinen Zusammenhang ist wichtig, daß sie gegen Heidegger darauf besteht, daß mittels der ‘Intuition’ gewonnene Aussagen nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben dürfen. Sie schließt mit dem Satz: "Das Ergebnis wird immer die gefährliche Halbrationalisierung einer Sphäre sein, die mit einem Wort Wittgensteins berührt werden kann. ‘Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.’" (KA/115.)

Wenn es nun um Fragen der Ethik und des Sinns geht, so lassen diese sich zwar nicht wissenschaftlich in beweisbaren Sätzen kodifizieren - dies ist ganz die gegen Heidegger eingenommene Wittgensteinsche Position der Dissertation -, aber die Literatur, Dichtung, kann sie zum Ausdruck bringen. Ingeborg Bachmann hält gegen den ‘Wiener Kreis’ an Fragen der Ethik fest:

Mit den Ausdrücken ‘sinnloses Gerede’, ‘Scheinsätze’ wurde doch im ‘Wiener Kreis’ ... die Metaphysik der historischen wie neueren Systeme bedacht. Aber es ist eben die Frage, ob man die abendländische Metaphysik ... wirklich von einem Tag zum anderen ad acta legen kann, bloß weil man sie wegen der Unlösbarkeit ihrer Fragen für unmöglich hält.(19)

Hier scheint sich mir ein Einfluß Kantischen Gedankenguts zeigen zu lassen. Dazu gehe ich auf einen kleinen Abschnitt in ihrer Dissertation ein.

Durch ihre Heidegger-Kritik waren Ingeborg Bachmann die grundlegenden Gedanken Immanuel Kants zur Erkenntnistheorie bekannt - wenn auch aus der Position der Neukantianer. Sie referiert Ernst Cassirers Auffassung, "daß der Schwerpunkt von Kants System in seiner Erkenntnislehre zu suchen sei, daß das ‘Faktum der Wissenschaft’ und seine ‘Möglichkeit’ Anfang und Ziel von Kants Problemstellung bilde." (KA/17.)

Deswegen müssen wir uns kurz die Aufgabe vergegenwärtigen, die Kant sich gestellt hat. Zwar ist die Ausgangsfrage Kants: wie ist Erkenntnis a priori möglich?, genauer wie sind synthetische Urteile a priori möglich?, aber die Philosophie behauptet ihr Recht nach Kant nicht nur für die Bereiche des wissenschaftlichen Erklärens, sondern auch für Fragen der Werte, nach denen diese Erklärungsmethoden der Wissenschaften praktisch beurteilt werden können. Kant diskutiert somit die Problematik der wertenden Beurteilung von wissenschaftlichen Ergebnissen. Subjekt der wissenschaftlichen Wertungen ist nach Kant der Philosoph, er ist im Gegensatz zu den "bloßen Vernunftkünstlern" wie Mathematiker oder die Naturwissenschaftler, die sich mit den einzelnen Wissenschaften befassen, diejenige Instanz, die sich auf eine absolute Werthierarchie bezieht, auf die ‘Idee einer Welt’, die ausgerichtet ist an den ‘praktischen Idealen der Menschheit in ihrer Freiheit’. Die Orientierung an diesen Werten "zügelt" die menschliche Vernunft.(20)

Er versteht seine Philosophie als ‘Metaphysik’(21) und sieht in ihr die Vollendung der Kultur der Vernunft.(22) Man könnte auch pointiert so sagen: da die Logik für Kant nur eine Kunst(23) ist und nicht zum Standpunkt der Philosophie erhoben werden kann, und eine verbindliche Theorie aller relevanten Standpunkte, die gegenüber dem Erkenntnisgegenstand möglich sind, sich nur dann entwickeln läßt, wenn der Gegenstand selbst vernünftig ist, geht eine Theorie der Erkenntnis in Praxeologie über.

In ihrer Dissertation wählt Ingeborg Bachmann die Zitate so aus, daß Kants Vermögenstheorie sowohl in theoretischer als auch in praktischer Perspektive, somit auf die Idee der Freiheit und Selbstbestimmung abzielend, angesprochen wird. Sie macht Erfahrung und Denken stark und hebt hervor, daß Kant

nicht bei der bloßen ‘Rezeptivität der Anschauung’ stehen" bleibt, "sondern ( ... ) ihr die reine Spontaneität des Verstandes zur Seite (stellt); er nimmt einen Aufstieg von ‘Sinnlichkeit’ zu ‘Verstand’ und ‘Vernunft’ vor, wenn auch die ursprüngliche Bindung an die Anschauung bleibt und die dadurch bedingte Endlichkeit nicht durchbrochen wird, weil jedes Denken als diskursives Denken einer Hinblicknahme auf Seiendes bedürfe, von dem her das Einzelne begrifflich vorstellbar werde. (KA/19.)

An den von Kant ausdifferenzierten Rationalitätsdimensionen (Vernunft, Verstand, Einbildungskraft und Urteilskraft) hält Ingeborg Bachmann dann auch in ihrem poetischen Werk fest, wenn sie ästhetisch Erfahrungen zum Ausdruck bringt, die eine nichttheoretische Erkenntnis bedeuten und insofern einzigartig, nicht überführbar, sind. So ist ihre Dichtung, die der "verschwiegenen Erinnerung" an frühe Verletzungen Ausdruck gibt, beidem verpflichtet: dem sinnlichen Empfinden und dem Denken.(24)

Im Todesarten-Zyklus reißt im Traumkapitel des Malina-Romans, in das die Vorgeschichte Franziskas, übersetzt in die Sprache des Traums, hineingenommen wurde, das Denken nicht ab, sondern der von Ingeborg Bachmann gefundene Doppelgänger Malina hilft dem weiblichen Ich, die ‘Schreckenslähmung’ in Erkenntnis umzuwandeln. Dem entspricht das Nachlaßblatt 2518, in dem es von Malina heißt: "Und Gott sah, daß es schlecht war. Und er erschuf Malina."

