Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 7. Nr. September 1999

Soziales Engagement und symbolistische Stilmittel bei Ivan Cankar
Das Wien der Jahrhundertwende aus der Perspektive
eines europäisch-slowenischen Autors

Katja Sturm Schnabl (Wien)
[BIO]

 

Ivan Cankar (1876 - 1918) wurde am 10. Mai 1876 in Vrhnika, einer Ortschaft 30 km westlich von Ljubljana gelegen, in einer kinderreichen, verarmten Handwerkersfamilie geboren. Nur eine Unterstützung der Gemeinde ermöglichte es dem begabten Knaben, das Gymnasium in Ljubljana zu besuchen. 1896, nach der Matura, ging er zum Studium nach Wien, das er aber bald aufgab, um sich als freier Schriftsteller niederzulassen. Von 1989 bis 1909 lebte er in Wien, schrieb er in Wien und erlebte er Wien. Ein gutes Jahrzehnt, in dem er in den europäischen Literaturraum hineinwuchs und die slowenische Literaturtradition in die europäische hineintrug.

Cankar konnte daher aus diesem Sublimierungsprozeß heraus, wie kein anderer Künstler, in die slowenische Literatur, Kultur und Politik grundsätzliche und qualitativ umwälzende Neuerungen einbringen. Sein künstlerisches, soziales, politisches und nationales Engagement verwirklichte er konsequent in seinen literarischen Schöpfungen, in denen er die Sprache in all ihren Dimensionen ganz bewußt in höchster Vollendung zum Einsatz brachte. Das heißt vor allem, daß die Kunst des Wortes - das sprachliche Kunstwerk - nicht nur Ausdrucksmittel seiner Anliegen wird - die Sprache erhält bei Ivan Cankar auch eine autonome Kunstdimension, die vordergründig für sich und aus sich heraus als Sprache in der Sprache - eben als Kunstwerk - lebt. Dies liegt an seiner symbolistischen Ausrichtung, d.h. an den poetischen und ästhetischen Prinzipien des Symbolismus, dessen konsequentester Vertreter Cankar in der slowenischen Literatur wurde. Mehr noch, der Symbolismus erfährt gerade durch Cankar eine zusätzliche Dimension, nämlich das gesellschaftspolitische Engagement als poetisches Stilmittel.(1) Bei seiner konsequenten Auffassung von der Sprache als autonome ästhetische Dimension muß jedes Engagement dem sprachlichen Kunstwerk dienen, ohne aber dabei an Aussagekraft zu verlieren; im Gegenteil, diese erfährt eine Steigerung, denn die gesellschaftskritische Botschaft wird so zum magischen Wort, wie es einst im Mythos wirkte(2), das den Menschen ganzheitlich erfaßt, die bloße Information durchbricht und dem Leser den Nachvollzug , das Miterleben ermöglicht, ihn in den Bannkreis des Geschehens einbezieht und betroffen macht.

Cankars erste, jugendliche Schaffensperiode von 1891 - 1896, noch während seiner Schulzeit in der Heimat, entwickelte sich aus der slowenischen klassischen literarischen Tradition heraus, ließ aber bereits seine starke Sensibilität für soziale, gesellschaftliche und nationale Diskriminierung spürbar werden. Dies ist nicht verwunderlich, kam er doch selbst aus jenem slowenischen Milieu, das auf Grund der kapitalistischen Expansion der Verarmung ausgeliefert war. Ja, die gesamte wirtschaftliche Situation der Slowenen war von der Not breitester Bevölkerungsschichten gekennzeichnet. In der Folge waren auch Sprache und Kultur in ihrer Existenz ernsthaft bedroht. Es war zwar 1867 ein Staatsgrundgesetz über die Gleichberechtigung der Völker der Monarchie erlassen worden, es wurde aber unterlaufen, bevor es zum Tragen kommen konnte, und die deutschnationale Hegemonie, die auch das Kapital in Händen hatte, blieb tonangebend.(3) Die dünne slowenische Bürgerschicht aber durchschaute die Gefahr nicht und verplänkelte ihre Kräfte in kleinlichem Parteienhader und verspielte ihre nationalen Kräfte in der liberalen und klerikalen Polarisierung und in der Verteidigung einer Scheinmoral. Der noch aus dem Vormärz geprägte, gut funktionierende bürokratische Apparat der deutschen Zentralmacht hatte leichtes Spiel, mit scheinbaren politischen Freiheiten diese slowenische Bürgerschicht für die eigenen hegemonistischen Zwecke zu benützen und auf ein kleinbürgerliches Niveau herabzudrücken. Die Verarmung der Bauern und Gewerbetreibenden führte zu Massenauswanderungen, die demographisch bedenkliche Ausmaße angenommen hatten; der Mangel an slowenischen Schulen, die Vorherrschaft von fremdem Kapital ließ keine selbstbewußte slowenische Bürgerschicht aufkommen; die wenigen, die zu dieser slowenischen Bürgerschicht gehörten, fühlten sich als Elite und entwickelten ein System kultureller und moralischer Bevormundung des eigenen Volkes, wobei es ihnen offenbar nicht klar wurde, daß sie dabei nur die Unterdrückungsmechanismen der monarchistischen Zentralgewalt kopierten, am eigenen Volk exerzierten und zu Handlangern jener deutschen Zentralmacht wurden, die die koloniale Ausbeutung der slavischen Völker der Monarchie betrieb und es auch weiter tun wollte. Daher war ihr jedes Mittel recht, eine kulturelle Verselbstständigung zu verhindern, die ja eine Vorstufe für eine wirtschaftliche Emanzipation gewesen wäre.(4)

Cankar hat als visionärer Künstler diese paradoxe Situation seiner Heimat und seines Volkes schon früh erkannt und im Laufe der Zeit für diese doppelte Unterdrückung - durch die Zentralmacht und durch die von dieser manipulierte Bürgerschicht - eine außergewöhnliche Sensibilität entwickelt. Die politische und gesellschaftliche Situation seines Volkes ließ er in seine künstlerischen Auseinandersetzungen einfließen, und machte eben auch die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung zum Sujet seines sprachlichen Kunstwerkes, das dadurch auch die Funktion einer politischen Aktion übernahm. Dabei bediente sich Cankar bravourös des poetischen Prinzips des Symbolismus, wonach die Poesie die Werte der Dinge umwandelt und so jedes Sujet - auch das Häßlichste - durch die Kunst zu einem poetischen Motiv werden kann. Er versteht es, jene Korrespondenzen zu schaffen, die die reale Welt mit der Welt der Symbole verbindet und ihr so den Weg in geistige und moralische Dimensionen weist. Aus dieser Konstellation ergeben sich auch die literarischen Protagonisten und Helden seines Oeuvres. Eben diese Komplexität der dichterischen Aussage und Ausführung mit ihren poetischen Verknüpfungen und Korrespondenzen, die nicht begriffen wurden, waren mit ein Grund, daß Cankar in seiner Zeit von nur wenigen verstanden wurde, und daß die Kritik (die slowenische) an seinem Werk so vehement Anstoß nahm.

Und doch war Ivan Cankar ein zutiefst slowenischer Künstler, der seine künstlerische Botschaft in seiner Muttersprache formulierte, die er als künstlerisches Mittel solange bearbeitete, ausfeilte und überhöhte, bis sie eine autonome künstlerische Dimension als poetische Sprache annahm. In dieser poetischen Sprache verarbeitete er dann seinen individuellen und nationalen Erfahrungen als Künstler, um ihnen allgemeingültige Bedeutung zu verleihen. Diese Erfahrungen waren die Erfahrungen eines Menschen, der einer Volksgemeinschaft angehörte, die in seiner Zeit keine politische Selbstständigkeit besaß, und deren Lebensraum innerhalb der Grenzen der Habsburgermonarchie wie eine Kolonie behandelt und ausgebeutet wurde. Durch diese Erfahrungen war Cankar in höchstem Maße sensibilisiert für jedwede Art von Unrecht, und so wurde die Verteidigung aller Erniedrigten und Beleidigten und damit die Verteidigung der Moral zu seinem künstlerischem Credo.