Nicht nur Fragen der theoretischen Erkenntnis, sondern auch solche der praktischen Philosophie, der Ethik, zeigen eine Verwandtschaft zu Kant.(25)

Ist nach Kant die Anwendung der Kategorien des Verstandes auf Erscheinungen, auf empirisch sinnliches Material, möglich, so gilt dies nicht für Vernunftideen.(26) Dennoch sind solche Ideen wie die der Freiheit oder der Glückseligkeit, die nur als "Maximen" dienen, nicht aufzugeben. Als Grund nennt Kant die innere Verknüpfung des theoretischen Urteilens mit praktisch-moralischen Gründen:

Alles läuft zuletzt auf das Praktische hinaus; und in dieser Tendenz allen Theoretischen und aller Spekulationen in Ansehung ihres Gebrauchs, besteht der praktische Wert unseres Erkenntnisses (..). Der einzige unbedingte und letzte Zweck (Endzweck), worauf aller praktische Gebrauch unseres Erkenntnisses zuletzt sich beziehen muß, ist die Sittlichkeit, die wir um deswillen auch das schlechthin oder absolut Praktische nennen.(27)

Bei Ingeborg Bachmann läßt sich eine Verbindung zu diesem Kantischen Gedanken auch insofern finden, als Wissenschaft für sie nicht das letzte ist, sondern gerade, wie es in "Der Fall Franza" heißt, "die Tatsachen, die die Welt ausmachen - (das Nichttatsächliche) brauchen um von ihm aus erkannt zu werden."(28)

Aber es lassen sich nicht nur Bezüge zur theoretischen Philosophie Kants aufweisen, sondern auch zu seiner praktischen. Im Interesse an der Realisierung von Freiheit und Selbstbestimmung in der Geschichte unterscheidet nämlich Kant zwischen ‘noumenon’ und ‘phänomenon’, zwischen Sollen und Sein. Ingeborg Bachmann referiert in ihrer Dissertation Cassirer und hebt hervor, daß nach Kant "der noumenale Sinn der Freiheitsidee und die Weise ihres Erscheinens" nicht zusammen fallen. "Mit ihr werde der Begriff der Kausalität als Naturnotwendigkeit durchbrochen." (KA/22)

Für die Kulturwissenschaften ist dies von besonderer Bedeutung: ein streng natur-wissenschaftlicher Standpunkt würde davon ausgehen, daß menschliches Handeln auf eine Determinierung, deren Momente kausal bestimmt werden, zurückgeht. Demgegenüber geht Kant davon aus, daß eine naturwissenschaftliche Rekonstruktion von Handlungskausalitäten eine Form ausschließt, die in dieser Kette etwas qualitativ "Neues" ist: das moralische Handeln. Oder anders ausgedrückt: die klassische Metaphysik denkt die Möglichkeit der moralischen Kausalität der Handlungen, die ihren Ursprung in neuen Reihen des Geschehens hat, die mit Kausalitäten der Freiheit anfangen. Gerade die Struktur der Freiheit weist für Kant die moralische Person aus:

Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserem Willen, sondern der Natur beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen relativen Wert, als Mittel und heißen daher Sachen, dagegen vernünftige Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst, d.i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet.(29)

In diese philosophische Tradition reiht sich Ingeborg Bachmann ein, wenn sie in ihrem literarischen Werk des Todesarten-Zyklus kritisch die Verkehrung der Person zum Mittel, zur bloßen Sache, gestaltet. Ich erinnere an ihren Fragment gebliebenen Roman Requiem für Fanny Goldmann.(30) Ingeborg Bachmann kann diesen ‘Ist’-Zustand der Gesellschaft insofern als ein Verbrechen am Menschen schildern, als dem eine Idee emphatischer Praxis vorausgeht, eine Idee, die sie mit der ‘Metaphysik’ Immanuel Kants wie mit dem Denken Th. W. Adornos verbindet.

Ihre Literatur ist gerade auch zu würdigen als ein Beitrag zur Dialektik der Aufklärung: ‘die’ Frau erhält ihre eigene Stimme und tritt als Subjekt in die Kulturgeschichte ein. Im Malina-Roman erhebt sie diese Stimme zu einer einzigen langen Klage(31) über die Kultur, die sich von ihrem Standpunkt aus nicht als Fortschrittsprozeß, sondern als "Friedhof der ermordeten Töchter" (3/174)(32) herausstellt.

Es kann also festgehalten werden, daß sich Ingeborg Bachmann nicht nur in eine philosophische Traditionslinie einordnen läßt, die mit Namen wie Martin Heidegger oder Ludwig Wittgenstein evoziert wird, sondern es lassen sich auch Verbindungen ziehen zu Immanuel Kant, einem Philosophen der Aufklärung, sowie zu Theodor W. Adorno und Walter Benjamin, Philosophen der sogenannten ‘Frankfurter Schule’.(33)

Ich möchte nun im nächsten Schritt das bisher im wesentlichen aus der philosophischen Dissertation aufgezeigte Interesse für Fragen moralischer Normen auf einen ihrer Prosatexte beziehen. Dabei wird es auch um literarische Bezüge zur österreichischen Tradition gehen. Gerade im intertextuellen Dialog mit Joseph Roth läßt sich meiner Meinung nach die gender-Problematik als eine zeigen, die keineswegs neu ist, sondern die unsere Kultur schon lange begleitet. Wie kunstvoll dabei gender-Problematik, Geschichtsbewußtsein, Intertextualität und österreichische Tradition von Ingeborg Bachmann miteinander verflochten werden, hoffe ich an der werkgeschichtlich spätesten Erzählung Drei Wege zum See deutlich machen zu können.