Mit seinem Roman Hiša Marije Pomocnice, der 1904 erschien(5), aber hat Ivan Cankar zudem in mehrfacher Hinsicht den nationalen Rahmen der slowenischen Literatur gesprengt. Der Stoff, das Motiv und das Sujet sind nicht seiner slowenischen Heimat entnommen, sie beruhen auf den sozialen Gegebenheiten in der damaligen Hauptstadt der Habsburger Monarchie, Wien, und es ist ein Wien der Beleidigten und Erniedrigten der Jahrhundertwende, das Cankar vor dem Leser entstehen läßt.

Die literarischen Stilmittel aber, die Cankar zur Durchführung dieses sprachlichen Kunstwerkes einsetzt sind diejenigen, die zum damaligen Zeitpunkt das europäische literarische Geschehen prägten, die er nicht nur sublimiert, sondern die er aus seiner persönlichen künstlerischen Schau und Kreativität heraus erweitert. Das heißt aber, daß Cankar auch als Angehöriger eines Volkes, dem die hegemonistische Zentralmacht nicht einmal ausreichend Schulen mit muttersprachlichem Unterricht zubilligte, geschweige eine Universität oder gar Akademie der Wissenschaften (beides wurde damals von den Slowenen eingefordert), nicht nur das künstlerische Geschehen, sondern auch die philosophischen Strömungen im gesamteuropäischen Raum erfaßt und absorbiert hatte. In seinem Roman Hiša Marije Pomocnice bringt er in die realistische Erzählung die Stilmittel des Symbolismus ein, erweitert sie durch sein soziales Engagement, verwendet dazu auch holistische Ansätze der vitalistischen Philosophie (Bergson, Emmerson) , mit der seine Heldinnen - dies sind 14 todkranke Kinder - die gesellschaftliche Wirklichkeit überwinden um in einer höheren Wirklichkeit ihre Menschenwürde zurückzuerhalten.

Der Ort der Handlung ist das Haus der Barmherzigkeit, ein Krankenhaus im 17. Wiener Gemeindebezirk. In diesem Krankenhaus ist es die Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Hier liegen in einem Zimmer im 2. Stock 14 Kinder, Mädchen, die alle durch die Lebensumstände, in denen sie leben mußten, krank geworden waren, mit unheilbaren Krankheiten angesteckt wurden. Zum einen ist es die Gesamtheit dieser 14 Kinder, die das Kind an sich symbolisieren, dem in der damaligen Gesellschaft keine individuellen Rechte zugestanden wurden, sie bilden zusammen einen kollektiven literarischen Helden des Romans. Zum anderen aber erzählt uns Cankar auch die individuellen Schicksale jedes einzelnen dieser Kinder, und jedes einzelne wird zum Symbol für das individuelle Recht auf Menschenwürde, und jedes einzelne Kind ist selbst ein literarischer Held mit individuellen Charakterzügen und individuellem Schicksal.

An Hand der Einzelschicksale zeigt Cankar die verschiedensten sozialen Zustände in Wiener Familien, wie Armut, Wohlstandsverwahrlosung, sexueller Mißbrauch, Brutalität, Vergewaltigung, die letztlich die Ursache der Erkrankung waren. Cankar greift also eine extreme Situation heraus, in der das Kind auf den ersten Blick alles Kindliche verloren hat, alles was ein Kind ausmacht, was ihm auch in der schlechtesten sozialen Situation wenigstens einen Schein von Kindsein erlauben könnte, denn es ist körperlich verkrüppelt, unheilbar krank, dem Tod geweiht, in einem Zimmer eines Krankenhauses siecht es dem Tod entgegen. Die Existenz dieser Kinder ist bis zu einem totalen, grauenhaften Ausmaß vernichtet, und diese Kinder wissen es. Cankar bechreibt den gesellschaftsbedingten Hintergrund und seine Folgen mit brutaler Offenheit, um aber dann symbolisch den Wert der Dinge zu verwandeln. All das Häßliche, Tragische verliert seine Bedeutung, denn jedes dieser Mädchen erlebt die Welt, in der es nun lebt, in einer neuen Dimension, in einer fast schon transzendenten Vollkommenheit, aus der das ehemalige Leben ausgeschlossen ist. Indem das alte Leben, das Leben draußen, für die Kinder jede Bedeutung verliert, erhalten sie ihre Menschenwürde zurück. Das Leben, das sie einst erlebten und erlitten, ist nur der Schein der Wirklichkeit und es ist draußen, außerhalb des Krankenzimmers geblieben ( "...das Rauschen der Stadt, die weit dort, weit jenseits des Lebens lebte..."); ihre Wirklichkeit ist die, die sie sich in ihren Imaginationen selbst schaffen ("... und alle erhoben sich und gingen freudig dem sonnigen Leben entgegen, das jenseits des Todes ist..."). Der Tod hat keine Schrecken, denn hinter dem Tod wartet nicht der christliche Himmel, sondern die höhere Wirklichkeit ("... österlich frohes Lachen über all der herrlichen Landschaft, die jenseits des Todes ist ..."). Cankars soziales Engagement und seine künstlerische Vision lassen ein sprachliches Kunstwerk entstehen, das den Leser, kraft der Magie des Wortes, in den Bann des Wesens Mensch zieht, des Menschen, der das Recht und die Fähigkeit auf seine menschliche Würde auch dann nicht verliert, wenn er an den äußersten Rand seiner Existenz gedrängt wird; und dieser Mensch ist ein Kind. Das Kind als unterdrücktes, hilf- und rechtloses Mitglied der Gesellschaft erhält bei Cankar ein literarisches Denkmal voll tragischer, erschütternder Schönheit. Diese Kinder, denen Cankar ein Denkmal der Menschenwürde setzt, sind Kinder der "Wiener Stadt".

Cankar zeigt uns ein ganz anderes Bild vom Wien der Jahrhundertwende, ein Wien, das wir von den deutschsprachigen Schriftstellern dieser Zeit weniger kennen, die sich der "fröhlichen Apokalypse Wiens" hingaben, wie Hermann Broch es ausdrückte, oder die Karl Kraus als "Kaffeehausdekadenzmoderne" apostrophierte.

Cankar setzt verschiedene sprachliche Stilmittel ein, um sein künstlerisches Anliegen, die "höchste Idee von der Wahrheit", die von der Gesellschaft ein moralisches Verhalten einfordert, auszudrücken . Scheinbar realistische Beschreibungen werden durch symbolistische Kunstgriffe so verändert, daß sie den Leser über seine Sinne ansprechen. Im Einleitungssatz des 1. Kapitels beschreibt er den Korridor, durch den die jüngste Patientin ins Krankenhaus gebracht wird, indem er lautliche, farbliche, räumliche und zeitliche Eindrücke vermittelt; dazu kommen antithetische Darstellungen, wie ein an die Wand geschlagenes Kreuz mit dem nackten und blutigen Körper des Gekreuzigten, der aber aus völlig ruhigen Augen herabblickt; oder es werden Heiligenbilder an den Wänden angesprochen, doch durch die blutrünstige Beschreibung der Bildinhalte verlieren sie ihre Christlichkeit und werden zur eigenen Antithese. Die veristische Beschreibung einer Patientin mit wundoffenen Gesicht, weggefaulten Lippen und nacktem Kieferknochen ist in eine symbolistische Antithese eingebettet, indem diese unerträglich entstellte Figur sanft und ruhig den Gruß "Gelobt sei Jesus Christus" ausspricht.