III

Wir wissen, daß die späten Erzählungen des Simultan-Bandes zwischen 1968 und 1972 publiziert wurden.(34) Mithin liegt der Veröffentlichungszeitraum in den Jahren, die bekannt sind als politisch bewegte Zeit, in der auch eine neue Frauenbewegung ihren Anfang nahm. 1968 bedeutet auch, daß im damaligen sozialistischen deutschen Studentenbund, genannt SDS, die Genossinnen den sogenannten ‘Aktionsrat zur Befreiung der Frau’ bildeten und sich zu Wort meldeten. Es waren die Jahre der Studentenbewegung, markiert durch Parolen wie "la phantasie au pouvoir", aber auch den Beginn der Kampagnen gegen den Abtreibungsparagraphen 218. Das tradierte Geschlechtsrollengefüge wurde in Frage gestellt.(35)

Auf die kurze Dauer dieser politisch bewegten Zeit spielt Ingeborg Bachmann in ihrer Erzählung Drei Wege zum See an, wenn vom neuesten Liebhaber ihrer Protagonistin Elisabeth die Rede ist.(36)

Im Simultan-Band gestaltet sie ihre (Frauen-)Figuren so, daß eine bestimmte Welt, "die Sitten, die moeurs einer Zeit" (NL 3747a.) - heute würden wir wohl auch sagen der "Habitus" - sichtbar wird.

Bevor sie eine Figur erfindet, ‘recherchiere’ sie, oder, wie sie auch sagt: "Man muß die Herkunft, die Vergangenheit kennen, und danach kann man anfangen, zu imaginieren." (NL 3747a.) In einem ihrer Interviews benennt sie die Beziehung zwischen ‘Material’ und Formung mit den folgenden Worten: "Daß ich zwar alles wissen muß, aber daß ich es ausdrücken muß. Und Ausdruck ist etwas anderes, das ist eben nicht die Kundgebung von Meinung." (GuI/91.) Das Resultat sind Erzählungen, bei denen sich nun von mindestens zwei Erzählebenen sprechen läßt, von einer ‘Text-Oberfläche’ und einem ‘verschütteten Potential’.(37)

Für meine Frage nach dem Zusammenhang von Moral, Gesellschaft, Geschichte und gender ist die Figur der Elisabeth besonders interessant. Im Unterschied zu den weiblichen Protagonistinnen des Todesarten-Zyklus, in dem die zerstörerische Gewalt so stark ist, daß die Geschichten einen letalen Ausgang nehmen, überlebt Elisabeth. Ebenso interessant an ihr ist, daß ihre Anpassungs- und Aufstiegsstrategien nicht bruchlos in den dominanten Handlungsmustern aufgehen. Oder anders ausgedrückt: sie ist ‘drinnen’ und ‘draußen’. Gerade die ‘Brüche’ sind es, die, ganz ähnlich dem schon zur Zeit der Dissertation geäußerten Interesse an Fragen der Ethik und der moralischen Normen, beim Leser kritisch ‘Sinnfragen’ auslösen.(38)

Elisabeths ‘realistisch’ erzählte Geschichte stellt sich als ein enges Gewebe von Gegenwart und mehreren Vergangenheitsphasen heraus, und dies auch wieder nicht nur, wie es "tatsächlich" war, sondern Vergangenheit wird interpretiert. Dies geschieht, indem sich sowohl auf fiktive Figuren der österreichischen Literaturtradition, Figuren aus Joseph Roths Romanen Radetzkymarsch und Die Kapuzinergruft, als auf tatsächlich gelebt habende österreichische Personen, wie den jüdischen Emigranten Jean Améry, bezogen wird.

In Elisabeth, an der Eigenart ihres Denkens und Fühlens, gehen uns Geschichte und Gegenwart, Brüche und Kontinuitäten, auf. Und dies in einem dreifachen Sinn: die Namen(39) von Elisabeths Liebhabern verweisen unmittelbar auf Joseph Roths Roman Kapuzinergruft(40), und damit auf die Geschichte Österreichs zur Zeit der Habsburger Monarchie. Elisabeth schreibt als erfolgreiche Fotoreporterin über den Algerienkrieg und Abtreibungsfragen Reportagen und bricht am Ende der Erzählung zur Berichterstattung nach Vietnam auf. Wir "sehen sie also in den historischen Koordinaten unserer jüngsten Vergangenheit. Indem in Elisabeths Reflexion über ihre eigene Entwicklung für sie selbst ‘blinde Stellen’ bleiben, ‘sehen’ wir Leser ‘Brüche’ und Ungleichzeitigkeiten von Handeln und "Seele", die uns Aufschluß geben können über uns. Und darum geht es Ingeborg Bachmann in ihrem poetologischen Selbstverständnis, "daß die Gesellschaft durch eine neue Dichtung zu einem neuen Bewußtsein kommt." (GuI/139.) Wichtig ist, wie sie fortfährt und betont, daß diese Wirkung "nicht aus den Erfahrungen, die schon gemacht worden sind, von den großen Dichtem vor uns" erreicht werden kann, sondern nur "aus den neuen Leiderfahrungen." (Ebd.)

Was sind das für Beziehungen und Leiderfahrungen? Und wieso Leid? Zunächst sieht es ja ganz so aus, als hätte Elisabeth sich nach heutigen landläufigen Vorstellungen erfolgreich in die patriarchale Gesellschaft integriert. Sie "darf" - wie bereits 1972 Marcel Reich-Ranicki bemerkte "den Duft der weiten Welt ... und auch noch die Nähe berühmter Männer"(41) genießen, ja, mit ‘Stars’ des kulturellen Lebens verkehren.

Bei allem beruflichen Erfolg Elisabeths wird auch dessen ‘dunkle’ Seite sichtbar. Die Ursache ist allerdings nicht in den Geschlechtern zu suchen. In einem Brief, der an ihren Verlag gerichtet war, schrieb Ingeborg Bachmann über ihre Frauenfiguren des Simultan-Bandes: "Es sind keine fortschrittlichen Frauen, denn das wäre eine Beleidigung für eine Frau aus dieser Welt, die untergeht."(42) Nimmt man diese Notiz ernst, so wird an der Figur der Elisabeth mittels der dargestellten Ungleichzeitigkeit von ‘Seele’ und öffentlich dominanten Handlungsmustern der Eintritt ‘der’ Frau in die öffentliche Sphäre, ihre berufliche Karriere in einer ‘untergehenden Welt’, als ein dialektischer Prozeß sichtbar, in dem die Frage nach dem ‘Sinn’ dieses Prozesses in der Erzählung an die Protagonistin herangetragen und an den Leser weitergegeben wird.