Die Antithese, ein wesentliches Stilmittel des Symbolismus wird von Cankar in vielfältigen Variationen verwendet.

Dazu kommt, daß die Fabel nicht durchgehend von einem Erzähler erzählt wird, aus dem Leben "vorher" erfahren wir oft durch innere Monologe, Rückerinnerungen oder Träume der Mädchen ("Da war das Leben lächerlich in seinen Faschingsfarben, es lief beschämt davon ..."). Konkret realistisch sind die Szenen, wo das "Leben von draußen" ins Krankenzimmer kommt, das sind sonntags die Besuche der Eltern oder Verwandten. Doch die Besucher sind den Mädchen eher lästig, und sie weinen ihnen nicht nach, wollen gar nicht mehr nach Hause, denn sie haben bereits ihre eigene Wirklichkeit gefunden. Eine Wirklichkeit, die von dem "Leben da draußen" nur gefährdet werden könnte. Cankar symbolisiert dies mit einer Geschichte von einem Kanarienvogel, der zufrieden mit den Mädchen im Krankenzimmer lebt, der jedoch stirbt, als ihn das "Leben von draußen" - die Hand eines Besuchers - ergreifen will. Ein kleiner Spatz aber, den die Mädchen "Anarchist" nennen, symbolisiert jemanden, der die neue Wirklichkeit nicht akzeptieren will, der zurück ins Leben draußen will, und der deshalb stirbt. Auch die Scheinmoral der sogenannten guten Gesellschaft wird pointiert gegeißelt, z.B. in der Figur einer Gräfin, die sonntags im Krankenzimmer aufkreuzt und taktlos lächerliche Almosen verteilt.

In 9 Kapiteln führt Cankar den Leser durch das Leben dieser 14 Kinder. Passagen aus der Wirklichkeit, die sie jetzt im Krankenhaus leben, wechseln ab mit Rückblenden in ihr Leben draußen, bevor sie ins Krankenhaus kamen. Dabei werden die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse des damaligen Wien in ihrer Vielfalt veristisch geschildert (feuchte Vorstadtwohnungen, Arbeiter als Bettgeher, Alkoholismus, Prostitution aus sozialer Not, reiche Bürger, die ihre Dienstmädchen oder Kinder sexuell mißbrauchen, eheliche Scheinmoral, ...). Eine ganze Palette menschlichen Fehlverhaltens, die von den gegebenen Gesellschaftsverhältnissen bedingt und genährt wird, und die letztlich die Ursache für die Krankheit der Kinder ist, wird gezeichnet. Doch durch diese Krankheit sind die Kinder diesem Leben in der gegebenen Gesellschaft entkommen, dieses Leben ist draußen geblieben und sie wollen dorthin nicht mehr zurück, nicht einmal zu Weihnachten. Sie haben eine neue Wirklichkeit gefunden, in der körperliche Schmerzen nicht zählen, sondern nur die Hoffnung auf eine andere Dimension.

"Dort ist der Himmel klar, unendlich, alles ist ganz ruhig, ungeschändet; dort breiten sich grüne Wiesen, bunte Gärten ins Unermeßliche ...".

Doch diese Botschaft wollte man nicht hören, das Buch erfuhr erbitterte Kritik, sowohl von der liberalen, als auch von der klerikalen Seite (wie so viele Werke Cankars). Die Kritiker sprachen Cankar das Recht ab, das Publikum mit dem "Häßlichen" zu konfrontieren, sprachen dem Künstler das Recht ab, Dinge zu sehen , die es offiziell nicht geben durfte, einige nahmen es ihm übel, daß er ein nichtslowenisches Sujet verwendet hatte.(6) Und Cankars Antwort auf diese exzessiv bösartige Kritik war seine Novelle "Gospa Judit"(7), die ein Jahr später erschien. Er antwortete seinen Kritikern einmal ganz konkret im poetischen Vorwort mit einer subtil satirisch-zynischen Polemik auf die Gesellschaft und ihren Handlangern, den Literaturkritikern. Ganzheitlich aber lag die Antwort darin, daß er mit der "Gospa Judit" eine Frau zur literarischen Heldin machte, deren Charakter sich durch kompromißlose Wahrheitsliebe und Moral auszeichnete, die aber nach den gängigen gesellschaftlichen Auffassungen als Ehebrecherin und Hure zu klassifizieren gewesen wäre.