Schauen wir uns kurz an, wie Elisabeths Bewußtwerdungsprozeß gestaltet wird.

Elisabeth wird nicht nur mit körperlich attraktiven Eigenschaften ausgestattet, sondern sie hat auch Denk- oder Reflexionsfähigkeit, ein Vermögen, das ihr Geliebter Trotta auf ihr Berufsethos richtet. Trotta fängt an, "sie zu zwingen, über ihren Beruf nachzudenken." (2/416.) Dies ist das "Allerwichtigste", daß "Trotta Elisabeth unsicher macht(e) in ihrer Arbeit". So beginnt Elisabeths Bewußtwerdungsprozeß, der sie schließlich zu einer kritischen Haltung gegenüber dem Problem der ‘Ästhetisierung des Leidens’ führen wird. Am Anfang dieses Prozesses steht Trotta mit seiner Kritik an Elisabeths Reportagen über Gewalt. Gegen ihre Aufklärungsintention setzt er das folgende Argument: "... es ist eine Zumutung, es ist eine Erniedrigung, eine Niedertracht, einem Menschen auch noch zu zeigen, wie andere leiden. Denn es ist natürlich anders in Wirklichkeit." (2/419.)(43)

Nicht nur ist in die Figur Elisabeth Geschichte und Gesellschaft eingeschrieben, sondern Ingeborg Bachmann schreibt selbst in einem bestimmten zeitgeschichtlichen ‘Diskurs’. Wenn Trotta auf Elisabeths Vorwurf, er lebe nicht in dieser Zeit, antwortet:

Ich lebe überhaupt nicht, ich habe nie gewußt, was das ist, Leben. Das Leben suche ich bei dir, aber ich kann mir nicht einmal einbilden, daß du es mir geben könntest. Du siehst nur aus wie das Leben, weil du dich herumtreibst und abhetzt für alles, wovon man in ein paar Jahren kaum mehr wissen wird, wozu es nötig war (2/420)

so knüpft Ingeborg Bachmann damit an einen Diskurs der 60er Jahre an, der von einem emphatischen Begriff des Lebens ausging, der Glück und nicht die vielen Formen des Ersatzes meinte, und zwischen den tatsächlich vorfindbaren Lebensformen und einem ‘wahren’ Leben unterschied. Zwischen ‘wahren’ und ‘verkehrten’ Bedürfnissen zu differenzieren, war für die 68er ein wichtiger ideologiekritischer Gedanke, und die von Herbert Marcuse kritisch gegen die vorhandene gesellschaftliche Realität entwickelte Idee einer repressionsfreien Kultur gehörte zum Ideengut der damaligen intellektuellen ‘Avantgarde’.(44)

Ingeborg Bachmann nimmt deren ideologiekritische Position auf. Zugrunde liegt ein emphatischer Praxisbegriff, dessen Realisierung autonome, moralisch handelnde Subjekte verlangt. In Drei Wege zum See haben, im Unterschied zur Rohheit von Manes und Philippe, Personen wie Franz Eugen Trotta, der alte Herr Matrei, Elisabeths Bruder Robert, Branco und Elisabeth gemeinsam, daß sie eine "Zartheit" auszeichnet, eine "Empfindsamkeit", ein Rest, der nicht aufgeht in der gegebenen Gesellschaft. Dieser Rest ist wesentlich, denn er bedeutet nicht nur ‘Schmerz’, sondern auch Hoffnung auf eine humanere Zukunft. Elisabeth stellt nicht nur den Sozialcharakter dar, den die Gesellschaft braucht.

Ihre Differenz zu gesellschaftlich dominanten Verhaltensmustern verdanken weder Elisabeth noch ihr Vater oder Trotta ihrer Geschlechtszugehörigkeit, sondern ihrer Liebesfähigkeit. So wäre es falsch, anzunehmen, die Erzählung plädiere für die Frauen oder die Männer. Natürlich stehen Frauengestalten, deren Schicksale und Erfahrungen, im Spätwerk im Erzählzentrum, und es ist - leider - auch weiterhin aktuell, was Ingeborg Bachmann über den Krieg der Geschlechter geschrieben hat, aber gegen jede Problemverkürzung erhebt nicht zuletzt eine Stelle aus einem unveröffentlichten Brief Ingeborg Bachmanns an den Verlag Einspruch:

Daß ich Herrn Jordan und manche andere nicht gerade sympathisch finde, das ist aufgewogen durch die immensen Sympathien, die ich einem Trotta oder einem Manes oder einem armen Erich entgegenbringe. Es ist also kein Buch für Frauen und auch keins für Männer, es ist ein Buch für Menschen. Die Menschen, ja, die Menschen, die sind in einer schwierigen Lage, allesamt, und davon erlöst sie kein Geschlecht. (NL 3743.)

Der Verkümmerung der Liebesfähigkeit gibt ihre Literatur Ausdruck. Sichtbar wird dabei nicht nur die Verstörung der Geschlechter, sondern eine Kritik am Ganzen.

So verfremden sich Elisabeth im Laufe ihrer beruflichen Karriere die heimatliche Gegend und das frühere London. In Klagenfurt findet sie nicht mehr die Wege zum See und muß sich mittels Karten orientieren und über London heißt es: "Sie wußte nicht, wohin ihr früheres London verschwunden war, alles, was ihr einmal gefallen hatte. Es verstörte sie die Karikatur der Großstadt in der Großstadt, sie ärgerte sich auf der Oxford Street, wenn sie durch diese Menschenmassen trieb ... " (2/407). Aber es gibt einen psychischen Unterschied, den Verfremdungen in der Heimat oder in der "Fremde" begleiten. So weiß sie sich auf dem "Südbahnhof" in Wien sofort dadurch zu helfen, daß sie der "Schwester hundert Schilling für die Mission" gibt und als Gegenleistung darauf rechnen kann, daß diese "mit dem Schaffner" um eine "Platzkarte" für sie verhandeln wird (2/407). Sie ist erleichtert, weil ihr "vertraute Töne" begegnen, d.h. sie kann Umgangsformen und Gepflogenheiten richtig entschlüsseln und deswegen auch vertrauen. Genau dies nennt Jean Améry den kleinen aber wichtigen Unterschied zum "Kosmopolitismus zweiten Ranges".(45) Diesen Zusammenhang hat er einmal so ausgedrückt: "In der Heimat beherrschen wir souverän die Dialektik von Kennen-Erkennen, von Trauen-Vertrauen."(46)

Bei aller moralischen Verwandtschaft der "empfindsamen" Figuren zeigt sich auch deren Differenz. Ihre Schädigungen haben graduelle Unterschiede.

Zwar ist von Trotta, Améry und Elisabeth die Rede als von "Exilierten", aber Elisabeth, in Differenz zu Franz Eugen Trotta und Jean Améry, kann die Fremde für sich als "Rettung" erleben. Ein Rückgriff auf Jean Amérys Essay Wieviel Heimat braucht der Mensch hilft, diese Differenz genauer zu verstehen. Wie er bemerkt hat, wird Exil konnotiert mit ‘Elend’ und in der früheren Bedeutung auch ‘Verbannung’.(47) Während Elisabeth mit der Öffnung auf die Welt, auf sozusagen einen ‘kulturellen Internationalismus’ hin, ihre Staatszugehörigkeit nicht verliert, ihre kollektive Identität gebunden bleibt an Österreich, bedeutete das Exil 1933 für einen jüdischen Emigranten nicht nur den Verlust von "Haus und Hof", Sprache und Menschen, sondern auch den von "Vergangenheit", Geschichte.

Elisabeths Geschichte unterscheidet sich somit von der Amérys. Und dennoch ist ihre Epoche keine, die sich klar trennt von der vorangegangenen. Indem sie bis in ihre gegenwärtige Psyche hinein mit der Moral eines Trotta verbunden wird, der sie langsam mit in den ‘Untergang’ zieht, scheint sich mir in der Störung der Geschlechter eine traurige Kontinuität zu zeigen.

Mit Trotta nämlich werden Erinnerungen an die Lebensgewohnheiten des damaligen jungen Adels des untergehenden Kaiserreichs evoziert. Zu dessen 'Sitten' gehörte, wie Joseph Roth in seinen Romanen schilderte, daß die "Liebe als eine Verirrung" galt, "ein Verlöbnis so etwas wie eine Apoplexie (war) und eine Ehe ein Siechtum."(48) Stattdessen hatten Trottas Freunde ‘Liaisons’, die mit den folgenden Worten charakterisiert wurden: "Frauen, die man ablegte, manchmal sogar herlieh wie Überzieher; Frauen, die man vergaß wie Regenschirme oder absichtlich liegen ließ wie lästige Pakete, nach denen man sich nicht umsieht, aus Angst, sie könnten einem nachgetragen werden."(49)

Noch die für Elisabeth richtungsweisenden "Geistersätze" kommen von hier: "Verschaff dir nichts, behalt deinen Namen, nimm nicht mich, nimm dir niemand, es lohnt sich nicht." (2/429.) Sie erinnern an die Figur des Leutnant Chojnicki in Joseph Roths Roman Radetzkymarsch.(50)

Nicht nur wird Elisabeths Gegenwart also mit Österreichs jüngster Vergangenheit verknüpft, sondern wie Joseph Roth thematisiert auch Ingeborg Bachmann den Verfall der Möglichkeit dauerhafter Liebesbeziehungen nicht nur als ein Geschlechterproblem, das dann bekanntlich immer das des "schwachen Geschlechts" ist, sondern als ein strukturelles, eines der ‘Sitten’ der Gesellschaft. Für ihre Frauenporträts ist nicht unwichtig, wie sie selbst einmal gesagt hat, "was rundherum ist, ihre Beziehungen zu ihrer Arbeit, zu ihren Männern." (GuI/140)

Bedenkt man Elisabeths sexuelles und emotionales Leben, so zeigt sich ein Verletztsein, welches der Leser doppelt verstehen kann: einerseits als ihre Empfindlichkeit, die sie schutzlos gegen "Haß" in der gegenwärtigen Gesellschaft macht (2/430), andrerseits als eine nicht in diese Zeit passende "seelische Qualität", die als subjektives Potential für eine humanere Zukunft verstanden werden kann. Diese Möglichkeit, diese Utopie, denkt Ingeborg Bachmann als eine moralische Fähigkeit, die Menschen beiderlei Geschlechts haben können.

Elisabeths auf den ersten Blick so erfolgreiche Integration in die vorhandene Gesellschaft, kann nicht gelingen, nicht zuletzt, weil die soziale Welt sich ‘entdeckt’ als eine Sinneswirklichkeit, in der die Zeichen - ganz ähnlich wie für den ins Exil getriebenen Juden, die "Gesichter, Gesten, Kleider, Häuser, Worte"(51), nicht mehr deutbar sind. Menschen, denen sich Elisabeth verbunden fühlt, wie ihrem Geliebten Manes, bleiben uneinsichtige Zeichen "wie die etruskische Schrift".(52) Manes verläßt Elisabeth plötzlich, "ohne Grund". Der Mangel an verbindlicher Moral reicht weit in die private Sphäre hinein und die Menschen ‘zeigen’ sich in ihren Beziehungen als ‘heimatlos’.