Zur Autorin

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Anmerkungen:                                                                           Auswahl: Werke Ivan Cankars

(1) M. Jähnichen, Zur Frage des sozialen Engagements im Symbolismus. In: Obdobja 4/1 Ljubljana 1983, S. 115-125; I. Cesar, Na krizišcu realizma in simbolizma. In: Obdobja 4/2 Ljubljana 1983, S. 155-183.

(2) A. Goljevšcek, Mit v slovenski ljudski pesmi. Ljubljana 1982, S. 32-65.

(3) So wurden z.B. die Schulen im slowenischen Sprachgebiet Kärnten, die 1864/65 noch Slowenisch als Unterrichtssprache hatten, nach 1867 alle utraquisiert. Die Unterrichtssprache bestimmte nämlich der Schulerhalter und nicht die Eltern. Vgl. J. Pleterski in: Die Habsburger Monarchie 1848 - 1918. III/2.Wien 1980, S. 805.

(4) Janko Pleterski, Die Slowenen. In: Die Habsburger Monarchie 1848 -1918. Band III. Die Völker des Reiches. 2. Teil. Wien 1980, S. 801-838.

(5) Der in Frage stehende Roman heißt in der deutschen Übersetzung: "Das Haus der Barmherzigkeit". Klagenfurt/Celovec 1996 (DRAVA Verlag), der slowenische Originaltitel lautet: Hiša Marije Pomocnice. Ljubljana 1904. Der deutschen Übersetzung von Erwin Köstler liegt Band XI (1971) der kritischen Gesamtausgabe in 30 Bänden zugrunde: Ivan Cankar, Zbrano delo I-30 Ljubljana 1967–1976, erschienen in der Reihe “Zbrana dela slovenskih pesnikov in pisateljev” (Die gesammelten Werke der slowenischen Dichter und Schriftsteller), die vom Verlag “Drzavna salozba Slovenije v Ljubljana” veranstaltet wurde und zu einem der großen nationalen Kulturprojekte in Slowenien gehörte. Der Chefredakteur der 30-bändigen Cankar-Ausgabe war Anton Ocvirk, die einzelnen Bände mit einem jeweils umfassenden Anmerkungsapparat waren einzelnen Wissenschaftlern anvertraut, die alle jeweils im Impressum auf der letzten Seite genannt sind; den 12. Band, in dem der Roman “Hiša Marije Pomocnice”, “Das Haus der Barmherzigkeit" abgedruckt ist, bearbeitete Janko Kos.

(6) Die Kritiken sind abgedruckt in: Ivan Cankar, Zbrano delo XI. Ljubljana 1972, S. 304-319.

(7) Ivan Cankar, Zbrano delo XII. Ljubljana 1970, S. 7-100.


Auswahl: Werke Ivan Cankars in Übersetzung

Aus dem Gesamtwerk Ivan Cankars wurden bisher eine Auswahl an Kurzerzählungen, Novellen und ein Roman von Erwin Köstler ins Deutsche übersetzt und vom DRAVA Verlag Klagenfurt/Celovec in sechs Bänden herausgegeben:

- Vor dem Ziel, Literarische Skizzen aus Wien. 1994 (Kurzerzählungen).
- Pavliceks Krone - Literarische Skizzen aus Wien. 1995 (Kurzerzählungen).
- Das Haus der Bamherzigkeit. 1996 (Roman).
- Aus fremden Leben. Erzählungen und Novellen. 1997.
- Traumbilder. Erzählungen und Novellen. 1998.
- Nina - Kurent. Zwei Erzählungen. 1999.


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