Entgegen jeder vereinfachenden Opposition von ‘männlich’ und ‘weiblich’ und im Unterschied zum Malina-Roman, in dem das weibliche Ich die "Kunst der Liebe" inszeniert, ist es am Schluß dieser Erzählung ein Mann, Branco, "ein Sohn oder Enkel von Bauern und Händlern ..." (2/474), der Elisabeth eine Liebeserklärung macht. Elisabeth aber liest seinen Zettel, "ohne zu begreifen" (2/477).

So steht es um die ‘Sitten’ der Zeit. Im Nachlaß findet sich folgende Notiz:

Im Verhör - die Männer, die Frauen ... Gibt es das? Gibts nicht, obwohl es sie gibt, fürs Einwohnermeldeamt, für die Familienministerien, für die Bekleidungsindustrie. Es gibt nur die Köpfe, die Herzen, die Begierden, die sich ihre Wege kreuz und quer durch die Gegend suchen, die sanften Lieben, in denen die Gegenstände und die Augenblicke mehr Auferstehung feiern als ein Mensch.(53)

Es gibt natürlich eine Reihe weiterer Aspekte, die für einen literarhistorischen Zusammenhang von Bedeutung sind. So könnte am Problem der Darstellbarkeit Ingeborg Bachmanns Beitrag für eine literaturtheoretische Debatte über Formen des kollektiven Gedächtnisses gewürdigt werden. Wie Sigrid Weigel(54) ausgeführt hat, setzt Ingeborg Bachmann in ihrem Roman Malina "Spuren von Trauer", indem sie in eine mythische Liebesgeschichte die Stimme des jüdischen Autors Paul Celan einflicht.

Auch darf bei aller kritischen Darstellung der ‘Sitten’ einer Zeit nicht zu kurz kommen, daß Ingeborg Bachmann von der Literatur immer auch verlangt hat, daß sie Anfänge eines ‘feiertäglichen’ Zustandes der Welt imaginiert, und daß damit ihr Literaturverständnis Theodor W. Adornos Forderung an die Kunst, den Abstand zwischen der gegebenen Praxis und dem Glück auszumessen, entgegenkommt. Somit ist von Ingeborg Bachmanns Literatur nicht zu schreiben, ohne auf ihren Utopiebegriff einzugehen.

Ein vorläufiges Zwischenergebnis könnte vielleicht dennoch sein, daß eine Literaturgeschichte, die einem Spezialgebiet gerecht werden möchte, für Ingeborg Bachmann Werk kulturelle Bezüge, die mit der Geschichte Österreichs verbunden sind, philosophische Tradition, die sich nicht nur auf Ludwig Wittgenstein, sondern auch auf Aufklärer wie Immanuel Kant bezieht, ebenso sichtbar werden lassen sollte wie die verstörten Beziehungen der Geschlechter in einer "untergehenden Gesellschaft".

Zur Autorin


Der hier publizierte Beitrag erschien erstmals in: Donald G. Daviau/Herbert Arlt (Hgg.): Geschichte der österreichischen Literatur. Teil I. St. Ingbert: Röhrig, 1996 (=Österreichische und internationale Literaturprozesse, Bd.3, Teil II). S. 397-415.

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Anmerkungen:

(1) S. Hans Höller: Ingeborg Bachmann: Das Werk. Von den frühesten Gedichten bis zum ‘Todesarten-Zyklus’. Frankfurt/M. 1987, S. 277.

(2) Ebd., S. 278.

(3) Ebd.

(4) "Frauenliteratur" wird hier als Orientierungsvokabel für alle von Frauen geschriebenen Texte verwendet, nicht aber als Genrebegriff.

(5) Eine Einführung in Forschungsfragen frauenspezifischer Untersuchungen, in Probleme der Kategorienbildung und Methodenpraxis sowie zentrale Probleme der Autorinnen findet sich in Gisela Brinker-Gablers Einleitung "Frauen schreiben. Überlegungen zu einer ausgewählten Exploration literarischer Praxis". In: dies. (Hrsg.): Deutsche Literatur von Frauen. Erster Band, München 1988. Vgl. auch: Barbara Becker-Cantarinos Einleitung "Zur Sozialgeschichte von Frau und Literatur". In: dies.: Der lange Weg zur Mündigkeit. Frau und Literatur (1500-1800), Stuttgart 1987. Hier findet sich auch eine kritische Einschätzung der bisherigen Literaturgeschichtsschreibung.

(6) Neben den genannten sozialgeschichtlich oder komparatistisch angelegten Arbeiten wäre auch die von Sigrid Weigel zu nennen, die die Gegenwartsliteratur von Frauen unter ein Leitmotiv stellt, das der Schreibweise. S. dazu Sigrid Weigel: Die Stimme der Medusa. Schreibweisen in der Gegenwartsliteratur von Frauen. Dülmen-Hiddingsel 1987.

(7) Eine Übersicht über Probleme und Themen der norwegischen Frauenliteraturgeschichte gibt Åse Hiorth Lervik in ihrem Aufsatz "Kvinnestormen mot parnasset". In: Nytt om Kvinneforskning Nr. 5, Oslo 1990.

(8) Vgl. hierzu die kritische Betrachtung von Frauenbildern in der Literatur des 18. Jh. von Silvia Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen. Frankfurt/M. 1979.

(9) Einleitung zu Helga Gallas, Magdalene Heuser (Hrsg): Untersuchungen zum Roman von Frauen um 1800. Tübingen 1990.

(10) S.: Kein objektives Urteil - nur ein Lebendiges. Texte zum Werk von Ingeborg Bachmann, hrsg.v. Christine Koschel u. Inge von Weidenbaum, München 1989. S. bes. Friedrich-Wilhelm Korff: "Ingeborg Bachmanns Falschspiel mit der Liebe" (S. 166-178) und Mareel Reich-Ranicki: "Die Dichterin wechselt das Repertoire" (S. 188-192). Vgl. auch Elke Atzler: "Ingeborg Bachmanns Roman ‘Malina’ im Spiegel der literarischen Kritik" in: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft, Dritte Folge, 15.Bd., Wien 1983.

(11) S. Ingeborg Bachmann, Wir müssen wahre Sätze finden, Gespräche und Interviews, hrsg. v. Christine Koschel und Inge von Weidenbaum, München 1983, S. 133 (Im Folgenden zitiert als GuI).

(12) S. Sara Lennox: "Bachmann and Wittgenstein". In: Modern Austrian Literature, Volume 1, 1985, p. 239ff, Kurt Bartsch "Ingeborg Bachmanns Wittgenstein- und Musil-Rezeption". In: Akten des VI. Internationalen Germanisten-Kongresses, Basel 1980". Jahrbuch für Internationale Germanistik Reihe A, Band 8,4, S. 527-532; Heide Seidel: "Ingeborg Bachmann und Ludwig Wittgenstein. Person und Werk Ludwig Wittgensteins in den Erzählungen ‘Das dreißigste Jahr’ und ‘Ein Wildermuth’". In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, hrsg. v. Werner Besch u.a., 98.Bd., Berlin 1979, S. 267ff., Malgorzata Swiderska: "Einige Bemerkungen zum Thema: Ingeborg Bachmann und Ludwig Wittgenstein". In: Acta Universitatis Lodziensis, Folia Litteraria 11, 1984, S. 101-110, Malgorzata Swiderska: Die Vereinbarkeit des Unvereinbaren. Ingeborg Bachmann als Essayistin. Tübingen 1989, S. 11-31 Reihe: Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte, Bd.49.

(13) Nachlaß Blatt 1744 und 1745.

(14) Vgl. Karl Heinz Bohrer. Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, Frankfurt/M. 1981, bes.: "Utopie des Augenblicks und Fiktionalität. Die Subjektivierung von Zeit in der modernen Literatur", S. 180-261; zu den charakteristischen Merkmalen der Epiphanie s. Theodore Ziolkowski: James Joyces Epiphanie und die Überwindung der empirischen Welt in der modernen deutschen Prosa. In: Deutsche Vierteljahreszeitschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Heft 35,1961; besonders zu James Joyce s. Walter Höllerer: "Die Epiphanie als Held des Romans". In: Akzente, 8.Jg., 1961, S. 125ff.

(15) S. hierzu Dagmar Kann-Coomann: "... eine geheime langsame Feier ..." Zeit und ästhetische Erfahrung im Werk Ingeborg Bachmanns. Frankfurt, Bern, New York, Paris 1988 (=Europäische Hochschulschriften Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur Bd. 1070).

(16) S. Kurt Bartsch. Ingeborg Bachmann. Stuttgart 1988, S. 181.

(17) S. Ingeborg Bachmann: Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers. Hrsg. v. Robert Pichl u. mit e. Nachwort von F. Wallner. München, Zürich 1985, S. 23 Im folgenden zitiert als KA.

(18) Karl-Otto Apel versucht, ein gemeinsames Anliegen im Denken Heideggers und Wittgensteins aufzufinden. S. Karl-Otto Apel: "Wittgenstein und Heidegger. Die Frage nach dem Sinn und der Sinnlosigkeitsverdacht gegen alle Metaphysik". In: Heidegger, hrsg. v. Otto Pöggeler. Köln Berlin 1970, S. 358ff.

(19) S. Ingeborg Bachmann: Sagbares und Unsagbares - Die Philosophie Ludwig Wingensteins. In: Werke IV. Bd., S. 111.

(20) S. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. In: Immanuel Kant: Werke, hrsg. v. Wilhelm Weischedel, Bd. I-XII, Frankfurt/M. 1968, Bd. IV, S. 707.

(21) Metaphysik meint zunächst einmal, daß die Prinzipien der Erkenntnis jenseits der Erfahrung liegen, sowohl der äußeren, d. i. der Physik als Quelle, als der inneren Erfahrung, d. i. der Psychologie.

(22) S. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, S. 708. Zur Interpretation von Kants Metaphysikverständnis durch Martin Heidegger s. Martin Heidegger: Kant und das Problem der Metaphysik. Frankfurt/M. 1973. Heidegger schreibt: "Mit dem Problem der Transzendenz wird an die Stelle der Metaphysik nicht ‘Erkenntnistheorie’ gesetzt, sondern die Ontologie auf ihre innere Möglichkeit befragt." (S. 17.)

(23) Vgl. die Kantische Gegenüberstellung des Logikers, der als "Vemunftkünstler" bezeichnet wird, mit dem Philosophen als dem "Gesetzgeber der Vernunft". In: Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. Transzendentale Methodenlehre. In: Werke Bd. IV, S. 700.

(24) S. Ingeborg Bachmann: Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden. Werke, IV. Band, S. 275.

(25) S. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe, B 176ff.

(26) S. Immanuel Kant Zur Kritik der reinen Vernunft. Anhang zur transzendentalen Dialektik: Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft, B 672: "Die Vernunft bezieht sich niemals geradezu auf einen Gegenstand, sondern lediglich auf den Verstand, und vermittels desselben auf ihren eigenen empirischen Gebrauch, schafft also keine Begriffe (von Objekten), sondern ordnet sie nur, und gibt ihnen diejenige Einheit, welche sie in ihrer größtmöglichen Ausbreitung haben können, d. i. in Beziehung auf die Totalität der Reihen, als auf weiche der Verstand gar nicht sieht."

(27) S. Immanuel Kant: Logik Anhang - Von dem Unterschiede des theoretischen und des praktischen Erkenntnisses. In: Kant Werke V, S. 518.

(28) S. Ingeborg Bachmann: Der Fall Franza. Werke. III. Band, S. 346.

(29) S. Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Kant, Werke VI, S. 60.

(30) S. Ingeborg Bachmann: Requiem für Fanny Goldmann. Werke, III. Band, S. 483ff.

(31) Zur Klagegebärde, auf die sich "die affektiven Ausdrucksbewegungen des Ich zurückführen" lassen, s. Hans Höller: Ingeborg Bachmann: Das Werk, S. 251.

(32) Zur Nähe von Ingeborg Bachmanns Kulturkritik und der Kritik Th. W. Adornos und Max Horkheimers in deren Buch Dialektik der Aufklärung s. Hans Höller: Ingeborg Bachmann. Das Werk, S. 264.

(33) Zur Frankfurter Schule s. Rolf Wiggershaus: Die Frankfurter Schule. Geschichte. Theoretische Entwicklung. Politische Bedeutung. München 1989.

(34) Ingeborg Bachmann, Anmerkungen zum II. Bd., S. 607,608.

(35) Das Kursbuch widmete 1969 dem Thema ‘Frauen - Familie - Gesellschaft’ eine Nummer. S. Sigrid Weigel: "Frauenliteratur - Literatur von Frauen". In: Gegenwartsliteratur seit 1968, hrsg. v. Klaus Briegleb u. Sigrid Weigel. München 1992, S. 245.

(36) S. Ingeborg Bachmann: Drei Wege zum See. In: Werke II. Bd., S. 480/81. Im folgenden werden die Texte Ingeborg Bachmanns zitiert als Band/Seitenzahl nach: Ingeborg Bachmann: Werke in vier Bänden, hrsg. v. Christine Koschel, Inge von Weidenbaum und Clemens Münster. München 1978 Werkausgabe.

(37) S. Peter W. Nutting: "Ein Stück wenig realisiertes Österreich: The Narrative Topography of Ingeborg Bachmann's ‘Drei Wege zum See’". In: Modern Austrian Literature, Journal of the International Arthur Schnitzler Research Association, Volume 18, Numbers 3/4, Special Ingeborg Bachmann Issue, Riverside/CA 1985. Zur Erzähltechnik s. auch Irene Holeschofsky "Bewußtseinsdarstellung und Ironie in Ingeborg Bachmanns Erzählung Simultan" (1980), ursprünglich in: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft, Vol. 11, 1980, wiederabgedruckt in: Kein objektives Urteil, a.a.O., S. 469-479.

(38)Zur besonderen Existenzweise der Frauen, nämlich an der bestehenden Kultur teilzunehmen, ja, durchaus Anpassungsstrategien zu entwickeln, und gleichzeitig ausgegrenzt zu sein s. Sigrid Weigel. "Der schielende Blick. Thesen zur Geschichte weiblicher Schreibpraxis". In: Inge Stephan und Sigrid Weigel: Die verborgene Frau. 6 Beiträge zu einer feministischen Literaturwissenschaft. Berlin 1983, S. 83-137 (= Literatur im historischen Prozeß, Neue Folge, Band 6, Argument Sonderband 96).

(39) Zur Bedeutung der Namen s. Ingeborg Bachmanns Vierte Frankfurter Vorlesung; Der Umgang mit Namen. In: Ingeborg Bachmann. Werke, Vierter Band, aa.O., S. 238-255. S. dazu Robert Pichl - "Rhetorisches bei Ingeborg Bachmann. Zu den ‘redenden Namen’ im ‘Simultan’-Zyklus". In: Jahrbuch für Internationale Germanistik. Reihe A. Kongreßberichte. Bd. 8: Akten des VI. Internationalen Germanisten-Kongresses Basel 1980. Teil 2. Bern/ Frankfurt/M./ Las Vegas 1980, S. 298-303. Zur Bedeutung der Namen in ‘Drei Wege zum See’ und deren Bezug auf Joseph Roths Roman ‘Die Kapuzinergruft’ s. Leo A. Lensing: "Joseph Roth and the Voices of Bachmann's Trotta: Topography, Autobiography, and Literary History in ‘Drei Wege zum See’". In: Modern Austrian Literature, a.a.O., p. 53-76.

(40) Zu den intertextuellen Bezügen s. Irena Omelaniuk: "Ingeborg Bachmann's Drei Wege zum See: A Legacy of Joseph Roth". In: Seminar. A Journal of Germanic Studies, Volume XIX, Number 1, Toronto February 1983, p. 246-264.

(41) S. Marcel Reich-Ranicki: "Die Dichterin wechselt das Repertoire". In: Kein objektives Urteil, a.a.O., S. 191.

(42) Nachlaß Blatt 3698.

(43) Zum Problem der ‘Ästhetisierung des Leidens’ vgl. Irene Heidelberger-Leonard: "Ingeborg Bachmann und Jean Améry: Zur Differenz zwischen der Ästhetisierung des Leidens und der Authentizität traumatischer Erfahrung". In: Ingeborg Bachmann. Neue Beiträge zu ihrem Werk, a.a.O., S. 189.

(44) In diesem Zusammenhang wäre vor allem an Herbert Marcuses Schriften Triebstruktur und Gesellschaft (Frankfurt/M. 1955) sowie Der eindimensionale Mensch (Neuwied 1964) zu denken.

(45) S. Jean Améry: "Wieviel Heimat braucht der Mensch?" In: Jean Améry: Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten. Stuttgart 1980 (zweite Auflage), S. 95.

(46) Ebd., S. 82.

(47) Ebd., S. 75.

(48) S. Joseph Roth: Die Kapuzinergruft. In: Joseph Roth. Werke, Zweiter Band, Neue erweiterte Ausgabe in vier Bänden, hrsg. und eingeleitet v. Hermann Kesten. Amsterdam 1975, S. 874.

(49) Ebd.

(50) S. Joseph Roth: Radetzkymarsch. In: Joseph Roth. Werke, Zweiter Band, a.a.O., S. 186.

(51) S. Jean Améry: "Wieviel Heimat braucht der Mensch?", S. 82.

(52) Ebd.

(53) S. Nachlaß Blatt 1389.

(54) S. Sigrid Weigel: "Zur Polyphonie des Anderen". In: Ingeborg Bachmann. Die Schwarzkunst der Worte, hrsg. v. John Pattilo-Hess u. Wilhelm Petrasch. Wien 1993, S. 9-25.


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